[GÖ]: Kundgebung gegen rassistische Gesetze

liselotte meyer 24.10.2010 15:45 Themen: Antirassismus Repression Weltweit
Am Donnerstag, den 21. Oktober 2010, protestierten rund 55 Menschen vor der Ausländerbehörde am Neuen Rathaus in Göttingen gegen rassistische Sondergesetze. An einem konkreten Fall sollte auf die als rassistisch bezeichneten Praktiken der Ausländerbehörde aufmerksam gemacht werden. Einem binationalen Paar wird von Seiten genau dieser Behörde vorgeworfen, eine „Scheinehe“ anzustreben. Dem Mann droht mittlerweile die Abschiebung.
Kundgebung gegen rassistische Sondergesetze in der Familienpolitik

Am Donnerstag, den 21. Oktober 2010, protestierten rund 55 Menschen vor der Ausländerbehörde am Neuen Rathaus in Göttingen gegen rassistische Sondergesetze. An einem konkreten Fall sollte auf die als rassistisch bezeichneten Praktiken der Ausländerbehörde aufmerksam gemacht werden. Einem binationalen Paar wird von Seiten genau dieser Behörde vorgeworfen, eine „Scheinehe“ anzustreben. Dem Mann droht mittlerweile die Abschiebung.

Die Frau schilderte ihre Situation: das Paar lebe seit 2008 in einer festen Lebensgemeinschaft. Die Frau habe ein Kind, für das sein jetziger Stiefvater eine wichtige Bezugsperson sei. Aufgrund der Berufstätigkeit der Frau, übernehme ihr Lebenspartner auch die Betreuung und notwendigen Fahrten in den Kindergarten und zu Therapien, die das Kind aufgrund einer bei ihm diagnostizierten neurologischen Erkrankung benötige.
Neben Schwierigkeiten bei der Vorlage von Dokumenten bei dem zuständigen Oberlandesgericht, würde von Seiten des Ordnungsamtes bzw. der Ausländerbehörde versucht werden zu Kontrollieren, ob die beiden tatsächlich zusammen wohnen würden (Wohnungsinspektion, Befragen von Vermieter und Nachbar_innen). Schlussendlich folgte der Abschiebebescheid durch die Ausländerbehörde mit dem handschriftlich ergänzten Vermerk: „Eine Eheschließung ist nicht erfolgt und wird absehbar in Kürze nicht erfolgen.“
Sie verwies darauf, dass Paare mit deutschen Pass keine Beweise vorlegen müssten, um zu beweisen, dass sie in einer ehe-ähnlichen Gemeinschaft leben würden.
Sie berichtete über ihren Kraft und Nerven raubenden Kampf gegen die Bürokratie und ihre Probleme mit der Ausländerbehörde in Göttingen. Trotzdem wolle sie nicht aufhören zu kämpfen für das Bleiberecht ihres Verlobten, so wie für alle Menschen mit ähnlichen Problemen.

Ein Redebeitrag des Göttinger „Bündnis gegen Rassismus und Abschiebung“ thematisierte das System der Ausgrenzung der Ausländerbehörden. Diese erfolge beispielsweise durch die versuchte Kontrolle und Einschränkung sämtlicher existenzieller Lebensbereiche der betroffenen Menschen. Dabei setzten die Mitarbeiter_innen der Behörden ihre Ermessensspielräume in einer Vielzahl der Fälle restriktiv gegen sie ein. Mehrere Beispiele für diese Praktiken wurden genannt. Der Redner verwies auf die De-Facto Abschaffung des Rechts auf Asyl welches in Folge von rassistischer Hetze und pogromartiger Stimmung im Jahre 1992 erfolgte. Er bezeichnete die aktuell geführten „Integrationsdebatte“ als verfeinerte Repressionsinstrumente, die zur Hetze gegen Migrant_innen eingesetzt würden.

Ein weiterer Redebeitrag thematisierte die aktuell geführte „Integrationsdebatte“. Er stellte die deutsche „Integrationspolitik“ als in keinsterweise vorbehaltloses Aufeinandergehen auf gleicher Augenhöhe zwecks eines gemeinschaftlichen Zusammenlebens dar. Vielmehr sei das Konstrukt der Integration auf Abgrenzung zwischen dem „wir", das „für die abendländische Mehrheitsgesellschaft samt ihrer „überlegenen Leitkultur“ und ihrer gesetzestreuen Orientierung an kapitalistischen Herrschaftsverhältnissen“, und dem „anderen“, das „für Fremdkörper, die als kriminell, unzivilisiert, bildungsfern und parasitär diffamiert werden“ stehe. Derzeit seien von dieser Ausgrenzung vor allem Menschen mit vermeintlich islamischem Hintergrund getroffen.
Als eine der vielen menschenverachtenden Positionen wurde der CSU – Vorsitzende Horst Seehofer mit dem Satz: „Wir als Union treten für die deutsche Leitkultur und gegen Multikulti ein. Multikulti ist tot“ zitiert.


Der Arbeitskreis Asyl verurteilt die rassistischen Sondergesetze sowie die Praktiken der Ausländerbehörden. Er fordert ein generelles und uneingeschränktes Bleiberecht für alle Menschen sowie das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben in allen Bereichen.

Weiter fordert der Arbeitskreis Asyl die sofortige Beendigung der rassistischen Ausgrenzung sowie die Schaffung emanzipatorischer Lebensverhältnisse mit gleichen Rechten für alle.

Der Arbeitskreis Asyl ruft alle Göttinger_innen dazu auf, sich solidarisch für die von Rassismus und Ausgrenzung betroffenen Menschen einzusetzen."



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Aus dem Aufruf zur Kundgebung:

""Schluss mit den rassistischen Sondergesetzen in der Familienpolitik !
Seit einigen Monaten wird ein binationales Paar durch bürokratische Hürden der Ausländerbehörde
Göttingen schikaniert. Majid lebt seit 1997 in Deutschland und hat hier sein Studium 2006 beendet.
Während des Studiums hat er seine jetzige Verlobte, Frau Vossler, kennengelernt. Sie hat ein Kind,
das eine feste emotionale Bindung zu seinem jetzigen Stiefvater Majid. hat. Die beiden haben
beschlossen zu heiraten.
Die Ausländerbehörde Göttingen hat das Paar jedoch unter den Generalverdacht gestellt, eine
sogenannte Scheinehe zu führen. Deshalb wird die Familie ständig von Mitarbeiter/innen der
Behörde kontrolliert und schikaniert. Nun hat die Ausländerbehörde Göttingen die Ausweisung von
Majid verfügt.
Während Sarrazin gegen Ausländer_innen hetzt, führen deutsche Behörden, meist von der
Öffentlichkeit unbemerkt, die rassistische Gesetzgebung aus.
Diese menschenverachtende Diskriminierung, Ausgrenzung und Bevormundung von Migrant_innen
muss endlich ein Ende haben!

Die rassistische deutsche Einwanderungspolitik droht Flüchtlingen und Migrant/innen nicht nur
mit Abschiebung und Haft, sondern schikaniert sie auch im alltäglichem Leben.

Da binationale Paare in Deutschland dem Ausländergesetz unterstehen, sind sie mit zahlreichen bürokratischen Hürden konfrontiert, die ihnen das Leben erschweren und in manchen Fällen eine Heirat unmöglich machen. Besonders betroffen sind Personen, die aus einem nicht „westlichen“ Land kommen. Die Versuche deutscher Behörden, eine/n Partner/in auszuweisen und so binationale Familien zu zerstören, sind für die Betroffenen existenzbedrohend.

Majid lebt seit 1997 in Deutschland und hat hier sein Studium 2006 beendet. Während des Studiums hat er seine jetzige Verlobte kennengelernt. Seit zwei Jahren leben die beiden in einer festen Lebenspartnerschaft. Die Frau hat ein Kind, das eine feste emotionale Bindung zu seinem jetzigen Stiefvater Majid hat. Die berufstätige Mutter ist darauf angewiesen, dass ihr Lebenspartner, und zukünftiger Ehemann, sich um das Kind kümmert, es zu notwendigen Therapien (bei dem Kind wurde eine neurologische Erkrankung diagnostiziert), in den Kindergarten etc. fährt.

Das Paar wartet seit Juni 2010 darauf, dass das OLG Braunschweig die notwendigen Papiere für
die Heirat anerkennt. Währenddessen arbeitet die für Majid zuständige Ausländerbehörde Göttingen fleißig daran, seine Abschiebung nach Israel in die Wege zu leiten. Die Familie und das soziale Umfeld leben in ständiger Angst, dass diese Heirat nicht zustande kommt und Majid abgeschoben wird. Letztendlich hat die Göttinger Ausländerbehörde Majid nun den Aufenthaltsstatus wegen noch nicht erfolgter Eheschließung entzogen und seine Ausweisung verfügt. Er solle sich nach Ansicht der Ausländerbehörde im Heimatland um ein Heiratsvisum bemühen.
In vielen Fällen, in denen der_die Partner_in ausreisen musste, dauerte es bis zur Rückkehr mehrere Monate, manchmal sogar Jahre. Es ist auch vorgekommen, dass der_die Partner_in nicht zurückkehren konnte.

Neben dem beschriebenen Fall gibt es noch unzählige andere binationale Paare, die mit den
gleichen Problemen zu kämpfen haben. Paare, die von den Behörden verdächtigt werden
„Scheinehen“ zu führen, werden in vielfacher Hinsicht schikaniert. So werden sie gezwungen,
getrennt voneinander Fragen, beispielsweise zu ihren Lebensgewohnheiten und Vorlieben und
denen ihres Partners sowie den Umständen ihres Kennenlernens zu beantworten. Des Weiteren
führen die Ausländerbehörden Kontrollbesuche in den Wohnungen der Paare durch. Anhand der
Anzahl von Zahnbürsten, von benutzten Handtüchern etc. soll der Zustand der Ehe beurteilt werden. Auf dieser Grundlage entscheiden die Behörden schließlich, ob es sich um eine „Scheinehe“ handelt.

Zahlreiche Familien wurden zwangsweise getrennt oder konnten dem Druck, der auf sie ausgeübt wurde, nicht standhalten. Viele Mütter müssen Kinder alleine großziehen. Die Kinder kennen ihre Väter nicht, weil diese abgeschoben wurden. Die materielle, psychische und soziale Existenz der Familien wird so systematisch zerstört. Einige Menschen haben sich in Folge dieser rassistischen Familienpolitik das Leben genommen.

Diese rassistische Familienpolitik hat eine abschreckende Wirkung - andere Frauen und Männer werden abgehalten, eine binationale Familie zu gründen. Dieser menschenunwürdige Umgang mit Migrant_innen macht deutlich, das diese Menschen von deutschen Behörden nicht erwünscht sind.

* Für die Abschaffung von rassistischen Sondergesetzen *
* Gleiche Rechte für alle *
* Bleiberecht für alle *"
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Ergänzungen