Busse und Bahnen umsonst- nicht nur in Berlin

lesender arbeiter 08.10.2010 15:20 Themen: Antirassismus Freiräume Soziale Kämpfe Ökologie
Im Rahmen der Herbstaktionstage ( http://berlinonsale.blogsport.de/) fand im Stadtteilladen Zielona Gora in Berlin-Friedrichshain eine Diskussionsveranstaltung zum Recht auf Mobilität statt. Die Veranstaltung war auch eine Mobilisierung zur Auftaktaktion von Berlin fährt frei ( http://berlin-faehrt-frei.de/) am kommenden Dienstag ( http://www.climate-justice-action.org/).
Recht auf Mobilität? Wie ist eine solche Forderung mit ökologischen Aspekten zu vereinbaren. Schließlich halten viele ökologischen Gruppen gerade die ungezügelte Mobilität für einen Klimakiller.
Für Uwe von der mit der Arbeiter_Innenbewegung verbundenen Organisation Naturfreunde (www.naturfreunde.de/) war das Recht auf Mobilität immer eine zentrale Forderung.
Dazu muss man etwas historisch werden. Denn lange Zeit haben die Fürsten den Bau von Eisenbahnen behindert, weil sie verhindern wollten, dass der „niedere Stand“ schneller als sie in ihren Kutschen unterwegs sein könnte.
Uwe nannte drei wichtige Ziele für die Gründung der Naturfreunde: -Sie wollten nicht, wie im Kaiserreich üblich, auf Kaiser und Nation einen Eid ablegen, wenn sie die Berghütten für ihre Wanderungen benutzen wollten. Genau das aber war damals üblich. Zudem lehnten sie den faktischen Ariernachweis ab, der für die Benutzung der Hütten gefordert wurde. Schon lange vor Beginn des NS waren die meisten Berghütten für Jüdinnen und Juden gesperrt. Das dritte Ziel für die Naturfreunde war der Kampf um das Recht auf Mobilität für die „unteren“ Klassen. Dass umfasste das durchaus nicht selbstverständliche Recht, der Arbeiter_Innen ihren Arbeitsplatz zu verlassen und ihre Arbeitskraft unter besseren Bedingungen verkaufen zu können, wie auch das Recht Urlaub machen zu können.

Recht auf Mobilität heute noch aktuell

Für das Recht auf Mobilität setzen sich die Naturfreunde auch heute noch ein. Dass ist angesichts von Hartz IV- das den Erwerbslosen einen Umzug erschwert und oft auch verunmöglichst und der Residenzpflicht, der Flüchtlingen das Recht auf Mobilität nimmt, ist der Kampf sehr wichtig. Die Naturfreunde haben sie auch die Ökosteuer abgelehnt, die nur die Menschen mit niedrigen Einkommen belastet und die Reichen ungeschoren lässt. zentrales Kampffeld der Naturfreunde ist aktuell die Verhinderung des verschobenen aber nicht beerdigten Börsengangs der Deutschen Bundesbahn. „Eine börsennotierte Bahn, die ausschließlich nach Gewinnerwägungen handelt, wird unrentable Strecken stilllegen und die Preise erhöhen und damit die Mobilität von Menschen mit geringen Einkommen einschränken“, begründete Uwe diese Dringlichkeit dieses Engagements.

Klimagerechtigkeit im globalen Norden und Süden

Michelle vertrat auf der Diskussionsveranstaltung eine junge, aber wachsenden ökologische Bewegung. Die Gruppe Gegenstrom ( http://www.gegenstromberlin.net/) gründete sich im Kampf gegen das Kohlekraftwerk Moorburg bei Hamburg und beteiligte sich an der Mobilisierung zum Weltklimagipfel im Dezember 2009 nach Kopenhagen. „Aus dem Scheitern des Gipfels haben wir die Konsequenz gezogen, uns verstärkt auf lokaler Ebene für Klimagerechtigkeit einzusetzen“, betonte Michelle. Dazu gehört für sie ein besonderes Augenmerk auf den globalen Süden, deren Bewohner_Innen am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben und am meisten mit den Folgen konfrontiert sind. Zur Klimagerechtigkeit gehört für Gegenstrom aber auch, dagegen zu kämpfen, dass in Deutschland die Menschen mit niedrigen Einkommen verstärkt für die angebliche Rettung der Umwelt zur Kasse gebeten werden. Deshalb gehört Gegenstrom zu den Unterstützern der vom Berliner Sozialforum initiierten Kampagne „Berlin fährt frei“, die eine unentgeltliche Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs in Berlin fordert. „Damit sollen ökologische und soziale Interessen verbunden werden“, erklärte Lisa von der die Kampagne unterstützenden Gruppe „Für eine linke Strömung“ ( http://fels.nadir.org/).Auch in Bremen, München und Tübingen wurden lokale Initiativen für einen kostenlosen Nahverkehr gestartet. Sie kann sich auf eine lange Tradition des Kampfes um das Recht auf Mobilität stützen, wie ein Vertreter der veranstalteten Gruppe Internationale KommunistInnen, ebenfalls Unterstützer der Kampagne „Berlin fährt frei“ erklärte. Dazu gehörten die Aktivitäten der Arbeiter_Innenbewegung vor 80 Jahren ebenso wie die Rote-Punkt-Kampagnen, mit denen Arbeiter_Innenbewegung und neue Linke in den 60er und 70er Jahren durchaus nicht ohne Erfolg für einen günstigen Nahverkehr kämpften. Besonders groß war die Rote-Punkt-Bewegung in Hannover, aber ähnliche Initiativen gab es auch in Berlin.


Kampagne auf die Schienen tragen
Damals beteiligten sich Tausende an der Kampagne, darunter auch viele Jungarbeiter_Innen. Für die Kampagne „Berlin fährt frei“ gäbe es viel Potential. Denn viele Erwerbslose können sich kein Ticket leisten. Die Gefängnisse sind voll von Menschen, die mehr als dreimal ohne Ticket gefahren und verknackt worden sind. Das zeigt die große politische Dimension der Forderung nach kostenfreiem Nahverkehr.
Am kommenden Dienstag, dem globalen Aktionstag für Klimagerechtigkeit, den kostenlosen Nahverkehr schon mal ausprobieren. Treffpunkt ist um 17 Uhr an der Weltzeituhr am Alexanderplatz.
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Ergänzungen

Fahrpreiskampagnen der 70er

Jürgen Schröder 08.10.2010 - 17:25
Fahrpreiskampagnen der 60er und 70er waren dort recht erfolgreich, wo Straßenbahngleise blockiert werden konnten.

Organisierter Fahrpreisboykott in Bussen und U-Bahnen dagegen endete meist recht schnell in der nächsten Gefangenensammelstelle.

Beiträge zu einigen alten Kampagnen gibt es hier:

 http://www.mao-projekt.de/BRD/MIE/Fahrpreiserhoehungen.shtml

Kunden mobilisieren

Überzeugter ÖPNV-Nutzer 09.10.2010 - 17:31
@klaus

> Dass betrifft nicht nur die Fahrpreise. Es geht auch um die Taktzeiten, während man früher 5 Minuten warten müsste, sind es heute oft 10 Minuten und mehr <


Und genau da ist die Krux. Durch die verdammte Forderung so wenig Zeit wie möglich zu warten, kommt es doch erst immer wieder zu diesen Wartezeiten.

Nur ein Beispiel, ich fahre täglich mit der DB AG, genauer dem RE3. Dieser Zug fährt zwischen zwei anderen REs und alle zwei Stunden sogar paralell zu einem IC oder EC. Das bedeutet, innerhalb von nur 15 Minuten müssen neben den Güterzügen, ICEs und anderen REs, die nicht durch die Stadt gurken, über nur ein (!) Gleis geführt werden.
Wehe, da kommt auch nur ein Zug zuspät oder die lieben Mitfahrer brauchen mit und ohne Fahrrad oder Kinderwagen oder Rollstuhl länger als die geplanten 60 Sekunden zum Ein- und Aussteigen. Dann kommt es zu Verspätungen - unvermeidlichen Verspätungen - und genau die Mitreisenden, die sich aufregen, sind es eigentlich selbst gewesen, dass der Zug in die Verspätung rutschte.

Also eher nicht mehr Busse und Bahnen, sondern eher an den anderen Schrauben drehen. Dann könnte es sogar für eine stark verbilligte Preisspanne, eventuell sogar kostlos funktionieren.

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Umsonst? — ÖPNV

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