Linker AStA in Göttingen

glückliche Göttingerin 06.02.2011 19:48 Themen: Bildung Soziale Kämpfe
Nach fast 10 Jahren rechter ASten gibt es an der Uni Göttingen nach der Stupa-Wahl 2011 wieder eine Mehrheit für einen linken AStA.
Die sich selbst als unpolitisch markierende rechte Unigruppe "Arbeitsgemeinschaft demokratischer Fachschaftsmitglieder" (ADF) wurde für einen Finanzskandal des AStA massiv abgestraft. Es waren über 25.000 Euro veruntreut worden. ( http://www.de.indymedia.org/2010/12/296478.shtml) Den linken Gruppen – insbesondere den Basisgruppen - ist es gelungen durch eine breite Presse- und Öffentlichkeitskampagne diesen Skandal zu nutzen um das rechte Lager zu delegitimieren.

Im Ergebnis hat die ADF 8 Sitze (von 22 auf 14 Sitze) verloren. Der RCDS konnte mit 5 Sitzen sogar einen Sitz hinzu gewinnen, obwohl er am AStA beteiligt war und den Finanzreferenten gestellt hat. Gewinnerin der Wahl ist die Grüne Hochschulgruppe (ghg). Sie hat sich von 3 auf 8 Sitze verbessert. Hierin spiegelt sich eindeutig der aktuelle Höhenflug der Grünen als Bundespartei wieder, da die Grünen im letzten Jahr kaum an der Uni aktiv waren. Jusos und Basisgruppen (Basisdemokratisches Bündnis – BB) konnten je einen Sitz dazu gewinnen und kommen auf 10 bzw. 5 Sitze. Die linke Spaßgruppe „Schwarz Rot Kollaps“ hat ihre Sitze (2) gehalten. Der SDS hat einen Sitz verloren und ist damit nicht im Stupa. Eine eher rechte Spaßgruppe (Harald Juhnke Internat) hat einen Sitz und die Piratenpartei 2 Sitze. Damit gibt es mit 25 Sitzen eine linke Mehrheit von einem Sitz. Mit den Piraten, die mit ihrer Themenauswahl als zumindest offen für linke Politik gelten können, gibt es sogar einen komfortablen Vorsprung vor dem rechten Lager.

Rückgang der Wahlbeteiligung
Insgesamt war die Wahl geprägt durch den AStA Finanzskandal. Die Wahlbeteiligung ist um fast 10% zurückgegangen. Fast 400 Stimmen wurden ungültig gemacht. Vor diesem Hintergrund müssen auch die Veränderungen der Sitzverteilung gesehen werden. So hat die ADF vermutlich v.a. ins Lager der Nicht-WählerInnen verloren. Darin drückt sich jedoch auch die zunehmende politische und personelle Aushöhlung der ADF aus. Relevante reale Stimmenzuwächse konnte nur die ghg verzeichnen. Trotzdem gibt es für den linken AStA eine im bundesdurchschnitt sehr breite Legitimationsbasis mit ca. 26,5% gültigen Stimmen. (Diese hohe Wahlbeteiligung kommt durch die jährlich statt findende parallel zu den Wahlen statt findende Abstimmung über das Semesterticket zu Stande; bundesweit liegt die Beteiligung an Stupa-Wahlen um die 10%)

Bewertung
Zwar wäre eine größere Stärke der antikapitalistischen, feministischen und antirasisstischen Basisgruppen wünschenswert. Allerdings sind die beiden parteipolitischen Gruppen ghg und Jusos im bundesdeutschen Vergleich dezidiert links zu verorten und haben für Parteigruppen auch eine relativ große Distanz zu ihren Mutterorganisationen. Unter diesen Vorzeichen steht einem linken, basisorientierten AStA hoffentlich nichts mehr im Wege. In einer Pressemitteilung des BB heißt es zu der politischen Arbeit die nun möglich wird: „Wir freuen uns all diese Baustellen nach den Jahren der politischen Erstarrung in Göttingen unter dem rechten AStA, gemeinsam mit unseren KoalitionsparterInnen anzugehen."

Ob sich das Wahlergebnis verstetigen und ausbauen lässt hängt nun ganz wesentlich davon ab, ob es den Gruppen gelingt eine offene und undogmatische, basisorientierte, linke AStA-Politik zu entwickeln. Die Koalitionsverhandlungen starten zeitnah.

Das Wahlergebnis im Überblick:  http://www.bb-goettingen.de/1943
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Ergänzungen

abwarten...

dan 06.02.2011 - 21:21
Wir haben in Frankfurt auch eine "linke" Mehrheit im StuPa (zumindest nach euren Kriterien...). Wartet erstmal ab mit wem die Jusos koalieren wollen. Die sind inhaltlich recht biegsam. Bei uns jedenfalls gibt es seit längerem schwarz-rot-gold...

Korrektur

esregnetkaviar 07.02.2011 - 00:38
Als kleine Korrektur: Schwarz rot Kollabs haben lediglich 1 Sitz bekommen, dennoch reicht es damit (24 linke Sitze von insgesamt 47) für eine linke Mehrheit. Die Grüne Hochschulgruppe hat im übrigen auch nicht besonders viel mit der grünen Partei zu tun.

wahlbeteiligung

Trundil 07.02.2011 - 10:18
... ist im bundesmittel sicherlich relativ hoch, aber was sagt das aus? Die Studis haben kein Bock auf diese Form der Partizipation an der verfass. Studierendenschaft, oder es interessiert sie einfach nicht.

Dass das in allen Uni-Städten so ist, kann schon als Faktor für die Akzeptanz der ASten gesehen werden. Auch für Linke spielt es dann meistens keine Rolle, dass sie Geld und Posten im Namen aller Studis der Uni verwalten... obwohl zwei Drittel gar nicht wählen waren.

kleine Anmerkung

Entdinglichung 07.02.2011 - 11:37
ein linker AStA ist nur dann von Nutzen, wenn es eine radikale StudentInnen-Bewegung gibt, welche die Infrastruktur des AStAs nutzen kann ... leider gibt es aus den vergangenen Jahrzehnten genügend Fälle, wo linke BürokratInnen von MSB/SHB/Jusos/Grünen/K-Gruppen/"Basisgruppen" versucht haben, Bewegungen auszubremsen bzw,. in ihrem Sinne zu manipulieren, desweiteren ist eine Verfasste Studierendenschaft letztendlich auch immer eine materiell von Staat und Uni abhängige Institution, deren Spielraum daher immer begrenzt ist

oh Leute...

peter 08.02.2011 - 00:51
...wenn schon Kritik, dann bitte sachlich. Auch ich habe im ersten Moment geschluckt, als ich las "Linke Mehrheit" und dann "Jusos, GHG,...". Allerdings ist es schon wichtig hinzuschauen, wie die Gruppen in den einzelnen Städten sich unterscheiden, oder auch wie die dort aktiven Personen im Einzelnen sind. Deshalb freue ich mich sehr, dass im Artikel steht, dass die örtlichen Gruppen sehr weit von den Parteien entfernt sind.

Zu den blöden Kommentaren bzgl. AStA allgemein. Soweit ich es mal erzählt bekommen habe, bekamen die Basisgruppen nahezu kein Geld von dem Scheiß-Rechten-AStA, wurden dadurch also massiv geschwächt, da für politische Arbeit immer(!) Geld gebraucht wird. Letztlich wurde teilweise, so die Erzählung, Geld für tolle Aktionen an der Uni in anderen Städten beantragt, was den dortigen Linken-Gruppe dann fehlt. Um mich nicht falsch zu verstehen: ich bin für eine solidarische Verteilung von zur Verfügung stehenden Mitteln, aber ich kann nicht verstehen, wie sich linke Menschen nicht darüber freuen können, dass es nun vermutlich einen "linken" AStA in Göttingen geben wird, wo die Basisgruppen von nun an richtig viel Kohle für coole Workshops, selbstverwaltete Studiecafes, Projektfahrten, Demos und vieles mehr haben.

Sicherlich ist eine sachliche Kritik am Arbeiten in Institutionen berechtigt und natürlich kann es dort Menschen geben, die hier den Marsch durch eben jene beginnen, aber trotzdem ist die häufigste Kritik total dogmatisch und von Unwissenheit geprägt. Wo glaubt ihr eigentlich kommt das Geld/Infrastruktur für viele Aktionen her?? Ja ok, zum Teil von Solipartys. Aber auch ein großer Teil von offizielen Stiftungen (sogar parteinahe), die Aktionen aber auch linke Einzelpersonen finanzieren, oder aber wie an der Uni vom AStA.

AStA kann wichtig sein

mogli 08.02.2011 - 13:56
Göttingen ist eine Stadt mit 120.000 EinwohnerInnen, davon etwa 25.000 Studierende.
Die Studierendenvertretung ist daher gar nicht so ein unwichtiger politischer Faktor.
Wenn ein AStA eine progressive linke Ausrichtung hat und versucht die Studierenden für politisch eher linke Themen zu sensibilisieren und ein politisches Bildungsangebot zu ermöglichen, dass weit über die reine hochschulbezogene Thematik hinnaus geht, ist das gut für linke Gruppierungen in der Stadt. Das Interesse mitzuarbeiten wird bei den Studierenden hoffentlich steigen.
Ein AStA der sich hierüber hinaus in fzs und lak einbringt und für entscheidene Impulse sorgt, kann eine Bereicherrung für linke studentische Gruppen ausserhalb der Stadt sein.
Zumindest habe ich gehört, dass andere linke ASten überlegen, wieder beizutreten, wenn aus Göttingen endlich mal wieder was Vernünftiges kommt. Vernetzung ist wichtig.
Ziel wird es sicherlich zunächst erstmal sein einen linken AStA wieder zu etablieren, denn in den letzten 10 Jahren ist sicherlich viel an linken Strukturen innerhalb der Universität zerstört wurden.
Menschen die diesen Artikel lesen und sich über die 18 Rot-Grünen Sitze ärgern, sollten sich im Klaren sein, dass viele Normalo-politisch-uninteressierte Studierende Angst und Misstrauen vor radikal auftretenden Gruppen haben. Vorallem haben viele Vorurteile.
Wenn Mensch diese Gemütszustände an der Uni Göttingen abbauen möchte, dann wird das sicherlich besser unter einem Deckmantel von gemäßigt linken Gruppen, wie GHG und Jusos gehen, als direkt mit einem reinen Basisgruppen-AStA (hierfür fehlt bei 5 Sitzen offensichtlich die Vorraussetzung).
Dass das Gesamtmodell (Wahlen) allein schon scheiße ist und am Besten alle für alle die Hochschulpolitik machen sollten ist zwar richtig, nur leider fehlt dafür in Göttingen jegliche Grundlage.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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blablabla — ich

blub — blub

mes felicitations! — ex-göttinger

Seid ihr schon gewählt? — Kontroverso

@blub — göttinerin

yeah — jippieh

jaja im Asta — jaja

@peter — pfff

@pfff — Trundil