Gegen Deutsch als Staatssprache

Anatol Stefanowitsch 10.02.2011 13:41 Themen: Bildung Blogwire Freiräume Kultur Medien
Der Verein Deutsche Sprache und einige Politiker betreiben seit Jahren eine Kampagne, um Deutsch als Staatssprache im Grundgesetz zu verankern. Diese Verankerung ist unsinnig und potenziell schädlich. Mit einer Petition an den Bundestag soll eine grundgesetzliche Festschreibung des Deutschen nun verhindert werden.
Der Verein Deutsche Sprache [1] ist ein sprachpuristischer und kulturprotektionistisch Verein, dessen Hauptanliegen darin besteht, englische Fremdwörter zu bekämpfen. Daneben verfolgt er aber seit vielen Jahren auch das Ziel, den Satz „Die Sprache der Bundesrepublik ist Deutsch“ ins Grundgesetz aufnehmen zu lassen. In den letzten Jahren hat der VDS sich mit einer Reihe prominenter Politiker zusammengetan, sie diese Forderung unterstützen, darunter wichtige Meinungsmacher wie Bundestagspräsident Norbert Lammert und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse. Im Jahr 2008 fasste sogar der CDU-Parteitag einen entsprechenden Beschluss. Es ist also absolut denkbar, dass der VDS sein Anliegen durchsetzen wird.

Der VDS argumentiert immer sehr zurückhaltend [3] und bezieht sich vorrangig auf den Wunsch, die deutsche Sprache durch eine Aufnahme ins Grundgesetz „als Gerüst für bestimmte kulturelle Ausdrucksformen und als ein Grundmerkmal zur Identifikation“ zu würdigen. In öffentlichen Äußerungen machen Vertreter des VDS aber auch deutlich, dass mit der Petition sprachpuristische Motive verfolgt werden (siehe z.B. [4]).

Ende 2010 gewann der VDS mit der Bild-Zeitung ein Medienpartner mit einer großen Macht über die öffentliche Meinung, und die Bild-Zeitung ist weniger zurückhaltend. Sie scheut vor Populismus nicht zurück und schreibt unter Anderem: „Ich will keine Zuwandererfamilien, die sich bis in die dritte Generation weigern, die Sprache des Landes korrekt zu lernen, in dem sie leben!” [5] Das will natürlich niemand, aber tatsächlich gibt es solche Zuwandererfamilien auch gar nicht. Es ist zwar richtig, dass es zum Zeitpunkt der Einschulung Kinder mit Migrationshintergrund gibt, die in ihrer deutschen Sprachentwicklung etwas hinter anderen Kindern liegen, aber diese Kinder holen die Defizite natürlich in kurzer Zeit auf. Indem man so tut, als lebten in Deutschland nennenswerte Zahlen von Menschen, die sich aktiv weigern, Deutsch zu lernen, baut man ein Schreckgespenst auf, um die eigenen Ziele durchzusetzen.

Selbst bei oberflächlichem Nachdenken müsste klar sein, dass man mit dem Grundgesetz weder Lehnwörter bekämpfen, noch Sprachkenntnisse erzwingen kann. Es gibt auch sonst keinen Grund, das Deutsche als Landessprache festzuschreiben, denn vor Gericht und bei Behörden ist die Deutsche Sprache sowieso als Amtssprache festgelegt (siehe z.B. [6], [7]). Eine Grundgesetzänderung hätte also keine unmittelbar notwendigen praktischen Konsequenzen für den Status des Deutschen in der Interaktion zwischen Staat und Gesellschaft. Sie würde aber sehr wohl eine Grundlage für Gesetzesvorhaben wie die Folgenden bieten, die immer wieder von Befürwortern einer verfassungsrechtlich verankerten Staatssprache erwähnt werden:

- Verbote von „Anglizismen“ im öffentlichen Raum (z.B. gefordert von Ministerpräsident Peter Müller [8]);
- Verbote von Migrantensprachen auf Schulhöfen (z.B. gefordert von Bundestagspräsident Norbert Lammert [9]);
- Verdrängung von Migrantensprachen aus dem öffentlichen Raum (z.B. angeregt von Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes [10]).

Außerdem würde eine im Grundgesetz festgeschriebene Staatssprache in die Freiheit der Bundesländer eingreifen, neben dem Deutschen auch andere Amtssprachen zu erlauben. So haben im Kreis Nordfriesland und auf Helgoland neben dem Deutschen auch das Friesische und in Brandenburg und Sachsen das Sorbische den Status einer Amtssprache [6], Schleswig-Holstein gesteht außerdem der dänischsprachigen Minderheit umfassende sprachliche Rechte zu.

In der Gegenpetition „Keine Aufnahme der Deutschen Sprache ins Grundgesetz“ wird der Deutschen Bundestag aufgefordert, sich gegen eine Grundgesetzänderung auszusprechen, weil die deutsche Sprache keinen Schutz braucht, weil die derzeitigen gesetzlichen Regelungen völlig ausreichen und weil eine Festlegung im Grundgesetz ein Signal der Abschottung und der Ausgrenzung wäre [11].

In der Gegenpetition werden also keine politischen Forderungen erhoben und es sollen keine Interessen einzelner Gruppen geschützt werden. Es soll schlicht und einfach der jetzige Zustand beibehalten werden, bei dem das Grundgesetz zur Frage der Landessprache schweigt und amtliche Regelungen dort erfolgen, wo sie hingehören -- in Verwaltungsgesetzen. Bisher haben über 2000 Menschen die Petition mitgezeichnet.

Die Petition kann noch bis zum 3. März 2011 auf der Webseite des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages mitgezeichnet werden:

 https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=15840

Quellen

[1]  http://www.vds-ev.de
[2]  http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2011/33015544_kw02_deutsch_lammert/index.html
[3]  https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=15500
[4]  http://www.dw-world.de/dw/article/0,,6201686,00.html
[5]  http://www.bild.de/BILD/politik/2010/11/06/deutsch-muss-ins-grundgesetz/verweis/verweis,property=Download.doc
[6]  http://www.iaas.uni-bremen.de/sprachblog/2007/03/26/amtssprache-deutsch/
[7]  http://sprachlog.posterous.com/petition-keine-aufnahme-der-deutschen-sprache
[8]  http://www.n24.de/news/newsitem_4248684.html
[9]  http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/union-versuchts-wieder-mit-deutsch/
[10]  http://www.lehrerverband.de/ggdeutsch.htm
[11]  https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=15840
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Ergänzungen

Frage

Entdinglichung 10.02.2011 - 14:23
sind das die Vollpfosten, die "Jackpot" in "Glückstopf" und "Airbag" in "Prallkissen" umbenennen wollen?

Was ist denn mit...

Hangover 10.02.2011 - 14:39
...denn mit den Bayern, Baden, Schwaben, Saxen, Hessen, Saarländern, Friesen etc. etc. Werden die künftig diskreminiert? Denn die können ja allesamt alles außer Deutsch.

Es sind wirklich die Vollpfosten

Foz 10.02.2011 - 15:50
Das sind wirklich die Leute, die alle Anglizismen in deutsche Wörter verwandeln wollen, Straßenfeger statt Blockbuster, Klapprechner statt Laptop und der ganze Quatshc. Wenn die das ins Grundgesetz schreiben, können sie Gesetze erlassen, durch die Behörden und Geschäfte gezwungen werden, nur noch „deutsche“ Wörter zu verwenden. Ich habe das mal mit unterschrieben.

Nachteil für Gerichte

Me-Ti 10.02.2011 - 16:18
Eine Einführung von deutsch als zwingende Amtssprache bringt auch innerhalb des bürgerlichen Systems Nachteile mit sich.

Vor nicht allzulanger Zeit wurde beschlossen, neben deutsch auch englisch als Gerichtssprache zuzulassen. Hintergrund war, daß bei internationalen Geschäftsbeziehungen ein Gerichtsstandort festgelegt werden muß. In der Vergangenheit waren dies meistens britische oder US-amerikanische Gerichte, da bei internationalen Geschäften die Verkehrssprache englisch ist. Dies wurde als Nachteil für den Gerichtsstandort Deutschland erkannt, da ein Gerichtsverfahren ja auch Einnahmen bringt und oftmals deutsches Recht vorteilhaft erscheint.

Würde bei einer Grundgesetzänderung nun deutsch zwingend festgelgt, könnten vor deutschen Gerichten auch keine englischsprachigen Verfahren mehr durchgeführt werden. Offenbar wird dies von den Befürwortern nicht mitgedacht.

Amtssprache Rechtschreibung

LinksSchreiber 10.02.2011 - 19:14
Bevor wir uns darüber Gedanken machen, wäre es sinnvoller hier auf Indymedia das Dudendeutsch als Amtssprache einzuführen. Freude, gebt euch etwas mehr Mühe wenn ihr schon zu diesem Thema euren Senf postet. Übrigends, Deutsch wird nicht nur in Deutschland gesprochen, in der Schweiz und Österreich ebenfalls. Ok, die Dialekte lassen wir mal beiseite.

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Anglizismen — Justin-Pascal