In den Köpfen Grassierte die Gewalt

Hans Müller 01.03.2011 19:59 Themen: Antifa Medien
Studentenverbindungen sehen sich bedroht: Laut einer Erhebung des Convents deutscher Akademikerverbände seien 2010 besonders viele „Gewalttaten“ gegen Angehörige studentischer Verbindungen verübt worden. Im Angesicht „eskalierender Gewalt“ werde „der Tod von Korporierten [...] billigend in Kauf genommen“
Mitglieder von studentischen Verbindungen leben in einer sehr feindseligen Welt – zumindest nach ihrer persönlichen Wahrnehmung. Nicht zum ersten Mal beklagt sich der „Convent deutscher Akademikerverbände“(CDA), ein übergeordneter Dachverband nahezu aller studentischen Verbindungen Deutschlands, über die Gewalt mit der sich die Verbände konfrontiert sehen. Doch nun gibt es zum ersten mal eine statistische Erhebung [1], durchgeführt von Frank Grobe, einem Mitglied der Burschenschaft Teutonia Aachen. Diese lässt sich nach einem Artikel der Frankfurter Rundschau etwa so zusammenfassen: „Die ganze Welt hat sich gegen Studentenverbindungen verschworen.“ Und: „Alle sind böse. Vor allem die Linken.“[2]. In der Tat berichtet die Erhebung „Gewalt gegen Korporationen – Eine Dokumentation über das Jahr 2010“ in höchst tendenziöser und ungenauer Weise über angebliche Gewalttaten gegen Korporierte aller Schattierungen.

Linke, die Antifa und überhaupt

Schwere Brandstiftung, Hausfriedensbruch, Gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung und üble Nachrede: Ein bunter Strauß angeblicher Straftaten wird vom Autor zusammengefasst, um ein Bild über die grassierende Gewalt gegen Korporierte entstehen zu lassen. Dies geht so weit, dass behauptet wird, der Tod von Korporierten werde billigend in Kauf genommen. Im Kontext dieses beinahe apokalyptischen Szenarios wird die Frage des „akademischen Selbstschutzes“ aufgeworfen, da „Das Vertrauen in Polizei und Justiz schwindet“. Ein Verband wie der CDA, der beinahe gebetsmühlenartig betont, auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen, stellt also den Rechtsstaat in Frage. Doch welch fürchterliche Gewalttaten treiben die Korporierten zu solchen Aussagen? Und wer sind die vermeintlichen Täter? Zumindest Letzteres liegt auf der Hand: Antifa, Anarchisten, Linke. Kurzum alle, die als politische Gegner begriffen werden. Doch fast immer fehlt eine Grundlage für die Beschuldigung. Und oft handelt es sich nicht einmal um Straftaten.

CSI Burschenschaft

Zunächst ist bemerkenswert, dass bei nahezu allen dokumentierten Vorfällen ein politischer Hintergrund nahezu automatisch unterstellt wird. Zu Beginn wird konstatiert, dass bei keinem der insgesamt 102 Vorfälle ein Gerichtsverfahren eröffnet wurde. Viele wurden erst gar nicht zur Anzeige gebracht. Trotzdem waren es fast immer „Die Antifa“ oder „Linke“, welche als Täter bezichtigt werden. Woher diese Information stammt, bleibt meist schleierhaft: So wurden an einigen Autoreifen von Mitgliedern der Burschenschaft Suevia Leipzig zu Köln (NDB) Holzschrauben eingedreht, um die Luft entweichen zu lassen. Reißerisch wird behauptet, es handle sich um so etwas wie versuchte Tötung: „Die Täter nahmen den Tod der Insassen des KFZ billigend in Kauf“. Die Täter sind offenbar unbekannt, eine Anzeige wurde nicht gestellt. Dennoch handelt es sich um eine angeblich „politisch motivierte Tat“, Täter: „Antifa“. Doch nicht nur die Antifa wird diffamiert. Auch Einzelpersonen bekommen ihr Fett weg. So ist laut der Erhebung eine namentlich genannte Frauenbeauftragte eines Fachbereichs für Sozialwissenschaften verantwortlich für Flaschenwürfe gegen die Haustür einer Verbindung. Doch auch in diesem Fall gab es kein Gerichtsverfahren, keinen Sachschaden, nicht einmal eine Anzeige. Die Informationen über die angebliche Täterin stammen von nebulös bleibenden „Dritten“.

„Täter differenzieren nicht“

Natürlich besitzen einige der aufgeführten Taten vermutlich tatsächlich einen politischen Hintergrund. Dies bestätigt sich auch dadurch, dass der überwiegende Teil der Angriffe auf Verbindungen der besonders weit rechts stehenden, völkischen Deutschen Burschenschaft verübt wurden, gefolgt vom Coburger Convent, der politisch zumindest ähnlich eingeordnet werden kann [3]. Betroffen waren also vor allem Angehörige zweier völkischer Dachverbände. Beispielhaft steht die Burschenschaft Germania Marburg, die ein Redaktionstreffen des rechten Onlineportals „Blaue Narzisse“ beherbergte, welches von der „Antifa“ (die Angabe entstammt der behandelten Erhebung und kann daher nicht unbedingt als stichhaltig bezeichnet werden) offenbar angegriffen worden. Über die Blaue Narzisse bietet ein Youtube-Video [4] Aufschluss, in welchem der BN-Autor Christoph Rothämel seine Angst vor der „Überfremdung“ und seine Einstellung zu „Mitteldeutschland“ zum Besten gibt. Doch nach wie vor sieht sich der CDA nicht veranlasst, beispielsweise die DB aus seinen Reihen auszuschließen. Indes sind die deutschnationalen Verbindungen natürlich allesamt bloße Opfer, die von nichts wissen. Doch wie ein Artikel auf Indymedia [5] berichtet, stellen die Studentenverbindungen – auch was Gewalttaten angeht – nach wie vor ein gewisses Bedrohungspotenzial dar.

Die Erhebung passt gut in den Kontext der politischen Strategie studentischer Verbindungen, den politischen Gegner als „extremistisch“ darzustellen und sich selbst als Opfer von Gewalt zu inszenieren. Beispiele hierfür gibt es zuhauf. Der damalige Pressesprecher des Coburger Convent, Rüdiger Franz, beharrte so zum Beispiel während einer Podiumsdiskussion 2010 mit CC-Gegnern auf seiner Meinung, lediglich die Gegenseite sei "extremistisch", was auch immer das bedeuten mag [6].

Alles in allem hätte wohl aber niemand gedacht, dass der Rechenschaftsbericht linksradikaler Korporationskritik derart amateurhaft ausfällt -Von einem Akademikerverband hätten sich die meisten sicher mehr erwartet.

+++ Fußnoten +++
[1]  http://www.akademikerverbaende.de/files/110128_pk_statistik_studie_gewalt_gegen_korporatio.pdf
[2]  http://www.fr-online.de/frankfurt/alle-sind-boese/-/1472798/7133194/-/index.html
[3]  http://coburgerconvent.blogsport.de/2011/01/12/gute-verbindungen/
[4]  http://www.youtube.com/watch?v=sxPcc5qNYBk
[5]  http://de.indymedia.org/2011/02/301056.shtml
[6]  http://www.youtube.com/watch?v=bSWj71y6aW0
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R 02.03.2011 - 13:37
"Auch Einzelpersonen bekommen ihr Fett weg. So ist laut der Erhebung eine namentlich genannte Frauenbeauftragte eines Fachbereichs für Sozialwissenschaften verantwortlich für Flaschenwürfe gegen die Haustür einer Verbindung. Doch auch in diesem Fall gab es kein Gerichtsverfahren, keinen Sachschaden, nicht einmal eine Anzeige. Die Informationen über die angebliche Täterin stammen von nebulös bleibenden „Dritten“.
"

Betreffende Person könnte Anzeige wegen übler Nachrede stellen. Ohne jetzt Vertrauen in Staat und Justiz zu propagieren, wäre das sicherlich eine Möglichkeit die Thematik für die Massenmedien in einer Art aufzuarbeiten, dass sich die Verbindungen damit nur blamieren.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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War ja klar — Daniel Z.

Die Verbindungen der Verbindungen — quod erat demonstrandum

Alles easy,ey — Der Untertan

heinrich — mann