[Erfurt] Erinnerungsort Topf & Söhne

Kein Friede mit Deutschland! 30.01.2011 16:02 Themen: Bildung Freiräume Repression
In Erfurt wurde am 27. Januar 2011 der Erinnerungsort Topf & Söhne auf dem ehemaligen Topf & Söhne Gelände eingeweiht. Mit dabei war die große Polit-Prominenz aus Thüringen. Keiner will mehr fehlen, wenn die neue deutsche Gedenkkultur zelebriert wird; wo man sich zur Vergangenheit bekennt, natürlich ohne zu verstehen, dass die Vergangenheit in dieser Gesellschaft noch eine große Zukunft haben kann. Vergessen ist auch, dass es ohne das ehemalige Besetze Haus auf dem Topf & Söhne-Gelände nie einen solchen Erinnerungsort gegeben hätte. Ein Kommentar gegen die Ohnmacht.
Mit der Räumung und Zerstörung des Besetzten Hauses am 16. April 2009 ist ein Ort widerständiger Erinnerungskultur zerstört wurden. Ein Ort an dem die Wahrheit wachgehalten wurde, dass die gesellschaftlichen Voraussetzungen, die nach Auschwitz führten in dieser Gesellschaft fortdauern. Gegen diese Wahrheit sind an jenem 16. April mit Maschinengewehren und schwerem Gerät bewaffnete deutsche Polizeieinheiten angetreten. Sie wurden beauftragen von den Mächtigen in Thüringen, jenen, die jetzt den Erinnerungort feiern. Das Besetze Haus ist zerstört worden und mit ihm eigentlich alles, was den industriellen Charakter der Geländes ausmachte. Wo früher deutsche Industrie den Massenmord ermöglichte, verhafteten 64 Jahre später deutsche Polizisten widerständige Antifaschisten und schafften Platz für deutsches Gewerbe. Die letzten gutmenschelnden Zweifler der Zivilgesellschaft hat man sich damals gekauft mit der Zusage einen Erinnerungsort zu ermöglichen. Aufgerichtet wurde nun ein Stück vorbildlicher deutscher Erinnerungskultur, mit dem sich die Machthaber anfreunden können; der Erfurt so repräsentiert, wie man sich das wünscht: als Ort eines positiven, identitätsstiftenden Gedenkens einer weltoffenen und geläuterten Stadt. Domestiziert und angepasst kommt der neue Erinnerungsort daher und äußert keine Kritik, daran, dass dort wo früher die Vernichtung des europäischen Judentums mitbereitet wurde, heute der Großbäcker Elmi mit frischen Brötchen aus dem heißen Ofen wirbt und der gute Deutsche heute dort seine Möbel und Tiernahrung dort kauft, wo früher die faschistische Barbarei möglich gemacht wurde.

Da standen sie nun am 27. Januar, dem Tag, als die Rote Armee im Jahr 1945 die letzten Überlebenden von Auschwitz befreite. Sauckels Erben standen nun dort, wo sich der Fortbestand kapitalistischer Rationalität im antisemitischen Wahn offenbarte; wo die Entsorgung von Millionen Leichnamen möglich gemacht wurde. Matschie, Lieberknecht, Bausewein und Konsorten - alle jene, die schenkelklopfend die Räumung des Besetzten Hauses gefeiert haben und heute dafür Sorge tragen, dass der Kapitalismus auch die nächste deutsche Endlösung noch erleben wird. Sie sind die Vorkämpfer einer Ideologie, vor der sich die Welt in der Krise noch in Acht nehmen muss. Ihnen verleiht ein Erinnerungsort die Absolution, der viel über die Techniken der Vernichtung und andere deutsche Spezialitäten zu sagen weiß, aber nichts über die Bedingungen, die zur nächsten Katastrophe jederzeit führen können.

Immer mit am Start, wenn Ideologieproduktion ins Mäntelchen der Philosophie gehüllt werden soll, ist natürlich Rüdiger Bender, der König der Gutmenschen in Erfurt. Niemand kann besser als er ad hoc stundenlang bedeutungslos daherreden und bei seiner gelangweilten Zuhörerschaft trotzdem den Eindruck erwecken, hier spreche jemand mit Ahnung von der Sache. Aber in Deutschland hat man sich eh nie um die besseren Argumente geschert. Noch der letzte populistische Drecksack ist hier zum Bundeskanzler geworden, wenn er dem Mob glaubhaft versichert hat, Bonbons aus ihrer Scheiße zu destillieren.

Die radikale Linke reagiert richtig und falsch mit ihrer Zurückhaltung gegenüber dem neuen Erinnerungsort. Er ist mit der Zerstörung des Besetzten Hauses gekauft worden und soll sich akademisch verschleiert daran machen, das Werk neuer deutscher Erinnerungskultur fortzusetzen. Dabei wird nicht die Erinnerung an das weggewischt, was war, sondern die Wahrheit, dass das, was war, wieder passieren kann und dass die Voraussetzungen hierfür ungebrochen sind. Eine Kritik, die hier ansetzt, wäre notwendig in Erfurt.
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Ergänzungen

Kein Friede mit Euch!

progressiv? 30.01.2011 - 23:39
Ja, eine solche Kritk, die dort ansetzt, wäre nicht nur IN Erfurt angebracht!

Schade, dass der/ die Verfasser nicht als "Vorkämpfer" ihrer Ideale agieren und sich dieser Artikel den Realitäten nur anamorphisch nähert und voller Polemik trotzt. In keinem Punkt werden diverse Behauptungen mit Argumenten verstärkt. Unerwähnt ist die Zusammenarbeit der Gedenkstätte Buchenwald bei der Erarbeitung des "Erinnerungsort T&S", deren Bestreben "eines positiven, identitätsstiftenden Gedenkens" zu beweisen bleibt.

Welche "gesellschaftlichen Voraussetzungen, die nach Auschwitz führten in dieser Gesellschaft fortdauern" bleibt unerwähnt. Ebenso "die Bedingungen, die zur nächsten Katastrophe jederzeit führen können" und eine konzeptionelle Erwähnung dessen, wie "widerständige Erinnerungskultur" in die breite Gesellschaft getragen werden könnte.

Ein Vorkämpfertum von "Matschie, Lieberknecht, Bausewein" wird hier herbeigeredet, als sei es irrelevant, dass politische "Würdenträger" zu solchen Anlässen die ersten Reihen zu besetzen haben und zum Lavieren aufgerufen werden. Vorwerfen ließe sich den genannten Persönlichkeiten und ihren Vorgängern politische Blauäugig- und Schwerfälligkeit, sowie ein Unterlassen der Erhaltung einer geschichtsträchtigen Brache und die Suche nach Geldgebern.

Unerwähnt bleibt weithin die kritische Finanzierungsgrundlage des Projekts "Erinnerungsort T&S", dessen Mietpacht und Unterhaltung nicht im Budget der Stadtverwaltung vorgesehen war und welches erst während der Entstehungsphase auf Bestreben eines Bundestagsabgeordneten befristete finanzielle Zusagen vom Bund erhielt.

Die Skandalisierung der Nationalität des "deutschen" SEK'ler im Artikel ist irrelevant, denn gegen DIE Wahrheit ist offenbar niemand außer Ruge(OB a.D.) in einem "Radio-FREI"-Interview angetreten, während Dekaden zuvor geschwiegen wurde. Die DDR-Erinnerungskultur schuf Denkmäler, die ideologisch und örtlich in ihrem Dogmatismus aufgingen. Bei der Zwangsräumung 2009 ging es der Stadtverwaltung um Stadtteil-"aufwertung", die sie selbst nicht finanzieren konnte und wollte, dem SEK'ler ging es um seinen Job und ebenso ging es Golla nur um sein Kapital. Die Staatsmacht setzte interessengemäß das durch, was grundgesetzlich geschützt wird: das Eigentumsrecht. Diese Kontroverse ist mit der um das "Ungdomshuset" in Nørrebro beispielhaft vergleichbar, sie hat nichts deutsches und wäre selbst unter anderen politischen Bedingungen passiert. In den 80ern ließ die sozialistische "Obrigkeit" in Erfurt besetzte Häuser räumen. Im kommunistischen China ist es Alltag. Das Diktat ändert nichts an der Tat.

Ohne "Topf&Söhne" wären die antisemitischen Massenvernichtungspläne an anderen Orten technisiert worden. Ohne die Besetzung würde es bis zum heutigen Tag keinen öffentlich akzeptierten Erinnerungsort geben. Das was auf der Topf&Söhne-Brache an Aufarbeitung geleistet wurde, war angesichts der begrenzten Möglichkeiten der Besetzer nett gemeint, vermochte es aber nicht sich Gehör zu verschaffen.

Die TLZ thematisierte am 27.01.2011 auf der ersten Seite des Lokalteils die frühere Besetzung des Geländes und ersparte sich vom Gegenwärtigen zu reden. Dem Bestreben nach einem neuen Autonomen Zentrum hätten die früheren Besetzer am selben Tag taktisch und erneut Öffentlichkeit verschaffen können. Diese Chance wurde vertan.

Was obenstehenden Artikel betrifft. Wer selbstredend auf der richtigen Seite steht, sollte sich nicht mit solch inhaltsleerem Statement ins Abseits befördern. Wer den Diskurs mit denen nicht wagt, die er kritisiert, deren Macht unreflektiert eingesteht und defaitistisch handelt, wird seine Ziele nie erreichen.

Für ein Autonomes Zentrum!
Für eine starke selbstkritische Linke!
Für eine kontroverse Erinnernskultur!

Sozialwohnungen auf dem Gelände bald fertig

il ef 31.01.2011 - 17:34
Vor zwei Jahren war ein Argument der Stadt, daß auf dem Gelände Sozialwohnungen entstehen würden.... Heute sieht man, wie ernst man das nehmen konnte:  http://sabotnik.blogsport.de/images/topfundsoehneeigentumswohnungen_01.jpg

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konstruktive kritik — emizap