DAN: Prozess gegen AKW-Gegnerin

Beo Bachta 12.01.2011 06:30 Themen: Atom Repression
Am Amtsgericht Dannenberg wurde am Montag den 10.01. der Gerichtsprozess gegen eine Atomkraft-Gegnerin fortgesetzt. Anlass ist eine Protestaktion vor dem Gorlebener Atommüll-Zwischenlager, im Sommer 2008.
Damals fand dort eine spontane Versammlung statt, um auf die Risiken der Atomenergie hinzuweisen. Der Angeklagten wird vorgeworfen, damals durch eine Lücke im Vorzaun vor dem Zwischenlager geschlüpft zu sein, und sich später gewehrt zu haben, als sie von Polizeibeamtinnen gefesselt und nach Gorleben verschleppt wurde (obwohl selbst die ErmitlerInnen der Polizei einräumen, dass auf ihren eigenen Einsatzvideos nichts derartiges zu erkennen ist). Der für politisch motivierte Delikte zuständige Oberstaatsanwalt Vogel wertet diese Vorgänge trotzdem als Hausfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.

An den vergangenen Verhandlungstagen hatte es eine juristische Auseinandersetzung um die Frage der Verteidigung gegeben. Auf Antrag der Angeklagten war ein Polit-Aktivist als Verteidiger zugelassen worden, später jedoch wurde diese Zulassung mit einer kruden Begründung zurückgenommen. Der daraufhin gestellte Antrag, einen weiteren Aktivisten als Verteidiger zuzulassen, war pauschal abgelehnt worden, wegen angeblich mangelnder Sachkunde des Beantragten. Alle Betroffenen legten Beschwerde gegen diese Entscheidungen ein, in denen sie ausführlich darlegten, warum diese nicht haltbar seien.
Zu Beginn der Verhandlung wurden die diesbezüglichen Beschlüsse des Landgerichts Lüneburg überreicht: Die Beschlüsse seien nicht zu beanstanden, weil 1.) seien die Anträge geprüft und 2.) sei ein Grund für die Ablehnung angegeben worden. Auf die Argumentation in den Beschwerden wurde mit keinem Wort eingegangen.

Zu Beginn der Verhandlung wurde außerdem ein Befangenheitsantrag gegen Richter Stärk verworfen, den die Angeklagte gestellt hatte, weil er ihr die Anfertigung einer Kopie eines Gerichtsbeschlusses verweigert hatte. Im weiteren Verlauf der Verhandlung beantragte die Angeklagte Kopien des Verhandlungsprotokolls der letzten Tage, die sie erhielt (die Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin auch welche). Sie rügte die Eingangskontrollen denen sich alle ProzessbesucherInnen unterziehen müssen, insbesondere das dort völlig willkürlich entschieden werde, was in den Gerichtssaal mitgenommen werden dürfe, und was nicht. Nach einer Pause rügte sie ferner, dass Oberstaatsanwalt Vogel und Richter Stärk sich gemeinsam in einem Raum aufgehalten hätten, und unklar sei, ob sie dort Absprachen über den weiteren Prozessverlauf getroffen hätten.

Hauptsächlich geprägt war der Verhandlungstag jedoch von 2 Beweisanträgen der Angeklagten. Mit dem Ersten sollte bewiesen werden, dass die Angeklagte zum Tatzeitpunkt Teil einer Versammlung gewesen war. Dennoch war gegen sie ein Platzverweis ausgesprochen worden, auf dessen Grundlage sie gefesselt und fortgebracht worden war. Polizeirechtliche Maßnahmen wie z.B. Platzverweise dürfen rechtlich gesehen nicht gegen TeilnehmerInnen von Versammlungen angewendet werden (was trotzdem gängige Polizeipraxis in Deutschland ist). Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ist jedoch nur dann strafbar, wenn die angegriffene Maßnahme rechtsmäßig ist. Oberstaatsanwalt Vogel schloss sich dieser Rechtsauffassung an, vertrat aber die Meinung, dass die Angeklagte mit herdurchschlüpfen durch den Zaun nicht mehr Teil der Versammlung gewesen sei.
Im 2 Beweisantrag ging es darum, dass die Angeklagte in der Vergangenheit häufig Opfer von Ermittlungsverfahren und Observationen gewesen sei, die sich im Nachhinein als unbegründet bzw. rechtswidrig erwiesen hätten. Sie könne daher PolizistInnen keinen Glauben schenken, wenn diese sie auf vermeintlich strafbares Handeln hinwiesen. Die Staatsanwaltschaft beantragte, diesen Antrag zurückzuweisen.
Die Entscheidung über beide Anträge wurde vom Gericht verschoben.

Am Ende der Verhandlung verkündete Richter Stärk die nächsten Verhandlungstermine. Es handelt sich um den 17.01. und 01.02.

Während es an den vergangenen Verhandlungstagen vor allem um rechtliche Fragen ging, soll es nun inhaltlich werden: Zum 17.01. wurden zwei Polizeizeugen geladen. Wer schonmal allein mehrere Zeugen vernehmen musste, wird bestätigen können, dass dies sehr anstrengend sein kann. Es ist daher für die Angeklagte wichtig, dass sich am 17.01. ein möglichst großes, solidarisches Publikum einfindet. Der Prozess beginnt um 09:30h

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Ergänzungen

Ablehnen, ablehnen, ablehnen ...

jb 13.01.2011 - 17:00
Heute kam die Ablehnung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Richter. Dieser hätte mit der Behauptung, ich hätte mir den Verteidigerstatus "erschlichen", keine strafbare üble Nachrede betrieben, da er durch höhere Interessen gedeckt war - nämlcih mich rauszuwerfen.

Außerdem ist meine Beschwerde gegen den Rauswurf vom Landgericht abgelehnt worden. Das Gericht hat es sich einfach gemacht Das Schreiben lautet in der Begründung: „Die Staatsanwaltschaft hat ... ausgeführt:“ Dann kommt das Schreiben der Staatsanwaltschaft einfach reinkopiert. Und dann folgt: „Dem schließt sich die Kammer an“. Jau super. Da hat ja mal jemand richtig beide Seiten gleichberechtigt zur Kenntnis genommen. Zu meinen Ausführungen und den Beweisen, dass der Ablauf gar nicht so gewesen sein kann (z.B. anhand des Gerichtsprotokoll) schweigt das Landgericht.
Zu befürchten ist, dass das Verfassungsgericht auch wieder ablehnen wird. Denn was alle RichterInnen dieses Landes nicht mögen, ist dass Allmacht im Gerichtssaal in Frage gestellt ist. Politisch ist es umso wichtiger, gegen diese Diktatur in Robe handlungsfähigkeit zu werden. Deshalb noch mal die herzliche Einladung, Trainings zur Selbstverteidigung von Gericht zu besuchen, anzubieten und ein Netzwerk von LaienverteidigerInnen zu bilden. Mehr unter www.laienverteidigung.de.vu.