Rote Flora: Vertrag von Investor mit Stadt

newsboard 10.02.2011 16:32 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe
Der Zeitung "Die Welt" liegen nun erstmals die Verträge der Stadt mit dem Investor im Detail vor. In einem Artikel mit dem Titel "Der Streit kocht wieder hoch" wurden einige Punkte veröffentlicht und ein Zusammenhang zu den Auseinandersetzungen im Zusammenhang der Liebig 14 Räumung hergestellt. Vor 10 Jahren wurde dir Rote Flora in Hamburg von der Stadt an einen Privatinvestor verkauft. Im Vorfeld hatte das Projekt Vertragsverhandlungen und eine Legalisierung abgelehnt und sich auf eine mögliche Räumung vorbereitet. Da diese in der Öffentlichkeit nicht durchsetzbar erschien, entzog sich die Stadt durch das Mittel der Privatisierung des Konfliktes der politischen Verantwortung. Bisher waren lediglich einige Details aus einer Senatsanfrage zu den Verträgen um die Rote Flora bekannt.
Zur Vorgeschichte: Die Rote Flora ist seit 1989 besetzt und hat keine Verträge. Strom, Wasser und ähnliche Betriebskosten werden für das Projekt von einem Förderverein solidarischer Menschen getragen. Der Vertrag von Kretschmer mit der Stadt hatte bisher keine Bedeutung für die Nutzer_innen. Es fanden keine Gespräche oder Verhandlungen statt und der Investor hat bis heute Hausverbot. Die Flora erklärte zur Vertragsunterzeichnung, sie sehe keine Änderung des besetzten Status Quo.

Im Gegensatz zu vielen anderen Projekten, geht es der Flora also nicht darum Verträge zu erkämpfen oder das Gebäude selbst zu erwerben. Stattdessen steht eine gesellschaftliche Frage im Vordergrund. Es wird eingefordert, dass Freiräume wie die Flora jenseits ökonomischer Verwertungsmechanismen überhaupt möglich sind. Die Stadt, wird dabei als öffentlicher Raum begriffen, der sich im Gegensatz zu Standortinteressen über die Verdichtung der Unterschiedlichkeiten ihrer Bewohner_innen gestaltet. Die Flora wird in diesem Sinne nicht als Kampf um eine Nische verstanden, sondern als Ausgangspunkt einer Auseinandersetzung um Begriffe von Gesellschaft. Eine Befriedung im herrschenden Sinne ist im Projekt ebenso wenig erwünscht, wie ein Rückzug auf die Frage der Nutzung allein. Vielmehr will es ein Störfaktor sein und das eigene Gewicht in aktuelle Diskurse werfen.
 http://de.indymedia.org/2010/09/289844.shtml


Vereinbartes "Stillschweigen" um Akte 2001:00631/E/MU

Bei den Verträgen von Kretschmer mit der Stadt geht es nicht um Bedingungen, die direkt mit der Situation Flora zu tun haben, sondern um Fragen die indirekt Bedeutung erlangen. Grundsätzlich decken sich die nun veröffentlichten Teile dabei mit den bisherigen Einschätzungen von Flora Aktivist_innen. Kretschmer darf das Gebäude ab März diesen Jahres ohne Veto der Stadt weiterverkaufen. Hieraus erfolgt eine Änderung für mögliche Investoren, wenn die festgeschriebene Nutzung als Stadtteilzentrum fallen sollte. Dies sieht die Welt umstritten:

"Unter dem Punkt neun sind dort "Bebauung und Nutzungsbindung" geregelt. Darin verpflichtet sich der Käufer, alle auf dem Grundstück befindlichen Gebäude ausschließlich zu gemeinnützigen Zwecken nutzen zu lassen; dabei ist ausdrücklich ein gemeinnütziges Stadtteilzentrum genannt. In der unter Punkt zehn geregelten "Übertragung und Weiterveräußerung des Grundstücks" ist festgehalten, dass innerhalb von zehn Jahren der Käufer nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung der Stadt seine Rechte an dem Vertrag abtreten kann. Das gilt auch für den Verkauf von bestehenden Teilen oder von einer zusätzlichen Bebauung. In der später unter der Überschrift "Übertragung von Verpflichtungen auf Rechtsnachfolger" heißt es: "Der Käufer verpflichtet sich, seine Rechtsnachfolge die Verpflichtung aus den Nrn. 9 bis 13 dieses Vertrages aufzuerlegen und den Rechtsnachfolger entsprechend zu verpflichten." Rechtsexperten gehen davon aus, dass dieser Passus lediglich für einen Verkauf innerhalb der zehnjährigen "Bestandsgarantie" für die Rote Flora gilt. Sollte Kretschmer bald an Privat verkaufen, könnte im Extremfall der neue Besitzer eine polizeiliche Räumung einklagen - massive Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Aktivisten wären die Folge."
 http://www.welt.de/print/die_welt/hamburg/article12453659/Rote-Flora-Der-Streit-kocht-wieder-hoch.html

An anderer Stelle wird eine Verbindung zu den Demonstrationen und Sachbeschädigungen in Hamburg nach der Liebig 14 Räumung hergestellt. Im Rahmen von mehreren Spontandemonstrationen wurden teilweise Polizeibeamte verscheucht, kleinere Barrikaden errichtet und die Fenster mehrerer Banken und Boutiquen demoliert. "Wir werden unsere Wut weiter auf die Straße tragen und den Mächtigen schon mal einen kleinen Vorgeschmack auf das, was im Falle eines Angriffs auf die Flora passieren würde, geben", wird als O-Ton der Schanzenszene zitiert. Das diese Auseinandersetzungen nicht nur wie üblich auf St. Pauli, in der Schanze oder Altona stattfanden, sondern mitten in der City und sogar das Hamburger Rathaus beworfen wurde, dürfte durchaus Aufmerksamkeit bei den politisch Verantwortlichen hervorgerufen haben.
 http://de.indymedia.org/2011/02/299670.shtml


"Ich würds so lassen..."

Die SPD welche die anstehenden Wahlen gewinnen wird, will laut Welt die Rote Flora solle als "Kontrapunkt" und "Gegenort" erhalten "wenn auch natürlich ohne gewalttätige Begleiterscheinungen". Wie dies zu deuten ist bleibt offen. Stadtentwicklungsexperte Andy Grote, der bis vor kurzem noch öffentlich Verständnis für Kretschmers Interessen formulierte und die Flora als isoliert im Stadtteil bezeichnete, hat sich jüngst im Radio auf die Frage "Und was würde Grote in Sachen „Roten Flora“ befürworten? " - geantwortet - „Dass sich nichts ändert“. Ob dies Konzepte jenseits einer Räumung oder eben doch eine polizeiliche Lösung meint - und einfach nur den Kopf einzuziehen um am anschließenden Krawall nicht Schuld zu sein - bleibt offen.
 http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/laenderreport/1377152/

Nicht von ungefähr erinnert die Formulierung an den Slogan der Flora Festspielwoche "Ich würds so lassen" erinnert. Im Rahmen dieser Festspielwoche fanden Solidaritätsveranstaltungen zur Flora mit Bands und DJs aus dem Umfeld von not in our name statt. In einer Erklärung die von vielen Künstler_innen und anderen Sympathisanten bisher unteryeichnet wurde, wird formuliert:
"Die Rote Flora ist besetzt. Sie ist und bleibt das große, schmutzige, unverkäufliche Monster, das sich eben nicht als „Katalysator“ oder „Inkubator“ für ein „kreatives Milieu“ einfangen lässt, wie sich es die ganz Fortschrittlichen unter den Stadtentwicklungspolitikern erträumen. Die Typen von der CDU würden sie ohnehin am liebsten räumen lassen – und mancher von der SPD wohl auch. Doch das sollten sie besser nicht versuchen. Wer immer mit dem alten Gemäuer am Schulterblatt spekulieren, damit dealen oder es räumen lassen will, bekommt es mit uns zu tun." Auch in der Politik ist also angekommen, dass die Rote Flora kein isoliertes "Ufo im Stadtteil", sondern ein politischer Faktor in der Diskussion um Recht auf Stadt ist.
 http://www.buback.de/iwsl/


Vom Ungdomshuset zur Flora

Die kommenden Auseinandersetzungen werden sich wie im Fall des Ungdomshuset in Kopenhagen an der Frage festmachen, ob die Stadt sich neoliberalen Konzepten folgend aus diesem Konflikt heraushält oder politische Verantwortung übernimmt. Die Flora selbst hat immer wieder formuliert, sie sehe sich nicht in erster Linie im Konflikt mit einem Privatinvestor, sondern mit der Stadtentwicklung und dem Senat. Privatisierungen sind ein gängiges Konfliktlösungsmodell in allen möglichen sozialen und städtischen Bereichen. Die Flora wendet sich gegen solche Privatisierungen als Versuch gesellschaftliche Fragen über die Frage des Eigentums abzuwickeln. Die Privatisierung von Krankenhausbetrieben, um im Rahmen einer Rationalisierung mögliche Streiks und Arbeitskämpfen im Konflikt mit der Stadt verhindern, folgt der gleichen Logik wie der Verkauf der Flora an Kretschmer. Ob es dem Senat möglich ist sich aus der politischen Verantwortlichkeit zu stehlen wird daher ein wesentlicher Punkt der Verhinderung einer Räumung sein. Nicht um Frieden herzustellen, sondern um den Konflikt dort auszutragen wo er hingehört. In der Kritik der Verhältnisse, der Frage wie Stadt auszusehen hat, als Prozess selbstbestimmter Aneignung.
 http://www.nadir.org/nadir/initiativ/roteflora/news/20100029.html


Vollversammlung und Tag der offenen Tür

Wie-mit welchen Strategien-wo politisch interveniert werden soll, ist dabei noch Gegenstand der Diskussion. Am 24.2. findet in der Roten Flora eine Vollversammlung zur aktuellen Situation und zu einer Kampagne für das Projekt statt. Am darauf folgenden Sonntag wird es einen Tag der offenen Tür mit Veranstaltungen und Führungen durch das Gebäude statt. Klar ist jedenfalls die Nutzer_innen werden das Gebäude nicht freiwillig verlassen und die Frage um die Zukunft der Flora zu einer Frage um die Zukunft des Lebens in den Städten machen. So wird derzeit auch noch nicht geplant, wo welche Barrikaden in der Schanze errichtet werden werden, sondern wie sich das Projekt sich in Hamburg und überregional zum Teil der aktueller Auseinandersetzungen und Proteste macht und diese durch die eigene Situation befördern kann.


Ganz oder gar nicht!

Realpolitische Forderungen nach niedrigen Mieten oder nach der Entkriminalisierung von Hausbesetzungen liegen dabei ebenso nahe, wie Kampagnen gegen die Abschaffung des Öffentlichen zugunsten des Privaten, als Teil kapitalistischer Ordnungs- und Umstrukturierungsprozesse. Es geht ums Ganze. Nicht nur für die Flora, sondern auch im Sinne eines Ringens um die Definition und Deutung von Gesellschaft. Während in der Flora vor allem noch diskutiert wird, haben Anwohner_innen auf der gegenüberliegenden Seite des Schulterblattes schon mal ein "Flora bleibt!" Transparent angebracht. Manchmal sind es eben kleine Dinge, die die Vorboten größerer Konflikte werden.
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Ergänzungen

Flora Verteidigen

!!! 10.02.2011 - 17:05
Rote Flora Vertiedigen!

 http://www.youtube.com/watch?v=VZ76VTlR3hk

Flora,Bauwagenplätze und sowieso ALLES BLEIBT

Bambule 11.02.2011 - 01:56

Vollversammlung und Tag der offenen Tür

Berlin - Luise 11.02.2011 - 10:59
Ich finde es sehr gut, dass sich die Flora versucht offen zu präsentieren und auf diese Art und Weise auch mit der Nachbarschaft in Kontakt und Kommunikation zu treten. Die Flora wird nur zu verteidigen sein, wenn der Widerstand im ganzen Stadtviertel verankert ist.

Das haben die Projekte in Berlin bisher komplett versäumt. Nicht ohne Grund gingen früher bei Hausräumungen weit mehr als 3000 Leute auf die Straße. Doch in Berlin ist die eigene Szene bzw. Subkultur wichtiger als der Kontakt und die Kommunikation mit den Nachbarn. Da werden alle, die nicht im entsprechenden Szene-Outfit erscheinen erst einmal als Bedrohung wahrgenommen. Dies ist durchaus nachvollziehbar, denn Subkultur definiert sich ja auch über Abgrenzung. Doch dies ist in diesen Konflikten kontraproduktiv.

Denn etwas besseres kann den Bullen garnicht passieren. Wer die Konflikte um die Räumungen wirklich nachhaltig austragen will, der muss sie aus dem Szene-Subkultur-Zusammenhängen lösen. Es muss darum gehen, klar zu machen, dass es kapitalistische und staatliche Konflikte sind und nicht zwischen Polizei und einer Szene und/oder Subkultur.

So lange sich besetzte Häuser als Szene und Subkultur definieren werden wir immer auf verlorenem Posten stehen.

In diesem Sinne: Rote Flora verteidigen - gemeinsam mit allen Menschen im Viertel!

Wofuer wir uns einsetzen

Amsterdammertje 11.02.2011 - 12:13
Obwohl die positionierung von Flora und umfeld in erste linie logisch erscheint (warum den besetzerstatus aufgeben wenn er realpolitisch haltbar ist? Ist er nicht gerade ein auesserts starkes und deutliches symbol mit dem die 'verwertungslogik' erfolgreich unterminiert wird?), bleibt doch die frage ob so eine symbolpolitik nicht letztendlich nach hinten losgeht.

Die lebendigheit einer besetzergruppe (oder bewegung) misst sich zwar auch an der anzahl jahre die besetzte haeuser gehalten werden koennen (wobei hier in NL 'gehalten' vorallem permanent legalisiert bedeutet) aber vorallem an der anzahl erfolgreicher neubesetzungen. Das einzige was mehr oder weniger in diese kathegorie faellt ist das gaengeviertel (ich hoffe das ich mich irre, aber das ist was ich aus diesem und anderen medien so entnehme)

Die frage ist dann ob die Flora in ihrem bleibend besetzten status nicht als eine art feigenblatt gebraucht wird, die dann die besetzergruppe von de notwendigkeit befreit, ihre strukturen und methoden so an zu passen, das neue besetzungen auch in Hamburg wierder moeglich werden.

Auf alle faelle solidaere gruesze aus dem aufstaendischen osten von Amsterdam, festung Europa

Flora blijft, kraken gaat door!

Ich sehe durchaus Unterschiede...

xyz 11.02.2011 - 14:51
... z.B. in der Frage ob die Rechtsnachfolge bindend ist oder nicht. Von Flora Seite hatte man bisher eher formuliert, dass es so gesehen würde. Dies scheint also möglicherweise Gegenstand eines kommenden Rechtsstreites um die Flora zu werden. Der Punkt ist aber auch wichtig in der Frage wie Nutzungsbindungen in der Stadt generell über Weiterverkäufe durch Investoren ausgehebelt werden.

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Rote Flora — egal