Stuttgart 21: Baumfällung illegal

Antispeziesistische Aktion Tübingen 03.10.2010 18:06 Themen: Medien Repression Ökologie
Nachdem der Schlosspark in Stuttgart unter Anwendung von massiver Gewalt am Donnerstag geräumt wurde, wurden in der Nacht auf Freitag die ersten Bäume gefällt, die für das Bahnprojekt "Stuttgart 21" geopfert werden sollen. Wie sich nun herausstellt, waren die Fällungen illegal.
Unter massivem Polizeischutz und Gewalteinsatz wurden in der Nacht auf den 1. Oktober im Stuttgarter Schlosspark die ersten Bäume gefällt. 12.000 Menschen haben vor Ort gegen die - wie sich nun herausstellt, illegale - Fällung der Bäume protestiert.Am Donnerstag morgen wurde gegen 10.30 Uhr der Alarm der ParkschützerInnen ausgelöst. Zu diesem Zeitpunkt beteiligten sich bereits 2000 Schülerinnen und Schüler am Schulstreik gegen Stuttgart 21. Mit mehreren Hundertschaften begann die aus verschiedenen Bundesländern zusammengezogene Polizei im Schlossgarten den Raum zur Fällung der Bäume und zum Abbruch des Südflügels zu räumen. Der Park wurde abgeriegelt, berittene Staffeln, Wasserwerfer und Pfeffersprays wurden gegen die Sitzblockade, welche das Polizeigerät daran hindern sollte, in den Park zu kommen, eingesetzt. Bereits gegen 15 Uhr meldeten die Krankenhäuser Überlastung. "Im Sekundentakt werden hier verletzte Leute vorbeigeführt", zitiert die taz einen Augenzeugen. "Ich weiß nicht, was noch Schlimmeres in unserem Land passieren kann." Aufgrund des massiven Polizeieinsatzes habe es, so schätzen die ParkschützerInnen, mehr als 1.000 Menschen allein mit Augenverletzungen gegeben. Kopperschlaeger.net fasste zusammen: "In zahlreichen Livestreams im Internet ist zu beobachten, wie massiv mit Wasserwerfern gegen offensichtlich friedliche Demonstranten vorgegangen wird. Polizeipferde reiten brutal in Menschenmengen, Pfefferspray wird in Demonstrantengruppen gespritzt, unter denen auch zahlreiche Kinder, Jugendliche und Rentner zu finden sind. Augenzeugen berichten vom Einsatz von Gasgranaten, es gibt anscheinend Hunderte von Verletzten – auf twitter wird von Nasenbeinbrüchen und unzähligen Augenverletzungen berichtet. Auf in Netz kursierenden Fotos sieht man Minderjährige mit von Gas verätzten Gesichtern, alte Menschen berichten vor laufenden Kameras fassungslos von der unglaublichen Brutalität, mit der die Polizei vorgeht. Der Staat hat seinen Bürgern den Krieg erklärt!"Am späten Nachmittag begann die Polizei damit, die besetzen Bäume zu räumen. Dafür waren Sondereinsatzkräfte mit Bergsteiger-Ausbildung gekommen, die auf einer Hebebühne in die Baumkronen kamen. Wie die ParkschützerInnen berichteten, hatten sich zwei Demonstranten in Betonröhren einbetonieren lassen, drei Personen waren in Metallrohren um einen Baum angekettet. Um 18.23 Uhr wurde der Abtransport der ersten beiden Kletternden von Robin Wood durch einen Wasserwerfer durchgesetzt. Gegen 20 Uhr waren weiterhin fünf Bäume von Robin Wood-AktivistInnen besetzt und mit Plattformen und Feldbetten ausgestattet. Eine besetzte Platane, der älteste Baum des Parks, wurde von der Polizei geräumt. Zahlreiche Menschen kletterten auf weitere Bäume im Park und wurden dort von der Polizei geräumt.Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) beantragte beim Verwaltungsgericht Stuttgart eine einstweilige Anordnung gegenüber dem Land Baden-Württemberg. In der Pressemitteilung heißt es: „Mit diesem rechtlichen Schritt wollen wir die Landesregierung verpflichten, gegenüber der Deutschen Bahn anzuordnen, alle Abriss- und Baumfällarbeiten am Stuttgarter Hauptbahnhof und im Schlossgarten mit sofortiger Wirkung zu stoppen“. Dieser Stopp müsse solange gelten, bis in einem ergänzenden Planfeststellungsverfahren oder im Wege der Planergänzung die vom BUND gegenüber dem Eisenbahn-Bundesamt (EBA) geltend gemachten artenschutzrechtlichen Verstöße in Bezug auf streng geschützte Tierarten ausgeräumt werden könnten. „Wir wollen mit unserer einstweiligen Anordnung Zeit zum Innehalten gewinnen, eine sachliche Klärung herbeiführen und den durch die Bauarbeiten bedrohten Arten die gesetzlich gebotenen Schutzmaßnahmen zukommen lassen. Es ist bedauerlich, dass die Projektträger die Augen vor diesen Aufgaben verschließen und mit brachialer Gewalt Fakten schaffen wollen“, so BUND-Landesvorsitzende Dr. Brigitte Dahlbender. Als um Mitternacht die Polizei aufmarschierte, wurde zunehmend klar, dass dieses Anliegen nicht durchgesetzt werden konnte. Gegen 1.00 Uhr begannen die Fällarbeiten. Im abgesperrten Areal fiel ein Baum nach dem anderen durch Fällmaschinen, sogenannte Harvester der Firma Gredler & Söhne. Als die Maschinen in rasender Geschwindigkeit mit dem Fällen der Bäume loslegten, wurde wieder wahllos Reizgas gegen die Menschenmenge eingesetzt, während im Hintergrund das Weinen der Menschen zu hören war, die sich fassungslos in den Armen lagen.Nach Unterlagen, die dem "Stern" inzwischen vorliegen, war das Abholzen illegal. Der Grund: Am Donnerstag war im Stuttgarter Regierungspräsidium ein Schreiben des Eisenbahnbundesamtes (EBA) eingegangen, das an die DB Projektbau addressiert sowie als Kopie an das Amt für Umweltschutz der Landeshauptstadt Stuttgart ging. In dem Schreiben verlangt die Bundesbehörde, zunächst nicht mit den "Baumfällarbeiten" zu beginnen, da sonst eine seltene Tierart gefährdet sei, der Juchtenkäfer, der durch Landes- und Bundesgesetz und durch die sogenante europäische FFH-Richtlinie geschützt ist. Deshalb wollte das EBA noch am selben Tag von DB Projektbau überzeugend dargestellt bekommen, wie die Fällarbeiten ohne Gefährdung des Artenschutzes möglich sein sollen, also wie der Juchtenkäfer und seinen Larven geschützt werden können. "Im Zusammenhang mit den bevorstehenden Baumfällaktionen im Schlosspark", heißt es in dem EBA-Schreiben, "weise ich darauf hin, dass Sie mit den Baumfällarbeiten nicht beginnen dürfen." Bis zum 8. Oktober gibt das EBA der DB-Projektbau Zeit, mit Unterlagen darzulegen, wie sie die Probleme lösen will. Das Eisenbahnbundesamt ist eine Bundesbehörde, die über den Ländern steht. Ihre Worte sind ein Rechtsakt, dem DB Projektbau Folge zu leisten hat. "Im Lagezentrum des Innenministerium wusste man definitiv am Donnerstag ab 23 Uhr Bescheid über das EBA-Schreiben", heißt es auf Stern.de. "Die Fällungen waren illegal", wird Berthold Frieß, Landesgeschäftsführer des BUND, zitiert. Heute haben die ParkschützerInnen die für die Fällungen Verantwortlichen angezeigt.ANTISPEZIESISTISCHE AKTION TÜBINGENasatue.blogsport.de
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Korrupte Mafiosi Mappus, Rech und co

.... 03.10.2010 - 22:23
Wir hatten ja schon, dass die Abholzfirma im Wahlkreis des Innenministers liegt, und dass die Abrissfirma CDU-nahe ist. Jetzt kommt noch dazu, dass auch die Tunnelbaufirma da nicht zufällig an den Auftrag gekommen ist:
Also die Personalie Herrenknecht ist in der Tat eine sehr interessante. In seinem Aufsichtsrat sitzt eben dieser Lothar Späth, der sitzt dem Aufsichtsrat auch vor, und Herrenknecht hat auch - aber auch dieses ist nicht kriminell, sondern völlig legal - der CDU eine Spende von 70.000 Euro zukommen lassen. Und wenn Sie dann noch wissen, dass Ministerpräsident Oettinger schon 2008 in der Regierungserklärung gesagt hat, Herrenknecht wird bohren, ohne dass Ausschreibungen vorliegen, dann können Sie sich vorstellen, wie dieses System - wir nennen das dann auch immer gerne ein geschlossenes System -, wie das funktioniert. Und das ist eben die Spätzles-Connection oder die Maultauschen-Connection, wir können es auch den Filz nennen.
 http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/1273289/

laßt ab vom juchtenkäfer

tagmata 04.10.2010 - 00:12
das plödeste was jetzt passieren kann, ist, daß sich leute einen auf Osmoderma eremita runterholen.

fakt ist offenbar, die staatsgewalt war umfassend im unrecht, die dbag und speziell herr grube war und ist im unrecht.

zunächst mal muß der formaljustiz genüge getan werden - also klagen, einstweilige verfügungen, anzeigen auf basis des gesichteten dokumaterials (begründeter anfangsverdacht muß ermittlunegn nach sich ziehen), mit dringlichkeitsscheiß und allem pipapo. das baumfällverbot ist ein schlüsseldokument; was da noch bei irgendeiner rechtsabteilung für arbeits- und/oder angstschweiß sorgt, sollte in den nächsten tagenn nachgeholt werden. ihr wißt es, also tut es. ich kenne nur gescheiterte jurastudent_innen, sonst würde ich es tun.

da natürlich seitens der systemimmanenten institutionen bestenfalls mit glück ein fairer prozeß zu erwartern ist, müssen die fragen, um die es da geht, ins öffentliche interesse gestellt werden.

es geht um die frage, auf die eine verfassungsändernde mehrheit des obersten souverän offenbar nach der stuttgart-aktion offenbar mehr denn ja eine dezidierte meinung hat. nämlich ob diese regierung noch den anspruch eines legitimen repräsentanten jenes souveräns darstellt (und sei es bloß im rahmen der fdgo).

in spätestens anderthalb jahren ein öffentliches votum - "verfassungsgebende versammlung (oder so) [ja/nein]". für den übergang, 2-4 jahre lang direktgewählte minister_innen auf abruf oder so und keinen kanzler und auch keine _in, der regierungschef sind WIR. keine große politik oder "reform"; überleben der zivilgesellschaft garantieren, sonst nix. damit erst mal geklärt wird, welche form der öffentlichen partizipation die kette von katastrophen, die zum battle of stuttgart führte und vielleicht zum war of the wendland führen wird, frühzeitig unterbinden kann.

danach - nach diesen paar jahren - die "3. republik" oder so was. was die leute halt in der masse wollen, nix konkretes, keine wütige regulierung von details. verfassung light wenn überhaupt, "sozial, gerecht, nachhaltig" oder so vermutlich. oder halt: so viel anarchie wie machbar. alle so frei (frei zu und frei von) wie sie wollen, aber wer fällt, wird aufgefangen.

("republik" wäre für alles außer strikter anarchie sogar ein korrekter name. denn eine monarchie vor gottes gnaden - das gegenteil von "republik" - will ja wohl selbst in schland ungefähr keine sau.)

*irgendso* was in der art jetzt nicht mit äußerstem nachdruck einzufordern, es sozuagen an jewde hauswand zu pinseln "REFERENDUM JETZT", grenzt an zivilisatorischen selbstmord, wenn die geschichte zu den ereignissen von stuttgart irgendetwas zu sagen hat. das war die größte quasi-spontandemo hier seit mindestens einem vierteljahrhundert ("hier", also in stuttgart, mindestens die größte seit den 1920ern, oder besser gesagt since ever). und weswegen? wegen fucking juchtenkäfern letzten endes.

den leuten steht die galle bis zum hals. das ist nichts mehr mit linken oder bürgern oder juden oder nazis oder irgendwelchen anderen special interest groups; wir stehen vor einem zweiten 1953 und das darf nicht passieren.

wasserwerfer, knüppel, reizgas, staatsgewalt

Marlo 04.10.2010 - 09:10

Heute wieder mehr als 50.000

. 04.10.2010 - 19:51
Nach der Eskalation des Konflikts um das Bahnprojekt Stuttgart 21 sind in der baden-württembergischen Landeshauptstadt erneut zehntausende Gegner des Bauprojekts zusammengekommen. Die Veranstalter zählten bei der Kundgebung am Montagabend etwa 55.000 Demonstranten, die sich bei mildem Herbstwetter im Stuttgarter Schlossgarten einfanden. Erwartet worden waren zunächst nur 20.000 Teilnehmer.
 http://derstandard.at/1285199994859/Weitere-Kundgebung-Wieder-55000-auf-der-Strasse