Neuer Bildungsprotest in Österreich

Bildungsopfer 17.10.2010 12:59 Themen: Bildung Netactivism Repression Soziale Kämpfe
In Österreich ist nach einem Semester relativer Protestpause wieder Leben eingekehrt in die aktiveren Studenten und Studentinnen. Es wird verlinkt und geplant, erst auf der Ars Electronica wurde der Bewegung Anfang September ein Preis für digitale Vernetzung verliehen. Die Vernetzung zwischen den Universitäten selbst steht inzwischen seit einigen Wochen wieder hoch im Kurs. Für den 19. Oktober sind an den meisten Universitäten in Österreich Vollversammlungen ( http://vollversammlung.at/) und Demonstrationen geplant.
Protest 2.0

Zeitgleich mit den neuen Demonstrationen gibt es jetzt auch einen Film des Protestes vom letzten Jahr. Dieser trägt den Namen „Protest 2.0“, mit dem Untertitel: „Ihr werdet euch noch wünschen, dass wir unpolitisch sind“. Er fasst viele Höhepunkte der Proteste in Österreich nochmal zusammen ( http://www.youtube.com/watch?v=EjxhU9Iddyk). Ab 29. Oktober wird er in den österreichischen Kinos zu sehen sein und von Aktionen zum Thema begleitet werden.


Vollversammlungen für alle

Früher war die Vollversammlung in den Universitäten als Universitätsgremium im Gesetz verankert. Sie war eine Zusammenkunft, bei der sich alle Universitätsgruppen versammeln. Das hieß konkret dass alle Studierende, Lehrende, Angehörige des allgemeinen und wissenschaftlichen Personals, sowie das Rektorat, der Senat, der Universitätsrat und der Betriebsrat die Möglichkeit hatten miteinander zu sprechen und zu diskutieren. Jetzt sind die Versammlungen wieder so geplant, dass alle daran teilnehmen sollen ( http://www.youtube.com/watch?v=zgZ_NGpBFdM). Es gibt bereits Aufrufe von RektorInnen sich doch bitte ausdrücklich und zahlreich an den Versammlungen zu beteiligen.


Demonstrationen in vielen Städten

In Wien ist von fast allen Universitäten eine Sterndemo zum Ballhausplatz geplant, die verschiedenen Züge treffen vor dem Parlament mit den Demozügen von den anderen Unis zusammen. Es gab im Vorfeld bereits eine Menge verschiedener Workshops, Treffen und Transparente wurden gemalt. Gemeinsam sollen alle zum Ballhausplatz zur Abschlusskundgebung gehen. Demonstrationen gibt es auch in Salzburg und Graz, für 18:00 ist dort im Anschluss ein Plenum angesetzt. Wochenlange Besetzungen, wie im Vorjahr im Wiener Audimax soll es wenn es nach Wissenschaftsministerin Beatrix Karl ginge, nicht mehr geben sagte diese kürzlich in einem Interview. Die Räumungen seien jedoch weiterhin Sache der RektorInnen, sagte sie und kündigt gleichzeitig an, dass Studierende Studiengebühren zahlen sollen. Die Höhe des Geldes wollte sie jedoch zunächst nicht nennen, diese sollen die Universitäten selbst festlegen können. Weiterhin sollen Prüfungen und Aufnahmeverfahren eingeführt werden - je nach Studienrichtung unterschiedlich gestaltet.


„Still loving Activism“ - Aktionstage

Außerdem findet vom 22.-31.Oktober in Wien das "Still Loving Activism! Festival zur Foerderung von Aktivismus und Renitenz" ( http://austria.indymedia.org/node/19121#comments) statt. Es soll vor allem die Repressionsmaßnahmen von denen politische AktivistInnen die letzten Monate und Jahre betroffen waren thematisieren, so die MacherInnen "Eine Woche Feuerwerk emanzipativer Praxen und Theorien. Von Menschen, Initiativen und Projekten, die die Verhältnisse gegen den rassistischen, sexistischen und antisemitischen Normalzustand zum Tanzen bringen wollen. Repression will, nicht nur uns, einschüchtern und unsichtbar machen. Doch das Begehren nach einem solidarischen Miteinander lässt sich weder durch Gefängnisse, Abschiebungen und Schutzzonen, noch Bettelverbote oder andere scheinmoralische Maßnahmen unterdrücken“, heißt es auf der Internetseite. Zusätzlich soll es auch eine Schlafplatzbörse ( http://lovingactivism.blogsport.eu/schlafplatze/) geben. Es bleibt also abzuwarten, ob der Herbst ähnlich heiß wird wie letztes Jahr.
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Ergänzungen

Uni-Proteste und Versammlungen

Der Standard 17.10.2010 - 13:20
Mit Vollversammlungen von Lehrenden und Studenten sowie Demonstrationen steht der kommende Dienstag (19. Oktober) ganz im Zeichen von erneuten Universitäts-Protesten. Diesmal werden allerdings zumindest vorläufig keine Hörsäle besetzt - vielmehr sind es die Rektoren selbst, die wegen der angespannten finanziellen Lage und den geplanten realen Kürzungen im Hochschulbudget zu den Versammlungen geladen haben. Die größte Demo soll in Wien stattfinden, nach den Info-Veranstaltungen soll es einen Sternmarsch von den Unis zum Parlament und eine Kundgebung am Ballhausplatz geben. Während der Versammlungen fallen praktisch alle Lehrveranstaltungen aus bzw. sind Studenten für diese entschuldigt.

Proteste und Versammlungen zu unterschiedlichen Zeiten

Einen einheitlichen Zeitpunkt für die Versammlungen gibt es nicht, jede Uni organisiert "ihre" Info-Veranstaltung autonom. An der Uni Wien findet sie vorsorglich nicht im Audimax, sondern um 15.00 Uhr im Hörsaal 10 des Juridicums statt. Die Wirtschaftsuniversität (WU), die Medizin-Uni Wien und die Technische Universität (TU) Wien versammeln sich bereits um 10.00 Uhr, die Akademie der bildenden Künste und die Universität für Bodenkultur (Boku) um 14.00 Uhr, die Universität für angewandte Kunst um 15.00 Uhr und die Veterinärmedizinische Universität (Vetmed) um 16.00 Uhr. Der Sternmarsch soll um 17.30 beim Parlament eintreffen, um 18.00 Uhr ist eine Kundgebung am Ballhausplatz geplant.

Auch in Graz gibt es keinen einheitlichen Ablauf: An der Medizin-Uni versammeln sich Lehrende und Studierende um 11.30 Uhr, an der Karl-Franzens-Uni um 13.00 Uhr, an der Kunst-Uni um 14.00 Uhr und an der TU um 17.00 Uhr. Um 14.30 Uhr startet außerdem ein Protestmarsch vom Hauptgebäude der Karl-Franzens-Uni.

In Innsbruck findet gegen 11.00 Uhr dagegen eine gemeinsame Versammlung von Uni Innsbruck, Medizinischer Universität und HochschülerInnenschaft (ÖH) am Vorplatz der Hauptuni statt. Geplant sind unter anderem Ansprachen der beiden Rektoren und der ÖH-Vorsitzenden. Im Anschluss daran soll es am Platz vor der Geisteswissenschaftlichen Fakultät (Geiwi) ein "Aktionsfest" geben mit der Möglichkeit zur Diskussion, für die ein oder mehrere Hörsäle bereitgestellt werden. Es werden mindestens 1.000 Teilnehmer erwartet. Die Medizinische Universität plant außerdem davor gegen 10.00 Uhr einen Protestzug von der Maria-Theresien-Straße Richtung Hauptuni.

Vorlesungsfrei an Kunstuni Linz

In Salzburg rufen Rektorat und Hochschülerschaft der Universität gemeinsam zu einem Protest-Zug auf. Um 17.00 Uhr wird sich die Demonstration vom Mozartplatz durch die Altstadt bis zur Naturwissenschaftlichen Fakultät in Freisaal bewegen, wo um 18.00 Uhr im Audimax die Uni-Vollversammlung beginnt. An der Universität Mozarteum sind noch keine Einzelheiten bekannt, eventuell gibt es eine gemeinsame Aktion mit der Uni Salzburg.

An der Linzer Johannes Kepler Universität veranstaltet die Plattform "unibrennt" die ab 12.00 Uhr von Rektorat und ÖH einberufene Versammlung mit. An der Kunstuni am Hauptplatz beginnt die Vollversammlung um 10 Uhr im Audimax. Dann gebe es ein Open End für Studierende, gab ÖH-Vorsitzender Rainer Nöbauer bekannt - vorlesungsfrei ist hier anders als an den anderen Unis der ganze Tag.

Auf der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt startet die Vollversammlung um 12.00 Uhr mit einem Bericht zum Status quo der Universitätenfinanzierung und deren Auswirkungen auf die Hochschule. Nachher steht der "1. Kärntner Bildungskirchtag" am Programm. Ob es eine Demonstration gibt, ist noch nicht klar.
(APA)

Unibrennt organisiert sich wieder

#unibrennt 17.10.2010 - 13:58
(...)Die "#unibrennt"-Bewegung unterstützt diese Proteste und bereitet selbst Aktionen vor. Die "AG heißer Herbst" ist gegründet worden, im Internet wird wieder zu Aktivitäten aufgerufen.

Auch die Vernetzung der Gruppen an den verschiedenen Unis ist wieder angelaufen, gemeinsam wollen sie gegen "Verschlechterungen an den Unis (Zugangsbeschränkungen; Studiengebühren)" kämpfen.

Am 22. Oktober feiert "#unibrennt" den ersten Jahrestag der Audimax-Besetzung. Geplant sind eine Fotoausstellung, Diskussionen und Musik. Der Ort für die Feierlichkeiten steht noch nicht fest.

Film ohne Hauptdarsteller und Namen

Ab 29. Oktober ist der Film "#unibrennt" in den österreichischen Kinos zu sehen. Die Geschichte der Audimax-Besetzung wird chronologisch erzählt, von der Entstehung der Protestbewegung bis zum langsamen Versickern.

Konzerte im Audimax, Auftritte des Schweizer Globalisierungskritikers Jean Ziegler und des Schriftstellers Robert Menasse stehen am Beginn des Films, die Reflexion über das Ende der Besetzung am Ende.

Dass die Protestbewegung auch nach der Audimax-Räumung noch auf Sparflamme aktiv war, ist fast nur mehr eine Randnotiz des Films. Die Ratlosigkeit der Politik und der Uni-Führungen wird im Streifen eindrucksvoll dargestellt.

Typisch für die "Audimaxisten" bzw. untypisch für einen Film: Im Abspann wird weitgehend auf Namen verzichtet - als Regisseure werden lediglich die AG Doku sowie coop99 angegeben.

Quelle:  http://oesterreich.orf.at/wien/stories/411097/

Alle Termine:

#unibrennt 17.10.2010 - 17:14
Vollversammlungen in Wien und Treffpunkte für die gemeinsame Sterndemo

Universität Wien:
- VV: 15:30, HS U10, Juridikum // Sterndemo: 16:30 Uhr, vor der Hauptuni
-> ab 10 Uhr: Infostand vor der Hauptuni, Transpi-Malen Meisterklasse; ab 13 Uhr weiterer Infotisch vor Juridikum; ab 14 Uhr VoKü und get together vor Juridikum
-> Infos der Uni: fernbleiben von zeitgleich stattfindenden Lehrveranstaltungen wird entschuldigt, die VV wird auch via Livestream übertragen
… mehr Infos auf vollversammlung.at und Facebook
-> unibrennt-Livestream am 19.10. ab 15 Uhr (Facebook-Seite, Direktlink zum Stream)

Technische Universität Wien:
- VV: 10:00, Audimax der TU // Sterndemo: 16:00 Uhr, im Hof, Getreidemarkt 9
-> VideoWall im Hof, Livestream von der VV im Internet geplant
-> 12 Uhr: VoKü der Mensa im Innenhof neben dem Audimax, ab 13 Uhr: Vorträge im Audimax
…mehr Infos auf vollversammlung.at // Info-Seite der Uni

Akademie der bildenden Künste:
- VV: 11:00, Aula // Sterndemo: 17:00, vor der Uni
-> Programm mit Workshops, Vorträgen und VoKü in der Mittagspause auf vollversammlung.at // Infos der Uni

Universität für Angewandte Kunst:
- VV: 15:00, Aula // Sterndemo: 16:00 Uhr, vor der Uni
-> Infos der Uni: ab 15 Uhr vorlesungsfrei! // Infoseite auf vollversammlung.at

Universität für Bodenkultur:
- VV: 14:00 // Sterndemo: 15:30 Uhr, Schwackhöferhaus
-> Workshops, Vorträge, Diskussion von 9 bis 14 Uhr, Mittags-VoKü
… mehr Infos auf vollversammlung.at // Info-Seite der Uni, Einladung des Rektors

FH Campus Wien:
- VV: 15:30 // danach zur Sterndemo [keine näheren Infos verfügbar]

Medizinische Universität Wien:
- VV: 10:00, Hörsaalzentrum AKH, HS1 // Sterndemo: 16:30 Uhr, beim Eingang zum AKH-Gelände, Spitalgasse 23
-> von 10:00 bis 11:30 vorlesungsfrei!
… mehr Infos auf vollversammlung.at // Infos, Flyer, Material der AGRU Medizin

Universität für Musik und Darstellende Kunst:
- keine VV (stattdessen offener Brief) // Sterndemo: Treffpunkt um 16:00 Uhr vor der Angewandten [nicht vor der Darstellenden!]
… Infos auf vollversammlung.at

Veterinärmedizinische Universität Wien
- VV: 16:00, Hörsaalzentrum, HS B // Info-Seite der Uni: danach von Rektorat zur Verfügung gestellte Busse (im Bereich Portier/Mensa) zum Parlament
-> ab 15:30 Uhr vorlesungsfrei!
… Infos auf vollversammlung.at

Wirtschaftsuniversität Wien:
- VV: 10:00, Festsaal der WU / Treffpunkt 16 Uhr (WU-Stiege)
-> Livestream der VV in die Aula der WU!
… mehr Infos auf vollversammlung.at // Info-Seite der Uni

Um 17:30 treffen sich alle Demonstrationszüge vor dem Parlament an der Ringstraße und ziehen bis 18 Uhr zum Ballhausplatz zur gemeinsamen Abschlusskundgebung weiter, wo Berichte von allen Vollversammlungen verlesen werden.
Vollversammlungen in den Bundesländern

Kunstuniversität Linz:
- VV: 11:00 Uhr, Audimax, Kollegiumgasse 1
-> … Infos auf vollversammlung.at

Kunstuniversität Graz:
- VV: 14:00 Uhr, Proberaum des MUMUTH
-> vorlesungsfrei von 13:30 bis 16:00 Uhr … mehr Infos auf vollversammlung.at

Montanuni Leoben:
- VV: 11:00 Uhr, Aula (bei starkem Interesse evtl. Verlegung in Audimax)
-> während der VV vorlesungsfrei! … Infos auf vollversammlung.at

Mozarteum Salzburg:
- VV: 18:00 Uhr, Großes Studio
-> zuvor: Treffpunkt für gemeinsame Demonstration: 17:00 Uhr, Mozartplatz … mehr Infos auf vollversammlung.at

TU Graz:
- VV: 17:00 Uhr, HS P1, Petersgasse 16
-> Infos auf vollversammlung.at

Universität Graz:
- VV: 13:00 Uhr, Hörsaaltrakt ABC, Universitätsplatz 6
-> gemeinsamer Protestmarsch um 14:30 Uhr ab dem Hauptgebäude … mehr Infos auf vollversammlung.at

Universität Innsbruck:
- ab 11:00 Uhr Ansprachen am Universitätsvorplatz
-> ab 12:30 Podiumsgespräche, ab 14:30 Workshops … mehr Infos auf vollversammlung.at

Universität Klagenfurt:
- VV: 12:00 Uhr, Aula
-> anschließend Workshops, Vorträge, Party … mehr Infos auf vollversammlung.at und bildungsgipfel.at

Universität Linz:
- VV: 12:00 Uhr, HS 1
-> mit Livestream in andere Hörsäle … mehr Infos auf vollversammlung.at

Universität Salzburg:
- VV: 18:00 Uhr, Audimax der NaWi, Hellbrunnerstraße 34
-> zuvor: Treffpunkt für gemeinsame Demonstration: 17:00 Uhr, Mozartplatz … mehr Infos auf vollversammlung.at

Unruhen in Frankreich

Informant 17.10.2010 - 23:29
In Frankreich gab es am Wochenende weitere Großdemonstrationen, auch die Streiks der Gewerkschaften wurden ausgedehnt. Alle Raffenerien haben ihre Produktion eingestellt. Auf Korsika gibt es in einer Woche keinen Tropfen Benzin mehr.

Im Stadtzentrum von Paris kam es zu Plünderungen. Es finden sich kaum Informationen in den Medien. Interessant das Neusprech bei N-TV. Hier wird Sachbeschädigung wieder als Gewalt dargestellt.

 http://www.n-tv.de/mediathek/videos/politik/Streiks-legen-Frankreich-lahm-article1731521.html

Infos zum "still loving activism" Festival

Fight Repression! Love Activism! 19.10.2010 - 00:54

Text auf at.indymedia zur Audimaxbesetzung

c+p 19.10.2010 - 01:43
Gegen das Vergessen, gegen audimaxistischen Geschichtsrevisionismus

Besetzungen sind zum Kotzen: Die machen nur Arbeit, die körperliche Hygiene und das Privatleben an sich wird vernachlässigt, es dreht sich doch eh alles nur um die Party, sie sind ein reiner Selbstzweck, an einer Uni sowieso unsinnig, da kein ökonomischer Druck auf die Verantwortlichen ausgeübt wird und sie sind ständige Konfliktherde die Übergriffen aller Art großzügig Raum bieten.

Eine unvollständige (teilweise polemisierende) Liste der Argumente die gegen eine Neubesetzung von Räumlichkeiten an der Uni und der Aktions/Widerstandsform an sich vorgebracht werden. Argumente die sich in den letzten Monaten durchgesetzt haben. Konsequenterweise wird auf altbewährtes zurückgegriffen: Sternmärsche, Strassentheater/Flashmobs und Kundgebungen erleben einen ziemlich verregneten Frühling. Es wird wieder mobilisert auf den Tag X und der Erfolg der Aktion wird wieder, ganz rational, in Zahlen und im daraus resultierenden Medienecho gemessen. Der Protest wird auf ein Datum reduziert, und mittlerweile wie am 19.10. wieder von oben verordnet.

Over the Top

Wenn wir den März 2010 Revue passieren lassen liegt auf der Hand, dass dieser Ansatz problematisch ist. Tausende waren damals auf der Strasse, um gegen den Bologna Gipfel zu demonstrieren. Die Beteiligung war international, das Medienecho groß. Aber hat dies der sogenannten und zu der Zeit bereits stark geschwächten Bewegung wirklich gut getan? War es nicht viel mehr so dass auf dieses Wochenende und die damit verbundenen Erwartungen eine tiefe Depression folgte. Dabei war es doch ein voller Erfolg, die “offiziell” formulierten Ziele wurden doch alle erreicht. Und trotzdem war schon auf der Abschlussfeier der Protesttage eine sentimentale Resignation zu spüren. Ein diffuses “soll es das gewesen sein” - Gefühl. Und dieses Gefühl ist auf keinen Fall auf die Ereignisse des letzten Jahres beschränkt. Wer schon einmal an einer SchülerInnendemo, an Gegendemonstrationen zu diversen Gipfeln teilgenommen hat wird dies wahrscheinlich bestätigen können. Durch die Fixierung auf einen bestimmten Termin wird weiterführende Analyse, kontinuierliche Arbeit sehr schwierig. Die an der Abwicklung der Organisation beteiligten Menschen leiden oft unter dem selbst auferlegten Erfolgsdruck. Was wenn die Beteiligung zu niedrig ist und ist die geleistete Arbeit dadurch komplett wertlos? Was kommt danach, egal wieviele Menschen mit auf der Straße waren? Die Beurteilung von politischen Aktionen nach Teilnehmerzahlen und Medienecho, birgt nicht nur riesiges Frustpotenzial und Stress, sie spricht allen Aktionen die nicht nach diesen Kriterien funktionieren, dass Existenzrecht ab. Wenn am 19.10.2010 nicht über 50.000 Menschen wie vor ca. Einem Jahr auf die Strasse gehen (dieser Text wurde einige Tage früher verfasst), hat unser Widerstand an Berechtigung verloren? Obwohl sich die Situation für Studierende, ArbeitnehmerInnen, Arbeitslose, Asylsuchende, SchülerInnen nicht verbessert, sondern verschlechtert hat? Wenn Einzelne sich in scheinbar aussichtsloser Position wehren, hat dies keine Berechtigung?

Schade das Beton nicht brennt

Doch zurück zum ursprünglichen Anliegen dieses Textes, einer erneuten Betrachtung der Aktionsform Besetzung anhand der Ereignisse im Audimax der Uni Wien im letzten Jahr. Der Funke der die Uni zum brennen brachte, war eine Demonstration und die 2 Tage vorher erfolgte Besetzung der Akademie der bildenden Künste. Was dann passiert ist haben sich die VeranstalterInnen der Demo wahrscheinlich nicht träumen lassen, konnte jedenfalls nicht geplant oder vorausgesehen werden. Innerhalb von Stunden kamen immer mehr Menschen ins Audimax, es war zum Bersten voll. Innerhalb kürzester Zeit wurden Dumpsterkollektive gegründet um die Verpflegung zu sichern, Menschen schlossen sich in verschiedenen Gruppen zusammen um eigenständig, ohne Anleitung Ihre Form des Widerstands zu erkunden und auszuprobieren. Aus einer Demo von ungefähr 250 Menschen hat sich innerhalb kürzester Zeit ein Widerstandsnest entwickelt, dass in der ganzen Welt wahrgenommen wurde. In den folgenden Tagen überschlugen sich die Ereignisse: Immer mehr Unis in Deutschland und in Folge auch in vielen anderen Ländern solidarisierten sich um im nächsten Schritt selber aktiv zu werden und auch Ihre Universitäten zu besetzen. Anfang November waren über 50.000 Menschen auf der Strasse, eine der größten Demonstrationen die Wien je gesehen hat. Im Audimax wurde viel gefeiert, fiebrig bis in die Nacht diskutiert, Texte geschrieben, gekocht, Aktionen geplant und durchgeführt, Forderungen ausgearbeitet und vor allem pleniert. Wir haben uns den Raum genommen und ihn uns angeeignet. Leider nur diesen einen Raum. In diesen ersten Tage wurde bis auf einen Grundkonsens nichts beschlossen. Dieser lautete: Wir kämpfen für freie Bildung. Wir sind solidarisch mit anderen sozialen Kämpfen. Wir wollen Sexismus, Rassismus, Diskriminierung und Gewalt an der Uni, auf der Besetzung und überall entgegentreten. Solange wir nicht in zu unseren Bedingungen ablaufenden Verhandlungen stehen, wollen und brauchen wir keine VertreterInnen. Wer auch immer sich an diesen Konsens hielt war ermächtigt sich nach seinen Vorstellungen zu verwirklichen. Es gab keinen Beschluss für die VoKü, keinen Beschluss für Diskussionsrunden, keinen Beschluss für eine AG Kreative Aktionen etc. All dies hat sich autonom entwickelt und war erfolgreich, ohne einem Erfolgsdruck ausgeliefert gewesen zu sein. Wir haben uns einfach alle verantwortlich gefühlt. Es war egal ob Tausend oder nur zehn Leute etwas gemacht haben. So viele Aktionen fanden paralell statt, dass selbst den Aufmerksamsten nicht möglich war alles mitzubekommen. Mensch konnte machen was Ihm oder Ihr gerade in den Sinn kam und das war zwar anstrengend, doch vor allem machte es Spass. Für viele Beteiligte waren diese Wochen eine unvorstellbare Befreiung. Die Karriere, der Kalender, der ständige Druck hatten Pause. Wir haben ein Gefühl davon bekommen was es heißen könnte ohne Zwang zu arbeiten, sich selbst zu verwirklichen, frei zu leben. Es war revolutionär!

Sun is shining weather is sweet, make you wanna move your dancing feet

Natürlich gab es auch viele Konflikte, der Umgang mit sexistischen Übergriffen war unbefriedigend, die Vermittlung antisexistischer Inhalte ebenso. Oft wurde stundenlang diskutiert, wie mensch zu diskutieren hätte. Die täglichen Parties im Audimax wurden für viele zur Belastung. Die Architektur des größten Hörsaals der Uni war für viele Ideen nicht geeignet, so war es zum Beispiel beinah unmöglich kontroverse Themen in diesem riesigen Saal zu besprechen. Die Angst vor möglichen Unglücksfällen und Eskalation von Gewalt (die im Bezug auf die riesige Menge an Menschen marginal ausfiel) führte zu einem Ordnerdienst, genannt Krisenintervention. Die Mitglieder dieser Gruppe fühlten sich ziemlich schnell von der selbstauferlegten Verantwortung überfordert und von Ihren MitbesetzerInnen allein gelassen. Die Leichtigkeit ging verloren. Was war passiert? Anstatt im Moment der Stärke die Besetzungen auszuweiten, den Lehrbetrieb auf mehreren Ebenen anzugreifen und schlussendlich zum Stillstand zu bringen (ökonomischer Druck!), einen Raum für solidarisches Wohnen zu eröffnen, einen Raum wirklich Party fit zu machen, ein Kino einzurichten, Räume für verschiedene Gruppengrößen einzurichten hat sich alles auf das Symbol Audimax versteift. Dies sollte unsere Kritik sein: es wurde zu wenig erobert. Wir haben nicht erkannt das dieses Symbol zwar sehr medienwirksam ist, jedoch außer für Bekanntmachungen, Filmvorührungen und Konzerte im großen Rahmen nicht wirklich nutzvoll für uns war. Gegen weitere Besetzungen und mehr Veranstaltungen wurde vorallen angeführt dass gleichzeitig zum Plenum angesetzte Konzerte (o.ä), diesem die Legitimation für Beschlüsse nehmen würde. Diese Argumentation ignoriert die vorher beschriebenen Erfolge der ersten Tage und den Grundkonsens der Bewegung.

No Border No Nation, Organisation!

Von Anfang wurde eine hierarchische Organisationsform abgelehnt, aus dem einem einfachen Grund: Es wurde keine benötigt. Vor allem Organisationen aus dem sozialistischen Spektrum haben dies immer wieder angesprochen, forderten verbindliche Beschlüsse und versuchten die Kontrolle über die Ereignisse mithilfe von Orgagruppen an sich zu reißen. Die ständige Thematisierung dieser vermeintlichen Beschlussunfähigkeit des Plenums führte zur Entwicklung eines Bürokratieapparats, mit Abstimmungsmodi die ziemlich schnell so unübersichtlich waren, dass nicht einmal mehr die Illusion einer konsensualen Entscheidungsfindung gegeben war. Wir haben der Eigendynamik der ersten Tage selbst Fesseln angelegt, haben uns selbst gebändigt indem wir aus einem Plenum das vor allem zur Verlautbarung von Terminen und als zentraler Treffpunkt diente, ein Miniparlament gemacht haben. Ein Parlament ohne gewählte Vertreter, ohne wirkliche Kompetenz, welches zum Selbstzweck verkam. Die ständige Suche nach neueren, genaueren und noch besser vermittelbaren (wem eigentlich) Forderungen war ein weiterer Hemmschuh. Egal wie gut diese ausformuliert gewesen wären, sie wären trotzdem vom Rektorat und der Regierung ignoriert worden. Erst wenn wir in verbindliche Verhandlungen getreten wären, erst wenn uns alle Zahlen zur Verfügung gestellt worden wären hätten Forderungen Sinn gemacht.

Up the Anti!

Es wäre möglich gewesen mehr zu besetzen noch mehr Raum nach unseren Vorstellungen zu nutzen und damit den Druck immer weiter zu erhöhen. die Verwaltung wäre machtlos gewesen. Durch unvorhersehbare, möglicherweise temporären Besetzungen von kleineren Räumen wäre die Universität ziemlich schnell vor unlösbaren Problemen gestanden. Es ist kein Problem ein paar große Veranstaltungen zu verlegen, unzählige kleine Besetzungen hätten die Verwaltung zusammenbrechen lassen, und damit mehr Leuten Zeit gegeben sich am Widerstand zu beteiligen. Was hätte der Staat zu diesem Zeitpunkt machen können? Uns von der Polizei räumen lassen? Dies hätte nur zur Radikalisierung geführt und uns in die Hände gespielt. Anfang November haben wir die Politik vor uns hergetrieben und es gab keinen Grund sie nicht an den Abgrund zu treiben. Wir waren einfach zu brav!

This is the end, my trusted friend, the end

Stattdessen ließen wir uns unter dem Druck der Medien, des Rektorats und der Regierung in Scheinverhandlungen drängen. Wir wurden von der Politik über den Tisch gezogen. Die ÖH spielte mit, wahrscheinlich weil sie Ihre Existenzberechtigung (die in der derzeitigen Form nicht gegeben ist) zurück erlangen wollte. Es kam zum berühmt, berüchtigten Hochschuldialog und der Installation von Arbeitsgruppen. Heute können wir sehen wozu dies geführt hat: Studiengebühren sollen eingeführt werden, schon heuer gab es Auswahlverfahren in einzelnen Studienrichtungen, das Uni Budget wird weiter gekürzt.

Pathoskeule zum Schluss

An Alle die dabei waren vergesst für einen Moment die überlangen Plenas, die Endlosdiskussionen und denkt kurz an die Freiheit die wir alle genießen konnten, denkt an die Euphorie. Führt euch vor Augen wieviele Netzwerke entstanden sind von denen wir heute noch zehren, egal ob im privaten oder im politischen Bereich.

An Alle die nicht dabei waren, lasst euch das Besetzen nicht madig reden. Es ist eines der schönsten Gefühle die es gibt, sich einfach zu nehmen was einem zusteht.

An Alle: Uns steht mehr zu als uns derzeit offeriert wird. 50 Jahre arbeiten um dann die Pension auf einem völlig vergifteten Planeten zu genießen, dessen Ausbeutung wir mit unserem widerstandslosen funktionern innerhalb des Systems nicht nur nicht aufhalten, sondern mit befeuern.

Es ist wichtig auf die Strasse zu gehen um klar zu machen für was / gegen was mensch sich einsetzt. Doch Protest allein reicht nicht, wir müssen wieder den Schritt wagen und widerständig sein. Nicht nur zu sagen was uns nicht passt, sondern versuchen dies zu verhindern. Besetzungen können ein Mittel sein.

In diesem Sinne:

Holen wir uns unsere Universität, holen wir uns unser Leben zurück!
 http://at.indymedia.org/node/19188

Siehe auch:

Bildungsopfer 20.10.2010 - 06:42
Wien: Audimaxbesetzung - Die Uni brennt
 http://de.indymedia.org/2010/10/292411.shtml