5 Tage im Knast wegen Nicht-Aufstehen im Gericht - Heute war Haftantritt

sitzen geblieben 20.10.2010 18:55 Themen: Soziale Kämpfe Ökologie

Die unabhängige Umweltaktivistin und Gentechnikgegnerin Sarah hat am heutigen Mittwoch, den 20. Oktober eine Ordnungshaft in derJustizvollzugsanstalt Bühl angetreten. Wegen einer öffentlichenGenfeldbefreiung der Initiative Gendreck-Weg stand sie am AmtsgerichtKitzingen vor Gericht. Zusätzlich zu ihrer Verurteilung wurde eineOrdnungsstrafe von 5 Tagen Haft verhängt, weil sie gegenüber demRichter nicht aufgestanden war. Sarah wollte damit ihren Protest gegendie Kriminalisierung von sozialen und ökologischen Bewegungenausdrücken.


Ihren Haftabtritt kommentiert Sarah so: „Ich werde für 5 Tage insGefängnis gesperrt, weil ich vor Richter Betz nicht aufstehen wollte.Warum darf ein Richter mich zu Respekt zwingen, der so wenig Respektvor meinem Leben in Freiheit hat?“ Sarah geht davon aus, dass dieseRepression System hat: „Ich erlebe heute immer wieder, wie Konzerneihre Profitinteressen gegen den Willen der Betroffenen durchsetzen.Gerichte schützen in diesen Fällen meist nicht die Betroffenen, sondernkriminalisieren wichtige soziale Proteste.“

Nachdem Sarah sich von ihren Freund_innen die sie zum Knast begleitetenverabschiedet hatte wurde geklingelt und durch die Sprechanlagegefragt, ob hier jemand zur Resozialisierungabgegeben werden könne. “Wollen sie mich verarschen?” kam als Antwort.Wer hier wen verarschen will ist allerdings eine spannende Frage. Dennwir haben uns einen solchen Irsinn ja nicht ausgedacht, dass Leuteweggesperrt werden weil sie sich weigern eine Geste des Respektsauszuüben gegenüber einem Richter der offensichtlich willig diejenigenverurteilt, die durch ihre Aktionen die Negativauswirkungen aufverschiedensten Ebenen der Gentechnik verhindern wollen. Im Sinne jenerdie mit ihren Machenschaften am Willen der allermeisten Menschenvorbei, diese Technologie unumkehrbar machen. Eine Technologie von deralleinig jene profitieren, die in Nahrung nicht den Sinn sehen Menschenzu ernähren, sondern Profite damit zu machen. Dass durch diese Logikentäglich tausende Menschen verhungern ist ihnen egal, wenn das aber alsArgument für die Notwendigkeit der Gentechnik herhält werden sie aufeinmal zu wahren Menschenfreunden…

 

Anlass des Gerichtsprozesses, in welchem Sarah nicht aufgestanden war, war eine öffentlich angekündigte Feldbefreiung. Befreit wurde im Sommer 2008 ein Acker im Landkreis Kitzingen aufdem der gentechnisch veränderte Mais Mon810 von Monsanto angepflanztwurde, der inzwischen wegen seinen Umweltauswirkungen verboten ist.Sarah begründet ihre Teilnahme an der Aktion folgendermaßen:„Genfeldbefreiungen sind wirksam und notwendig. Anhand der vielenAuskreuzungsskandale in den letzten Jahren zeigt sich: Wir müssen dieAusbreitung von giftigen, gentechnisch veränderten Organismen dortstoppen, wo sie sich ausbreiten: auf den Feldern!“

Im Berufungsprozess vor dem Landgericht Würzburg in zweiter Instanzwurden alle Anträge der Angeklagten als wahr anerkannt, die belegen,dass die üblichen Methoden demokratischer Teilhabe die Gefahren desheute verbotenen Mon 810 Genmaises nicht hätten bannen können und dassdie Feldbefreiung als einziges wirkungsvolles Mittel gegen dieUmweltgefahren übrig blieb. Die Angeklagte plädierte für den„rechtfertigenden Notstand“, § 34 StGB, nachdem Rechtsbrüche straffreisind, wenn sie schlimmeres Übel abwenden und ein geeignetes Mittelsind. In Versailles, Frankreich hatte es bereits Freisprüche fürGenfeldbefreier_innen aufgrund dieser Rechtslage gegeben. Sie wurdedennoch zu 25 Tagessätzen verurteilt, mit der Begründung: da habe „maneben Pech in einer Demokratie“.

Sarah ist nicht die einzige Gentechnikkritikerin, die in jüngsterZeit für ihre Überzeugung ins Gefängnis muss. Auch derProzessbeaobachter Dominik hatte in der selben Verhandlung vor demAmtsgericht Kitzingen eine Ordnungsstrafe von 3 Tagen Haft erhalten,weil er nicht aufgestanden ist. Er hat die Haft Ende August in der JVAGiessen abgesessen.
Am aufsehen erregendsten ist vemutlich der Fall des Autors undAktivisten Jörg Bergstedts, der seit September eine 6monatigeHaftstrafe in der JVA Giessen für eine Genfeldbefreiung im Jahr 2006verbüßt.

 

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Ergänzungen

Konsequentes Handeln

Roland Ionas Bialke 20.10.2010 - 19:58
Es ist sehr konsequent nicht vor einem Richter oder einer Richterin aufzustehen. Ich kann das nur jedem und jeder empfehlen, allerdings nicht, ohne auf die Konsequenzen aufzuklären. Wenn Du nicht aufstehst, dann offenbart sich nämlich sehr schnell, dass es nicht um Dich und das liebevolle gesellschaftliche Miteinander geht, sondern einzig und allein um das Brechen Deines Willen und die Unterdrückung von Menschen.

Was mir passierte, als ich nicht aufstand:

Einmal stand ich (als Angeklagter)in einem Prozess nicht auf und bekam ein Ordnungsgeld. Ein anderes Mal stand ich ebenso nicht auf, bei der zweiten Aufforderung und einer Ordnungsgeldandrohung thematisierte ich jedoch den Zwang und stand protestierend auf, meinte, dass die Richterin mich bedroht und mich zu etwas zwingt, was ich nicht will.

Das Ordnungsgeld wollte ich nicht bezahlen und absitzen. Hier gibt es aber ein paar Fallstricke. Ich wolllte den Staat schaden und nichts zahlen, bekomme aber Arbeitslosengeld. Wäre ich ins Gefängnis gegangen und hätte das Geld nicht gezahlt, dann hätte mir das Arbeitsamt das Arbeitslosengeld für die Tage im Gefängnis abgezogen. Ebenso kann es zu Kostenforderungen von der Justiz für den Gefängnisaufenthalt kommen. Ob diese gerechtfertigt sind, weiss ich nicht. Letztendlich ist aber auch die Ausräumung ungerechtfertigter Zahlungsforderungen mit Zeit, Nerven und Kosten verbunden.

Eine andere Sache ist aber, dass Du nicht andauernd zum Anwalt oder zur Anwältin rennen kannst, wenn Du irgendwelche Fragen hast. Wenn es dann zu einem Schriftverkehr mit der Justiz kommt, also wo Du um etwas bittest oder nachfragst, dann kann das ebenso mit Gebühren berechnet werden. Ich bat z.B. um eine veränderte Ratenzahlung, erhielt dann eine Absage und eine zusätzliche Gebührenforderung von 50 Euro für den Schriftverkehr.

Normalerweise werden solche Forderungen niedergeschlagen, d.h. wenn Du schreibst, dass Du Arbeitslosengeld (oder ähnlich viel) bekommst, dann fordern sie solche Gebühren irgendwann nicht mehr. Allerdings schiessen sie sich auf einige Leute auch ein, und sind umso mehr hinterher. Bei mir, weil ich die Justiz offensiv kritisiere.

Lasst Euch trotzdem nicht entmutigen, es ist richtig sich offensiv gegen Repression zu wehren! Aber es wäre unfair, wenn Euch erfahrene Leute nicht über die möglichen negativen Konsequenzen aufklären würden.







Erheben nach Richtlinie

atomic300 20.10.2010 - 20:58
Ich bin verwundert, daß dieses archaische Gebarden noch im Gerichtssaal stattfindet. Es ist aber so, denn nach RiStBV 124, Abs. 2, Satz 2 gilt: "Beim Eintritt des Gerichts zu Beginn der Sitzung, bei der Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen und bei der Verkündung der Urteilsformel erheben sich sämtliche Anwesende von ihren Plätzen. Im Übrigen steht es allen am Prozess Beteiligten frei, ob sie bei der Abgabe von Erklärungen und bei Vernehmungen sitzen bleiben oder aufstehen." Allerdings ist dies eine Richtlinie und keine Verordnung oder ein Gesetz. Inwieweit sich daraus Ordnungsmaßnahmen ergeben, konnte ich nicht ersehen, allerdings legt das Gerichtsverfassungsgesetz fest "Gegen Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen, die sich in der Sitzung einer Ungebühr schuldig machen, kann vorbehaltlich der strafgerichtlichen Verfolgung ein Ordnungsgeld bis zu eintausend Euro oder Ordnungshaft bis zu einer Woche festgesetzt und sofort vollstreckt werden. Bei der Festsetzung von Ordnungsgeld ist zugleich für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, zu bestimmen, in welchem Maße Ordnungshaft an seine Stelle tritt." (§178 Abs. 1 GVG)

Gefangene freuen sich über Post!

freiheit.für.alle 20.10.2010 - 23:37
Das Schreiben von Briefen ist eine Waffe…

… gegen Vereinzelung, Vereinsamung, Stagnation, Resignation und Isolation.
… gegen die auf Zerstörung angelegte Natur des Knastsytems.
… gegen die Kontrolle des Lebens durch das Knastregime.

Schreibt Briefe und Postkarten an:

Sarah Laquer
JVA Karlsruhe
– Aussenstelle Bühl -
Hauptstraße 94
77815 Bühl

Weitere Adressen von Gefangenen:
 http://www.abc-berlin.net/gefangenenliste

Keine Strafe fürs nicht Aufstehen

Marlow 02.02.2011 - 22:34
Eigentlich sollte das Sitzenbleiben bei der Urteilsverkündung nicht strafbar sein, wie nachfolgender Link mit einem Urteil des OLG Dresden aufzeigt
 http://www.systemloesungen-beutner.de/TKDV/080608_Ordnungsmittel_Stellungnahme%20zu%20Antrag%20GenStA.pdf

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 6 Kommentare an

Ergänzung — atomic300

respekt dem amt?????? — wer a sagt muss auch narchy sagen;=)

äpfel und birnen — gerichtsfan

@äpfel und birnen — Kein Gerichtsfan