Demmin, Demmin wieso ausgerechnet Demmin?

Red_Angel 01.11.2010 14:58 Themen: Antifa
"Woher soll man seinen Optimismus denn nehmen?" fragte der Spiegel letzte Woche. Demmin eine Stadt in Ostdeutschland. Man ist zwar Kreisstadt, doch man ist es in Vorpommern. Die Hauptstadt der Arbeitslosen, die üblichen Probleme mit Nazis. Keine Gegend also wo man Alternativen für nichtrechte Jugendliche erwarten würde. Wohl gerade deshalb der passende Ort für die 'CD-Release-Party' der antifaschistischen Band 'Feine Sahne Fischfilet', zumal der Großteil der Band aus dem Landkreis oder der Stadt Demmin stammt...
Bezogen auf die Einwohnerzahl liegt MV auf Platz drei im bundesweiten Ranking der Anzahl rechtsextremistischer Straftaten (VS-Bericht 2009, S. 36). Während es in den Universitätsstädten Greifswald und Rostock zahlreiche Möglichkeiten für politisches und kulturelles Engagement gibt, sieht es auf dem "platten Land" dagegen oft anders aus. Rechtes Gedankengut ist häufig Mainstream und wird deshalb oftmals noch nicht einmal als extreme Einstellung reflektiert (Vgl. Schulraumanalyse in MV). Nicht selten wird das aber totgeschwiegen, man will das Image nicht noch weiter belasten. Was will eine Antifacombo also in einem solchen Ort? Ein Gespräch mit der Band:

Wie ist das Leben als Jugendlicher in Demmin?
Der Großteil von uns wohnt nicht mehr dort. Vielleicht sollte man lieber die Leute von da fragen. Aber wir sind dort aufgewachsen und haben immer noch Kontakt zu Jugendlichen oder Freunden vor Ort. Für uns persönlich ist der Landkreis Demmin der Ort mit dem wir uns in der Jugend auseinandersetzen mussten, Wenn man etwas anderes erleben wollte als schäbige Dorffeste und die Großraumdisse in Neukalen musste man nach außerhalb, also z.B. nach Greifswald, oder versuchen vor Ort eigene Alternativen zu entwickeln, was aber kaum möglich war. Aber wir haben auch kein Bock darauf, alles schlecht zu reden. Wie so oft ist nicht alles schwarz oder weiß. Man hatte sein soziales Umfeld dort und da dann auch viele schöne Momente.

Wieso war es so schwer, was selbst vor Ort zu machen?
Naja also es ging ja in erster Linie nicht um einen linken Freiraum, soweit haben wir damals gar nicht gedacht. Wir wollten einfach nicht mit Nazis feiern. Nur gab es dafür seltenst Möglichkeiten. Wie in vielen ostdeutschen Orten, war die die junge Gemeinde so ein Ort wo man einigermaßen abhängen konnte, auch wenn man der Religion teilweise kritisch gegenüberstand. Außerhalb dessen gab es neben privaten Feiern, kaum Orte wo man realistisch betrachtet ohne Nazis irgendwas machen konnte.

Dass heißt ihr macht am Samstag in Demmin das, was ihr euch früher selber gewünscht hättet?
Ist natürlich etwas pathetisch formuliert, aber im großen und ganzen: Ja.
2009 hatten wir unsere erste 'Release Party' in Loitz geplant. Die wurde aber verboten. (1 | 2)

Wieso das?
Naja wie es halt so ist, wenn es keine starke Zivilgesellschaft vor Ort gibt. Der Bürgermeister hatte sich von den Nazis einschüchtern lassen. Die hatten Flyer verteilt und gedroht was gegen die "Zeckenveranstaltung" zu unternehmen. Dann wurde das Konzert untersagt und fand stattdessen in Greifswald statt.

Ihr seht euch ja als dezidiert politische Band, wie kam es dazu?
Anfangs hat man zusammen Musik gemacht und war man vor allem gegen Nazis. Man entwickelt sich ja auch mit der Zeit. So würden wir einige Songs von damals heute nicht mehr auf Konzerte spielen. Das die Band insgesamt politisch wurde, ist ein Ausdruck dafür, dass die Mitglieder der Band sich zunehmend politisch engagierten und reflektierten. Musik ist eben nicht alles, es ist auch wichtig, dass es nicht beim Feiern bleiben kann. Die Band ist für uns alle nur ein Teil der politischen Aktivitäten. Das ist auch der Grund warum es in Demmin nicht nur ein Konzert geben wird.

Sondern?
Ab 15:00 Uhr gibt es den ersten Vortrag: Neonazis in MV - Mit Blick auf die Landtagswahlen 2011. Hier sollen die derzeitigen Strukturen, die verschiedensten Kampagnen und Aktivitäten der Neonazis allgemein in MV und insbesondere in Demmin behandelt werden. Anschließend wird der Film 'Da ist man lieber still... gezeigt werden. Er thematisiert die Ignoranz und Akzeptanz rechten Gedankengutes in MV. Im Anschluss an den Film wird es eine Diskussion u.a. mit Vertreter_innen des Lobbi e.V. geben, einem Verein der Hilfe und Unterstützung für Betroffene rechter Gewalt bietet.
Wir wissen das es schön ist, wenn man einen Raum hat, indem es möglich ist ohne Nazis zu feiern, aber es ist uns auch bewusst, dass sie nicht einfach wegtanzen lassen. Deshalb ist es uns wichtig, dass wir an so einem Tag nicht nur ein Konzert spielen, sondern wir wollen den Raum nicht nur durch unsere Liedtexte mit Inhalt füllen.


Zusammengefasst also: Erst Infoveranstaltung, dann Konzert mit euch?
Nicht nur mit uns, sondern auch mit der Hip-Hop-Combo Schlagzeiln und weiteren Hardcore-Bands. Danach werden die Leute von Supershirt/audiolith für Elektrogeballer sorgen.

Wie ist bisher das Feedback aus Demmin?
Ganz gut. Wir haben von vielen alten Freunden und Bekannten gehört, dass sie kommen werden. Wir denken, dass dort die verschiedensten Leute aufschlagen werden und einen entspannten Abend verbringen.

Abgesehen von euer eigenen Biographie, gibt es noch andere Gründe für Ortswahl?
Die Veranstaltung ist natürlich nur eine temporäre Geschichte, aber vielleicht entwickelt sich ja was daraus. Die Nazis marschieren jährlich am 8. Mai in Demmin. Und nur wenige stellen sich dem entgegen. Außerdem gibt es im Landkreis mehrere Kameradschaften (Kameradschaft Loitz, Malchin) Bands (u.a. Legion Pommern) und verschiedenste Propagandaaktion (Plakate, Flyer, Aufkleber) bishin zu regelmäßig erscheinenden Publikation, wie dem 'Demminer Boten'. Wir hoffen wir sehen uns am Samstag und vielleicht auch darüber hinaus in Demmin.
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