Protestbrief kasseler flüchtlinge

akiam 03.10.2010 11:38 Themen: Antirassismus
Seit 20 september befinden sich einige iranische Flüchtinge vor dem Rathaus Kassel in Hungerstreik. sie protestieren gegen unmenschlichen und schikanösen Lebensbedingungen und gegen die ständige Angst vor Abschiebung, der sie ausgesetzt sind.


 http://www.kreisanzeiger-online.de/index.php?artikel=54089
 http://papiere-fuer-alle.org/node/598

 http://www.hna.de/nachrichten/stadt-kassel/kassel/hungerstreik-weitere-iraner-krankenhaus-938974.html
Liebe Bürger und Bürgerinnen,‎

wir sind iranische Flüchtlinge aus Kassel und dem Landkreis. ‎
Wie sie vermutlich aus den Medien erfahren haben, befinden wir uns seit dem
‎20. September 2010 in einem Hungerstreik, um gegen die unmenschlichen und schikanösen ‎Lebensbedingungen, denen wir hier Tag für Tag ausgesetzt sind, und die ständige Angst vor ‎unserer drohenden Abschiebung, zu protestieren.‎

Worin liegen die Probleme für uns Flüchtlinge? ‎
Verhaftungen, Folter, Hinrichtungen, Mord und Terror gegenüber Andersdenkenden ‎‎kennzeichnen das Leben im‎ Iran. Dieses Klima herrscht seit 31 Jahre, seit der Entstehung ‎der „Islamischen Republik“. Viele Menschen protestieren seitdem unter großer Gefahr für ‎Leib und Leben. Sie kämpfen, weil sie sich von diesem Regime nicht länger terrorisieren ‎lassen wollen.‎

Dieses Regime versucht mit allen Mittels, wie militärische Angriffe auf Demonstrationen ‎und Hinrichtungen, den von uns geführten Kampf für Freiheit und Demokratie zu ‎unterbinden. ‎Schätzungen zufolge wurden allein seit dem Juni 2009 ‎mehr als 6000 ‎Menschen ‎festgenommen und mehr als 200 Menschen ermordet. Die wenigen ‎Inhaftierten, ‎‎die freigelassen wurden, berichten von Erniedrigung, Folterung und ‎sexuellen ‎‎Misshandlungen in den Gefängnissen oder an geheimen Orten. Jede Teilnahme an den ‎Aktivitäten wird als „ausländischer Agententätigkeit“ oder „sozialistisch bzw. ‎kommunistischer Betätigung“ verfolgt. Nach dem iranischen Gesetz wird dieses als ‎Gotteslästerung betrachtet und kann mit Hinrichtung bestraft werden. ‎

Zur Unterdrückung der Bevölkerung sowie der Proteste setzt das iranische Regime auch ‎Waffen und Technologien ein, die sie von deutschen Firmen erhalten haben.‎

Wir sind auch diejenige, die vor etwa 10 Jahren den Iran aufgrund Verfolgung verlassen ‎haben, um in Deutschland Schutz und Sicherheit zu erhalten. Jedoch wird uns dieses Recht ‎auf Asyl oftmals verwehrt. ‎

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (kurz BAMF) und die Gerichte im Land ‎Hessen behaupten, der Iran sei ein sicheres Land. Sie wollen uns iranische Flüchtlinge ‎zurück in die Hölle abschieben, die das islamische Regime dort für die Bevölkerung ‎geschaffen hat. Die Menschenrechtslage im Iran dürfte auch dem Bundesamt, den Gerichten ‎sowie der zuständigen Ausländerbehörde in Kassel bekannt sein. Jedoch ist diese Ignoranz ‎ein Teil der menschenverachtenden Politik der Bundesregierung und der deutschen ‎Behörden, die keine deutliche Position gegen das iranische Regime beziehen wollen, um ‎Investitionen deutscher Firmen im Iran nicht zu gefährden.‎

Wir protestieren gegen diese Politik. Wir verteidigen unsere Rechte als Flüchtlinge auf ‎Grundlage der Genfer Konvention, der allgemeinen Menschenrechtserklärung und anderer ‎internationaler Abkommen, die auch vom deutschen Staat unterzeichnet wurden. ‎

Wir leben seit Jahren ohne Zukunft und ohne Perspektive hier, weil wir lediglich „geduldet“ ‎sind, d.h. keinen sicheren Aufenthaltsstatus haben und uns jederzeit eine Abschiebung in ‎den Iran droht. Unser Leben hier ist also weiterhin von Angst und Ungewissheit geprägt. ‎Die Folgen sind besonders für uns katastrophal:‎
 Unsere Kinder bekommen keine ausreichende Schulbildung
Eine Berufsausbildung wird uns verweigert
Aufgrund der Arbeitsverbote und der gesetzlichen Bevorzugung von Deutschen auf dem ‎Arbeitsmarkt können wir keine Arbeit aufnehmen

Dies alles sind Teile der systematischen Ausgrenzungspolitik des deutschen Staates. Diese ‎soziale Entrechtung und die Unsicherheit unseres Aufenthaltsstatus nimmt uns jegliche ‎Motivation und Perspektive.‎

Hinzu kommen weitere Formen der Ausgrenzung:‎
 Die Ausländerbehörde verbietet uns mit Berufung auf die sogenannte Residenzpflicht, ‎den uns zugewiesenen Landkreis zu verlassen
die Ausländerbehörde verbietet uns zu arbeiten
wir erhalten nur gekürzte Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Höhe von ‎‎140 Euro. Diese gekürzten Leistungen sollen eine Sanktion für uns sein, mit dem Ziel uns ‎zur freiwilligen Deutschland zu verlassen.‎

Alle diese Gesetze und Schikanen zielen darauf ab, uns zu entrechten. Uns soll das Leben ‎hier so unerträglich wie möglich gemacht werden.‎

Wir wurden durch Krieg, Terror und Verfolgung gezwungen, alles aufzugeben und hierher ‎zu fliehen um zu überleben und eine Zukunft zu haben. Hier aber werden wir mit einer ‎Politik der systematischen Verweigerung unserer sozialen und politischen Rechte ‎konfrontiert. Diese Politik bedeutet die Einschränkung unserer Bewegungsfreiheit und den ‎Ausschluss aus der Gesellschaft.‎

Wir möchten alle dazu aufrufen, Menschen, die von Ausgrenzung betroffen sind, zu ‎schützen und zu unterstützen.‎

Wir fordern daher: ein bedingungsloses Bleiberecht für alle!‎
Wir fordern: gleiche Rechte für alle!‎
Keine Geschäfte zur Unterdrückung des iranischen Widerstands !‎



Bitte unterstützen Sie uns und beziehen Stellung, um unsere drohende Abschiebung in den Iran zu verhindern. Schicken ‎Sie Protestbriefe und – faxe an die Ausländerbehörde Kassel, die Bezirksregierung Hessen und das hessische ‎Innenministerium. ‎


Kontakt:
 kanuneiraninemobarezkassel@yahoo.com
 kimkassel@yahoo.com
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Ergänzungen

solierklärung

akiam 03.10.2010 - 12:29
Solidarität für die Kämpfenden iranisch Flüchtlinge in Kassel

Liebe Flüchtlings-AktivistInnen ,
wir freuen uns sehr darüber, dass ihr gegenüber der Öffentlichkeit und den Behörden der Kasseler Stadt eure Stimme erhebt, um gegen ständige Angst vor Abschiebung , gegen die unmenschlichen und diskriminierenden Lebensbedingungen zu protestieren. Wir möchten euch an dieser Stelle unsere Verbundenheit und Solidarität ausdrücken. Für die gleichen Ziele kämpfen Flüchtlinge auch in anderen Städte der Bundesländer. Die Behörden betonen dass ofter , sie sind die Hände gebunden und dafür sie angeblich nicht zuständig sind, Sondern Innenminister oder BAMF.
Wir meinen: Flüchtlinge dürfen nicht länger mit dem Wegschieben von Verantwortlichkeiten abgespeist werden! Entscheidend für uns ist nicht, wofür nach formal-rechtlichen Kriterien ein Behörde oder die Bundesregierung zuständig ist. Was für uns zählt ist, dass den menschenverachtenden Praktiken der Diskriminierung, Ausgrenzung und Bevormundung von Flüchtlingen endlich ein Ende bereitet wird. Dafür reichen keine Minimalzugeständnisse und keine unverbindlichen Verständnisbekundungen.
Die Menschenrechtslage in Iran dürfte auch Ausländerbehörde Kassel nicht neu sein. So berichten oft sogar zahlreiche deutsche Zeitungen ständig von vehementen Menschenrechtsverbrechen durch das iranische Regime.Viele Überlebende dieser Verbrechen suchen seit Jahren Schutz und Sicherheit in Europa, auch in Deutschland. Oftmals wird ihnen jedoch Asyl verwehrt.
Ihre Maßnahmen wären ein Teil der menschenverachtenden Politik der Bundesregierung und der deutschen Behörden, die keine deutliche Position gegen die iranische Regime beziehen wollen, um Investitionen deutscher Firmen in Iran nicht zu gefährden.
Ihr Handeln wäre Bestandteil dieser Agenda, die mit dem Argument "Arbeitsplätze für Deutsche sichern" über Leichen geht, für die das Prinzip "Wirtschaftsinteressen vor Menschenrechten" gilt.
Die rassistische deutsche Einwanderungspolitik droht nicht nur iranischen Flüchtlingen und MigrantInnen mit Abschiebung und Haft, sondern schikaniert sie auch in vielen Lebensbereichen.
Wir verachten eine solche Politik zutiefst!
Wir fordern stattdessen: das Bleiberecht für alle Flüchtlinge aus dem Iran und andere Länder.

Bis dahin wünschen wir euch alles Gute und viel Kraft für euren Kampf!

Keine Abschiebungen in den Iran und anderswohin!
Keine Geschäfte mit der Unterdrückung des iranischen Widerstands! ‎

Göttinger Bündnis gegen Abschiebung und Rassismus
Kargah e.V Hannover

solieklärung kasseler linke

arman 03.10.2010 - 12:34

Dienstag, den 28. September 2010 um 14:44 Uhr ‎
Menschenwürdige Lebensbedingungen für AsylbewerberInnen

Die Kasseler Linke.ASG erklärt sich solidarisch mit den Protesten iranischer AsylbewerberInnen vor dem Kasseler Rathaus in den letzten Tagen.
Abschiebungen in den Iran sind aus menschenrechtlicher Sicht in keiner Weise zu vertreten, stattdessen muss Flüchtlingen ein gesicherter Aufenthalt in Deutschland ermöglicht werden.
„Die AsylbewerberInnen werden bewusst durch kurze, ständig zu erneuernde Duldungen in Unsicherheit gehalten und müssen somit in permanenter Angst vor Abschiebung leben“ kritisiert Kai Boeddinghaus, OB-Kandidat der Kasseler Linken.
Ihnen wird untersagt Arbeit anzunehmen. Die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz liegen deutlich unter den beschämenden Sätzen von Hartz IV. Deshalb sind so genannte geduldete AsylbewerberInnen von extrem schlechten Lebensbedingungen betroffen, an denen sie aber selber nichts ändern dürfen. Auch unterliegen sie in der Regel einer Residenzpflicht, die ihnen das Recht auf Bewegungsfreiheit abspricht.
All diese Schikanen machen den Betroffenen ein menschenwürdiges Leben unmöglich.
OB-Kandidat Kai Boeddinghaus fordert die zuständigen Stellen auf, Schikanen gegen Flüchtlinge zu unterlassen und alle Entscheidungsspielräume zu ihren Gunsten zu nutzen.



 http://www.kasseler-linke-asg.net/pressemitteilungen/613-menschenwuerdige-lebensbedingungen-fuer-asylbewerberinnen.html

streik geht weiter ohne hunger

arman 04.10.2010 - 20:09
Montag 4 Oktober haben Flüchtlinge ihr Hungerstreik beendet, aber streik ohne hunger geht weiter.
Mit diesem Protest wollen flüchtlinge deutlich machen, daß der Iran kein sicheres Land ist und daß ‎ihre Bleiberechte hier verteidigen. ‎
Bis Jetz konnten sie über 1000 Unterschriften sammeln. ‎