internationaler Frauenkampftag in Hamburg

SoL-Hamburg 08.03.2011 23:31 Themen: Gender
Heute fand zum 100jährigen Bestehen des internationalen Frauenkampftages eine Demonstratioin in Hamburg statt.
Die Demo war ziemlich bunt und von vorwiegend MigrantInnen besucht. Insgesamt werden es knapp unter 500 Leute gewesen sein. Das alles zusammen ist ziemlich erfreulich im Vergleich zum letzten Jahr.
Hier einige Fotoimpressionen und der Redebeitrag von uns.


Genossinnen und Genossen!

Der Kampf um die Befreiung der Frau ist lang und hat viele Erfolge getragen. Auch wenn gesellschaftliche Gleichheit noch lange nicht besteht.
Hier in Deutschland werden Frauen in den allermeisten Fällen nicht mehr durch Gesetze unterdrückt, besitzen politische Mündigkeit, und sind vor dem Gesetz gleichgestellt.
Glauben wir dem bürgerlichen Mainstream aus Illustrierten, Lebensratgebern, und Co., ist die moderne Frau außerdem selbstbestimmt und unabhängig, und wenn sie ihr Leben geschickt organisiert, gelingt es ihr, Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen.

Diese Entwicklung zum Bild einer angeblich befreiten, europäischen Frau wurde und wird im Kapitalismus unter anderem dazu benutzt, Angriffskriege gegen angeblich rückständige Kulturen zu rechtfertigen, um sie "in die Zivilisation zu bomben".

Damit heute imperialistische Kriege um Öl, Absatzmärkte und Handelswege mit der Befreiung der Frau legitimierbar sind, bedurfte es einem Imagewandel des Nahen und Mittleren Ostens.
Während der Orient früher vorallem als exotisch, wild und aufregend dargestellt wurde, so ist er heute meistens arm, zurückgeblieben, unterentwickelt und ganz besonders aggresiv, gefährlich und unberechenbar.

Aus der verrucht-erotischen, Frau des Orients, musste heute, eine von dem Mann, ihrer Familie, und der Scharia unterdrückte Frau werden, die es zu befreien gilt.

Doch wenn angebliche Befreier in Afghanistan, wie im Januar, 14-jährige zu Tode vergewaltigen
und wenn zur Steinigung bei Ehebruch noch Bomben bei Hochzeiten kommen, sind dies nicht die idealen Bedingungen für afghanische Frauen, um für ihre Selbstbestimmung zu kämpfen.

Wie befreit und selbstbestimmt hingegen die Frauen im sogenannten Westen tatsächlich leben, definiert sich eben nicht vor allem darüber, ob hier 12jährige mit hotpants und bauchfrei rumlaufen, während sie Germanys Next Topmodel nacheifern, oder darüber, ob frau sich den Zeitpunkt selbst aussuchen kann, zu dem sie den Spagat zwischen unbezahlter Haus- und schlecht bezahlter Lohnarbeit auf sich nimmt.

Unterdrückung und Rollenbilder bestehen in unserer Gesellschaft weiter, sie werden nicht allein per Gesetzeserlass aufgehoben.

Während Mädchen schon früh vermittelt wird, dass sie mit ihren Reizen arbeiten sollen um den Männern zu gefallen wird Jungs täglich demonstriert, dass Frauen käuflich sind.
Schon fast jedes Produkt wurde zu verkaufen versucht, indem man es, nach dem Motto "Sex sells" von einer halbnackten Frau präsentieren ließ. Und das Hier im Kapitalismus der alles und jede den Gesetzen seiner Verwertungslogik unterwirft - auch die Frau.

Die vorgelebten klassischen Rollenbilder bereiten uns früh auf unsere zukünftige Rolle in Familie und Gesellschaft vor. Ihnen entsprechend, ist die Reproduktionsarbeit meist immer noch die Aufgabe der Frau. Diese Rollenbilder lassen sich nicht durch Gleichstellungsbeauftragte abschaffen, und erst recht nicht, durch obendrein niedrig entlohnte Reproduktionarbeit in Kita, Krankenpflege und Altersheim, die nach wie vor in der Mehrzahl von Frauen erledigt wird.

Allein eine konsequent vergesellschaftete Erziehung kann der systematischen Benachteiligung der Frau eine Ende bereiten.

Denn die Aufteilung in bezahlte Warenproduktion und unbezahlte Reproduktion ist dem Kapitalismus immanent und die Unterdrückung der Frau untrennbar verknüpft mit dem Eigentum an Produktionsmitteln.

Das seit Jahrtausenden bestehende Patriarchat begann mit der Entstehung des Eigentums, das die Unterdrückung der Frau durch Monogamie und Familie hervorbrachte. Und es wird nicht enden bevor nicht auch das Eigentum abgeschafft sein wird.
Deshalb gilt es heute, in internationaler Solidarität, kämpfende Frauen überall auf der Welt zu unterstützen, in ihrem Kampf um Befreiung, Befreiung vom Patriarchat, und Befreiung von Krieg und Besatzung.

Und deshalb gilt es heute auch, die Errungenschaften der letzten 100 Jahre vor dem aktuellen feministischen Rollback in Deutschland zu verteidigen.

Schon vor 100 Jahren wussten es die Genossinnen, die den ersten Frauenkampftag begingen: Der Kapitalismus schafft sich mit sexistischer Ideologie eine weitere Möglichkeit der Spaltung.

Darum: Keine Befreiung der Frau ohne revolutionäre Perspektive!
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Ergänzungen

klärungsbedarf

Rönni 10.03.2011 - 10:48
"Das seit Jahrtausenden bestehende Patriarchat begann mit der Entstehung des Eigentums, das die Unterdrückung der Frau durch Monogamie und Familie hervorbrachte."

Quellen? Auf welche (kultur-)anthropologischen Theoretiker_innen wird hier Bezug genommen?
Wir sind uns ja alle einig, dass weiblich definierte Menschen es seit Jahrtausenden in diversen Gesellschaften mehr als schwer hatten, aber es sollte nicht der Fehler begangen werden, unsachlich zu werden. Da wird mensch verdammt schnell in eine unseriöse Ecke gedrängt und das kann wahrlich nicht Ziel einer sich emanzipatorisch gebenden Bewegung sein.

@schon lange geklärt

Rönni 12.03.2011 - 12:49
Eine 150 Jahre alte politische Schrift als anthropologisch-wissenschaftliche Expertise zu verstehen offenbart einiges an Sinn für Abenteuer...
Ich warte dann mal weiter. Bis dahin halte ich diese Aussage für Kokolores.

Ganz klar hat der Kapitalismus den eh schon vorhandenen Sexismus der westlichen Gesellschaft seiner Verwertungslogik einverleibt und ihn transformiert, aber dass Sexismus aus einem scheinbaren Zusammenhang aus Eigentum (nebenbei begreift doch bitte erstmal den Unterschied zwischen Eigentum und Besitz) und Monogamie geboren sei, ist absolut hanebüchen. Wäre aber nicht das erste Mal, dass sich die Forderung nach Aufhebung verbindlicher Paarbeziehungen als Argument verkleidet. Machts doch wie ihr wollt, aber macht keine politische Agenda draus!

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himmel hilf — emanzipation...

genau! — phase2

aha — kommunist