Dresden: Kein Platz in der Altstadt für Protest

ra0105 09.02.2011 15:33 Themen: Antifa
Es hatte sich bereits abgezeichnet. Das Ordnungsamt der Stadt Dresden hat mittels eines Auflagenbescheides antifaschistischen Protest und gedenkkritische Äußerungen aus der Altstadt verbannt. Nur die Versammlungen der JLO, sowie die Menschenkette dürfen, neben Veranstaltungen von Kirchen und einer Kundgebung vor der Synagoge auf der Altstädter Seite der Elbe stattfinden. Pikant: Die Verlegung auf der Neustädter Seite wird mit Sicherheitserwägungen begründet, gleichzeitig ruft die JLO auf ihrer zur "Teilnahme" an der Menschenkette auf. Konsequenzen hatte dies bisher freilich nicht. Aber dies ist nur ein Aspekt in einer Fülle von Ungereimtheiten.
In der Begründung verweist das Ordnungsamt darauf, dass die Vergangenheit gezeigt hätte, dass zahlreiche Anmeldungen seitens der linken Szene, lediglich "strategischen" Charakter gehabt hättenSo heißt es mit Blick auf das letzte Jahr:

Außer einer Kundgebung am Dresdner Hauptbahnhof mit einer über Stunden schwankenden Teilnehmerzahl zwischen 10 und 70 Personen und einer weiteren Kundgebung am Bahnhof Dresden-Mitte mit einer Teilnehmerzahl von ca. 10 Personen waren auf Altstädter Seite keine dem Klientel der genannten 20 Anmeldungen aus dem linken Lager mit der ausschließlichen Thematik des Protestes gegen den JLO-Aufmarsch zurechenbare Versammlungsaktivitäten wahrnehmbar.

Dieses Argument geht fehl, da die angezeigten Versammlungen eben nicht reine "Antinaziveranstaltungen" sind, sondern sich dezidiert auf Täterspuren beziehen. Und von diesen liegen einige in einem Gebiet, welches für die JLO aufgrund der sächsischen Versammlungsrechtes, sowieso nicht zugänglich ist. "Rein strategische" Anmeldungen sind dies also nicht. Aber selbst wenn es so wäre: Es waren Dresdner Behörden, die nötigenfalls auch mittels Polizeigewalt durchsetzten, dass Neonazis als "kritische Teilnehmer" während der "Anti-HartzIV" Proteste geduldet werden mussten. Merke: Wenn Nazis an einer linken Demonstration teilnehmen wollen, dann ist das zulässig. Wenn Linke hingegen eine Veranstaltung anmelden, die sich noch nicht einmal in der Nähe der Nazis befindet, dann muss diese wegen des Trennungsgebots auf die andere Elbseite verlegt werden.
Dieses Messen mit zweierlei Maß ist so offensichtlich hanebüchen und rechtswidrig dass klar wird, dass das Ziel der Stadt vor allem ist, die Altstadt von kritischen Personen freizuhalten. Denn wenn es wirklich um eine Trennung zur Gefahrenabwehr ginge, dann wäre der Bahndamm (Hauptbahnof) eine ebenso natürliche Grenze.
br>Bemerkenswert ist ferner, dass zur Gefahrenprognose der 13. Februar 2010 herangezogen wird. Dies ist, wie auch das Ordnungsamt wissen muss, kaum zulässig, da alle Spektren erklärt hatten, ihren Fokus auf den 19. Februar zu legen. Somit ist am 13. Februar von keiner der beiden Seiten auch mit nur einer annähernd so hohen Teilnehmerzahl zu rechnen.

Das antifaschistische Bündnis no pasarán hatte in der Vergangenheit wiederholt die so genannte Extremismus"theorie" kritisiert. Die Praxis der Theorie lässt sich im Auflagenbescheid erkennen. Nach einem Lob für das überaus kooperative Verhalten seitens der JLO heißt es:

[...] [N]achdem die Kooperationsverfahren mit den Anmeldern sowohl des rechten Lagers als auch mit zahlreichen Anmeldern des demokratischen Spektrums bereits sehr weit fortgeschritten und zum großen Teil bereits abgeschlossen waren und nachdem erste Meldungen über vermutete Versammlungsorte und/oder Aufzugsstrecken des rechten Lagers in der Öffentlichkeit bekannt wurden - wurde die Versammlungsbehörde mit insgesamt 22 Versammlungsanmeldungen [...] aus dem linken Lager überzogen.(Hervorhebung durch den Autor)

Bemerkenswert dabei: Die originäre Extremismus"theorie" behauptet eine demokratische Mitte an deren Rändern ein extremistische Gefahr besteht. Zugleich räumt aber auch sie ein, dass es nichtextremistische politische Lager (rechts wie links) gibt. Selbst die naive Extremismus"theorie" ist für das Ordnungsamt noch zu komplex. Plötzlich sind sowohl JLO auch als auch Mitglieder des Bundes- oder Landtags, von Parteien der Grünen, der SPD und der Linken, nicht mehr Teil des demokratischen Spektrums. Eine Einschätzung die noch nicht einmal der Verfassungsschutz vornimmt.

Wer meint, dass dies eigentlich nicht peinlich genug sei, für den hat das Ordnungsamt natürlich noch etwas in petto. Lang und ausführlich schildert das Ordnungsamt, wie welcher Anmelder zu Blockaden aufruft oder mal aufgerufen hat. Das Problem dabei: Jene Aufrufe beziehen sich entweder auf die Vergangenheit oder auf den 19. Februar 2011. Ein Blockadeaufruf für den 13. Februar findet sich hingegen nirgends.

Somit zeigt sich insgesamt, dass das Ordnungsamt in Dresden - wie leider häufig in der Vergangenheit - ein Meister darin ist abstruse Auflagen zu erteilen. Man kann nur hoffen, dass dies dem Amt nicht auf die Füße fällt. Nicht auszudenken, wenn zahlreiche linken Aktivisten in der Menschenkette nach JLO-Anhänger suchen oder im Sinne der Täterspuren agitieren würden...
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Ergänzungen

hmhmhm

... 09.02.2011 - 18:24
Laut Mopo hofft die Stadt auf bürgerliche Kreativität. Eigentlich eine schöne Idee, wenn sie nicht schon so gründlich diskreditiert wäre. Das Trennungsgebot ist in der gebotenen Form nicht durchsetzbar, eben weil es Menschen "alternativem Touch" etc. vom Recht an der Menschenkette ausschließt. Parteipolitik nun ja, aber wo Lagerdenken bar jeder Logik, Vernunft und Realitätswahrnehmung (Kooperativität der JLO??? Wer drohte letztes Jahr z.B. unverhohlen, die Polizei bis weit nach Mitternacht zu beschäftigen?) läuft, ist einfach nix mehr zu retten. Denkbar ist, dass die Polizei sich insgesamt zurückhält, aber rigoros auf Straftaten wie Drohung und KV reagieren wird. Netter Spruch heute in der DNN: Wo ein Demokrat ist, kann kein Nazi sein. In diesem Sinne...

Gegen jeden Extremismus-Begriff

lollo 09.02.2011 - 22:23

Licht Aus

gerda 10.02.2011 - 00:33
Am 13. Februar 2011 werden sich an verschiedenen Orten in Dresden Geschichtsrevisionisten versammeln, Nazis aber auch "ehrbare Bürger", um an die Opfer der alliierten Bombardierung zu erinnern und ihre "Trauer" zu zelebrieren. Bürgerliches Gedenken und Nazitrauermärsche sind nicht dasselbe. Sie unterscheiden sich in ihren Motiven, in ihren Worten und Taten. Aber gleichsam verdrehen sie die Geschichte. Wir rufen dazu auf, sich am 13. Februar jedem Geschichtsrevisionismus entgegenzustellen.

Licht aus! Destroy the spirit of Dresden!
Gegen jeden Geschichtsrevisionismus - kein Friede mit Deutschland

13 und 19 kommen!

mh 10.02.2011 - 10:50

Übersicht zum 13. und 19. Februar 2011

ulf 10.02.2011 - 21:05
Puh! In gefühlt nur noch wenigen Momenten ist es also wieder einmal soweit: nach Herzenslust Opfer wird man sein können in Dresden am 13. und 19. Februar 2011. Ob man sich nun als Opfer eines Kriegsverbrechens halluzinieren will, sich von politischen Instrumentalisierungen bedroht wähnt, oder man einfach nur mal so richtig bitterernst drauf sein möchte - für jeden Geschmack ist etwas dabei! Doch zum Glück ist auch mit antifaschistischer Kritik und mit antifaschistischem Protest dagegen zu rechnen. Einen kleinen Überblick darüber sollt ihr nun auch hier bekommen.




Aufrufe und Texte



* »Keine Versöhnung mit Deutschland«: Aufruf für den 13. Februar 2011
* Auf »dresden-opferfrei.de.vu« ist der Aufruf "Licht aus! 13. Februar - Destroy the spirit of Dresden!" erschienen.
* »Keine Versöhnung mit Deutschland«: Dresdner Denkmal Stories - Widersprüche zwischen Wiederaufbau und Opferidentität
* »TOP BERLIN«: Dresden gut, alles gut?! Zur Kritik der Erinnerungskultur in Dresden oder Jeder Stadt den Naziaufmarsch, den sie verdient
* »No Pasarán«: Nazis blockieren – Extremismusquatsch und Opfermythen bekämpfen




13. Februar 2011


Anlaufpunkte:

* 11 Uhr: Auf dem Comeniusplatz startet der Rundgang "Täterspuren". Die Stadt zeigt sich von ihrer besten Seite und will mit willkürlichen Routenverlegungen die geplante Durchführung verhindern. Inakzeptabel! Hingehen!
* Eine Liste nahezu aller Gedenkveranstaltungen (vornehmlich an vermeintliche "deutsche Opfer") findet ihr hier: 13februar.dresden.de
Vieles davon höchst kritikwürdig, seid also nicht schüchtern, sondern lasst die dort anwesenden sehr deutlich wissen, was ihr von ihnen haltet!
* 14 Uhr: Kundgebung auf dem Friedrich-List-Platz in der Nähe des Startpunktes der Nazidemo. dezentrale Aktionen gegen den Naziaufmarsch auf 13. Februar 2011, mehr bei »Dresden Nazifrei«


Infostruktur:

* Info-Telefon: 0351 – 41 88 99 70
* WAP-Handy-Ticker: www.wap.dresden-nazifrei.com, Twitter: dd_nazifrei
* Infoticker speziell zu den Naziaktivitäten: ticker.hopto.org, Twitter: naziwatchdd


Ermittlungsaussschuss:

* EA: 0351 - 89 960 456
* Wie funktioniert der EA? Eine kleine Bedienungsanleitung.


Stadtplan:

* folgt in Kürze




16. Februar 2011



* 16 Uhr: Kundgebung "Vergessene Erinnerungen" am Bahnhof Dresden-Neustadt. Eine Veranstaltung zum Gedenken an die ermordeten Dresdner Jüdinnen und Juden.
* 19 Uhr: Die Gruppe »TOP B3RLIN" veranstaltet eine Podiumsdiskussion unter dem Titel "Dresden gut, alles gut?!" Es diskutieren Olaf Kistenmacher, Nora Goldenbogen (Hatikva e.V.) und TOP B3rlin. Ort: Scheune (Alaunstraße 36-40).





19. Februar 2011



* Blockaden des Bündnisses »Dresden Nazifrei« und Aktionen gegen die geplanten Naziaufmärsche.




Aktionsradio von coloRadio Dresden am 13. & 19. Februar:



* UKW: 98.4 + 99.3 MHz im Dresdner Stadtgebiet
* Studiotelefon: 0351 / 32 05 47 11
* Livestream: mp3, ogg, mobil
Sendezeit: So, 13.2. 12:00- 24:00 Uhr und Sa, 19.2. 12:00- 24:00 Uhr
* Twitter: coloradiodd

 http://venceremos.sytes.net/kvmd/aktuell/co/uebersicht-zum-13.-und-19.-februar-2011.html

PM Dresden-Nazifrei

ra0105 11.02.2011 - 03:37
Pressemitteilung
Dresden, 09.02.2011: »Nazifrei! - Dresden stellt sich quer« wird juristisch gegen das
de facto Verbot des Mahngangs »Täterspuren« vorgehen. Scharfe Kritik am
Vorgehen des Ordnungsamtes der Stadt Dresden äußern Prof. Dr. Andreas
Nachama, Geschäftsführender Direktor Stiftung Topographie des Terrors, Esther
Bejarano, Vorsitzende des Auschwitz-Komitees, und Prof. Dr. Klaus Dörre.
Nun ist es offiziell: Das Ordnungsamt der Stadt Dresden verbannt den Mahngang »Täterspuren«
aus der Altstadt, auf die Neustädter Elbseite. Franziska Radtke, Sprecherin des Bündnisses
»Dresden – Nazifrei!« erklärt dazu: »Das Leben und Wirken der von uns recherchierten Nazi-Täterhatte einen historischen Ort, Ziel des Mahngangs ist es diese Orte kenntlich zu machen. Die Mutschmann-Villa, das Deutsche Hygiene Museum und die
Gestapo Zentrale sind nunmal auf der Altstadtseite. Bei der Dresdner Verwaltung paaren sich
offensichtlich historische Ahnungslosigkeit und ein Unwille zur kritischen Auseinandersetzung mitder Tätergeschichteder Stadt.«

Es ist nach unseren Erkenntnissen folgendes erschreckendes Szenario am 13. Februar möglich:
Während alle Proteste und Erinnerungsformen, die gegen das Vergessen an die deutsche Schuld
eintreten, aus der Altstadt verbannt werden, reihen sich in die von der Stadtverwaltung inszenierte Menschenkette Neonazis der JLO und holen sich dort den goldenen Schlüssel der Dresdner Altstadt ab, um wenig später ungestört eben dort marschieren zu können. »Dresden – Nazifrei!« wird den skandalösen Auflagenbescheid nicht einfach hinnehmen und juristisch gegen das de facto Verbot des Mahngangs vorgehen.
Unterstützung für das Projekt »Täterspuren« bekommt das Bündnis durch prominente Historiker
und die Vorsitzende des Auschwitz-Komitees:
Prof. Dr. Andreas Nachama, Geschäftsführender Direktor Stiftung Topographie des Terrors

»Mit großer Bestürzung habe ich davon Kenntnis nehmen müssen, dass durch Maßnahmen des
Ordnungsamtes die Orte, die den NS-Terror in Dresden dokumentieren wie die der Villa von NSGauleiter Mutschmann und die Gestapo-Zentrale nicht in Ihre Manifestation einbezogen werden sollen. Ich unterstütze ausdrücklich Ihre ganzheitlichen Überlegungen und hoffe, dass es Ihnen gelingt, die politisch Verantwortlichen zu geschichtsbewusstem Handeln überzeugen zu können.«

Esther Bejarano, Vorsitzende des Auschwitz-Komitees, Überlebende der Konzentrationslager Auschwitz und Ravensbrück

»Und immer wieder Dresden. Was sind das für Zeiten, in denen ein Mahngang untersagt wird, der zu den Täterspuren führen soll. An die Orte mitten in der Stadt Dresden, an denen von Nazitätern gefoltert wurde, das Unrecht geplant und durchgeführt wurde. Die Neonazis dürfen am 13. Februar mit ihren Fackeln durch die Stadt laufen. Den Antifaschisten soll am Tag der Bombardierung Dresdens ein Mahngang verboten werden. Das wäre ein Skandal.«

Prof. Dr. Klaus Dörre, Jena

»Aus meiner Sicht ist es ein Skandal, dass eine Aktion, die in Dresden ‚vor Ort' auf Verstrickungen in nationalsozialistische Verbrechen hinzuweisen beabsichtigt, mit einem Verbot belegt wird. Dass die Neonazis offenbar am 13. Februar in der Altstadt demonstrieren dürfen, während eine demokratische Form der Auseinandersetzung mit der Geschichte Dresdens in der Zeit des Nationalsozialismus an das andere Elbufer verbannt wird, ist für mich nicht nachvollziehbar. Das Verbot zeugt von einem erschreckenden Mangel an politischem Gespür bei den Verantwortlichen.«

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mh — dd´ler

fsfd — fsdfsa

Opfermytos — Schlaui

Von NRW nach Dresden — Dresden Nazifrei / NRW

@unwichtig — Menschenkette

@ "unwichtig" — & @ "ulf"