Leipzig 2010 vs. Dresden 2011

A.Höhler 20.10.2010 13:55 Themen: Antifa Blogwire
Das wesentliche, was Leipzig gezeigt hat ist doch der Fakt, das die Nazis, egal aus welchem Spektrum absolut keine Chance haben einen Aufmarsch mit großer Außenwirkung hinzu bekommen. Das ist das wohin jede antifaschistische Bemühung in Form von Gegenmobilisierungen in erster Linie abzielte, über all die Jahre und Jahrzehnte.
Die Außenwirkung befindet sich diesbezüglich ganz weit unten und tendiert gegen NULL! Das wissen auch die Nazis selbst, vor allem die Organisatoren. Die Taktik ist doch jetzt nur ein Abwehrkampf um die innere Zersetzung, welche nach den vielen Misserfolgen der letzten Zeit, spätestens aber nach Dresden 2010 und dem letzten 1.Mai, immer stärker wird. Es ist einer der letzten Notnägel um überhaupt noch irgendetwas machen zu können und dem Fußvolk ein Erlebnis innerhalb ihrer Bewegung zu ermöglichen, sprich politische Handlungsfähigkeit zu simulieren.
Die führenden Köpfe der Nazis wissen ganz genau was Dresden 2010 für sie bedeutet hat und so wird dem Fußvolk, welches für ihre Bewegung essentiell ist, vorgegaukelt man sei trotz allem Handlungsfähig. Sie würden nie offen und ehrlich zugeben, was für eine erbärmliche Niederlage das alles war, auch wenn sie innerlich noch so von Resignation zerfressen wären. Sie würden auch nie zugeben was für ein symbolisches "Waffen strecken" diese ach so "neue" Taktik wirklich ist. Sie prügeln auf Sandsäcke ein ohne zu merken dass es dem Sandsack egal ist.
Oder kann irgendwer behaupten dass diese Spontandemos irgendwie einen erhabenen motivierenden oder gar einschüchternden Charakter hatten? Der laufende Hühnerhaufen am 1. Mai am letzten Ende des Berliner Westens, oder die fast 2000 anreisenden Nazis im Dresdner Hechtviertel, welche ständig angegriffen wurden, weil der Polizeischutz anderweitig beschäftigt war? Oder die lächerlichen Bilder von knapp 100 Nazis die auf einem Gleisbett in Leipzig Grünau gelangweilt und eingekesselt herumgammeln. Oder gar die Nazis die sich stundenlang nicht aus ihrem NPD Büro trauen weil sie von hunderten Antifas belagert werden? Das ist eigentlich mehr als nur peinlich, vor allem wenn im Rückblick intern ein Nazi behauptet wie gut die Stimmung doch angeblich war, während ein anderer über die Nutzlosigkeit der ganzen Situation wütet, bevor er dann von anderen zurückgepfiffen wird.
Interessant sind auch die verbreiteten Zahlen der angeblichen Teilnehmer in Leipzig. So wird fleißig jede kleine spontane Lauferei zu einer Gesamtzahl addiert, so dass man ungefähr auf die Werte des Vorjahres kommt. Schaut man allerdings genauer hin, wird sehr schnell klar, wie hier gemogelt wird. Tatsache ist das die meisten Nazigruppen nicht nur eine spontane Aktion durchführten, sondern oftmals ein und dieselbe Gruppe mehrfach auftauchte. Diese Tatsache lässt die tatsächlichen Teilnehmerzahlen recht schnell zusammenschrumpfen. Liest man in diversen Naziforen ihre Erlebnisberichte wird dies mehr als deutlich.
So waren die Aufläufe in Halle und Jena ebenfalls mit den ca.250-300 Nazis am HBF Leipzig identisch. Ähnlich sieht es mit den Märschen in Döbeln, Wurzen und Leipzig Engelsdorf aus, wo ebenfalls die gleichen 90-100 Nazis erschienen. Auch dürften die 100 Nazis welche am Morgen in Geithain auftauchten, die gleichen sein welche abends in Borna abfrusteten. Dass die Nazis welche kurz in Grünau ausstiegen dann später im NPD Haus festsaßen dürfte ja schon länger bekannt sein. Zu den angeblichen Aufläufen in Riesa und Merseburg ist überhaupt nichts bekannt bisher und es ist möglich, das sie, wenn sie überhaupt stattgefunden haben, ebenfalls nur zweistellige Teilnehmerzahlen hatten und sich ebenfalls aus Teilnehmern der anderen Aktionen rekrutierten.
Zusammenfassend kommt man so auf einen Wert weit unter den von den Nazis genannten Zahlen, also auf ca. 700-800 Nazis welche diese bundesweite Demonstration unterstützten. Vergleicht man dies mit den Zahlen aus dem letzten Jahr, kann man fast von eine Halbierung reden, was allein von der Mobilisierung her ein krasser Misserfolg ist.
Diese peinliche Zahlenmagie kann man insbesondere auch aus der Erfolgsmeldung der Geithainer/Bornaer Kameradschaft herauslesen, wenn sie die zahlen einfach summieren und so auf über 200 Kameraden kommen die in Borna und Geithain „demonstrierten“, obwohl es eigentlich nur 100 waren die durch beide Städte gehetzt sind. Hätte die noch 3 weitere Dörfer besucht wären es laut Nazirechnung also knapp 600 Teilnehmer in 5 Käffern.

Was bleibt also in Hinblick auf Dresden 2011? Sicher ist, ein Erfolg war Leipzig für die Nazis nicht, höchstens eine eher missglückte Übung. Eine Übung war es aber auch für die Staatsmacht, die nun Bescheid weiß, was die Nazis da ausprobieren. Dass die ganze Idiotie nichts weiter ist als der Versuch die eigene Lähmung, welche den Nazis aufgrund der breiten antifaschistischen Mobilisierungen entgegenschwappt, zu lindern, ist offensichtlich. Die Frustaktionen welche in Dresden 2010 seitens der Nazis stattfanden, haben, wie bereits erwähnt keinen wirklichen Sinn gehabt und ihr Klientel nur noch weiter demaskiert. Wenn sie in Dresden 2011 nun ähnliches vorhaben, was zu erwarten ist, ist eine große Mobilisierung aller Antifaschisten wie auch in diesem Jahr notwendig, egal um welches Spektrum es sich handelt. Da durch die Ereignisse in Leipzig die Polizei und Stadt es noch leichter haben werden eine dementsprechend drastische Gefahrenprognose auszuarbeiten und auf ein komplettes Verbot hinzuarbeiten, könnte dieser erfolgslose Zwangsaktionismus der Nazis sich leicht auch als Eigentor erweisen, denn dann wäre Dresden für sie komplett gestorben und die antifaschistische Arbeit der letzten Jahre hätte hier ihr Ziel erreicht. Aber bis zu diesem Punkt ist noch viel Arbeit zu erledigen!
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

@AlertaIQ 20.10.2010 - 14:27

vxe 20.10.2010 - 15:08
Naja, was heisst Fehleinschätzung. Letztendlich gibt es immer ein Unterschied zwischen der Selbstwahrnehmung der Nazis und der Wahrnehmung von außen. Das was hier Zahlenmagie genannt wird ist doch ein Fakt und das ist doch das interessante wenn man die Erfolgsmeldungen der Nazis betrachtet. Die Nazis mogeln einfach massiv und klopfen sich selbst auf die Schulter. Was in Dresden passieren wird, naja, das wird sich zeigen, aber ein denkbares Szenario wäre es schon. Ein anderes wäre das sie, ähnlich wie in Leipzig, viele spontane Sachen machen wollen, aber dort dann auch, wenn die Mobilisierung ähnlich oder noch besser läuft wie Anfang diesen Jahres, mit tausenden Antifaschisten konfrontiert sind. Wird sich alles zeigen, einfacher ist es für sie aber nicht geworden und das lese ich auch aus dem Text heraus!

Fehlanalyse

sXe 20.10.2010 - 17:03
Die Analyse geht leider größtenteils fehl, weil sie die eigentliche Motivation der Nazis vollkommen verkennt.

Wenn wir von rechtsextremer Jugendkultur sprechen, dann reden wir primär von jugendlich-männlichen Erlebniswelten. Und genau darum geht es auch primär bei ihren Aufmärschen. Die "Straße erobern", den starken Mann markieren, der größte Affe im Gehege sein.

Das kann viele Formen annehmen, bekannt sind die Großaufmärsche mit tausenden Teilnehmern einer uniformen Masse. ("Wir sind viele starke Männer, schaut uns an!")

Die haben allerdings aus Sicht des erlebnisorientierten Nazis (fast hätte ich "Jungnazi" geschrieben, aber das stimmt so nicht, das Spektrum geht hoch bis in die 40er) den Nachteil, dass sie in Kooperation mit der Staatsgewalt verlaufen und dementsprechend polizeilich eingehegt sind. Und sie sind relativ leicht zu blockieren, was den Nazis wiederum ihr Gefühl der Stärke nimmt.

Die rechtsextreme Erlebniswelt kann aber auch eine ganz andere Form annehmen: Nämlich mit 400 anderen Erlebnisorientierten durch die Straßen ziehen, sich ungestört von Polizei und Gegner austoben und damit Staatsgewalt und Zivilgesellschaft kräftig auf der Nase rumtanzen. Und wenn sich dann noch ein paar unvorsichtige Antifaschist_innen zum verkloppen präsentieren, umso besser. (Ja, ich weiß, dass das auch andersrum laufen kann. Wenn Ihr dazu in der Lage seid, macht es, aber redet bitte nicht soviel darüber!)

Und weil viele (die meisten?) Antifaschist_innen diese Motivlage verkennen, kommen dann so schiefe Analysen, wie die von "A. Höhler" raus.

Sie klopfen sich zurecht auf die Schulter, weil sie den Nazis mediale Aufmerksamkeit geraubt haben. Aber sie verkennen vollkommen, dass es für einen großen Teil der Nazis ein geiler Tag war. Eben weil diese auf primär politische Kategorien (Aufmerksamkeit, Außendarstellung usw.) nen Scheiß geben.

Und dass die ganz sicher nicht anfangen werden, sich deswegen gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Die Reaktionen auf Naziseite waren überschaubar, gemeckert haben Worch und Lausitz-Infos/Spreelichter. Also die üblichen Verdächtigen.

Der Rest hat sich gegenseitig zu den Erfolgsmeldungen gratuliert (egal wieviel davon nun ausgedacht war).
_____________

Meine Prognose für Dresden '11 - es werden sich eine ganze Menge (bis zu mehreren 1000) Erlebnisorientierte (AN- und Hool-Spektrum) im Umland von Dresden oder auf den Anfahrtsrouten versammeln und dort Rabatz machen. Antifaschist_innen sollten sich darauf einstellen und sich Interventionsmöglichkeiten überlegen.

Der ältere/seriösere Teil der Nazis wird in den zu erwartenen angemeldeten Kessel der JLO gehen und sich dort eine Kundgebung reinziehen.

Was ist das denn für nen Käse?

Wurstsalat 20.10.2010 - 17:18
Deine Einschätzung und beurteilung ist ja gleich null und nichtig! Ich stand an der Blockade um das NPD-Büro. Die größte Gruppe der Nazis war wohl aus Grünau (vom entglasten Bus hieß es) und die haben auf dem Weg zahlreiche alternative und anderdenkende Bürger angegriffen. Zumindest bis sie von der Polizei gestoppt worden sind. Die gruppe würde ich auf rund 60 Personen schätzen. Somit ist die Zahl 100 mit denen im Inneren realistisch. Angemekrt sei da noch - die Cops haben die Nazis nicht aus dem Schuppen gelassen, was AntifaschistInnen verhindern konnten - die Essenslieferung in das Gebäude!

Was Dresden angeht: ich war nicht im Hechtviertel, jedoch gehen die Meinungen da auseinander. Die Videos bei youtube sprechen allerdings eine andere Sprache!

Und die 3. absolute Fehleinschätzung: Die Nazis bekommen keinen "Großaufmarsch" mit Außenwirkung hin? Nun, daß kann nur einer sagen, der seinen Arsch am 14.8. nicht nach Bad Nenndorf bewegt hat, denn hier haben die Nazis ihren langersehnten Großaufmarsch, der ihnen in JEDEM Jahr zumindest 700m Wehstrecke sicher. Alleine in diesem Jahr gab es zu Bad Nenndorf fast 800 Zeitungsartikel! (Im Vergleich: Zu Dortmund= 350) Internationale Presse - sogar ein Kamerateam aus den USA. Wieviel Außenwirkung brauchst du noch?

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 8 Kommentare an

Naja — Han Solo

Fehleinschätzung — AlertaIQ

Wo — bleibt

Also... — A.Höhler

@ der Nazis 20.10.2010 - 23:02 — Thorten Schneidar

wurst — wasser@web.de