Berlin: Demo gegen Lagerunterbringung

Bündnis gegen Lager - Berlin/Brandenburg 18.11.2010 00:11 Themen: Antirassismus
„Die Bemühungen intensivieren“ will die Berliner Sozialsenatorin Carola Bluhm (LINKE), laut Aussage ihres Staatssekretärs Fritsch (LINKE) gestern am Rande der Demo „Wohnungen für alle“ in Berlin-Mitte. Rund 150 AktivistInnen hatten sich um 14 Uhr trotz Regen und Kälte am Touri-Magnet Checkpoint Charlie versammelt um die menschenunwürdige Unterbringung von Flüchtlingen in Lagern in der Hauptstadt direkt bei den politisch Verantwortlichen anzuprangern. Aufgerufen hatte das Bündnis gegen Lager Berlin-Brandenburg ( http://bglbb.blogsport.de).
Der Demonstrationszug zog unter lauten Sprechchören den kurzen Weg Rudi-Dutschke-Straße zur Oranienstraße 106, zum Amtssitz der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales. Redebeiträge von The Voice und dem Bündnis gegen Lager kritisierten die konkreten Zustände in den Lagern und das „Wegducken“ der Verwaltungen in den rot-rot geführten Bundesländern Berlin und Brandenburg. Die Gruppen FelS und Out of Control Berlin fokussierten mehr die europäischen Lager- und Ausgrenzungsregime, Antifas aus Friedrichshain die unsägliche Integrationsdebatte.
Vor dem Amtssitz angekommen wurde ein Gesprächsangebot seitens der Senatsverwaltung angeboten, welches von der Demonstration angenommen wurde. Frau Bluhm sei wohl verhindert, aber ihr direkter Stellvertreter Fritsch stehe zur Verfügung. Im Regen durfte dieser sich nun knapp 10 Minuten lang die Forderungen der Flüchtlinge und Unterstützer vor Pressevertretern geduldig anhören.

Staatssekretär Fritsch äußerte sich erwartungsgemäß professionell und positiv über die Arbeit der Berliner Sozialverwaltung. Es gäbe Gespräche mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften und auch auf Bundesebene über dieses Thema. Für Berlin sei das Problem der fehlenden Mietkautionen, die Möglichkeit, ein „geschütztes Marktsegment“ für Flüchtlinge zu organisieren, im Gespräch usw. quasi schon fast geregelt. Eine der wenigen konkreten Äußerungen von Fritsch war, dass kleine Wohnungen für Flüchtlinge wegen der aktuellen Mietpreise wohl nicht gefunden werden könnten. Ob wenigstens der Umkehrschluss ‚Familien werden in Wohnungen untergebracht’ wahr gemacht wird, werden wir sehen. Bislang und besonders im Jahr 2010 kann auch davon keine Rede sein.

Uns ist egal, wie der Berliner Senat Flüchtlingslager (zugunsten von Wohnungen) abschafft.

Wir wissen, dass nicht nur die Berliner Sozialverwaltung Verantwortung an der Situation trägt.
Wir wissen aber auch, dass das Land Berlin fahrlässig keine Verbesserung herbei führt.

Die Kritik an der Lagerunterbringung von Flüchtlingen ist nicht neu. Lager machen krank, Lager isolieren, Lager ersticken jede Hoffnung auf einen selbstbestimmten Alltag. Unter der permanenten Kontrolle von Lagerbetreibern, die der Senat einsetzt, soll für Flüchtlinge gar nicht erst der Eindruck von Alltag und Perspektive entstehen. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) ist so ein Betreiber, der überall in Deutschland Lagerplätze bietet. Die AWO Berlin sah sich genötigt vor der Demo per mail mitzuteilen, dass ihr Engagement in der Erstaufnahme Motardstraße und einem Lager in der Köpenickerstraße mit dem Begriff „Lager“ diffamiert wird, da sie sich sehr wohl eindringlich mit der Verbesserung der Unterbringung beschäftigen. Die AWO hat ein Modellprojekt zur Wohnungsbeschaffung in diesen Tagen abgeschlossen und lädt das Bündnis gegen Lager zur Evaluation ein. Was davon zu halten ist wenn ein Betreiber daran arbeitet seine Einnahmequelle selbst zu beseitigen, wird sich zeigen.

Doch warum wird überhaupt wieder verstärkt in Lager investiert und eingewiesen?
Nach sechs Wochen in dem Erstaufnahmelager Motardstraße dürfen Flüchtlinge in Berlin in Wohnungen ziehen, vorausgesetzt sie finden welche die das Sozialamt bezahlt – die Mietobergrenzen wurden seit Jahren nicht an die steigenden Mieten angepasst. Weitere Hindernisse, wie fehlendes Kapital für Kaution, rassistische Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt usw. werden von der Berliner Verwaltung ignoriert. Stattdessen rühmt sich die Sozialsenatorin damit die Leute kurzfristig in Hostels unterzubringen. Frau Bluhm hatte bereits drei Wochen nach bekannt werden des Aufrufs zur Demo in der Presse vorsorglich angemerkt: "Wir halten an unserem Ziel fest: Menschen, die hierher kommen und Asyl suchen, sollen möglichst in eine eigene Wohnung ziehen und sich schnell in ihr neues Leben eingewöhnen können. Bei über 50 Prozent gelingt das auch, es ist angesichts knapper werdender kostengünstiger Wohnungen aber immer schwieriger.“ ( http://www.berlin.de/landespressestelle/archiv/2010/10/27/316289/index.html). Kurzum: Frau Bluhm ist wenig engagiert und weiß offenbar nicht, was sie alles tun könnte. Deshalb werden ihr regelmäßig Häppchenforderungen gereicht: Mietobergrenzen anheben, Kaution grundsätzlich übernehmen, ein geschütztes Marktsegment am Wohnungsmarkt für Flüchtlinge, Unterstützung vom Amt bei der Wohnungssuche und natürlich die Mietkostenübernahme auch bei den Flüchtlingen die nur reduzierte Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen. Klingt für Frau Bluhm alles überaufwendig, müsste irgendwer machen, kostet Arbeit. Dass die Sozialsenatorin genau für so was da ist sollte sie vielleicht noch in dieser Legislatur begreifen und ihre Prioritäten dahingehend anpassen. Um ihr auf die Sprünge zu helfen werden wir den Druck weiter erhöhen.

Die kleine No!Lager-Demo reiht sich ein in den Protest unterschiedlicher Flüchtlingsgruppen gegen die Innenministerkonferenz ab heute in Hamburg. (z.B. 2010.jogspace.net).

Wir sind sehr unzufrieden mit der Arbeit der Berliner Senatverwaltung.
Angekündigt ist, dass wir die Entwicklung der Lagerunterbringung in Berlin weiterhin genau beobachten werden.
Angekündigt ist ebenfalls, dass wir unsere Proteste gegen die Berliner Sozialverwaltung und die politisch Verantwortlichen beizeiten wiederholen und intensivieren werden.

Bündnis gegen Lager – Berlin/Brandenburg
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Ergänzungen

kleine Kritik

Schüler_in 18.11.2010 - 10:42
Könnt ihr vielleicht nächstes Mal daran denken, dass viele Menschen um 14 Uhr noch in der Schule sind, hättet ihr um z.B. 16 uhr angefangen wären vermutlich noch einige Leute mehr gekommen.

Video

Nichtarbeit 18.11.2010 - 15:45

Fotos

BgL 18.11.2010 - 18:46
der Demo

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Daumen hoch! — Gutwetterdemonstrant