Konsumumfrage und Realität

Tomasz Konicz 03.10.2010 10:09 Themen: Globalisierung
Seit Monaten werden die Menschen in der BRD mit Aufschwungspropaganda bombardiert. Das „Konsumklima“ steigt auf Höchstwerte. Steigt auch der Konsum?
Ginge es nach den Schlagzeilen der Massenmedien, so müsste sich ganz Deutschland einer überschwänglichen Konsumorgie hingeben, die sogar die Erinnerung an die überwunden scheinende Krise verblassen lässt. Die Deutschen befänden sich demnach in einem „Konsumrausch“, durch den sie die Krise „wegschoppen“ würden. Die Bundesbürger würden bereits „Kaufen wie vor der Krise“, so etwa der Tagesspiegel. Als Beweis für die scheinbar zwischen Flensburg und München anschwellende Einkaufswut wird der Konsumklimaindex des Marktforschungsunternehmens GfK zitiert. Ermittelt wird dieser Konsumindex schlicht durch eine Umfrage, bei der die Teilnehmer nach ihren persönlichen Einkommenserwartungen und Konsumabsichten befragt werden.

Ende September konnten nun die Massenmedien einen raschen Anstieg des Konsumklimaindex von 4,3 % vermelden. Die Marktforscher von GfK erwarteten zudem, dass der Konsumindex im Oktober sogar auf „4,9 Punkte“ ansteigen werde. Die Konjunkturerwartungen seien auf „53,5 Punkte“ angestiegen und befänden sich damit auf den „höchsten Stand seit drei Jahren“. Alle diese beeindruckenden Zahlen und Prozentpunkte, die GfK in ihrer Presseerklärung aufführte, resultierten aus der statistischen Auswertung einer Befragung von 2000 „Verbrauchern“. Dieses dürre empirische Material bildete die Grundlage einer Pressekampagne, bei der laut Google News ab dem 29. September mehrere Hundert Nachrichtenseiten von einer „Stärkung der Binnennachfrage“ und einem Ende der Krise in der BRD fabulierten.

Nur zwei Tage später veröffentlichte das Statistische Bundesamt die tatsächlichen Zahlen bezüglich der Einzelhandelsumsätze in der BRD. Diese Berechnungen basieren auf einer breiten empirischen Grundlage, bei der Daten aus sieben Bundesländern erhoben werden, in denen rund dreiviertel des Gesamtumsatzes im deutschen Einzelhandel getätigt wird. Das Ergebnis: real sind die Einzelhandelsumsätze im August gegenüber dem Vormonat um 0,2 % gesunken. Von einem „Kaufrausch“, der zur Stärkung der Binnennachfrage beitrüge, kann also keine Rede sein. Dennoch schafften es viele Wirtschaftsredaktionen und Presseagenturen, auch aus dieser Stagnation des Konsumniveaus einen Aufschwung zu fabrizieren, da die Einzelhandelsumsätze im August real 2,2 % über den Vorjahreswerten lagen.

Dieser tatsächliche Anstieg der Binnennachfrage muss aber in Relation zum steigenden Bruttoinlandsprodukt (BIP) gesetzt werden. Nur wenn der private Konsum, wie er sich vor allem in den Einzelhandelsumsätzen äußert, stärker als die Gesamtwirtschaft wächst, kann tatsächlich von einer Stärkung der Binnenkaufkraft in der Bundesrepublik gesprochen werden. Dies ist aber offensichtlich nicht der Fall, da das BIP in der BRD im ersten Quartal 2010 um 2,1 % und im zweiten Quartal 2010 um 4,1 % angestiegen ist. In dem grob vergleichbaren Zeitabschnitt Januar bis August 2010 setzte der Einzelhandel in Deutschland aber real nur 0,9 Prozent mehr Waren gegenüber dem Vorjahreszeitraum um. Wenn nun das Bruttoinlandsprodukt schneller ansteigt als der Konsum, sink selbstverständlich auch der Anteil des Binnenkonsums an dem BIP. Deutschland belegte bereits in 2008 mit einem Anteil der Privaten Konsumausgaben am BIP von 55 % einen der letzten Plätze unter den Industrieländern. In den USA sind es 71, %, in Großbritannien 67 % und selbst in Polen entfallen 60 % des BIP auf den privaten Binnenkonsum.

Fazit: Da der Binnenkonsum langsamer ansteigt als das BIP findet derzeit keine Stärkung, sondern eine Schwächung der privaten „Binnennachfrage“ in Deutschland statt, womit die einseitige und aggressive Ausrichtung der deutschen Volkswirtschaft auf den Exportsektor zementiert und sogar weiter forciert wird.
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Ergänzungen

Die aktuelle Kamera

. 03.10.2010 - 15:07

Empirisches Material

Karl Laschnikow 04.10.2010 - 08:57
Die grundsätzliche Aussage des Artikels finde ich richtig. Ich denke aber nicht, dass die Befragung von 2000 Verbrauchern als "dürres empirisches Material" bezeichnet werden kann. Wenn ich mich richtig erinnere sind die befragten Personen z.B. bei Bundestagswahlen sogar geringer an der Zahl. Die Ergebnisse liegen trotzdem meist in der Nähe der Umfragewerte. Es kommt eben nicht nur auf die Quantität an, sondern auch, wie eine solche Umfrage geführt wird. Cu

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