Kekse-Prozess in Lüneburg

Qlatsch_BOooom! 02.12.2010 00:22 Themen: Repression Ökologie

Am Mittwoch, dem1.Dezember.2010, hatvor dem Lüneburger Amtsgericht ein Prozess gegen einenContainererbegonnen. Dem Aktivisten wird vorgeworfen, Kekse aus einerMülltonnegestohlen zu haben. Vor Beginn des Prozesses und in der Verhandlungzeigten UnterstützerInnen des Angeklagten ihren Unmutüber dieWegwerf-Gesellschaft und diesen absurden Prozess. Die Sitzung dauertenur etwa eine Stunde und wurde auf unbestimmte Zeit vertagt. ImAnschluss an die Verhandlung wurde der Angeklagte. jedoch noch imGerichtssaal festgenommen. Weil er ein Bußgeld wegen einesVerkehrsdeliktes nicht zahlen konnte, wurde er in Erzwingungshaftgenommen.

Der Vorwurf, der Aktivist.habeweggeworfene Kekse »gestohlen«, stammt aus demvergangenen Sommer.Zunächst war das Verfahren sowohl gegen den Aktivisten wieauchgegen eine weitere Person, gegen den die Staatsanwaltschaftidentische Vorwürfe erhoben hatte, wegen mangelndemöffentlichenInteresse eingestellt worden. Nach einer erneuten Prüfungwurde dasVerfahren gegen den bekannten Anti-Atom-Aktivisten jedoch wiederaufgenommen, während gegenüber der anderen Personlediglich dieRechtsgrundlage der Einstellung geändert wurde. Die Anklagelautetauf Hausfriedensbruch, weil die Mülltonne sich auf demBetriebsgelände der Konditorei Scholze befand.

UnterstützerInnenverteilten amDienstag Flyer und aus Mülltonnen geholte Kuchen amLüneburgerWeihnachtsmarkt. Die Passanten lasen erstaunt laut vor:»Kekse!Kekse!«
Hanna Poddig, eine der UnterstützerInnen berichtet:»Viele wollten nicht glauben, dass Menschen aus solchenGründenangeklagt werden und hielten unsere Flyer für Fakes, alsofür eineFälschung.«. Mit diesen hatten dieLüneburgerInnen zurWeihnachtszeit 2008 zu den Aktionstagengegen Repression, Überwachungund Kontrollen schon ausführlich Bekanntschaftgemacht. Für ein öffentliches Interesse ander Verfolgung gab es lautFußgängerbefragung keinerlei Anzeichen, dieReaktionen zeigtendurchweg Unverständnis für das Vorgehen derStaatsanwaltschaft.

Das Amtsgericht hatte sichbis zumProzess ansprechend und fast schon weihnachtlich vorbereitet, sowaren auf dem Gerichtsgebäude die Sprüche "LebenslangfürMülldiebe" und "Freiheit für die Kekse!" inweißerFarbe zu lesen.

Im Prozess beantragte derAngeklagtegleich zu Beginn der Verhandlung einen juristischen Beistand. DieVerteidigung sollte nicht wie üblich durch einen Anwaltgewährtwerden, sondern durch eine gerichtserfahrene LüneburgerPolit-Aktivistin. Dem Antrag wurde stattgegeben.

Zur inhaltlichenVerhandlung kam es andiesem Tag nicht. Nachdem ein Teil des Publikums wegenUnmutsäußerungen ausgeschlossen worden war, wurdedie Sitzung nacheiner Stunde beendet und vertagt, da die zuständige Richterinzunächst über einen Antrag der Verteidigung aufAkteneinsichtentscheiden muss.

Noch während derStrafbefehl verlesenwurde entstanden die ersten Irritationen, ein Summgeräuschunbekannter Quelle führten zur Ermahnung des Publikums, unklarwarjedoch wer eigentlich ermahnt wurde.

Anschließendstellte die frischgebackene Verteidigung einen Antrag auf Akteneinsicht, hier folgtedie erste Unterbrechung und die Richterin zog sich in der"fünfminutigen Pause" für zehn Minutenzurück um sicheine Meinung zum Antrag zu bilden. Nach RückkehrerklärtenAngeklagter und Verteidigung weiteres zu den Anträgen, so wardemmittellosen Aktivisten die Akteneinsicht zwar gewährt worden,Kopienkonnte er sich jedoch nicht leisten, eine Auseinandersetzung mitAkten und Beistand war daher nicht möglich.

Die Richterin war derMeinung dasVerteidigung und Rechtsbeistand nicht die selben Rechte hättenundes "unnötig sei darüber zu reden". Hierrauf folgteeineIntervention aus dem Publikum "Sie können doch normaleVerfahrensrechte nicht für unnötig erklären"klang es durchden Saal. Eine weitere Person machte daraufhin ihren Widerspruch zumVorgehen der Richterin deutlich, woraufhin die Richterin nach denJustizwachtmeistern rufen ließ. Ein vereinzelter Beamterbetratdaraufhin tapsig den Saal, die Richterin fragt "Sind siealleine?", er antwortete daraufhin "Nein, da kommt nocheiner." woraufhin es zu einem leisen Gelächter im Publikumkommt und gewartet wird.

Eine der zuräumenden Personen fängtnun an Kuchen zu Essen und fragt in die Runde ob noch jemandE anderescontainertes Gebäck essen will, die Richterin forderte dieEinstellung des Kuchenverzehrs, der Kuchenesser erwiderte daraufhin"Sie haben die Verhandlung doch unterbrochen.", dieRichterin "Nein die Verhandlung ist nicht unterbrochen.",der Kuchenesser "Gut so lange wir warten können wir ja nocheine Kaffeepause machen."

Nachdem genug Wachtmeisteranwesendwaren, begann die Räumung des kritischen Publikums, nach demanziehen der Jacke forderten diese dazu auf sie doch rauszutragen.Eine Kritikerin bestand darauf von einer weiblichen Personhinausgetragen zu werden, woraufhin die Richterin mit den Worten"Jetzt haben wir ja eine Frau, jetzt können wir ja weitermachen." selbst Hand an die Kritikerin legte. Die Richterinließerst ab als ein weiterer Zuschauer ihren Übergriffdokumentierenwollte, sie kommentierte dies mit den Worten "der fliegt jetztauch raus."

Nachdem die mittlerweiledreiKritikerInnen im Flur abgelegt wurden, verständigten sich dieWachtmeister noch ob die Personen aus dem Gebäude entferntwerdensollen, sie wurden, nachdem noch ein "Flummi" in denGerichtssaal sprang, rabiat durchs Gebäude gesschleift und mitAnzeigen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte bedroht.Hierbei flog eine durch die Justizangestellten mit voller Wuchtaufgestoßene Pendeltür einer Unbeteiligten nurzentimeterknapp am Kopfvorbei.

Währenddessenwurde im Gerichtsaal dervermeintliche »Dieb« durch einen als Zeugeerschienenen Polizistenin Erzwingungshaft genommen. Die zuvor rausgeworfenen KritikerInnenbegleiteten ,neben den miesgelaunten Beamten, den abgeführtenAktivisten, noch auf dem Weg zwischen Amtsgericht zum nahgelegenenGefängnis.

RechtsbeistandCécile Lecomte erklärtenach der Verhandlung: »Der Angeklagte soll einBußgeld wegen einesbanalen Verkehrsdeliktes zahlen, obwohl er längst seineVerhältnisseoffengelegt und seine Zahlungsunfähigkeit dargelegt hat. DemGesetznach darf Erzwingungshaft jedoch nur dann vollzogen werden, wenn derBetroffene zahlungsfähig ist. Im Weltbild von Richtern, dieselbstzu den wohlhabenden Menschen gehören, ist ein Mensch, der sichu.a.aus Geldnot von weggeworfenen Lebensmittel ernährt,zahlungsfähig.Das ist doch ein Skandal!«

DieUnterstützerInnen wollen dasVorgehen der Staatsgewalt nicht ohne weiteres hinnehmen. AmNachmittag informierten sie PassantInnen über das Geschehen,einePassantin spendete die ersten zehn Euro um den Aktivisten»frei zukaufen«. Über weitere Spenden undSolidaritätsgesten freuen sichder Aktivist und die UnterstützerInnen.


Spendenkonto:

Inhaber:H.Thoroe
Kontonr. 111 026274
Blz: 217 500 00
Betreff: KekseKekse

ZumContainern:

Prozess gegenAnti-Atom-Aktivistin:

Zur Zeit laufen Prozessegegen Cécile, die in diesem Fall denRechtsbeistand stellte, wegen Anti-Atom-Protest am Atom-ZwischenlagerGorleben in Dannenberg. In diesem stellt Jörg der zur Zeit inGießen für sechs Monate im Offenen Zug wegen derTeilnahme an einer Feldbefreiungin 2006 weggesperrt ist den Rechtsbeistand, möglichwurde dies dadurch das er vor Haftantritt als Rechtsbeistand zugelassenwurde und er seinen Hafturlaub zur Verteidigung von Cécilenutzt. Nicht möglich gemacht wurde ihm die Teilnahme alsReferent auf einem Gentechnik-Vernetzungstreffenin Leipzig.

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Ergänzungen

Streit um Kekse aus dem Müllcontainer

Presse 04.12.2010 - 16:19

02.Dez.2010, Hamburger Abendblatt,Streit um Kekse aus dem Müllcontainer

51-Jähriger steht wegen Hausfriedensbruch vor dem Amtsgericht Lüneburg. Der Mann hat abgelaufene Kekse aus dem Müll entwendet.

 http://www.abendblatt.de/region/lueneburg/article1714511/Streit-um-Kekse-aus-dem-Muellcontainer.html

Krümelmonster ...

Wenn das keine Ergänzung ist ................ 08.12.2010 - 15:15

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Frage — anna

Leerzeichen — verwirrter

Kinderkram — Franzi

Mal angenommen — hörsth

Ich bin dabei — Oskar

Achtung! — hörsth