SL: OLG verurteilt Antimilitaristin

egal 27.02.2011 00:17 Themen: Militarismus Repression SiKo München
Bis zu 14 000 Euro soll eine Friedensaktivistin an die DB Netz zahlen, weil sie sich im Februar 2008 in Ohrstedt/ Nordfriesland an die Bahnschienen gekettet hatte, um auf die Militärtransporte der Bahn und die sog. „Auslandseinsätze“ der Bundeswehr aufmerksam zu machen. Ihr Protest richtete sich grundsätzlich gegen die Existenz der Bundeswehr, also einer Institution, die Menschen zum Töten abrichtet. Richter William verkündete heute die Entscheidung des Gerichts, die Aktivistin sei dem Grunde nach schadensersatzpflichtig.
Link zur Aktion 2008, mit Aktions-Video:  http://www.husuma.dragseths-gasthof.de/index.php?aktion=thema_anzeigen&print=&menue_id=176
Der heutige Tag begann mit einem satirischen Straßentheater. AktivistInnen hatten sich als Freundeskreis Bundeswehrbahn mit Sekt und Smoking vor dem Gericht und in der Innenstadt Schleswigs positioniert, um die bevorstehende Verurteilung zu feiern und darauf anzustoßen, dass nun endlich „Freie Bahn für Militär- und Waffentransporte“ bestehe. Die Urteilsverkündung wurde wieder von der schleswig-holsteinischen Justizsondereinheit MEG (einer Anti-Terror-Einsatzgruppe) bewacht. Dementsprechend kam es auch an diesem Verhandlungstag wieder zu rabiaten Eingangskontrollen und willkürlichen Rauswürfen.
( Tolle Portrait-Fotos der MEG-GewalttäterInnentruppe finden sich übrigens auf Seite 20 dieser Broschüre:  http://www.schleswig-holstein.de/cae/servlet/contentblob/973194/publicationFile/taetigkeitsbericht2010.pdf )

Nachdem bereits im vergangenen Jahr das Landgericht in Flensburg gegen die Friedensaktivistin entschieden und sie für dem Grunde nach schadensersatzpflichtig erklärt hatte, ging die Betroffene in Berufung. „Nach wie vor halte ich es nicht für möglich, mit
Kriegsflugzeugen und Panzern gegen Hunger und Dürre zu kämpfen. Die Ursachen vieler Konflikte liegen in einer zutiefst ungerechten Weltwirtschaftsordnung, die wenige profitieren und viele bluten lässt. Genau das sichert die Bundeswehr ab und dagegen wehre ich mich mit
kreativen Aktionen. Dass ich dafür dann vor Gericht lande, ist zwar anstrengend und nicht erfreulich, aber auch nicht überraschend, denn Gerichte sind dazu da, Zustände wie sie sind zu erhalten und möglichen Widerstand gegen herrschende Verhältnisse zu erschweren.“
Erster Prozess in Flensburg:  http://www.husuma.dragseths-gasthof.de/index.php?aktion=thema_anzeigen&print=&menue_id=176

Juristisch von Belang war in der Auseinandersetzung vor allem die Frage, ob die Bahn als Staats-Unternehmen an das Grundgesetz gebunden sei und somit die Aktion als Versammlung hätte behandeln und rechtmäßig auflösen müssen. Eine Versammlungsauflösung hat es im vorliegenden Fall nie gegeben. Vor dem Hintergrund der erst wenige Tage alten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kommt dieser Frage noch einmal mehr Bedeutung zu. In einem Fall einer Demonstration am Frankfurter Flughafen hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am vergangenen Dienstag, 22. Februar 2011, entschieden: „Von der öffentlichen Hand beherrschte gemischtwirtschaftliche Unternehmen in Privatrechtsform unterliegen ebenso wie im Alleineigentum des Staates stehende öffentliche Unternehmen, die in den Formen des Privatrechts organisiert sind, einer unmittelbaren Grundrechtsbindung.“

Das Oberlandesgericht Schleswig hatte in der mündlichen Verhandlung Anfang des Monats eine gegensätzliche Rechtsauffassung vertreten. In Anbetracht des Karlsruher Urteils beantragte der Anwalt der Aktivistin daher eine Aufhebung des Urteilstermins und die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Diesem Antrag kam das Gericht nicht nach,
sondern verkündete, ohne ausreichend auf die vorgebrachten Argumente einzugehen, das Urteil.

Nach dem Prozess ließ Richter William es sich nicht nehmen, sich noch einmal ordentlich lächerlich zu machen. Nachdem er das Gebäude verließ, wurde er von PassantInnen im ruhigen, sachlichen Ton auf seine Entscheidung und dem Widerspruch zum Bundesverfassungsgericht angesprochen. Außerdem baten ihn Umstehende zu erklären, warum er auf verschiedenen Paragrafen des Gerichtsverfassungsgesetz bezüglich der Verhandlung keinerlei Rücksicht genommen habe. Die Nachfragen zu seinen Ausflüchten („Sie können sich ja wehren!“ - das sagt ein Mann, der es nötig hat, sich im Gericht hinter Panzerglasscheibe und 20 bewaffneten, uniformierten staatlich bezahlten Gewalttätern zu verstecken...) kommentierte er mit einem unsouveränen Ausraster. Mit einer Anzeige wegen Nötigung drohend stürmte er zurück ins Gericht, um sich mit bewaffneten Geleitschutz abgesichert vor kritischen, ihm argumentativ überlegen PassantInnen durch die Hintertür zum Auto geleiten zu lassen.

Die Prozesse um die Gleisblockade sind damit noch nicht vorbei. Die norddeutsche Justiz verfolgt noch drei weietre AktivistInnen wegen angeblicher Beihilfe, und der auch als Militärdienstleister tätige multinationale Dienstleistungs-schrottreif-Privatisierungskonzern
Veolia fordert Schadensersatz für Schienenersatzverkehr. Mehr Infos zur Schadensersatzforderung durch Veolia:  http://www.veolia.nirgendwo.info

Vorheriger Prozesstag:
 http://de.indymedia.org/2011/02/299640.shtml

Spendenkonto zur Unterstützung der angeklagten AntimilitaristInnen:

BLZ:217 500 00 KTN 111 026 274 Stichwort Gleisblockade.

Medien-Echo:

sh:z:  http://www.shz.de/nachrichten/top-thema/article//demonstrantin-muss-fuer-gleisblockade-zahlen.html?antwort=6dXDnYQgwwyZRCjfVxxcxFdDoFF3idPHi616t3m1rIENpB_2CntUgw..&user_dimpagecomments_pi1[showComments]=1&user_dimpagecomments_pi1[success]=1#CommentForm

taz:  http://www.taz.de/1/zukunft/umwelt/artikel/1/14000-euro-fuer-naechtliche-gleisblockade/ (mit genauso widerlich sozialrassistischen Kommentaren wie beim sh:z)

legal tribune:  http://www.lto.de/de/html/nachrichten/2634/schleswig_holsteinisches_olg_demonstrantin_muss_kosten_fuer_gleisblockade_tragen/
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

wg dem Richter

ich 28.02.2011 - 16:43
Den letzten Absatz über den Richter finde ich albern. Er mag sich ja lächerlich gemacht haben mit dem Geleitschutz, aber ob er seinen Disskussionspartnern argumentativ unterlegen gewesen ist, sei mal dahin gestellt. Diese Aussage ist ja meistens bei Disskussionen problematisch, aber in diesem Fall ist der Befund ja nun eindeutig parteiisch.
Das das Urteil zum Versammlungsgesetz des Bundesverfássungsgesetz letzter Woche hier ncht greift. liegt eigentlich klar auf der Hand. Dies Urteil im Bezug von Demonstrationen auch auf Grundstücken von Staatfirmen gilt explizit nicht für den gesicherten Abflugsbereich und für das Fugfeld, sondern nur für den öffentlich zugänglichen Bereich im Terminal. Analog heiss dies ja wohl eindeutig, das jetzt zwar Demonstrationen in einer Bahnhofshalle erlaubt sind, aber bestimmt nicht auf Gleisanlagen, die ja einer ähnlichen Sixherheitsrelevanz unterliegen wie das Rollfeld eines Flughafens.

@ egal

ich 01.03.2011 - 00:32
Ist der Gleisübergang geöffnet, ist das öffentlicher Raum, auf dem auch eine Demonstration stattfinden darf, in dem Sinne, das eine Demonstration über die Gleise verlaufen kann. ich habe auch schon vor dem BVG-Urteil an solchen Demos teilgenommen.
Ist der Gleisübergang durch Schranken geschlossen, ist wohl auch klar, das er dann einem Sicherheitsbereich entspricht wie das Rollfeld eines Flughafens und der Sicherheitsaspekt hher zu bewerten ist als die Versammlungsfreiheit.
Wird auf einem Gleisübergang eine dauerhafte Versammlung angemeldet, ist das natürlich ein Fall, der zwischen diesen eindeutigen Situationen liegt. Ich befürchte aber, das wird wohl eher so beurteilt werden, das auch in diesem Fall die Sicherheitslage das Versammlungsrecht schlägt und so eine Versammlung nicht genehmigt werden wird.

Namen MEG

egal 04.03.2011 - 01:00
Die eingesetzten Beamt_innen des MEG waren wohl nicht besonders erfreut ob der Tatsache, dass im oben verlinkten Tätigkeitsbericht ein Foto in guter Auflösung mit den Namen der MEG-Beamt_innen zu finden war. Der Tätigkeitsbericht des OLG wurde daraufhin offline genommen, die Namen sind verschwunden und der Bericht ist nun wieder einsehbar. Falls sich Menschen weiterhin für die Namen der besonnen-professionellen-Anti-Terroreinheit interessieren, hier ein Bildschirmfoto mit den Namen.

Richter williams

egal 06.03.2011 - 21:23
Und hier noch Bilder von Richter Wiliams und der im Text beschriebenen Situation:

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 2 Kommentare an

ei ei ei — anarcho

@ ich — egal