(B) Umsonstdinner auf dem Leopoldplatz

Beobachter_innen 04.10.2010 16:29 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe
Heute gab es auf dem Leopoldplatz in Berlin-Wedding eine Aktion im Rahmen der Aktionstage „Berlin on Sale – Nicht mit uns!“. Sehr gelungen.
Heute gab es auf dem Leopoldplatz in Berlin-Wedding eine Aktion im Rahmen der Aktionstage „Berlin on Sale – Nicht mit uns!“. Sehr gelungen.

Kiezgruppen hatten eingeladen zu einem Umsonstdinner, um direkt auf dem Leopoldplatz das Thema Gentrifizierung und Vertreibung aus dem öffentlichen Raum zu diskutieren. Hier gibt es schon länger Auseinandersetzungen um Quartiersmanagement, Kirche (der der größte Teil des Platzes gehört), Anwohner_innen und andere Nutzer_innen. So war das Buffet mit mindestens 100 Leuten auch gut besucht, es wurde über den Platz, die Veränderung im Kiez und die Frage „Wie organisieren wir uns dagegen?“ diskutiert.

Die Kirche als Besitzerin des Platzes hat auch gleich klar gemacht, auf welcher Seite sie steht. Noch bevor das Buffet aufgebaut war, haben ihre Security-Mitarbeiter den Platz komplett mit Sperrband abgesperrt und der Pfarrer hat eigens Schilder mit „Privateigentum. Kein Alkohol, keine Drogen“ aufgehängt. Dazu wurden dann auch noch die Kinder des anliegenden Kindergartens auf den Platz geholt und mussten heute mal dort spielen. Wir haben unbeeindruckt davon die Kundgebung begonnen, nachdem wir uns mit der Staatsmacht um jeden einzelnen (nicht angemeldeten Tisch) streiten mussten.

Bullenverstärkung wegen Schnittchen und Suppe

Nach einigen – auch spontanen - Redebeiträgen hatten die Bullen dann, nachdem ihre Verstärkung eingetroffen war, einen neuen Grund gefunden, unser Dinner zu stören: das Essen. Sie haben versucht, den Nudelsalat und die Schnittchen abzuräumen und die Kundgebung zu beenden, was erstmal dank der einschreitenden Besucher_innen verhindert werden konnte, die das Essen bei schönstem Herbstsonnenschein lieber selber genießen wollten. Es war gut zu sehen, wie die Leute zusammen gestanden haben und sich ihr Recht genommen haben, dort zu essen, wo sie wollen. Ein anderer ließ es sich nicht nehmen, den Räumungsversuch lautstark mit einem Gedicht über Armut zu kommentieren.

Vorher hatten Teilnehmer_innen bereits die Möglichkeit genutzt, übers Mikrofon ihre Forderungen und Vorstellungen öffentlich zu formulieren. Dabei wurde auch deutlich worum es konkret auch geht: So gibt es eine Auseinandersetzung darüber, wohin die Nutzer_innen denn aufs Klo gehen könne, damit sie nicht in den Park pinkeln müssen. Die öffentliche Toilette kostet im Moment 0,50 Euro, was sich die meisten weder leisten können noch wollen.

45 Minuten Kirchenasyl

Während des Räumungsversuches wurde das Essen dann einfach auf den Kirchengrund verlegt, was den Pfarrer in Bedrängnis brachte, denn jetzt hätte er den Platz räumen lassen müssen. Nach Verhandlungen wurden uns 45 Minuten Kirchenasyl zugestanden, „solange wir kein Gelage veranstalten“. (O-Ton des Pfarrers). Die Polizei hatte die Kundgebung bereits aufgelöst mit der Begründung, dass der Anmelder „die Kundgebung nicht mehr unter Kontrolle“ habe. Dadurch gab es dann weitere Auseinandersetzungen, weil die Transparente nicht mehr im öffentlichen Raum hängen durften, der Pfarrer sie aber auf „seinem Grund“ auch nicht wollte, weil er ihre politische Aussage nicht gut fand. Anwohner_innen berichteten, dass er zu viel Politik wohl nicht so mag, er hat auch einen Infotisch des Berliner Wassertisches untersagt, die dort Unterschriften sammeln wollten.

Tische, Essen, Transpis... Viel Generve um nix, völlig überflüssig. Schade war, dass dadurch viele Redebeiträge nicht mehr gehalten werden konnten, dennoch ein gelungener Auftakt, dem hoffentlich eine längerfristige Organisierung folgt. Die vielen Diskussionen haben gezeigt, dass es sich lohnt, hier weiter zu intervenieren.

Ach, und danke an die Spende von den Überflüssigen, wir gehen mit von gesundem Essen gefüllten Bauch weiter voran. Denn wie sagte ein Beobachter: „Das macht echt Mut, was ihr hier macht“.

Infos zu den Aktionstagen:  http://berlinonsale.blogsport.de
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Ergänzungen

Redebeitrag

activista 04.10.2010 - 17:10
Hier der Redebeitrag, der zum Thema Leopoldplatz in verschiedenen Sprachen gehalten wurde.

Redebeitrag Dinner auf dem Leo

Hallo und Willkommen!

„Wem gehört die Stadt?“ Diese Frage stellen wir heute ganz praktisch hier auf dem Leopoldplatz mitten im Berliner Wedding. Wir, das sind verschiedene Kiezgruppen und Projekte, die sich im Rahmen der Herbstsaktionstage unter dem Motto „Berlin on Sale – Nicht mit uns!“ zusammengefunden haben.

Diese Stadt ist längst ausverkauft. Auch in Wedding gibt immer weniger öffentlichen Raum, der noch nicht privatisiert oder kommerzialisiert ist. Stattdessen gibt es immer mehr Kontrolle und Überwachung. Wie öffentliche Plätze genutzt werden sollen, ist klar definiert:

*Touristenzonen zum nett Anschauen, bitte ohne Dreck, schnorrende oder gemütlich rumsitzende Personen,
*Einkaufsstraßen, in denen nur willkommen ist, wer auch konsumiert und
*Stadtparks zum Erholen, aber bitte ohne Lärm, Alkohol, Hunde und bitte möglichst ohne den Rasen zu betreten.

Durchgesetzt wird das durch private Sicherheitsdienste und so genannte Kiezläufer_innen. Vom JobCenter in diese Rolle gezwungen, sorgen letztere als moderne Denunziant_innen dafür, dass das gemütliche Miteinander an öffentlichen Plätzen schleunigst von den Ordnungsämtern und der Polizei unterbunden und im Wiederholungsfall bestraft wird.

Auch hier am Leopoldplatz ist derzeit ein Prozess zu beobachten, der schon in anderen Stadtteilen, so oder so ähnlich ablief. Unter den Schlagworten Ordnung und Sauberkeit, sollen die bisherigen Nutzer_innen einer zahlungskräftigeren, imagefördernden Gruppe weichen. Beispielhaft davon betroffen sind hier die Drogenkonsument_innen, aber auch die kleinen Gewerbetreibenden in der Umgebung. Die Nazarethkirchengemeinde, der der Leopoldplatz gehört, beauftragt seit kürzerer Zeit einen Sicherheitsdienst, der ein Drogen- und Alkoholverbot auf dem Platz durchsetzt, was faktisch einem Nutzungsverbot für die bisherige Nutzer_innen gleichkommt. Gleichzeitig soll die Umgebung unter dem Schlagwort „Aktive Stadtzentren Müllerstraße“ aufgewertet werden. Dafür stehen jährlich eine Millionen Euro bereit. Unter Mitarbeit von Karstadt soll so die Müllerstraße wieder als Einkaufsstraße ein ”Hauptzentrum Berlins” werden. Größere Einkaufsketten, die erhöhte Gewerbemieten zahlen können, sollen angelockt werden. Die kleinen Gewerbetreibenden finden in diesem Prozess keinen Platz, ebenso wenig die bisherigen Anwohner_innen, die erhöhte Wohnraummieten kaum aufbringen können. Dabei klingt es ja eigentlich gut, wenn alles schöner werden soll. Aufwertung bedeutet aber immer auch langfristig die Verdrängung der aktuellen Bewohner_innen. Wir fragen: „Wann ist der Punkt erreicht wo Sie selbst betroffen sind und nicht mehr „ins Bild“ passen? Beim Baumhausbau, der sofort vom Ordnungsamt gestoppt wird? oder der Geburtstagsparty mit Grillen im Park, die wegen Grillverbot und Alkoholkonsum von der Polizei geräumt wird?“ Wann wird der Ordnungsdrang einiger zum Ordnungszwang für alle?

Wir wollen diesem Druck etwas entgegensetzen, wir wollen nicht hinnehmen, dass Menschen kriminalisiert und aus dem öffentlichen Raum verdrängt werden. Wir laden deshalb hier und heute ein zum gemeinsamen Dinner und zur offenen Diskussion. Der öffentliche Raum gehört uns allen, und wir können selbst entscheiden wie wir ihn nutzen wollen.

Sicher gibt es viele teils unterschiedliche Bedürfnisse, auch ganz jenseits der Interessen von Karstadt und Quartiersmanagement. Wir wollen einen offenen und gemeinsamen Austausch über die verschiedenen Bedürfnisse, um möglichst allen gerecht zu werden, ohne Menschen von der gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen. In diesem Sinne: Die Plätze denen, die drauf essen!

Fotos zur Umsonstladen Räumung

... 04.10.2010 - 17:23

drohende Teilräumung in der Scharni 29

pressebeobachterin 05.10.2010 - 00:50
Mehr Infos siehe:


www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2010%2F10%2F05%2Fa0146&cHash=8ed4b8dec4

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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schönes

essen 05.10.2010 - 10:38
schöne aktion!

...es ist zum kotzen!

Thorten Schneidar 05.10.2010 - 16:01
Es ist doch zum kotzen, sobald mal so ein Projekt in Angriff genommen wird sitzen einem die Bullen wieder im Nacken!