Arnstadt: Prozess nach rassistischem Angriff

Antifaschistische Prozessbeobachtung 24.10.2010 17:51 Themen: Antifa Antirassismus
Am Abend des 24. Oktober 2009 attackierten mehrere Neonazis zwei junge Männer aus der Punk-Szene. Sie wurden dazu von einer Frau mit den Worten angeheizt: „Reißt dem scheiß Nigger die Thüringenfahne von der Jacke, das ist eine Schande für Deutschland“. Vor wenigen Wochen fand vorm Arnstädter Amtsgericht der Prozess statt. Ein etwas verspäteter Prozessbericht.
Zum Geschehen

Gegen 17.30 Uhr gehen am 24. Oktober 2009 vier junge Menschen, deren Äußeres sie in der Punk-Szene verorten ließ, im Arnstädter Innenstadt-Rewe einkaufen. Einer von ihnen trägt eine Lederjacke, auf der ein Patch mit der thüringischen Landesfahne zu sehen ist. Er hat dunkle Haut. Vor dem Rewe sitzen zu diesem Zeitpunkt etwa ein Dutzend Nazis und betrinken sich. Sie gehören zu jenen Nazis, die eher den bildungsfernen Unterschichten angehören und deren politischer Aktivismus sich auf plumpen Rassismus am Stammtisch und gelegentliches „Ausländer-“ oder auch „Zeckenklatschen“ beschränkt.
Sie sind auch zu dumm, um vor Gericht in vollständigen Sätzen wenigstens Versatzstücke ihrer rassistischen Ideologie zu rechtfertigen. Bei allen politischen Fragen nach dem „Warum“ wiegeln sie ab. Es scheint so als wüssten sie es entweder wirklich nicht oder sie schämen sich selbst für ihre Ansichten. Taktische Manöver sind ihnen nicht zuzutrauen. Doch haben die Angeklagten Anwälte dabei, sodass auch diese Variante für ihr politisches Schweigen bzw. ihre Distanzierung denkbar ist. Zurück zum Geschehen.
Schon auf dem Weg zum Rewe-Eingang werden die vier Menschen angepöbelt. Als sie wieder herauskommen, wird schon auf sie gewartet. Zwei der später angeklagten Nazis fangen sie schon ab, es kommt zum kurzen Wortgefecht. Die jungen Leute gehen weiter. Als sie am Nazimob vorbeigehen, der sich an einer Sitzecke breit gemacht hat, eskaliert die Situation. Daniela Meier-Maak schreit bzw. befiehlt - im Beisein ihrer Kinder - „Reißt dem scheiß Nigger die Thüringenfahne von der Jacke, das ist eine Schande für Deutschland“ und der Mob stürmt los. Nach anfänglichen Flaschenwürfen werden die vier jungen Menschen über den Bustreff gejagt. Von den beiden Frauen lassen die Nazis ab, da ihr Ehrenkodex ihnen verbietet Frauen zu schlagen. Sie stürmen auf die beiden Männer los. Da diese sich den Nazis gut erwehren können bleibt es bei kleineren Blessuren und Wunden.
Die Nazis verfolgen ihre Opfer durch die ganze Fußgängerzone. Dabei fallen Sprüche, wie „Heil Hitler“. Gestört hat es wohl keinen Passierenden. Zivilcourage ist in Arnstadt sowieso ein ganz dürres Pflänzchen. Auf der Höhe des Hopfenbrunnens lassen die Angreifer ab. Die anrückende Polizei nimmt einige Täter mit, auch die Betroffenen werden verhört. Ein knappes Jahr später kommt es zum Prozess.

„Die Anstifterin“

Daniela Meier-Maak ist 39 Jahre (*02.08.1971 in Neuhaus am Rennweg), sie wohnt in Arnstadt An der Weiße 20, ist geschieden und hat Kinder im Alter von 18, 17, 13 und 5 Jahren. Ihr ältestes Kind wohnt noch bei ihr, die anderen Kinder wachsen bei den Großeltern auf. Sie ist als gelernte Sicherheitsfachkraft arbeitslos. Im Gericht erscheint sie mit ihrer Tochter Antonia. Beide Frauen tragen Renee-Frisuren und zeigen sich der Nazi-Skinhead-Szene zugehörig. Ihr wird nun Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung vorgeworfen. Sie räumt den Tatvorwurf ein und sagt sie habe aus Leichtsinn gehandelt. Nur will sie nicht Nigger gesagt haben. Auch hat sie zum Tatzeitpunkt schon einiges intus gehabt: 2,23 Promille hat die Polizei später festgestellt.
Solidarität gibt es unter den bildungsfernen Saufnazis offenbar auch nicht. Bereitwillig erzählt Meier-Maak wer alles dabei war und nennt Namen, wie die späteren Angeklagten Pascal und Sven Sturmhöbel, Lutz Nachtweide und die Herren Höland und Köblitz.
Die beiden vom Angriff betroffenen Frauen sind ebenfalls als Zeuginnen geladen und belasten Meier-Maak. Die beiden Opfer kommen der Vorladung nicht nach. Meier-Maak wird schließlich nicht wegen Anstiftung verurteilt, ihr Verfahren wird eingestellt mit der Auflage 100 Stunden gemeinnützige Arbeit binnen vier Monaten zu verrichten.

Die Schläger

Einige Wochen später fand die Verhandlung gegen zwei der Täter, nämlich die Brüder Sven Sturmhöbel (*12.01.1988 in Schweinfurt) und Pascal Stumhöbel (*19.09.1989), statt. Beide wohnen jetzt in Neuhaus am Rennweg (Landkreis Sonneberg). Pascal ist Auszubildender und Sven arbeitet als Schichtleiter in einer Fieberglasfabrik. Letzterer hat aufgrund sogenannter Persönlichkeitsstörungen (Borderline, Schizophrenie, Selbstmordgedanken, etc.) einen Betreuer und saß bereits einige Zeit in einer Psychatrie. Beide Täter waren zur Tatzeit angetrunken und räumen vor Gericht die Vorwürfe ein, nur „Heil Hitler“ will keiner gesagt haben. Zur Begründung seiner Handlung bringt Pascal so sinnvolle Wortfetzen hervor wie „aus Meinung raus“ oder „aus Blödheit“. Er will auch mittlerweile nicht mehr in Nazikreisen verkehren. Sein Bruder will dort nie verkehrt haben. Von der szene-typtischen Glatze haben sich allerdings beide noch nicht getrennt. Pascal meint nun, er sei mittlerweile „neutral“, als wäre die politische Einstellung soetwas wie das Bekenntnis zu einem Fußballverein. Von der selbstdiagnostizierten Blödheit ist also nicht viel gewichen. Nachdem die Zeugen nochmal den bereits bekannten Tatvorgang schildern, kommt es zu Verhandlungen zwischen Verteidigung, Gericht und Staatsanwaltschaft. Alle drei wollen eine wahrgenommene Resozialisierung nicht durch zu harte Strafen behindern. Letztlich reichte wohl das Vorzeigen eines Arbeits- bzw. Ausbildungsplatz, um diese Resozialisierung für das Gericht glaubhaft zu machen. Die Logik, die dahinter steht ist wohl die, dass wer den ganzen Tag malochen geht keine Zeit mehr hat, Zecken zu klatschen. Alles andere wäre unverständlich. Schließlich kommt es zur Verurteilung mit milden Strafen von 55 Tagessätzen a 30 Euro für Sven und einer Verwarnung plus 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit für Pascal. Beide haben die Verfahrenskosten zu tragen.

Immer diese Jugendbanden...

Das öffentliche Interesse in Arnstadt am Prozess tendierte gegen Null. Die Lokalpresse witterte wohl die notorische „Jugendbanden-Auseinandersetzung“ und widmete sich lieber den 80. Geburtstagen und verschwundenen Hunden, die die Lektüre dieser Blätter so totsterbenslangweilig macht. Am Ende waren die Opfer ja eh nur Punker und wenn man als gestandener Staatsbürger mal ganz ehrlich ist, will man die hier eh nicht haben. Das gilt in Arnstadt mehr noch als überall in Lande. Also alles beim Alten in Köllmers Fürstentum.
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