Bergedorfs rechte Szene ist hellwach

Zementblog.de, LJS Bergedorf, A26B 25.11.2010 18:39 Themen: Antifa
Die „Bergedorfer Zeitung“, eine Lokalzeitung aus Hamburg, behauptete mit Bezug auf Angaben des Verfassungsschutzes, es sei „ruhig geworden um die rechte Szene in Bergedorf“. Schaut man sich die Chronik der letzten Monate an, kommt man zu dem Schluss: Das Gegenteil ist der Fall.
Am 1. September veröffentlichte die „Bergedorfer Zeitung“ zwei kurze Artikel darüber, was im Stadtteil zur Zeit von der politischen Rechten ausgeht. Dabei wurden Vorfälle teils mit einem fragwürdigen Unterton dargestellt, sodass sich rechte, im Artikel als inaktiv dargestellte Gewalttäter sogar provoziert gefühlt haben können. Der Hauptartikel mit dem Titel „Bergedorf rüstet sich gegen rechte Gewalttäter“ kündigte die Eröffnung der Wanderausstellung „Opfer rechter Gewalt“ an. Der Rest, eine Ankündigung der Veranstaltungen parallel zur Ausstellung, ließ sich wie ein Terminkalender für Neonazis lesen. Im beigesetzten Info-Kasten heißt es schließlich: „Bergedorfs rechte Szene schlummert“ - es sei „ruhig geworden um die rechte Szene in Bergedorf“. Dabei beruft sich der Autor auf Angaben des Hamburger Verfassungsschutzes: Die einzigen dort verbuchten Aktivitäten der örtlichen Neonaziszene seien Infostände und Flugblattverteilungen gewesen.

Der Artikel behauptet auf Grundlage vermeintlich objektiver Statistiken, dass sich die Neofaschisten aus Bergedorf und Umgebung zurückgezogen hätten. Das hänge mit dem Tod des Führercharakters Jürgen Rieger zusammen, der der Szene einen „herben Schlag“ verpasst habe. Doch der Verfasser der genannten Artikel geht einen Schritt weiter und zitiert den Verfassungsschutz mit der Theorie, die Aktivisten hielten sich zurück, „um ihre bürgerliche Existenz nicht zu gefährden“. Viele Neonazis werden sich durch diesen Vorwurf angegriffen und dazu veranlasst fühlen, das Gegenteil zu beweisen und öffentlich ein Zeichen zu setzen.

Diese Berichte sind ein „herber Schlag“ ins Gesicht der täglich erlebbaren Tatsachen. Denn fest steht: Bergedorfs rechte Szene ist hellwach! Es liegen dazu zwar keine amtlichen Statistiken vor (was schlimm genug ist) - wer aber in antifaschistischen Kreisen aktiv ist, weiß, dass in diesem Jahr mehrfach Minderjährige aus politischer Motivation angegriffen und verletzt wurden. Auch das Jugendzentrum „Unser Haus e. V.“ wurde attackiert, beschädigt und mit rassistischer Propaganda beklebt. Im Laufe des Frühjahrs wurde sogar die KZ-Gedenkstätte Neuengamme bei Bergedorf mit Hakenkreuzen besprüht. Wer dies als jugendlichen Leichtsinn verbucht und eine politische Motivation ausblendet, geht der grundlegenden Problematik aus dem Weg.

Nach dem 1. September war eine neue Hochphase der rechten Aktivitäten zu vermelden: Die Veranstaltung der Initiative „NPD - kehrt Marsch!“ im Kulturforum (Serrahnstraße) erhielt Besuch von acht zum Teil bekannten Rechtsradikalen aus der Umgebung. Sie setzten sich provokativ ins Publikum, bis sie von der Polizei der Veranstaltung verwiesen wurden. Daraufhin machten sich die Neonazis auf den Weg zum Jugendzentrum „Unser Haus e. V.“, wurden aber erneut von der Polizei überrascht und so davon abgehalten, das Zentrum anzugreifen.

Ein minderjähriger Antifaschist wurde mehrmals angegriffen und verletzt, sodass er mehrere Tage im Krankenhaus verbringen musste. Außerdem bekamen ein SPD-Stand und die Ausstellung „Opfer rechter Gewalt“ selbst „harmlosen Besuch“ von nationalistischen Aktivisten.

In Anbetracht dieser Chronik ist klarzustellen, dass Bergedorfs rechte Szene keinesfalls schlummert - ganz im Gegenteil. Es ist alarmierend, dass ein derart verharmlosendes Bild in das öffentliche Bewusstsein gelangt, sowohl durch das Landesamt für Verfassungsschutz als auch durch die „Bergedorfer Zeitung“. Denn wir dürfen auch in die Zukunft die Augen nicht verschließen vor rechten Gewalttaten – in der Statistik nicht, und im Alltag erst recht nicht.

Quellen:
- Bergedorfer Zeitung: „Bergedorf rüstet sich gegen rechte Gewalttäter“,  http://www.bergedorfer-zeitung.de/printarchiv/bergedorf/article80781/Bergedorf_ruestet_sich_gegen_rechte_Gewalttaeter.html
- Bergedorfer Zeitung: „Bergedorfs rechte Szene schlummert“,  http://www.bergedorfer-zeitung.de/printarchiv/bergedorf/article80782/Bergedorfs_rechte_Szene_schlummert.html

Weitere Veröffentlichungen:
- Zementblog:  http://www.zementblog.de/2010/10/17/bergedorfs-rechte-szene-ist-hellwach/
- Linksjugend ['solid] Bergedorf:  http://solid-bergedorf.de/2010/10/bergedorfs-rechte-szene-ist-hellwach/
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Ergänzungen

Naja

klaus 25.11.2010 - 23:42
Man sollte auch nicht übertreiben..
Die paar Verlierer, die die "rechte Szene" in Bergedorf bilden, sind im Stadtteil bekannt und werden verachtet und ausgelacht.
Etwas mehr Gegenwind könnte natürlich trotzdem nicht schaden.

Hat den Text ein NPDler verfasst?

grippo 26.11.2010 - 02:26
Im gezeichneten Bild der "aktiven" Naziszene in Bergedorf ähnelt der Artikel ziemlich dem, der vor einiger Zeit auf der Seite der NPD HH steht. Mensch sollte doch bitte nicht übertreiben und die ab und an mal Flugblätter in Briefkasten steckenden Hansel nicht überbewerten.

Jeder Nazi ist einer zuviel und verdient diskursorientierten nonverbalen Umgang seitens antifaschistischer Aktivisten. Aber fallt mal nicht auf deren Rumgelüge rein; die vegetieren auch kaum mehr vor sich hin.

Reaktion der NPD

Verfasser des Artikels 26.11.2010 - 15:00
Vorweg: Ich bin kein NPDler, ich blogge auf Zementblog.de regelmäßig Gegenteiliges. Danke trotzdem für die nachvollziehbare Kritik, allerdings wird dieser Artikel auch dazu verwendet werden, vor Ort auf die Thematik aufmerksam zu machen, deshalb auch der "übertreiberische" Stil, der bei der bürgerlichen Mehrheit sicherlich deutlicher ankommen wird.

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