Abschiebung aus dem Frauenhaus Kassel

Ashtray 16.12.2010 19:14 Themen: Antifa Antirassismus Freiräume Repression
In der Nacht von Sonntag auf Montag (12./13.12.2010) wurde eine Frau von der Polizei aus dem Frauenhaus Kassel geholt und inhaftiert. Am nächsten Tag wurden ihre beiden Kinder abgeholt und eine sofortige Abschiebung durchgeführt.
In der Nacht vom 12.12.10 auf den 13.12.10 hat die Polizei die Mutter eines siebenjährigen Mädchens und eines achtjährigen Jungen mit Haftbefehl aus dem Frauenhaus Kassel geholt. Der Vorwurf: Einreise unter falschem Namen. Als die damals 17-jährige Fatima* zur Zwangsheirat nach Deutschland gebracht wurde, hatte die Familie sie gezwungen, einen falschen Namen anzugeben. Als sie sich schließlich von ihrem gewalttätigen Ehemann trennte, wandte sie sich hilfesuchend an die deutschen Behörden und erklärte die Umstände ihrer Einreise. Dies wurde von den Behörden jedoch völlig außer Acht gelassen und sie wurde zur Ausreise aufgefordert. Unter dem Druck der Behörden und durch die Bedrohung ihrer Familie floh sie mit ihren Kindern ins Frauenhaus.
Fatima wurde weiterhin von der Familie, vor der sie auf der Flucht war, gesucht und schließlich in Kassel gefunden. Am Sonntag abend versuchte die Familie die beiden Kinder von Fatima zu entführen. Als die Kinder sich weigerten mitzugehen wurden sie geschlagen und die Familie rief die Polizei.
Aufgrund des vorliegenden Haftbefehls wegen Einreise unter falschem
Namen und dem Bezug von Leistungen unter falschem Namen, nahmen die
Beamten Fatima in Haft.
Am 13. 12 2010 holten Polizei, Ordnungsamt/AusländerInnenbehörde und
Jugendamt mit einem Großaufgebot auch ihre Kinder im Frauenhaus ab.
Ohne Verabschiedung wurden sie direkt am selben Abend nach Frankfurt
gebracht und von dort aus abgeschoben. Obwohl die Polizei und der
Bundesgrenzschutz von dem eingereichten Asylfolgeantrag in Kenntnis
gesetzt worden waren, wurde die Abschiebung durchgeführt. Dies ist unserer Auffassung nach rechtswidrig!
Was die heute 27-jährige Frau dort erwartet, ist völlig unklar…Fakt ist, dass die soziale Stellung getrennt lebender Mütter kurdischer Herkunft in Teilen der Türkei derart schwierig ist und auch Fatima im Vorfeld durch ihre Familie bedroht wurde. Beide Kinder sind hier geboren und sprechen kein türkisch. Aufgrund der uns bekannten Bedrohungslage sind wir sehr besorgt um ihre Sicherheit!
Ein solches Vorgehen der Behörden ist völlig unangemessen, verstößt gegen die Menschenwürde und retraumatisiert sowohl die Frau, die Opfer der Gewalt ihres Mannes und seiner Familie geworden ist als auch die Kinder, die erleben müssen, dass nicht einmal ein Frauenhaus für sie ein sicherer Ort ist.
Sowohl die betroffene Frau selbst als auch die anderen Bewohnerinnen des Frauenhauses mussten die Erfahrung machen, dass Staat und Polizei sich *Name aus Schutzgründen geändert!
mit dem gewalttätigen Mann verbündet haben und der Schutz einer Frau
und ihrer Kinder vor Gewalt weit weniger wichtig ist als ausländerrechtliche Fragen. Auch die Tatsache, dass Fatima* als 17-jährige von ihrer Familie nach Deutschland gebracht wurde, um gegen ihren Willen verheiratet zu werden, hinderte die Behörden nicht daran, Fatima und ihre Kinder abschieben zu lassen.
In Zeiten, in denen die Bundesregierung neue Gesetze erlässt, um Frauen angeblich vor Zwangsheirat besser zu schützen, ist diese Abschiebung ein weiteres Signal dafür, dass damit nicht wirksam die Interessen von gewaltbetroffenen Frauen vertreten werden, sondern diese Gesetzgebung nur der Zuwanderungsbeschränkung dient. Für die Vertreter der zuständigen Behörde waren die Fragen des Aufenthaltsrechtes vorrangiger als der Schutz und die Sicherheit von Fatima und ihren Kindern. Trotz Kenntnis der Hintergründe und Umstände, nämlich der Einreise aufgrund von Zwangsheirat, wurde Fatima, die zu diesem Verhalten gezwungen wurde, kriminalisiert.
Das Signal, das der verantwortliche Leiter der Ausländerbehörde in Uelzen damit an von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder gibt, ist verheerend: so wird anderen Frauen und Kindern in ähnlichen Situationen der Mut genommen, sich für ein Leben ohne Gewalt durch den Mann oder der Familie zu entscheiden.
Wir fordern die zuständigen Behörden und die politischen Verantwortlichen in Niedersachsen auf, Ihre Entscheidung zu überprüfen und Fatima und ihren Kindern die Wiedereinreise nach Deutschland baldmöglichst zu ermöglichen und ihnen ein Aufenthaltsrecht zu gewähren.
Für weitere Informationen und Kontakt:
Frauenhaus Kassel
0561/89 88 89
 Frauenhaus-Kassel@web.de
Die Zentrale Informationsstelle autonomer Frauenhäuser hat zur
Unterstützung von Fatima eine Unterschriftenaktion gestartet.
Listen unter:
Zentrale Informationsstelle autonomer Frauenhäuser (ZIF)
Postfach 101103
34011 Kassel
 Zif-frauen@gmx.de
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Ergänzungen

Solidarität aus Marburg

Lisa 20.12.2010 - 12:16
Abschiebungen von Illegalisierten ist Alltag in Deutschland und Europa: Am 1. Januar 2005 trat das momentan geltende Zuwanderungsgesetz in Kraft, welches aber zu keinerlei Verbesserungen führte. Es blieben sowohl die menschenunwürdige Praxis der Abschiebehaft als auch die Flughafenverfahren bestehen (durch das Flughafenverfahren dürfen Flüchtlinge aus ‚sicheren Herkunftsländern’ oder bei fehlenden bzw. falschen Papieren den Transitbereich des Flughafens, der nicht als deutsches Hoheitsgebiet gilt, nicht verlassen. Sie müssen sich dort einem Schnellverfahren unterziehen. Dies kann zur direkten Abschiebung führen). Menschen in der Illegalität werden gesetzlich ignoriert. Selbst grundlegende soziale Mindeststandards wie z.B. medizinische Versorgung, Schulbesuch etc. dieser Personen sind nicht gesichert. Im November 2006 wurde eine einmalige Bleiberechtsregelung auf der Innenministerkonferenz beschlossen. Durch diese Regelung werden einige wenige Geduldete, die bereits lange in Deutschland sind, einen Aufenthaltstitel erhalten; aufgrund der sehr strengen Kriterien ein Großteil der Betroffenen jedoch nicht – Nur so genannte „leistungsfähige“ Flüchtlinge wird ein „Bleiberecht“ gewährleistet. Unberücksichtigt von der Regelung bleiben daneben weiterhin alle illegalisierten Personen. An dieser Stelle sollte noch einmal betont werden, dass es auch ansonsten keinerlei Ansätze gibt, auf die Situation dieser betroffenen Menschen einzugehen. Sie werden schlichtweg ignoriert.

Für uns ist diese hier nur in Auszügen genannten Gesetzte bezüglich Zuwanderung und die Asylgesetzgebung Ausdruck des kapitalistischen, rassistischen und patriarchalischen Gesellschaftszustands. Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass diese Art der Gesetzgebung, die Stimmungsmache mit Hilfe von Medien und die Kriminalisierung von Menschengruppen zu rassistischen Politiken gehören, die nicht mehr am rechten Rand, sondern in der Mitte der Gesellschaft zu finden sind. Wir erklären uns solidarisch mit der Initiative der Zentrale Informationsstelle autonomer Frauenhäuser (ZIF) und fordern sofortiges Abschiebestopp – überall.

No Border, No Nation – Stop Deportation!

kundgebung

u 22.12.2010 - 05:49
montag, 27. dezember um 10 uhr: kundgebung vor dem kasseler rathaus

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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