Hamburg: 5. Fette-Mieten-Party

Initiative "Recht auf Wohnraum" 29.09.2010 17:20 Themen: Soziale Kämpfe
Am vergangenen Samstag (25.09.2010) fand ihn Hamburg im Kontext der „Recht auf Stadt“-Bewegung die zwischenzeitlich fünfte „Fette-Mieten-Party“ statt.
Hintergrund für diese Aktion ist die Tatsache, dass es in Hamburg vor allem in zentrumsnahen Stadtteilen immer weniger bis kaum noch bezahlbaren Wohnraum gibt, denn die Mieten explodieren schlichtweg. Dabei spielen mehrere Faktoren zusammen:
Zum Teil bewusst durch die Politik des Senats vorangetrieben, haben in einigen Stadtteilen, wie in der Sternschanze und in Ottensen, Gentrifizierungsprozesse eingesetzt. Auch hier funktioniert leider wieder die Formel „Gentrifizierung = Aufwertung + Erhöhung des Mietspiegels + Verdrängung der Bewohner“ viel zu gut, denn viele können sich die überteuerten Mieten nicht länger leisten. Das Wohnen in diesen Stadtteilen steht damit in direkter Abhängigkeit zu einem gehobenen Einkommen, und alle anderen werden in die Peripherie abgedrängt.

Nicht besser wird die Situation dadurch, dass es auch gerade in solchen von Gentrifizierung betroffenen Stadtteilen immer wieder Leerstand von Wohnungen oder gar ganzen Häusern gibt. Zum einen wird dadurch der Wohnungsmarkt künstlich verknappt, wodurch sich in der Regel höhere Mietpreise erzielen lassen. Zum anderen wird auch versucht, bestehende Mietverhältnisse nach und nach aufzulösen, so dass nach einem kompletten Leerstand über eine Grundsanierung deutlich höhere Mietpreise bzw. Preise für Eigentumswohnungen erzielt werden können.

Zudem wurden in den vergangen Jahren in großer Anzahl Mietwohnungen in Büroräume umgewandelt. Der Mieterverein spricht von insgesamt ca. 40.000 Wohnungen, die auf diese Weise dem Wohnungsmarkt entzogen wurden, und das, obwohl eine solche Umwandlung in Bürofläche seit Beginn der 1970er Jahre in Hamburg verboten ist.

Ein Leerstand an Büroraum von ca. 1,2 Mio. qm setzt angesichts der Knappheit an Wohnraum dem Ganzen dann die Krone auf. Trotz dieser immensen Fläche werden aber weiterhin neue Büroräume in Hamburg gebaut, anstatt den bestehenden Büroflächen-Leerstand in Wohnraum umzuwandeln.

Das grundlegende Problem dieser Entwicklung ist jedoch die Tatsache, dass Wohnraum nicht wie ein grundsätzliches Anrecht eines jeden Menschen verstanden wird, sondern in erster Linie als Ware betrachtet wird. Wohnraum dient vor allem als Mittel, um über sichere, langfristige Investitionen mit hohen Mieten auch möglichst hohe Profite zu erreichen. Auch die eigentlich als gemeinnütziges, städtisches Wohnbauunternehmen gegründete SAGA/GWG setzt sich längst nicht mehr für bezahlbaren Wohnraum bzw. Sozialwohnugsbau ein, sondern treibt den Mietspiegel weiterhin in die Höhe. Eine gesetzlich vorgeschriebene Höchstmiete bspw. in Höhe von 4,- €/qm wäre deshalb ein erster Schritt, um dem einen Riegel vorzuschieben.

Gegen diese gesamte Entwicklung richtet sich der Protest der „Fette-Mieten-Partys“. Und so zogen am vergangenen Samstag wieder ca. 30 Personen, begleitet von mehreren Fernseh- und Medienteams, zum Ottenser Spritzenplatz, um in einer Wohnung mit 12,40€/qm Kaltmiete (der Mietspiegel für eine solche Wohnfläche lag 2009 in Hamburg bei 10,30 €!) die Mieten „abzufeiern“.

Als die ersten Partygäste in der Wohnung ankamen, gab sich der in der Wohnung anwesende Mensch zwar als Vormieter aus, seinem Auftreten nach war er jedoch vermutlich eher für die Hausverwaltung tätig. Als dieser „Vormieter“ nun mitbekam, dass sich die Partygäste anschickten, in „seiner“ Wohnung eine Party zu feiern, geriet er in Panik und wurde handgreiflich, um die wenigen Partygäste, die sich bereits in der Wohnung befanden, aus der Tür zu drängen. Auch ein deeskalierendes Gespräch mit dem verzweifelten „Vormieter“ und die Versicherung, in der Wohnung sollte „lediglich“ eine Fette-Mieten-Party steigen, fruchteten nicht. Um einer weiteren Gewaltanwendung vorzubeugen, zog sich die gesamte Partycrew deshalb bewusst vor das Haus zurück und feierte dort mit Sekt, Konfetti, Musik („Our House“ von Madness) und guter Laune weiter, bevor es noch eine kurze Minidemonstration bis zum Altonaer Rathaus gab, begleitet von positiven Zustimmungsrufen etlicher PassantInnen der Ottenser Fußgängerzone.

Das Fazit:
Auch wenn die Party dieses Mal nicht in der Wohnung selbst stattfinden konnte, machten die Partygäste ihren Protest inmitten der Fußgängerzone deutlich und sichtbar. So wird es sicher weitere Fette-Mieten-Partys und andere Aktionsformen geben, um den Kampf um das Recht auf Wohnraum – und damit letzten Endes auch um das Recht auf Stadt – erfolgreich auszuweiten.


DEMO: "LEERSTAND ZU WOHNRAUM", 23.10. 2010, Hamburg

Ein weiterer nächster großer Schritt ist dabei die Großdemonstration in Hamburg am 23.10.2010 (Start: 13h, Uni-Campus), bei der es unter dem Motto der Demo „Leerstand zu Wohnraum“ auch eine „Begehung“ des Astra-Turmes geben wird. Kommt alle zahlreich!

Weitere Infos unter:
 http://www.rechtaufstadt.net/leerstand-zu-wohnraum/demo-231010-1300-uhr-unicampus-leerstand-zu-wohnraum
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Ergänzungen

auch in berlin am 10.10.10

rocknroll 29.09.2010 - 17:57
10.10. Ein Kiez – seine Wohnungen. Eine öffentliche Begehung

Ort und Zeit werden auf  http://berlinonsale.blogsport.de zeitnah bekannt gegeben.
Per Fahrrad nehmen wir den aktuellen Wohnungsmarkt unter die Lupe. Wir besichtigen frei gewordene Wohnungen, staunen gemeinsam über die Mietpreise und lauschen spannenden Geschichten über die Veränderung der Kiezstruktur.

Wir bestechen makellose MaklerInnen mit unserem unberechenbaren Charme.

(im rahmen der Herbstaktionstage Berlin on Sale - Nicht mit uns! Gegen die (un)sozialen Angriffe auf unser Leben (sei es in Bezug auf Bildungs-, Arbeits-, Gesundheitspolitik, Stadtumstrukturierung,...))

Video

... 29.09.2010 - 18:47
Ein Video mit Impressionen von der Party (und weiteren Protesten gegen Sparmaßnahmen vom selben Tag in Altona) gibts hier:
 http://feuerloescher-tv2.blogspot.com/2010/09/proteste-in-altona.html

Schlecht recherchiert

Der „Vormieter“ 30.09.2010 - 09:37
Hat es überhaupt Sinn sich hier zu Rechtfertigen?

Ich versuch trotzdem mal euch aufzuklären:

Ihr traft am Samstag auf den Mieter der Wohnung, weder auf Makler, Vermieter oder eine verwaltende Person. Die Besichtigung habe ich durchgeführt, um einen Nachmieter für meine Wohnung zu finden, evtl. verständlich, da ich keine Doppelmiete zahlen möchte und eine Wohnung ja auch nicht leer stehen muss.

Dies hätte leicht heraus zu finden sein können, immerhin schickt ihr eine Vorhut, um die Lage zu erkunden.
Aber wer erwartet schon, dass ihr bei so viel Presse die Aktion abbrecht oder ändert?? Wem ihr da gerade schadet ist in dem Moment wohl egal, oder eben unglücklich. Außerdem benötigt man ja einen „Bösewicht“.

Dass ich in Panik gerate, wenn so viele Leute in die Wohnung stürmen wollen, gefällt mir selber auch nicht, ist aber auch eine extreme Stress Situation, dessen seid ihr euch scheinbar nicht bewusst. Bin normalerweise ein netter Gastgeber, lade dann aber auch selber zu einer Party ein.

Bewusst aus dem Haus zurückgezogen habt ihr euch erst, als ich die Polizei gerufen habe. Für euch vollkommen unvollständig, für mich und wie ich später erfahren habe auch für andere Mieter des Hauses, die sich durch eure Aktion stark eingeschüchtert gefühlt haben und teilweise leider immer noch fühlen, die einzige Möglichkeit.

Da ich grundsätzlich eure Aktion und die meisten Ziele nachvollziehen und sogar unterstützen würde, ist es umso mehr schade, dass ich „Opfer“ eurer Aktion geworden bin.

Darum eine Bitte: Bezeichnet mich nicht als Makler, Verwalter oder ähnliches, ich bin der Mieter, der sehr gerne in Ottensen gewohnt hat.

Zudem nochmal: Ich erlaube es nicht, Bild oder Tonmaterial von mir zu veröffentlichen. Leuchtfeuer TV hat dies ja schon netterweise berücksichtigt.

Grüße und versucht bei eurer 6ten Party etwas besser zu recherchieren, Danke.
Der Vormieter, der jetzt leider länger Miete zahlen muss…

eine Anregung zum Thema aus Seattle

Entdinglichung 30.09.2010 - 10:38
 http://libcom.org/library/seasol-interview

Libcom interviews a member of the Seattle Solidarity Network, a direct action group that is dedicated to winning small fights against bosses and landlords over issues such as unpaid wages and stolen deposits. ....

deeskalation nicht angst vor cops

partycrew 30.09.2010 - 14:03
@Der "Vormieter":
Falsch. Der Grund für den Abbruch war tatsächlich, dass ein Feiern in der Wohnung lediglich mit deutlicher Gewalt hätte durchgesetzt werden müssen, da die zuständige Person (du?) völlig überfordert und unter Schock war. Ergo ging es darum, die Situation zu entspannen und trotzdem weiterzufeiern. War deshalb ja wohl sehr naheliengend und einzig richtig, die Aktionsform zu ändern, warum auch nicht? Und welche Polizei??? Während der gesamten Zeit tauchte keinE einzigeR uniformierter BeamtIn auf.
Dass der "Vormieter" nun trotz 2h Wohnungsbesichtigung ohne Party (die begann nämlich erst nach 12h, offizielle Wohnungsbesichtigung aber schon um 10h) länger Miete zahlen muss, d.h. die Hausverwaltung keine "akzeptablen" NachmieterInnen fand, zeigt umso mehr, wie beschissen diese Hausverwaltung ist, sowohl was die Auswahl angeht (wen nehmen die überhaupt?!!!) als auch das Verhalten gegenüber dem "Vormieter" (länger Miete zahlen lassen trotz zahlreicher BewerberInnen). Deshalb anstatt AktivistInnen anzugreifen nächstes Mal lieber Hilfe bei "Mieter helfen Mietern" ( http://www.mhmhamburg.de/data/home/index.php) etc. suchen, um das dreckige Verhalten der Hausverwaltung zu stoppen. ;)

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