NBG: Erster Prozesstag gegen Neonazischläger

SoKomm 18.02.2011 01:22 Themen: Antifa Repression
Skandal im historischen Saal 600 - Die schlimmsten Befürchtungen des
Soli-Kommitees haben sich übertroffen: Gericht lässt Saal unter Einsatz
von unverhältnismäßiger Gewalt räumen, um bayerischer Nazi-Szene freie
Plätze zu schaffen!
Mehrere Verletzte Prozessbeobachter_Innen durch Einsatzkräfte der
Polizei. Der Umgang der Justiz mit den anwesenden Neonazi ist skandalös und tritt den Schutz des Opfers mit Füßen.
Heute um 9:00 begann im Saal 600 des Nürnberger Schwurgerichts der
Prozess gegen den Fürther Neonazi-Schläger Peter Rausch. Der Prozess
wurde von extremen Sicherheitsmaßnahmen und einem dementsprechend hohen Aufgebot an polizeilichen Einsatzkräften umrahmt.
Die Nürnberger Justiz ließ der Aufruf des Soli-Komitees, keine Nazis in den Gerichtssaal zu lassen kalt, so fanden sich ca. 30
Nationalsozialisten im Gerichtssaal ein, ein "who-is-who" der bayrischen Naziszene. Diese wurden gesammelt von der Polizei in den Gerichtssaal geleitet, blockierten absichtlich einige Sitzplätze, sodass der Gerichtssaal für überfüllt erklärt wurde und 50 solidarische Prozessbeobachter_innen vor der Tür bleiben mussten. Der Vater des Geschädigten sowie ein weiterer Angehöriger der Familie mussten lange auf Einlass warten.
Nach verlesen der Anklageschrift räumte der Angeklagte Peter Rausch ein Teilgeständnis ein, in dem er zugab, das Opfer geschlagen, nicht aber getreten zu haben. Des weiteren kündigte er an, sich bei dem Opfer zu entschuldigen, da er nach der langen Zeit in Untersuchungshaft "einen Sinneswandel durchlaufen" hätte. Die Anwesenheit der bayrischen Nazigrößen im Gerichtssaal konterkariert dieses Aussage geradezu. In diesem Zusammenhang verlas das Gericht in Auszügen einen Brief, den Peter Rausch im Juli 2010 aus der Haft an einen Kameraden geschrieben hatte. Der Inhalt dieses Briefes lässt keinen Zweifel daran, dass Rausch weder von Reue geplagt wird, noch irgendeine Art der Schuldeinsicht hatte.
Als erster Zeuge wurde der Geschädigte vernommen. Dieser berichtete kurz und sachlich über seinen Aufenthalt im Krankenhaus, sowie die
Operationen die er über sich ergehen lassen musste. Weiter Fragen konnte der Geschädigte nicht beantworten, da er durch den Angriff immer noch Gedächtnislücken hat. Ebenso sagte er aus, dass er infolge des Übergriffs nachwievor an Schmerzen im Bein leide. Deshalb konnte er seine Ausbildung nicht weiterführen.
Die zweite Zeugin war die Freundin des Täters. Sie gab den Ablauf der
Geschehnisse teilweise widersprüchlich wieder, was auch daran liegen
könnte, dass gegen sie in der selben Sache noch eine Anzeige wegen
versuchter Strafvereitlung anhängig hat. Nachdem die Befragung der
Zeugin abgeschlossen war, verkündete der Richter eine Mittagspause von
anderthalb Stunden.
Nach Ende der Mittagspause betraten die solidarischen
Prozessbeobachter_innen wieder den Gerichtssaal und füllten alle
Zuschauer_innenplätze. Der Neonazitross betrat mit einiger Verspätung
den Gerichtsaal und sah sich damit konfrontiert, dass sie wohl keinen
Platz in der Verhandlung finden würden.
Kurz darauf bedrängte einer der Neonazis eine ältere Angehörige des
Tatopfers. Zwei Frauen, die auf diesen Zwischenfall aufmerksam machten, griff derselbe Nazi brutal an. Hierdurch kam es zu einem kurzen Tumult, den die Nazis nutzten, um Prozessbeobachter anzugreifen und zu bedrohen.
Eine der angegriffenen Frauen musste die Verletzungen, die ihr durch den
Nationalsozialisten zugefügt worden waren, im Krankenhaus behandeln
lassen. Eine Sprecherin des „Soli-Komitee gegen Rechts“ sagt zum
heutigen Tag: „ Wir verurteilen den Umgang der Polizei und der Justiz
mit den Neonazis im Gerichtssaal aufs Schärfste! Es kann nicht sein,
dass es Neonazis möglich ist, im historischen Saal 600, Menschen mit
körperlicher Gewalt zu verletzen, während gleichzeitig die Einsatzkräfte des USK Menschen, die sich mit den Opfern von Nazigewalt solidarisieren, derart zugerichtet werden, dass sie stark blutende Verletzungen davon tragen.
Nach Aufforderung durch die Polizei verließen die Nazis, die zuvor
Menschen im Saal angegriffen hatten, mit ihren Kameraden geschlossen den Gerichtssaal. Der Prozess hätte nach diesem Zeitpunkt im nunmehr ruhigen Sitzungsraum weitergehen können.
Doch der vorsitzende Richter wollte die pöbelnden Neonazis, die kurz
zuvor mehrere Körperverletzungen begangen hatten, offenbar unbedingt als Zuschauer im Saal haben.
Vor der Verhandlungspause hatte der Richter etliche Menschen nicht mehr in den Saal 600 gelassen, obwohl knapp zwanzig zu diesem Zeitpunkt im Gerichtssaal anwesende Nazis teilweise zu fünft eine Bank besetzten, statt zu acht wie die anderen Prozesszuschauer.
Nach dem Abzug der Nazis forderte nun der Vorsitzende vom Publikum auf
den gut gefüllten Zuschauerbänken, zusammenzurücken und drei Bänke
freizumachen, da auch "die andere Szene" in den Saal müsse, da sonst
„die Öffentlichkeit nicht hergestellt sei“.
Als die anwesenden Menschen keine Anstalten machten, die Plätze zu
räumen, die der Richter für Nationalsozialisten reserviert sehen wollte, setzte dieser die Polizei gegen das Prozesspublikum ein: Er ließ die Beamten willkürlich und unter massivem Gewalteinsatz Zuschauerinnen und Zuschauer (darunter etliche Migrant_Innen) von drei Bänken wegzerren und aus dem Saal prügeln.
Vom Saal 600 bis zum Eingang im Erdgeschoss waren anschließend
Blutflecken auf dem Boden zu sehen. Als der Vater des Opfers vor dem
Gerichtsgebäude sah, wie ein Beamter des „USK“ einen Prozessbeobachter
im Schwitzkasten hielt, forderte er den Beamten auf den jungen Mann los zulassen, da dieser bereits verletzt war. Der Beamte des USK erwiderte darauf, dass der Vater des Opfers „das Maul halten“ solle, da ihm sonst „ähnliches blühe“.
Die Sprecherin des „Soli-Komitees gegen Rechts“ äußert sich hierzu wie
folgt: „Dieses Vorgehen ist für uns unerträglich. Wir werden uns vom
repressiven Verhalten der Polizei nicht einschüchtern, noch in „gute“
und „böse“ Prozessbeobachter_innen spalten lassen. Wir rufen weiterhin
alle Personen, die sich solidarisch mit dem Opfer zeigen möchten, dazu
auf, sich kritisch am Prozessverlauf zu beteiligen.“
Nach einer kurzen Unterbrechung wurden alle Zuschauer wieder in den Saal gelassen, die Neonazis blieben diesem jedoch fern. Im folgenden wurden noch vier weiter Zeug_innen gehört, von denen hauptsächlich ein
Servicemitarbeiter der VAG das Geschehen erhellen konnte. Dieser hatte
sich in die Schlägerei eingemischt und das Tatopfer aus der U-Bahn
gebracht. Der Zeuge konnte aussagen, dass Peter Rausch das Opfer trat,
als dieses wehrlos auf dem Boden lag. Der Zeuge konnte sehr detailiert
über die Geschehnisse berichten, da er in seiner alten Heimat als
Kripobeamter gearbeitet hatte.
Der Richter beendete den Prozesstag gegen 17:00 Uhr mit dem Vermerk,
dass die folgenden Verhandlungstage in einem kleineren Saal (619)
stattfinden werden, da nach den heutigen Geschehnissen die Sicherheit im Gerichtssaal nicht mehr garantiert werden kann.

Das "Soli-Komitee gegen Rechts" wird natürlich die weiteren
Verhandlungstage kritisch begleiten. Für Rückfragen stehen wir gerne zur
Verfügung. Gerne können sie uns unter 0157 81 533 779 anrufen.
Der nächste Verhandlungstag gegen Peter Rausch findet am Dienstag, den
22. Februar ab 9:00 im Saal 619 stattfinden.
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Ergänzungen

Richter Richard Caspar

Grünes Krokodil 18.02.2011 - 15:11
Richard Caspar, der Vorsitzende Richter und Präsident des Schwurgerichts, hat vor gut einem Monat einen anderen "U-Bahn Schläger" zu sieben Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Der hieß allerdings nicht Peter, sondern Minas und hatte keinen Nazi-Hintergrund sondern war laut Staatsanwaltschaft psychisch labil. Dass Richard Caspar es für nötig hält Leute mit nationalsozialistischer Gesinnung in seinem Gerichtssaal zu haben, auch wenn die vorher Zuschauerinnen angegriffen haben ist schon megaskandalös. Versucht mal, in einen vollbesetzten Gerichtsaal zu kommen mit der Begründung, darin sitze noch kein Kommunist/Anarchist/Zeuge Jehovas/...
Wird dann der Vorsitzende Prozessbesucher von der Polizei aus dem Saal prügeln lassen, um euch Platz zu verschaffen? Dabei hinkt der Vergleich natürlich auch noch.

Rauschs Anwalt Axel Graemer (SPD) beklagte sich der Presse gegenüber, sein Privathaus und seine Kanzlei in Erlangen seien kürzlich von einem Kommando "Blaues Wunder" mit blauer Farbe versehen worden. Anwalt Graemer macht nicht einfach seinen Job, sondern versucht bei jeder Gelegenheit, den politischen Hintergrund seines Mandanten nicht zum Thema werden zu lassen und thematisiert gleichzeitig den Hintergrund des Tatopfers - wegen dessen antifaschistischer Einstellung. Also Privatgeschichte für den Täter, Extremismusquatsch für das Opfer. Der Mann saß für die SPD im Erlanger Stadtrat.

Audio: Neonazi in Nürnberg vor Gericht

Radio Z 18.02.2011 - 22:26
Im April 2010 prügelte der Neonazi Peter R. im U-Bahnhof Plärrer einen damals 17-Jährigen halb tot. Der Jugendliche musste mehrmals wiederbelebt werden und lag mehrere Tage im künstlichen Koma. Vom 17. Februar bis Anfang März findet nun der Prozess gegen Peter R. wegen versuchten Totschlags vor dem Nürnberger Landgericht statt.

Teil 1: Bericht vom Vormittag des Prozesstags

Tumultartige Szenen spielten sich nach der Mittagspause im Nürnberger Gerichtssaal ab, wo für den Nachmittags weitere ZeugInnenbefragungen geplant waren:

Teil 2: Interview mit Prozessbeobachter zum Nachmittag


Anhören:  http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=39126

BR-Online berichtet:

Presse 19.02.2011 - 10:25
U-Bahn-Schläger-Prozess in anderem Saal

Während des Prozesses um einen mutmaßlichen U-Bahn-Schläger aus der rechtsextremen Szene war es im Landgericht Nürnberg-Fürth am Donnerstag (17.02.11) zu Ausschreitungen gekommen. Um die Lage besser unter Kontrolle zu halten, soll der Prozess in deinem kleineren Raum fortgesetzt werden.

Der neue Saal biete weniger Zuschauern Platz, teilte ein Gerichtssprecher am Freitag mit. Zudem stünden dort die Zuschauerbänke weniger dicht gestaffelt als im Schwurgerichtssaal 600. "Damit lässt sich die Lage besser unter Kontrolle bringen", fügte der Sprecher hinzu. "Es geht darum, dass man bei Tumulten Störer gesondert raus bringen kann". Der Prozess um versuchten Totschlag soll am kommenden Dienstag (22.02.11) fortgesetzt werden. Am ersten Prozesstag waren rechte und linke Zuhörer aufeinander losgegangen, die Verhandlung musste daraufhin unterbrochen und der Saal geräumt werden.

Die Linken wollten nach einer Verhandlungspause verhindern, dass Angehörige der rechten Szene wieder in den Zuschauerraum kommen. Einige von ihnen stiegen auf die Bänke, riefen Parolen wie "Nazis raus" und beleidigten Justizbeamte. Die Polizei, die mit einer Hundertschaft im und vor dem Gerichtssaal für Ordnung sorgte, griff zunächst nicht ein. Als der Vorsitzende Richter den Saal betrat, war seine Stimme selbst über die Mikrofonanlage nicht zu hören.
Einrichtung beschädigt

Nach 20 Minuten beschloss der Vorsitzende, den Saal räumen zu lassen. Teilweise musste die Polizei auch Gewalt anwenden, da einige Zuschauer der Linken-Szene den Saal nicht verlassen wollten. Augenzeugenberichten zufolge wurden bei den Auseinandersetzungen im historischen Saal 600 des Nürnberger Justizgebäudes zwei Zuhörerbänke aus den Verankerungen gerissen und mehrere Türen beschädigt.

Nachspiel für die Beteiligten
Verletzt wurde bei dem Zwischenfall niemand. Allerdings wird die Sache für viele Beteiligte noch ein Nachspiel haben. Die Polizei hat etliche Personalien aufgenommen und wertet in den kommenden Tagen angefertigte Videoaufzeichnungen aus. Eine junge Frau muss mit einer Anzeige rechnen, weil sie einen Justizbeamten als Nazi bezeichnet hatte. Die Verhandlung wurde nach einer knappen Stunde wieder fortgesetzt. Zuhörer waren wieder zugelassen.

Teilgeständnis des Angeklagten
Vor dem Zwischenfall hatte der 24-Jährige aus Fürth eine Rangelei im U-Bahnhof Plärrer eingeräumt. Er bestritt jedoch vor Gericht, gegen den Kopf des Opfers getreten zu haben. Vielmehr habe er ihm einen Faustschlag ins Gesicht verpasst. Er gab zu, aktives Mitglied der rechten Szene zu sein. Der 24-Jährige entschuldigte sich vor Gericht für die Tat. Er habe nicht gewusst, welche schlimmen Folgen diese Schlägerei haben könnte.

Opfer kann sich nicht erinnern
Die Verletzungen, die der 17-Jährige bei der Schlägerei erlitten hat, waren lebensgefährlich. Er lag eine Woche lang im Koma, wurde mehrere Wochen intensivmedizinisch versorgt und acht Mal operiert. Das Opfer gab vor Gericht an, noch heute an den Folgen der Tat leidet. Er habe Schmerzen, könne keinen Sport treiben und müsse psychologisch betreut werden. Das Opfer kann sich an die Tat selbst nicht mehr erinnern, ihm fehlen zwei Wochen in seinem Gedächtnis, gab er in seiner Aussage an.

Abfällige Bemerkung
Er sei Mitglied der linken Szene und könne sich eine Bemerkung über die Tasche der Freundin des Angeklagten vorstellen. Genau jene Bauchtasche mit der Aufschrift "Thor-Steinar", einer beliebten Marke in der rechten Szene, soll Auslöser für den Streit gewesen sein. Nach einer abfälligen Bemerkung des 17-Jährigen über die Tasche, die von der Freundin des Angeklagten getragen wurde, soll der 24-Jährige seinem Opfer unvermittelt mit der Faust ins Gesicht geschlagen und mit dem Fuß in den Bauch getreten haben, so der Vorwurf.

Opfer fiel ins Koma
Daraufhin entwickelte sich offenbar eine wenige Sekunden dauernde Schlägerei. Als das Opfer am Boden lag, soll der Angeklagte ihm mit dem Schuh schließlich mit voller Wucht ins Gesicht getreten haben, so die Staatsanwaltschaft. Der Jugendliche wurde lebensgefährlich verletzt und musste noch am U-Bahnhof wiederbelebt werden. Der Kampfsportler war nach der Tat zunächst geflüchtet, stellte sich einen Tag später aber selbst der Polizei.

Stimmung in Linkenszene aufgeheizt
Um die Täterschaft des 24-Jährigen zu beweisen, will die Staatsanwaltschaft 25 Zeugen und zwei Sachverständige aufbieten. Auch ein Überwachungsvideo vom Tatort wird als Beweismittel herangezogen. Der mutmaßliche Täter gilt als Mitglied der Neonazi-Szene. Wegen des anscheinend politischen Hintergrunds der Tat ist die Stimmung in der örtlichen Linkenszene aufgeheizt. Zahlreiche Vertreter aus dem linksautonomen Spektrum verfolgten den Prozessauftakt. Für den Prozess sind fünf Termine angesetzt.
U-Bahn-Schläger Prozesse

Erst vor einem Monat ging ein Prozess wegen einer U-Bahn-Schlägerei in Nürnberg zu Ende. Damals war ein 25-Jähriger zu sieben Jahren haft verurteilt worden, weil er nach Auffassung des Gerichts im Dezember 2009 in der U-Bahn-Station Nürnberg-Langwasser betrunken auf einen Passanten losgegangen war und ihn brutal zusammengeschlagen hatte.

Quelle:  http://www.br-online.de/studio-franken/aktuelles-aus-franken/landgericht-nuernberg-fuerth-u-bahn-schlaeger-ID1297920473659.xml

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