Afghanistan: Demo gegen US Militaerbases

Internationalist 06.03.2011 11:22 Themen: Militarismus Weltweit
Diesen Sonntag, 6.3.2011, um 10 Uhr fand in Kabul eine Demonstration statt gegen die (dauerhaften) militaerischen Stuetzpunkte der USA in Afghanistan, die als Sklavenkette beschrieben werden. Mehreren hundert Menschen haben teilgenommen und sind lautstark mit vielen Parolen und kurzen Reden mit Megafon durch die alten Marktstrassen der Stadt gelaufen. Am Ende wurde ein Puppe von Obama verbrannt.
Es gab einen direkten Bezug auf die Aufstaende in Nordafrika/Mittlerer Osten.
Auf Transparenten und Schilder war zu lesen: "No to Occuation - No US/NATO Military Bases in Afghanistan", "Neither Occupation, nor Taliban and Fundamentalism - a free, democratic and just Afghanistan", "Permanent US Military Bases = Permanent Slavery of Afghan People", "Down with USA, the guardian and master of ruling mafia in Afghanistan", "US military bases will only serve Afghan criminals, drug dealers, and terrorists".
Es gab einen direkten Bezug auf die Aufstaende in Nordafrika/Mittlerer Osten, sowohl im Aufruf, als auch auf Plakaten, beispielsweise war zu lesen: "We send salutations to brave people of Tunisia, Egypt, Iran, Lybia, Yaman etc. for their heroic uprising against tyranny!"

Im Aufruf steht: "Those who cite the estabishment of the US military bases in the country as a guarantee for "freedom and democracy" are the recruits elements who are used to have foreign supporters, otherwise they will be forgotten forever as a result of the people's uprising, just like their brothers Zainul Abidin, Mubarak and Qaddai." "The historical uprising of people in several Arab countries is not only against government authorities who have fabulous lives at the costs of cruelty and imposing poverty on the people, but also against the presence of the US military bases in the Arab countries and the influence of Israel in the region. President Obama's administration must realize the fact that alongside the voices of the courageous people of Egypt, Bahrain, Yemen and other Arab countries for democracy that has struck at the foundations of his government and other governments under the US domination, our people will also not stay calm against him and his Afghan counterparts for establishing military bases in Afghanistan. Mr. Obama's administration that could not prevent the uprising of masses in the Arab world will also not be able to stop the uprising of the suffered Afghan nation in the future." (Solidarity Party of Afghanistn, 6. March 2011, Kabul, Afghanistan, www.hambastagi.org,  info@hambastagi.org, 0093 700 231 590)


Aufgerufen hatte Hezbe-Hambastagi, Solidaritätspartei Afghanistan (www.hambastagi.org). Anlass waren ISAF-Luftbombardierungen in der Provinz Kunar, im Osten Afghanistans, wo innerhalb einer Woche zuerst 50 Zivilisten und dann 9 Kinder getoetet wurden. Routinemaessig wurden die zivilen Opfer durch das dort eingesetzte US-Militär abgestritten. Es gaebe nur tote Taliban.

Zum gleichen Zeitpunkt tritt ein US-Offizier auf einer Konferenz zu „Human Security“ in Kabul auf und betont, dass sie gewöhnlich Terroristen festnehmen ohne auch nur einen Schuss abzugeben und dass sie bemüht seien Frauen und Kinder zu beschützen. Mit dem Nachsatz: „However this is a war. Sometimes violence and damage occur.“

Das Vertrauen in die „international community“, einschließlich des ISAF-Militärs, und in die Regierung in Kabul ist äußerst gering. Es klappt eine große Lücke zwischen den einfachen Menschen an der gesellschaftlichen Basis und der Regierung, was gegenwärtig als Stabilitätsproblem u.a. vom Sicherheitsberater Karzais erkannt wurde: „We need the trust of the people of Afghanistan. We need to bridge the gap between the people and the government. The government cannot function: We need the people's support to reach the goals of peace and reintegration [of Taliban].“ (28.02.2011, Rede auf einer Konferenz zu „Civic Action and Human Security“) Er verweist hierbei auf den Beschluss des Lissaboner NATO-Gipfels Ende 2010, nach dem die Afghanische Regierung in Zukunft selber für Sicherheit sorgen soll.

Sowohl von sozialen/zivilgesellschaftlichen Aktivisten als auch von politisch engagierten Linken ist vernehmbar, dass ein Aufstand wie in Ägypten und den anderen arabischen Ländern wünschenswert wäre. Gleichzeitig wird erklärt, dass die Situation hier nicht vergleichbar ist, die Voraussetzungen in der Bevölkerung fehlen. Die Menschen sind müde von drei Jahrzehnten Krieg. Es fehlt die Hoffnung. Die erwartete Repression würde sie derzeit zu hart treffen. Auch sitzt die Frustration tief, dass nach dem Rauswurf der letzten Besatzungstruppen, damals der Sowjetunion, kein Raum für konstruktive Neugestaltung und Selbstbestimmung geöffnet wurde, sondern kurz darauf die verheerende Zeit des Krieges um Vorherrschaft zwischen den verschiedenen Warlords/ fundamentalistischen Mujaheddin ausbrach (1992-96). Im Anschluss konnten sich die Taliban als Ordnungsmacht durchsetzen.

Trotz aller Schwierigkeiten und Bedrohungen gibt es radikal-kritische Stimmen und Aktivitäten in Afghanistan:
Von der feministischen, im Untergrund arbeitenden Frauenorganisation RAWA (Revolutionary Association of Women of Afghanistan) gibt es online (www.rawa.org) gesammelte Nachrichten (News Archive), geschichtliche Hintergründe der Frauenorganisierung, aktuelle Informationen zur Frauenunterdrückung und vor allem radikal-feministische Statements zu aktuellen Entwicklungen oder beispielsweise zum Internationalen Frauentag, 8. März.
Die Opfer und Hinterbliebenen der Verbrechen haben sich organisiert nachdem 2006 das Amnestiegesetz für die in den vergangenen Kriegsphasen begangenen Verbrechen gegen Menschenrechte und die Menschlichkeit vom Parlament verabschiedet wurde. Sie fordern Gerechtigkeit durch Dokumentation und Denkmäler, aber vor allem auch durch Strafverfolgung der Verantwortlichen – die wieder gesellschaftliche Machtpositionen in Regierung, Parlament, als Governeure, in Justiz, Polizei, Geheimdiensten etc. besetzen. Kurz vor der Regierungs-Peace-Jirga, die die Taliban für politische Verhandlungen gewinnen wollte statt einen Prozess von Transitional Justice einzuleiten, haben die Opfer-Organisationen eine Victims-Jirga durchgeführt (Mai 2010), persönliche Zeugenaussagen gesammelt und gemeinsam erarbeitet, was Frieden und Gerechtigkeit für sie bedeuten. Jedes Jahr am 10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, findet eine Demonstration mit den Forderungen der Opfer und Hinterbliebenen statt. Diese schließen die Verfolgung gegenwärtigen Verbrechen, auch durch ISAF-Militär, mit ein.
Herausragend sind die zahlreichen Demonstrationen, die von Hezbe-Hambastagi, Solidaritätspartei Afghanistans, organisiert werden. Hezbe-Hambastagi steht in der Tradition radikal-linker Organisierung seit den Studentenprotesten und Arbeiterstreiks in den 60er und 70er Jahren. Diese linke Opposition strebte unter der pro-sowjetischen Regierung und SU-Besatzung weiter eine Basisverankerung von revolutionären Prozessen (vor allem in den Dörfern) an. Sie stellten sich sowohl den Sozialimperialismus der SU als auch die Unmenschlichkeit der PDP-Regierung (Peoples Democratic Party), die tausende auch linker und feministischer KritikerInnen verhaftete und folterte, entgegegen. Mit der neuen Regierung Karzai (nach der Intervention der USA und seiner Verbündeten) fand eine Neuformierung als eine Plattform statt, die neben Linken auch Demokraten und auch religiöse Menschen bis hin zu Mullahs einbezieht. Islam wird anerkannt und respektiert, aber ein Säkularismus angestrebt. Wichtige Ziele sind die Schaffung einer „wirklichen“ Demokratie, Frauenrechte, soziale Gerechtigkeit und Gerechtigkeit für die in den letzten Jahrzehnten begangenen Menschenrechts-Verbrechen. Sie streben nach einer Überwindung der Trennungen nach ethnischen Zuordnungen. In Hezbe-Hambastagi sind Menschen aus allen Bevölkerungsgruppen – Hazara, Paschtunen, Usbeken, Tatjiken, u.a. - organisiert, Männer wie Frauen. Hezbe-Hambastagi erreicht vor allem auch die jungen Menschen. Die zahlreichen Demonstrationen, bei denen u.a. auch Farbeier gegen die Iranische Botschaft flogen und Fahnen verbrannt wurden, sollen auch vermitteln, dass es möglich ist, etwas zu tun und gemeinsam Stärke zu entwickeln. Es wird als notwendig gesehen, in einem allmählichen Prozess, die Menschen an der Basis zu vereinen und eine mögliche Stärke und Hoffnung zu entwickeln.

Die von Hezbe-Hambastagie organisierten, zahlreichen Demos haben verschiedene Anlässe. Sehr oft geht es gegen die Hinrichtungen im Iran. Am 29.01.2011 wurden gleichzeitig in vier afghanischen Städten Demos durchgeführt, um gegen die Hinrichtungen und das repressive fundamentalistische Regime im Iran zu demonstrieren. Sie solidarisieren sich mit den Freiheitsbewegungen im Iran. Um an die Vorbilder des antikolonialen Kampfes gegen den Versuch britischer Kolonialmachtnahme zu erinnern, wurde zum Unabhängigkeitstag eine Demo in Jallalabad organisiert (19.08.2010). Die zivilen Opfer von ISAF-Luftangriffen waren auch in 2010 bereits Anlass für mindestens eine Demonstration am 1. August. Diese richtet sich gegen die Besatzungstruppen und gegen die Karzai-Regierung, die als deren ausführendes Organ bzw. Puppe angesehen wird. Wenn die Truppen nur Schaden bringen und keinerlei Verbesserungen, wie sich zunehmend mehr bestätigt, sollten sie das Land besser schnell verlassen. „Nine years back, Afghanistan was attacked militarily in the name of “liberation”, “human rights” and “democracy”, but during this period, they didn’t have any other gift for our unfortunate people rather than massacre; destruction; corruption and poverty; nourishing Mafioso; assisting warlordism and terrorism; provoking hostilities amongst races, ethnicities and religions; incredible production of narcotics and so on. Throughout the devilish game of America in our country in name of “war against terrorism”, tens of thousands of our innocent people were killed during their blind and brutish bombardments.“ (Demoaufruf 1.08.2010, www.hambastagi.org) „Our party has strong position against occupant forces of America and NATO and wants their urgent withdrawal from our country.“ (Statement 16.01.2011, www.hambastagi.org) „We ask the individuals and forces supporting independence, freedom and democracy, to gather and struggle and enlighten people at different possible levels and defend the integrity and independence of the country by rising slogan of “No to Taliban, no to aged government of Karzai and her foreign supporters, the power should be in the hand of Afghan people!” (Demoaufruf 1.08.2011)
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Ergänzungen

mmh

eher nachdenklich 06.03.2011 - 12:27
Der Wunsch der Menschen die militärische Präsenz verschwinden zu lassen ist legitim und auch notwendig.
Ich frage mich trotzdem ob es die Menschen in Zukunft alleine schaffen die Taliban davon abzuhalten ihre kranke Gottesstaatscheiße durchzuziehen.
Diese Demos, in denen sich Frauen überhaupt offen auf der Straße und ihre Meinung zeigen können sind erst möglich geworden mit dem Eingreifen der Koalitionskräfte.
Diese Möglichkeit steht allerdings auf einem Berg voll Leichen, das darf man natürlich nicht vergessen.

hat der gute bush fein gemacht

frieden gebracht 07.03.2011 - 02:40
ja klar, der westen ist derbe cool und transportiert aus menschenliebe frieden und iphones in die welt, damit es allen menschen gut geht. vielleicht einmal ein bisschen weiter denken wer die taliban überhaupt aufgebaut und mit waffen ausgerüstet hat?

lies lieber mal hier:  http://3a.blogsport.de/mandatsverlaengerung/

Hintergrundinfos

informer 07.03.2011 - 19:01

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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