Prozessauftakt in Stuttgart

ProzessbeobachterInnen 13.01.2011 23:06 Themen: Antifa Repression
Heute am 13.1. begann am Stuttgarter Landgericht der Prozess gegen 9 der insgesamt 18 kurdischen Jugendlichen die alle wegen gemeinschaftlichen versuchten Mordes angeklagt sind. An diesem ersten Prozesstag beteiligten sich etwa 100 Angehörige, FreundInnen und GenossInnen. Ungefähr 80 davon wurden in den Gerichtssaal gelassen. Alle BesucherInnen wurden in Gruppen zu vier oder fünf Personen kontrolliert, durchsucht und ihre Personalausweise wurden eingesammelt und kopiert.
Wegen den massiven Vorkontrollen verzögerte sich der Prozessbeginn um eine Stunde auf 9.00 Uhr. Als der erste Jugendliche in Handschellen in den Gerichtssaal geführt wurde, begrüßten ihn die BesucherInnen mit Applaus und Solidaritätsbekundungen, worauf die Staatsanwältin aggressiv regierte und verlauten ließ, man solle das klatschen unterlassen, sonst würde der Saal geräumt werden. Ein Besucher musste aufgrund eines Kommentars zu dieser Anordnung den Gerichtssaal verlassen. Anschließend wurden die anderen acht Jugendlichen, ebenfalls in Handschellen, nacheinander in den Gerichtssaal gebracht.

Als die Richterin eintrat weigerten sich einige BesucherInnen aufzustehen. Erneut wurden Personen des Gerichtssaals verwiesen. Ein Besucher wurde mit „Halts Maul und steh auf“ von einem Polizisten angepöbelt, worauf es zu einer Lautstarken Auseinandersetzung und Handgreiflichkeiten kam. Hierauf verließ die Staatsanwältin den Saal und kehrte mit einem Fotoapparat zurück - ob wirklich Bilder gemacht wurden ist jedoch unklar.

Die Richterin begann mit dem Tagesablauf und erklärte, dass aufgrund eines Todesfalls in der Familie eines Rechtsanwalts der Prozesstag verkürzt würde und auf Freitag den 14.1. verlegt wird. Anschließend wurden die Personalien der Angeklagten festgestellt und die Staatsanwältin verlas die Anklageschrift. Sie forderte Freiheitsstrafen von drei Jahren und drei Monaten beziehungsweise vier bis fünf Jahren für zwei der Jugendlich, denen sie eine „hervorgehobene Stellung“ vorwirft. Außerdem machte sie klar, dass für keinen der Angeklagten eine „Bewährungsfähige Strafe“ in Frage käme.

Unter anderem verwies sie auf ein Gespräch zwischen ihr, der Richterin und den Anwälten, welches am 12.11.2010 im Landgericht Stuttgart stattfand. Dieses Gespräch diente dazu die Angeklagten zu einer Verständigung mit Staatsanwaltschaft und Gericht zu bewegen. Vier der Angeklagten lehnen eine solche Verständigung ab. Die anderen fünf werden sich am Freitag äußern ob sie ebenfalls ablehnen. An dieser Stelle wurde der Prozesstag um circa 11.00 Uhr beendet.Bild005

Nach dem Prozess wurden die Jugendlichen, als sie im Gefangenentransporter den Hinterhof des Gerichtsgebäudes verließen, mit lautstarken Parolen und Applaus gegrüßt. Bis auf kleinere Eskapaden eines übereifrigen Polizisten kam es zu keinen weiteren Vorfällen und die Gefangenen konnten würdig verabschiedet werden.

UnterstützerInnen:
Kurdische Jugend Stuttgart, Mesopotamischer Kulturverein Stuttgart e.V., Young Struggle Stuttgart, ATIK-YDG (Neue Demokratische Jugend), Libertäres Bündnis Ludwigsburg, Revolutionäre Aktion Stuttgart, Arbeitskreis Internationalismus Stuttgart, Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen Stuttgart



Prozesstermine

Über 21jährige: Jeweils um 9.00 Uhr im Landgericht Stuttgart Saal 1
Donnerstag, 13.1.
Freitag, 14.1.
Donnerstag, 20.1.
Freitag, 21.1.
Dienstag, 25.1.
Freitag, 28.1.
Dienstag, 8.2.
Freitag, 11.2.
Donnerstag, 17.2.
Donnerstag, 24.2.
Freitag, 25.2.
Dienstag, 1.3.
Donnerstag, 3.3.
Freitag, 4.3.
Dienstag, 15.3.



Unter 21jährige: Jeweils um 9.00 Uhr im Landgericht Stuttgart Saal 1
Montag, 17.1.
Mittwoch, 19.1.
Montag, 24.1.
Mittwoch, 26.1.
Montag, 31.1
Mittwoch, 02.2
Montag, 07.2.
Mittwoch, 09.2.
Montag, 14.2.
Mittwoch, 16.2.
Montag, 21.2.
Mittwoch, 23.2.
Montag, 28.2.
Mittwoch, 02.3.
Montag, 14.3.
Mittwoch, 16.3.
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Ergänzungen

Es fand auch eine Kundgebung statt

Ergänzungsmensch 13.01.2011 - 23:18
Am Abend vor dem Beginn des Prozesses gegen 9 von insgesamt 18 kurdischen Jugendlichen vor dem Landgericht in Stuttgart, veranstaltete das Kurden Soli-Komitee eine Kundgebung auf dem Stuttgarter Schlossplatz.
An dieser beteiligten sich rund 60 Personen. Mit einem Infotisch und ca. 400 verteilten Flugblättern wurde versucht die Bevölkerung auf den Prozess und die Verfolgung von Kurdinnen und Kurden in der BRD aufmerksam zu machen.


In den Reden wurden die Hintergründe des Verfahrens, die Repression und die Schikanen gegen das Umfeld sowie die Situation in der Türkei und die Rolle Deutschlands an der Verfolgung von Kurdinnen und Kurden thematisiert.


Reden bei den Kundgebungen:
 http://political-prisoners.net/images/stories/2011_01/Rede_1_-_Kurden_Solikomitee.pdf
 http://political-prisoners.net/images/stories/2011_01/Rede_2.pdf
 http://political-prisoners.net/images/stories/2011_01/Rede_3_-_ATIK-YDG.pdf

Einer der inhaftierten Jugendlichen beteiligte sich durch ein Grußwort an der Kundgebung:
Hallo und Rojbas Genossen!

Seit über tausenden von Jahren werden wir Kurden unterdrückt. Unsere Dörfer wurden zerstört und niedergebrannt. Freunde und Familien wurden verhaftet, Bild014gefoltert und hingerichtet.
Wie der Türkische Staat versucht auch die Bundesregierung mit Massenverhaftungen die kurdische Linke mundtot zu machen.
Doch solange der Türkische Staat die Existenz der kurdischen Bevölkerung leugnet werden die Rufe nach Freiheit und Selbstbestimmung weiter gehen.

Azadi ji bo kurd o kurdistan!

Zum Hintergrund

wv 13.01.2011 - 23:31
Hier ist noch eine recht aktuelle Broschüre zum Thema einsehbar:
 http://political-prisoners.net/images/stories/Material/Broschuren/kurd_bro.pdf

bericht

yoda 14.01.2011 - 12:41
da der obere haupttext kaum ne aussage macht bis auf mutmaßlichen todschlags, hier noch ein ausführlicher text


Am Don­ners­tag den 13. Ja­nu­ar 2011 be­ginnt vor dem Stutt­gar­ter Land­ge­richt der Pro­zess gegen einen Teil der in­haf­tier­ten kur­di­schen Ju­gend­li­chen. Das Stutt­gar­ter So­li­ko­mi­tee be­ste­hend aus ver­schie­de­nen lin­ken Or­ga­ni­sa­tio­nen aus Stutt­gart und Um­ge­bung ruft zu einer Pro­zess­de­le­ga­ti­on und einer Kund­ge­bung aus So­li­da­ri­tät mit den kur­di­schen Ju­gend­li­chen und ins­be­son­de­re der Kur­di­schen Ju­gend Stutt­gart auf.

An­fang die­ses Jah­res wur­den in der Re­gi­on Stutt­gart ca. 40 Haus­durch­su­chun­gen bei kur­di­schen Fa­mi­li­en durch­ge­führt und zahl­rei­che kur­di­sche Ju­gend­li­che ver­haf­tet. Seit nun knapp sie­ben Mo­na­ten be­fin­den sich 18 Ju­gend­li­che in Un­ter­su­chungs­haft. Sie wur­den von­ein­an­der ge­trennt und in Ge­fäng­nis­se über ganz Ba­den-​Würt­tem­berg ver­teilt. Ihnen wird vor­ge­wor­fen an einem An­griff auf eine Knei­pe na­mens „Bar­fly“ in Nür­tin­gen bei Stutt­gart, wel­che re­gel­mä­ßig von tür­ki­schen Fa­schis­ten be­sucht wurde, be­tei­ligt ge­we­sen zu sein.

Im Zu­sam­men­hang mit die­sem Ver­fah­ren wird auf das so­zia­le Um­feld der in­haf­tier­ten Kur­den, wie Fa­mi­lie und Freun­des­kreis, bis heute mas­si­ver Druck aus­ge­übt: Te­le­fon­an­ru­fe der Po­li­zei, Ein­grif­fe in das Pri­vat­le­ben, Haus­durch­su­chun­gen durch schwer­be­waff­ne­te Ein­hei­ten des Son­der­ein­satz­kom­man­dos (SEK), spon­ta­ne Mit­nah­men auf das Po­li­zei­re­vier und ver­stärk­te Kon­trol­len und Ob­ser­va­ti­on des ge­sam­ten All­tags der Be­trof­fe­nen sind nur ei­ni­ge Bei­spie­le dafür.

Dabei nutzt die Po­li­zei die emo­tio­na­le Bin­dung der El­tern an ihre Kin­der scham­los aus und setzt die Be­trof­fe­ne­nen und ihre Fa­mi­li­en durch all diese Maß­nah­men psy­chisch unter Druck. Diese Vor­ge­hens­wei­sen haben tief grei­fen­de Aus­wir­kun­gen auf den All­tag der Be­trof­fe­nen und deren Um­feld. Sinn und Zweck des­sen ist es, eine Stim­mung aus Angst und Un­si­cher­heit zu er­zeu­gen und vor jeg­li­cher po­li­ti­scher Be­tä­ti­gung ab­zu­schre­cken.

Fünf der Ju­gend­li­chen wurde unter Geld­ver­spre­chun­gen an­ge­bo­ten mit der Po­li­zei zu­sam­men­zu­ar­bei­ten. Au­ßer­dem wur­den Ge­rüch­te im Um­feld der kur­di­schen Ju­gend­li­chen ver­brei­tet, dass sich seit län­ge­rer Zeit ein Spit­zel der Po­li­zei in den po­li­ti­schen Zu­sam­men­hän­gen be­wegt. Dies soll zu einem ge­gen­sei­ti­gen Miss­trau­en füh­ren und die Zu­sam­men­hän­ge von innen her­aus schwä­chen.

Diese Ver­haf­tun­gen rei­hen sich ein in eine jahr­zehn­te­lan­ge Ver­fol­gung von Kur­din­nen und Kur­den in der BRD und sind dabei nur ein Bei­spiel für die ge­ne­rel­le Ver­fol­gung und Un­ter­drü­ckung von kur­di­scher Po­li­tik – nicht nur in der BRD.

Auf eu­ro­pa­wei­ter Ebene wer­den seit den 80er Jah­ren kur­di­sche Struk­tu­ren ver­stärkt ver­folgt und kri­mi­na­li­siert. Das be­schrie­be­ne Vor­ge­hen ist ein ty­pi­scher Aus­druck für die Po­li­tik gegen die kur­di­sche Be­we­gung.

Die Ver­fol­gung der kur­di­schen Ju­gend Stutt­gart muss daher im Kon­text der jahr­hun­der­te­lan­gen Un­ter­drü­ckung von Kur­dIn­nen und der ak­ti­ven Be­kämp­fung von kur­di­schen Struk­tu­ren – in der BRD, in der Tür­kei und über­all – ge­se­hen wer­den.

Wir ver­ur­tei­len die Ver­haf­tung der kur­di­schen Ju­gend­li­chen, die Schi­ka­nen, mit denen die Kur­din­nen und Kur­den kon­fron­tiert wer­den und for­dern ein Ende der Un­ter­drü­ckung von Kur­dIn­nen, wie auch die Frei­heit der kur­di­schen Ju­gend­li­chen.

In die­sem Zu­sam­men­hang fin­det am 12. Ja­nu­ar 2011 um 19.​00 Uhr auf dem Schloss­platz eine Kund­ge­bung statt. Wir wol­len dort ent­schlos­sen und ge­mein­sam un­se­re So­li­da­ri­tät mit den An­ge­klag­ten un­ter­strei­chen und die Re­pres­si­on gegen die Kur­dIn­nen in der BRD ver­ur­tei­len.

Der Pro­zess wird am 13. Ja­nu­ar 2011 um 9.​00 Uhr vor dem Lan­des­ge­richt Stutt­gart er­öff­net. Hier­für rufen wir zu einer Pro­zess­de­le­ga­ti­on auf! Kommt zahl­reich und un­ter­stützt die Ju­gend­li­chen!

Kommt zur Kund­ge­bung am 12. Ja­nu­ar 2010 um 19 Uhr auf dem Schloss­platz!
Be­tei­ligt euch an der Pro­zess­de­le­ga­ti­on am 13. Ja­nu­ar um 9 Uhr vor dem Land­ge­richt Stutt­gart, Ur­ban­str. 20!

AZADÎ JÎ BO CI­WA­NEN KURD!
Frei­heit für die kur­di­schen Ju­gend­li­chen!
Hoch die In­ter­na­tio­na­le So­li­da­ri­tät!

Kur­di­sche Ju­gend Stutt­gart

Un­ter­stüt­ze­rIn­nen:
Young Strugg­le Stutt­gart, ATIK-​YDG (Neue De­mo­kra­ti­sche Ju­gend), Li­ber­tä­res Bünd­nis Lud­wigs­burg, Re­vo­lu­tio­nä­re Ak­ti­on Stutt­gart, Ar­beits­kreis In­ter­na­tio­na­lis­mus Stutt­gart, Netz­werk Frei­heit für alle po­li­ti­schen Ge­fan­ge­nen Stutt­gart, An­ti­fa­schis­ti­sche In­itia­ti­ve Hei­del­berg, Kam­pa­gne Tat­ort Kur­dis­tan, An­ti­fa­schis­ti­sche Re­vo­lu­tio­nä­re Ak­ti­on Ber­lin, Rote Hilfe Braun­schweig, FAU Frei­burg, Kur­dis­tan-​So­li­da­ri­täts­ko­mi­tee Ber­lin, An­ti­fa­schis­ti­sche Linke Frei­burg, So­zia­lis­ti­sche Linke Ham­burg, Zu­sam­men Kämp­fen Du­is­burg, Lydia Tru­e­ten (IG-​Me­tall Ver­trau­ens­frau Böb­lin­gen), Tho­mas Tru­e­ten (Ver­trau­ens­kör­per­mit­glied, De­le­gier­ten­ver­samm­lung Ess­lin­gen)
baden w�rt­tem­berg, knast, kund­ge­bung, kur­dis­tan, pkk, pro­zess, re­pres­si­on, so­li­da­rit�t, stutt­gart, ver­haf­tung