Chiapas: Menschenrechtler_innen im Visier

Luz Kerkeling, Gruppe B.A.S.T.A. 02.12.2010 01:05 Themen: Militarismus Soziale Kämpfe Weltweit
Verschärfung der Repression in Chiapas. Todesdrohungen gegen Menschenrechtsaktivistin.
Die Menschenrechtssituation im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas verschlechtert sich weiter. Folter, Verschwindenlassen, Inhaftierung unter gefälschten Beweisen und Morde werden immer wieder von lokalen Menschenrechtszentren angeprangert. Seit Jahrzehnten und verstärkt seit Beginn des Aufstands der linksgerichteten Zapatistischen Befreiungsarmee (EZLN) im Januar 1994 geraten Aktivist_innen der sozialen Bewegungen ins Visier der lokalen Machthaber_innen, der mexikanischen Oberschicht sowie der transnationalen Eliten. Sie stehen der ökonomischen Erschließung des ressourcenreichen Bundesstaates im Wege.

Sowohl nationale als auch internationale Akteur_innen haben größtes Interesse an der Ausbeutung der Süßwasservorkommen, der biologischen Vielfalt, der Bodenschätze wie Erdöl, Uran und Erdgas sowie der Nutzung attraktiver Landschaften und Maya-Ruinen für den Tourismus. Dazu kommen neben dem traditionellen Kaffee-Anbau neue agrarindustrielle Projekte, wie Ölpalmen- oder Jatropha-Plantagen zur Gewinnung von ökologisch hoch umstrittenem „Bio-Sprit“, der von der Regierung massiv unterstützt wird - auch zur Imagepflege im Kontext der aktuellen Klimakonferenz in Cancún.

Seit Mitte 2009 ist allerdings eine Ausweitung des Spektrums der Opfer von Menschenrechtsverletzungen festzustellen. Nicht mehr nur Oppositionelle, sondern auch Menschenrechtsverteidiger_innen selbst werden nun attackiert. Im September 2009 entging Ricardo Lagunes, Anwalt des Menschenrechtszentrums Fray Bartolomé de las Casas, nur knapp einem Lynchmord durch regierungsnahe Paramilitärs. Pro-zapatistische Kleinbäuer_innen konnten ihn damals befreien. Gegen Diego Cadenas, den Direktor des Menschenrechtszentrums, werden Verleumdungskampagnen lanciert. Er wird fälschlicherweise beschuldigt, Rebellionen vorzubereiten.

Ein aktueller Fall sorgt bei den Menschenrechtsorganisationen nun für große Besorgnis: Margarita Martínez, eine renommierte Menschenrechtlerin, wurde erst am 24. November in San Cristóbal, Chiapas, stundenlang Todesdrohungen ausgesetzt. Die Aktivistin, die aufgrund bereits erfahrener Gewalt nach Empfehlungen der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) unter Polizeischutz steht, wurde von Männern, die in einem Wagen ohne Nummernschilder unterwegs waren, gezwungen, Drohbriefe gegen das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé entgegenzunehmen. Die Aggressoren nutzten die Abwesenheit der verantwortlichen Polizisten und sagten ihr: „Wir überwachen nicht nur Dich, sondern noch viele mehr. Mach, was wir sagen, oder wir verpassen Dir drei Schüsse [...]. Sag' Diego, dass wir wissen, dass sie mit subversiven Gruppen zusammenarbeiten und dass wir die von Frayba genau identifiziert haben und dass wir sie einen nach dem anderen umbringen werden, weil sie verdammte scheiß Arschlöcher sind, die nur den Staat destabilisieren“.

Martínez konnte die Angreifer schließlich abschütteln, doch sie befindet sich weiterhin in höchster Gefahr. Amnesty International und UNO-Vertreter_innen bemängelten die völlige Inaktivität des mexikanischen Staates in diesem Bereich. Carola Hausotter von der Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko kritisierte im Interview das Ausbleiben von Schutzmaßnahmen: „Von Seiten des Staates haben Menschenrechtsverteidiger_innen momentan keinerlei politische Unterstützung zu erwarten. Längst ist es Zeit für ein politisches Signal der mexikanischen Regierung, indem sie sich hinter die Menschenrechtsverteidiger_innen stellt und ihrer Arbeit offiziell die Wertschätzung zukommen lässt, die ihr gebührt“.

weitere Infos: www.chiapas98.de
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