Skandal um LKA-Spitzel in Heidelberg

Autor_in 17.01.2011 22:29 Themen: Antifa Repression
In einer Antwort auf eine Anfrage der grünen Landtagsfraktion hat Innenminister Heribert Rech nur das zugegeben, was ohnehin bereits durch die Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD) öffentlich gemacht und belegt wurde. In Bezug auf alle weiteren Fragen hüllt sich das Innenministerium weiterhin in Schweigen. Offensichtlich wird jedoch, dass die Polizeidirektion Heidelberg sehr viel stärker in den Skandal verwickelt ist als bisher zugegeben.
Skandal um LKA-Spitzel in Heidelberg:
Innenministerium, LKA und Polizeidirektion Heidelberg üben sich weiterhin im Vertuschen

Heidelberg, 17.01.2011

In einer Antwort auf eine Anfrage der grünen Landtagsfraktion hat Innenminister Heribert Rech nur das zugegeben, was ohnehin bereits durch die Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD) öffentlich gemacht und belegt wurde. In Bezug auf alle weiteren Fragen hüllt sich das Innenministerium weiterhin in Schweigen. Offensichtlich wird jedoch, dass die Polizeidirektion Heidelberg sehr viel stärker in den Skandal verwickelt ist als bisher zugegeben.

Nach Angaben des Innenministeriums hat die Polizeidirektion Heidelberg selbst den Einsatz des verdeckten Ermittlers angeordnet, der über ein Jahr unter falschem Namen die gesamte linke Szene Heidelbergs bis hinein in intimste Lebensbereiche ausgespäht hat. Die floskelhafte Begründung, der Einsatz sei erfolgt zur „vorbeugender Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung“ ist offensichtlich nur ein völlig lächerlicher Vorwand.

Es gibt und gab in Heidelberg keine Gruppen, die solche Straftaten durchgeführt oder geplant hätten. Zu erklären bleibt für Innenministerium, LKA und Polizeidirektion Heidelberg weiterhin, welche angeblich geplanten Straftaten die Bespitzelung eines ganzen politischen Milieus mit geheimdienstlichen Mitteln rechtfertigen sollen. Offen ist weiterhin, in wie vielen Fällen Simon Bromma sich selbst als Agent Provocateur an Straftaten beteiligt oder andere dazu animiert hat und mit welcher rechtlichen Legitimation er mit gefälschter Identität im Ausland (beispielsweise in Brüssel) aktiv war.

Der Einsatz des Polizeispitzels Bromma war für jede und jeden erkennbar rechtswidrig und macht alle rechtsstaatlichen Ansprüche zur Makulatur. Die Stellungnahme Heribert Rechs lässt erkennen, dass er dennoch weiterhin hinter diesem skandalösen Spitzeleinsatz steht.

Ein Innenminister, der die Polizei als selbstherrlich agierende Instanz zur Bespitzelung, Einschüchterung und Kriminalisierung missliebiger oppositioneller Gruppen akzeptiert, ist untragbar.

Wir fordern die Polizeidirektion Heidelberg, das LKA und das Innenministerium Baden-Württemberg auf, unverzüglich alle Hintergründe des Einsatzes offenzulegen und politische und personelle Konsequenzen zu ziehen.

Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD)
 http://www.autonomes-zentrum.org/ai/


weitere Meldungen:

Ministerium räumt Spitzeleinsatz in Heidelberg ein

Das baden-württembergische Innenministerium hat offiziell den Einsatz eines Spitzel des LKA in der linken Studentenszene in Heidelberg eingeräumt. Das Ministerium bestätigte den Einsatz des V-Mannes mit dem Decknamen Simon Brenner.



Der Mann des Landeskriminalamtes, der im Dezember enttarnt worden war, beobachtete demnach neun Monate lang Mitglieder der antifaschistischen und anarchistischen Szene in Heidelberg und im Rhein-Neckar-Kreis.

Ziel sei es gewesen, durch die Erhebung personenbezogener Daten Straftaten mit erheblicher Bedeutung vorzubeugen, erklärte das Ministerium. Das Polizeigesetz erlaube den Einsatz Verdeckter Ermittler zur Gefahrenabwehr beziehungsweise vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten.

Der Fall hatte Wellen geschlagen nachdem der V-Mann im Dezember von einer Urlaubsbekanntschaft auf einer Party als Polizist enttarnt worden war. Nähere Details über den Einsatz des Beamten nannte das Innenministerium unter Hinweis auf die Geheimhaltung nicht.

Die Grünen verlangten weitere Aufklärung. "Wir wollen wissen, was an den erhobenen Vorwürfen tatsächlich dran ist", sagte der innenpolitische Sprecher der Fraktion Uli Sckerl in einer Mitteilung. Die Linke forderte Innenminister Rech auf, die Überwachung politischer Gegner durch die Polizei sofort einzustellen.



Getarnt als Student soll sich der V-Mann nach Angaben mehrerer linker Gruppen unter anderem der Kritischen Alternative Heidelberg angeschlossen haben. Er beteiligte sich aktiv an Öko- und Anti- Castor-Protesten sowie an antifaschistischen Demonstrationen. So habe er etwa auch die Südblockade des Castor-Transports am 6. November im rheinland-pfälzischen Berg mit geplant, hatte der Lehrer und Aktivist Michael Csaszkoczy von der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD) berichtet. Laut Innenministerium richtete sich der Einsatz allerdings nicht gegen die AIHD als Organisation.

Der als linksextrem eingestufte Csaszkoczy durfte mehrere Jahre lang nicht unterrichten, weil seine politische Einstellung im Kultusministerium für Bedenken sorgte. Nach jahrelangem Rechtsstreit bekam er 2009 schließlich vor dem Landgericht Karlsruhe Recht. Er erhielt 32.777 Euro Schadensersatz, weil ihm rechtswidrig knapp drei Jahre lang das Gehalt vorenthalten worden war.

(Badische Zeitung)


Der Vorbeuge-Spitzel

LKA Baden-Württemberg spähte Studenten aus



Der Vorbeuge-Spitzel



Baden-Württembergs Innenminister Rech rechtfertigt Ausspähung von Studenten: Der Einsatz eines getarnten LKA-Ermittlers sei schließlich gegen "konkrete Zielpersonen der anarchistischen Szene" gerichtet gewesen.



Heidelberg – Eigentlich könnte Heribert Rech einigermaßen beruhigt sein, immerhin ist die Zahl der politisch motivierten Straftaten in seinem Land deutlich gesunken im vergangenen Jahr. Nur noch 1115 Delikte wurden 2010 „aus dem linken und rechten Spektrum“ registriert, berichtete der baden-württembergische CDU-Innenminister zu Jahresbeginn, im Jahr zuvor waren es noch 1700 gewesen. Eine Erklärung dafür könnte natürlich sein, dass die Studenten der Heidelberger Universität zuletzt ziemlich gut bewacht wurden. Es wäre eine für Rech sehr günstige Erklärung.



Dennoch hat das Innenministerium vier Wochen lang beharrlich geschwiegen, bis es jetzt einräumte, die Studentenszene in Heidelberg für neun Monate durch einen verdeckten Ermittler des Landeskriminalamts (LKA) beobachtet zu haben.



Auf Party enttarnt



Der 24-Jährige war im Frühjahr 2010 unter dem Decknamen Simon Brenner an der Universität aufgetaucht und hatte sich an Aktionen von Castor-Gegnern und Friedensbewegten beteiligt, bis er im Dezember auf einer Party von einer zufällig getroffenen Urlaubsliebschaft enttarnt worden war. Das alles bestätigt Rechs Ministerium nun in einer Stellungnahme auf Antrag der Grünen-Landtagsfraktion, die der FR vorliegt. Das vierseitige Papier allerdings wirft neue Fragen auf.



Nach Angaben des Innenministeriums richtete sich der Einsatz in Heidelberg „gegen konkrete Zielpersonen der antifaschistischen/anarchistischen Szene und einzelne Kontaktpersonen dieser Zielpersonen“ und erfolgte „zur Gefahrenabwehr bzw. zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung“. Das Ministerium beruft sich damit auf die Paragrafen 22 und 24 des Polizeigesetzes, die einzige Möglichkeit, den Einsatz zu rechtfertigen. Rechtswidrig wäre der Einsatz indessen, träfe die Erklärung des Ermittlers selbst zu. Der hatte nach seiner Enttarnung, von mehreren Studenten zur Rede gestellt, eingeräumt, sein Einsatz richte sich allgemein gegen die Antifaschistische Initiative Heidelberg. So berichten Beteiligte von jenem Abend des 12. Dezember, der mit einem klärenden Gespräch in einer Kneipe endete und zugleich das letzte Mal markiert, dass „Simon Brenner“ in Heidelberg gesehen wurde.



Das Ministerium wiederum schließt diese Sichtweise explizit aus. Doch die Grünen im Landtag geben sich mit Rechs Erklärung nicht zufrieden. Damit droht dem Innenminister weiteres Ungemach – neben dem vor der Landtagswahl im März ohnehin schon unangenehmen Untersuchungsausschuss zum Polizeieinsatz gegen S-21-Gegner. „Die Antwort klärt nicht auf und beweist nichts“, sagt Uli Sckerl, innenpolitischer Sprecher der Grünen im Landtag. „Nimmt man sie ernst, dann müssten Heidelberger Studenten einen Anschlag geplant haben oder eine erhebliche Störung der öffentlichen Ordnung. Das wollen wir dann aber genauer wissen.“ Sckerl will das Thema vor den Innenausschuss bringen. Dort müsste der Minister unter Ausschluss der Öffentlichkeit auch Antworten geben, die er in der Stellungnahme „aus Gründen der Geheimhaltung“ verweigert. Und er müsste erklären, was es genau auf sich hat mit jenen Zielpersonen, „bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen“, wie der Minister schreibt.


„Ganz pauschaler Auftrag“



Die Grünen befürchten gar, selbst betroffen zu sein von der Spitzelaktion. So sei ein Bus der Fraktion auf dem Weg zur Castor-Demo im pfälzischen Berg am 6. November von der Polizei angehalten und durchsucht worden, wie Sckerl berichtet. Im Schreiben des Ministers heißt es, „einsatztaktische Informationen“ seien „erhoben und an verschiedene Dienststellen der Polizei weitergeleitet“ worden.



„Diese pauschalen Erklärungen genügen nicht“, sagt Sckerl. „Der Einsatz von verdeckten Ermittlern ist an sehr enge Voraussetzungen geknüpft.“ Theresia Bauer, Grünen-Fraktionsvize im Landtag, glaubt, „dass der verdeckte Ermittler einen ganz pauschalen Auftrag hatte, die linke Szene vorsorglich auszuspähen“. Insbesondere die Studenten hätten nun das Recht auf Aufklärung.



In der politischen Kriminalstatistik des Landes werden Studenten übrigens nicht eigens aufgeführt. Rechtsextreme liegen dort mit 687 Straftaten deutlich vor Linksextremen mit 428 Delikten. Rech aber nennt es „besorgniserregend“, dass „das Aggressionsniveau und die Bereitschaft zur Gewalt in der linksextremistischen Szene weiter zunehmen“. Grund zur Entwarnung gebe es nicht.





Spitzelaffäre



Ein verdeckter Ermittler beschäftigt derzeit auch britische Klimaschützer. Mehr als sieben Jahre lang hat ein Polizeispitzel dort und in anderen europäischen Ländern, darunter Deutschland, nicht nur Aktivisten ausgekundschaftet, sondern sich auch aktiv an der Planung von Protestaktionen beteiligt. Dabei flog er nach Recherchen des Guardian letztlich auf.



An Protestaktionen planend beteiligt gewesen sein soll auch „Simon Brenner“ in Heidelberg. Nach Angaben von Studenten gehörte er etwa zu den Organisatoren eines Protestcamps in Brüssel. Auch dazu macht das Stuttgarter Innenministerium keine Angaben.

(Frankfurter Rundschau)
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