Bremen's burning?

who cares 29.09.2010 15:14

Wider die postautonome Erlebnisorientierung

Hoffentlich knallt’s nicht so laut, dass Ihr aus den Aufstandsträumen geweckt werdet…

„Er war wie früher in einer Aktion drin, die, einmal beschlossen, auszuführen war. Erst dann mochte man Fragen stellen. Zum Beispiel, ob der angestrebte Effekt jemals die Mühe lohnen könnte. Zur Rechtfertigung berief man sich gewöhnlich auf Gedanken, obschon es nichts in der Welt gab, das so sicher Zuflucht vor Gedanken bot wie die Aktion.“ (aus: Manés Sperber, Wie eine Träne im Ozean)

Große Worte…

Im Zuge der Anti-Einheitsfeier-Mobilisierungen tauchte ein 4-Seiter auf, der inzwischen für einigen Wirbel gesorgt hat (Ladendurchsuchungen und Interim-Beschlagnahmen in Berlin, Strafverfolgungsankündigungen der Bremer Behörden, einige Zeitungsartikel, etc.). Nach einer holzschnittartigen Beschreibung der deutschen Zustände (das die Feindbestimmung vor allem beim Staat gemacht wird und nur am Rande bei den autoritären Subjekten, liegt wohl in der Natur der zugrunde liegenden Analyse) wird letztlich doch wieder einem gewünschten Autonomen-Revival gehuldigt. Die Demo am 2.10. wird zwar solidarisch erwähnt, jedoch befürchtet man hier eine „Nabelschau unverständlicher interner Debatten“. Die Botschaft der selbsternannten Autonomen dagegen ist so einfach wie verständlich: „Hauptsache es knallt!“..Die Autor_innen vermissen „ein Lebensgefühl, das bisher untrennbar mit den Autonomen verbunden war und dessen vorsichtige Wiederaneignung [sie] in der Debatte um den Aufstandsbegriff sehen“. Was dieses Lebensgefühl konkreter sein soll, wird kaum ausgeführt. Die Tatsache aber, dass es sich in der Debatte um einen Aufstandsbegriff finden lässt, gibt zu denken. Vielleicht sollte der vorher im Text gemachte Versuch, den Niedergang der autonomen Bewegung vor allem mit Repression und politischer Großlage zu erklären, um die Möglichkeit erweitert werden, dass kein Mensch einen permanent selbst halluzinierten Ausnahmezustand (Aufstand, sozialer Krieg) als „Lebensgefühl“ lange durchhält. Viele (Ex-)Autonome mögen hoffentlich beipflichten, dass der Traum von Massenmilitanz nicht das Lebensgefühl ist, dass sie bei der Sache hält oder gehalten hat. Die Apologeten des „sozialen Kriegs“ sollten sich vielleicht zur Abwechslung mit Menschen unterhalten, die anderswo solche Zustände erleben haben, bevor sie sie unreflektiert abfeiern. Die Verherrlichung von „Aufständen“ und die Selbstinszenierung als Low-Level-Guerilla bietet (leider immer wieder) massig Stoff für eine weitere Auseinandersetzung.Hier soll es im Folgenden konkret bleiben und sich mit den Aktionen und Aktiönchen der letzten Wochen befassen und vor allem mit einer recht symptomatischen Zusammenfassung der Ereignisse in einem indymedia-Artikel.

…und „große“ Taten

Zur Einführung der Text aus indymedia vom 28.9.: „Schlechte Woche für Juppies im Bremer 1/4 Nahezu unbeachtet von den bürgerlichen Medien fanden in den letzten Wochen im Bremer Steintor/Ostertor (1/4) eine Reihe von Aktionen statt, die sich am ehesten unter dem Begriff "Stadtteilabwertung" subsummieren lassen. Wie ein kurzer Überblick (ohne) Anspruch auf Vollständigkeit zeigt:- neben dem Farbanschlag auf die Postbank in der Brunnenstr. traf es auch eine Packstation der DHL in der Humboldstr.- in der Ritterstr. wurden einem Transporter der selben Firma die Reifen zerstochen- am 22.9.: Glasburch bei coffeecorner am Eck- 15 hochwertige Fahrzeuge wurden "tiefergelegt" (BMW, Porsche, Jeep, Alpha Romeo, Benz)- 24.9.: Ca. 100 Personen versammeln sich an der Sielwallkreuzung; eine Barrikade wird (mit mäßigem Erfolg) entzündet und der Verkehr ca. 15 Minuten blockiert, vereinzelt fliegen Rauchbomben und Pyros Richtung Bullen- Buttersäureanschlag auf die Modeboutique LARS wo&men beim steinernen Kreuz, das gegenüberliegende Schuhgeschäft wird mit "No love for the nation" besprüht- 26.9.: Farbe gegen mehrere Geschäfte und Boutiquen am Ostertorsteinweg. Betroffen sind unter anderem der O2-Shop und die Tchibo-Filliale. Mit Sprühereihen wird zudem auf den 3.10. Bezug genommenSchön, dass sich auch noch 1 Woche vor der Einheitsfeier und den hochgeschraubten Sicherheitsmaßnahmen Leute Nahcts auf die STraße trauen - danke an alle, die dabei waren.Juppies verpisst euch!“Scheinbar hat die Diskussion um verkürzte Kapitalismusbegriffe doch weniger weit gegriffen, als erhofft. Immer noch sehen einige Aktivist_innen den Feind in bösen, zu schicken oder zu „normalen“ Flanierenden oder Ladeninhaber_innen, die ihnen das gemütliche Viertel kaputt machen, dass ohne Gentrifizierung nie zu einem „Szene-Viertel“ geworden wäre. Hierzu sei z.B. der Artikel von Ivo Bozic empfohlen. Als wäre das – weil in der zwanghaften Feindsuche so banal wie gefährlich – nicht schlimm genug, zeigt sich hier zusätzlich eine völlige Entfremdung von der eine_n umgebenden Realität.

Eigen- und Fremdwahrnehmung und andere blinde Flecken

Sogar innerhalb der kruden Anti-„Bonzen“-Denke gehen die Aktionen daneben. Es ist schon sehr spannend, was hier alles als „Yuppie-Laden“ ausgemacht wird. Das Coffee Corner zum Beispiel ist nun wirklich kein Laden, in dem sich die Prominenz der jungen Kapitalbesitzer_innen ein Stelldichein gibt. Vielmehr treffen sich hier auch viele von uns zum Soja-Cappuccino zwischendurch. Vielleicht ist schon die große Glasscheibe eine Provokation für die Freund_innen der Nacht. Tchibo ist natürlich bekannt dafür, dass sich hier das Schweinesystem mit Schlafanzughosen für ´nen Zehner eindeckt. Aber sogar „Schweinske“ wurde ja schonmal als Yuppie-Treff identifiziert. Dabei geht mehr Stadtteil-Abwertung mit so einer Billig-Schnitzel-Klitsche wirklich nur noch mit McDonalds. Und es ist zu vermuten, dass das nicht im Sinne der Gentrifizierungsgegner_innen ist, oder?Und wie wenig man nebenbei große Konzerne mit solchen Aktionen trifft (um mal in der Logik der militanten Omnipotenz zu bleiben), zeigt der Farbanschlag auf den o2-Shop. Ein Blick ins Internet hätte gereicht, um herauszufinden, dass es sich hier um Franchise-Nehmer_innen handelt, die versuchen, sich mit dem Verkauf von Handy-Verträgen über Wasser zu halten (dabei sind sie im Übrigen sehr freundlich, wenn die Werbeunterbrechung erlaubt ist). Das gleiche gilt übrigens für die meisten DHL-Fahrzeuge – das in der Ritterstr. geparkte jedenfalls gehört einem Subunternehmer, der mit dem Krieg in Afghanistan (siehe Anti-DHL-Kampagne) so viel zu tun hat wie ein Kleinstadt-Autonomer mit dem Stalinschen Regime.Die „tiefergelegten“ Autos erinnern bitter an die brennenden „Luxuskarren“ um den 3.10.1994. Damals erwischte es unter anderem die Autos eines lokalen Gemüsehändlers und eines Szene-Anwalts. Blind irgendwelche Autos – und seien sie noch so teuer – kaputt zu machen, ohne die Besitzer_innen zu kennen und diese für irgendeine ernsthafte Schweinerei verantwortlich machen zu können, ist nicht nur völlig bescheuert, sondern offenbart eine geradezu widerliche Selbstgefälligkeit. Man muss sich schon völlig außer- oder oberhalb gesellschaftlicher Verhältnisse wahrnehmen, um so wahllos andere zu verurteilen.Die verunglückte Barrikaden-Aktion am Eck ist ebenfalls etwas verdreht wahrgenommen worden. Ein Großteil der „100 Personen“ waren Schaulustige. Die anwesenden Szene-Gänger_innen wohnten etwas verstört dem absurden Theater bei, das sich darbot. Natürlich bleibt so ein Bullenauftritt nicht unkommentiert (Flaschenwürfe), aber keine_r schien wirklich willig, für diesen Mummenschanz eine Nacht in der Zelle zu verbringen. Verstanden hat den Auftritt wohl niemand.

Zauberwort: Vermittlung

Jetzt ließe sich entgegnen, dass ja zumindest der angefackelte Recyclinghof einem der Hauptsponsoren der Einheitsfeier gehört. Aber wer, außer einigen „end of road“-Leser_innen kriegt das mit? Es gab keine wahrnehmbare Kampagne, ja scheinbar nicht mal ein Bekenner_innen-Schreiben. Nur den vagen Verweis auf den 3.10. Ob das in mobilisierend wirkt, ist mehr als fraglich.Mensch wünscht sich, die „Feuer und Flamme“-Aktivist_innen hätten zumindest ein bisschen tiefer in den (oft ebenso verkürzten) Militanz-Debatten der letzten 20 Jahre geblättert. Sogar dort wurde immer wieder auf die Wichtigkeit der Vermittlung von Aktionen hingewiesen. Die „Bewegung 2.Juni“ hat mal treffend festgestellt, dass die Erklärung zu einer Aktion im Grunde wichtiger sei, als die Aktion selbst und hat deshalb zum Beispiel die Erklärung zur Lorenz-Entführung vieltausendfach in Briefkästen geworfen.Wenn bei den aktuellen Aktionen offensichtlich nicht mal mehr mitgedacht wird, dass es hilfreich wäre, wenn Leute verstehen, worum es bei der bunten Fassade ungefähr geht, dann lässt sich der Vorwurf der reinen Erlebnisorientierung zu Recht machen. Oder es spricht daraus ein Politikverständnis, dass sich ohne Rücksicht auf Verluste in der eigenen radikalen Haltung gefällt. Wer die Auseinandersetzung mit den Verhältnissen stets nur als Schlägerei denkt, ist schnell allein – denn wer schlau ist, riskiert blaue Augen nur, wenn es auch Sinn macht. Ob in einer Zeit, wo außerhalb der Szene kaum noch jemand mitbekommt, was linksradikale oder autonome Positionen ausmacht, Krawall-auf-Teufel-komm-raus die Lösung ist, lässt sich vermutlich leicht beantworten. Und „unkontrollierter Ausnahmezustand“ ist halt auch kein linker Abenteuer-Spielplatz wie das Schanzenfest, sondern gilt schlimmstenfalls für beide Seiten. Und wie furchtbar Auseinandersetzungen mit der losgelassenen Gewaltförmigkeit eines Staatsapparats sein können, wissen diejenigen von uns, die z.B. im Juli 2001 in Genua unterwegs waren, noch sehr genau. Und hier war das Kräfteverhältnis fürwahr ein besseres.

Rosa Kaninchen statt dicke Eier

Auch wenn gebetsmühlenartig die „Hierarchisierung von Aktionsformen abgelehnt wird“ und auch das Straßentheater als Handlungsoption aufgezählt wird, spricht der Text eine andere Sprache. Es scheint den Fans der handfesten Randale einfach nicht in den Kopf zu gehen, dass eine gezielt gesetzte Irritation oder charmanter Agit-Prop wie die Pink-Rabbit-Kampagne manchmal einfach stärker wirken als kaputte Scheiben. Bei aller Notwendigkeit, die Grenzen der Legalität nicht zu den eigenen zu machen, ist Militanz eben mit Vorsicht zu genießen. Ohne Vermittlung: sinnlos, wenn sie die Falschen trifft: bescheuert bis katastrophal, und nur sehr selten: ein echter Knaller.Diesen Schuh muss sich auch ein großer Teil der restlichen Kampagne zum 3.10. anziehen. Zugunsten altbewährter Posen wurde weitgehend darauf verzichtet, die Gegenaktivitäten (und vor allem ihre Inhalte) mit niedrigschwelligen Aktiönchen oder Aufklärungsarbeit über die Szene hinaus zu verankern oder zumindest ins Gespräch zu bringen.Die Mühen der Aufklärung in bewegungsarmen Zeiten – harte Tage für Aktionist_innen…
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Ergänzungen

Keine Gewalt ist auch keine Lösung!

autonom 29.09.2010 - 17:05
"Und wie furchtbar Auseinandersetzungen mit der losgelassenen Gewaltförmigkeit eines Staatsapparats sein können, wissen diejenigen von uns, die z.B. im Juli 2001 in Genua unterwegs waren, noch sehr genau."

Repression ist keine Folge von Widerstand. Das ist nun wirklich das billigste und falscheste Argument das in diesem Zusammenhang aufgebracht werden konnte. Der Angriff in Genua folgte auch keiner Reaktion auf Militanz sonder im Selbstverständnis einer Aktion die sich sowohl gegen Militante als auch Friedliche richtete. Die staatstragende Erzählung wenn ich brav bin passiert mir nix oder wenn ich sitze oder ein rosa Kaninchenfell anhabe darf ich auch ordentlich empört sein wenn mir der Schädel eingeschlagen wird, bringt nirgendwo hin und ist ebenso naiv wie ein unreflektierter Militanzfetischismus.

Der Text verbleibt leider als ebenso vorurteilsbeladene wie verkürzte Polemik gegen autonome Politikansätze bzw. das was dafür gehalten wird!


Background Genua 2001

historix 29.09.2010 - 17:54
Genua 2001. Nach dem ein Demonstrant gegen den G8 in Göteborg angeschossen wird, reisen zum G8 Gipfel nach Italien /Genua tausende Menschen. Auch in der BRD kommt es zu politischer Verfolgung. So stürmen beispielsweise Bundespolizisten Busse in denen einheimische Punks sitzen.
Das schengen Abkommen wird flächendeckend missachtet. Überall werden Reisebewegungen aufgehalten. Jugendliche in Gewahrsam genommen und alles was "anders" ist als gefährlich eingestuft und zur Gefahrenabwehr festgesetzt. Was war passiert? In Genua taucht das erste Mal seit Jahrzehnten wieder eine Art koordinierter "Black Block" auf, der von der Presse als Überbleibsel der Autonomen bezeichnet wird, eine "Antiglobalisierungsbewegung" wird in der Presse bezeichnet, die es in dieser Form noch gar nicht gibt. Das Thema Kapitalismus war 2001 kurz vor dem 11/09 in New York (Terroranschlag auf die USA), in der Wohlstandsgesellschaft der BRD Tabu die gerade nach den 90igern die "Auflösung" der letzten linksradikalen Widerstandszellen verdaute. Überall roch es nach (Welt-)Untergang, No Future und Diktatur.

In Genua kommt es zu Straßenschlachten gegen diese Zustände an Beklemmung einer erstarkten Rechten in Europa. Während den Straßenschlachten stirbt ein Jugendlicher, der anarchistischen Gemeinschaft. Joschka Fischer, für BÜNDNIS DIE GRÜNEN distanziert sich öffentlich von den Protestanten, die "deutsche" Linke fällt den Autonomen in den Rücken, und besiegelt damit eine Repressionswelle gegen die ohnehin im Sterben liegende Radikale Szene der Linken in Europa.

Italien versucht alles das öffentliche Interesse an dem Fall abzuspeisen. Distanziert sich nicht, verhindert Ermittlungen und hat bis Heute den Fall politisch/polizeilich nicht aufgearbeitet. Durch eine Medienschlacht wird das Bild von Carlo aus den Köpfen retuschiert.
Am 9/11 (11.09.2001) kommt es dann zu Terroranschlägen in New York, die die Bundeswehr und die amerikanischen Streitkräfte in die Verteidigungshaltung zwingen, den militärischen Ausnahmezustand auszurufen, es kommt zum ersten offenen Krieg nach zögerlichen Auslandseinsätzen in den 90igern, der "westlichen Staaten" gegen einen "äußeren" Feind, dem Terrorismus der arabischen Welt.

Das ebnet Antiterrormaßnahmen im Inneren der Republik. Die Rasterfahndung wird wieder eingesetzt. Die Sicherheitsverwahrung. Platzverweise und eine erstarkte Neonazi-Szene,
spaltet das Land und drückt die Gentrification (Umgestaltung des öffentlichen Raums) vorwärts,
in den Walzen dieser Fronten stehen Jugendliche hier aus dem Land, die sich in diverse Subkulturen retten bzw. die Überreste von ihnen entpoliterisieren sich, es kommt zu Misch-Szenen wie der "Oi"-Szene (Bands wie 4Promille, Troopers, Broilers etc haben Aufwind),...
der starke Rechtsruck zwingt die restlichen Linken in die Verteidigung. Das nutzt die Polizei aus um die letzten bestehenden Freiräume zu räumen. Die Autonome Szene, die Linksradikalen, gelten als besiegt. In Schulen, in der Presse, im Straßenbild, herrschte in starkes Trauma.

Die Jugend verfällt in eine Depression, die bis zur Widererstarkung 2004-2005 der Antifa-Bewegung anhält und sich 2006 in den Kämpfen um die letzten autonomen Zentren Europas (Stichwort Kopenhagen) manifestiert. 2007 kommt der G8 nach Heiligendamm. Wie eine bunte Party, endet die Diskussion über "Autonome" mit einem Mainstream, einer neuen Mode, so als wäre diese Phänomen entgültig gebannt und ins Ausland abgeschoben worden. Die BRD hat Frieden im Inland.
Das erste Mal seit dem Fall der Mauer. Die Protestaktivitäten beschränken sich auf Partys, brennende Autos, "sportlich verabredete" Demonstrationen, Festivals und Diskussionen über Griechenland und andere Schauplätze außerhalb der BRD.

Zu den ohnehin schon viel zu vielen Todesopfern der Antikapitalistischen Bewegung reihen sich neue junge Menschen ein. Die Bewegung zerspaltet sich aufgrund der Frage wie umzugehen mit der geschichtlichen Aufarbeitung, der politischen Praxis und der Verantwortung für die Jugendlichen ein Vorbild zu sein. Es scheint als hätten die linken Autonomen die ehemalige antikapitalistische Bewegung gänzlich verdrängt. Die Bilder aus Straßburg lassen wenig Hoffnung auf eine Rückkehr militanter Organisation die nicht "friedlich" bereits für die nächsten Jahrzehnte verplant ist.


Doch Carlo, die politischen Aussagen der Linksradikalen Szene und die antikapitalistische Einheitsfront der Autonomen aus den 60igern und 80igern, lässt sich nicht totkriegen. Immer noch halten Menschen an den Traditionen militantem Widerstand gegen eine Konsumgesteuerte Gesellschaft fest. Die Anarchisten und Kommunisten und Demokraten und Faschisten schlagen im Taumel ihrer "jüngeren" Ebenbilder ihre ersten Schlachten, sich einen Platz in der Geschichte zwischen staatlichem Monopol, Jugendtrend und "alles wird gut" Mentalität, während der Planet weiter vor die Hunde geht, zu sichern. Eine Antikapitalistische Einheitsfront entsteht.

Die zaghaften Ansätze dieser Vision zu formulieren gab es schon lange vor Carlo, doch Carlo gilt weiterhin als "erstes" Todesopfer staatlicher Repression dieser neu zusammengeschlossenen Jugendbewegung für eine postkapitalistische Perspektive. Sein Tod beendete militante Massenbewegung und ließ auf der anderen Seite das Bedürfnis nach Militanz, die nicht verzeiht,
die nicht vergisst, die niemanden aufgibt, weiterleben.

2001 kamen als Protest gegen die pauschale Denuntierung von "Alternativen" die aus den 90igern übrig gebliebenen "TERROR WORLDWIDE" - Pullover wieder in Mode, die später von der (rechten) Gabbaszene geschluckt wurden, deren Symbol auf die weltweite Waffenlieferung der kapitalistischen Staaten hinweisen sollte. Auf der Jacke u.a. von Punks stand eine alte autonome Parole. Zwar blieben die politisch motivierten Aktionen relativ überschaubar, der Widerstand für Carlo ebbte irgendwann ab, doch die Geschichte aus Genua war nie vergessen und innerhalb der Subkultur lebte dieser Ausdruck dieser Ohnmacht von 2001-2002 immer weiter :

UNSERN HASS DEN KÖNNT IHR HABEN, UNSER LACHEN KRIEGT IHR NIE!





Hier einige Foto- und Video-Eindrücke aus Genua.

 http://rollmops.files.wordpress.com/2007/06/genova-2001-diaz.jpg?w=480
Diaz Schule, Genua – 22.07.2001
(Nach dem die Proteste in Genua bereits beendet sind, stürmen die Carabineri, die militärischen Spezialkräfte der Polizei eine Schule in denen Demonstranten schliefen, sie wurden im Schlaf überrascht)

 http://www.buendnis-gegen-rechts.ch/Bilder/Genua_G8_2001/genua8.jpg

 http://www.sowieso.de/zeitung/IMG/jpg/800px-Genova-G8_2001-Carica_della_polizia.jpg


*Bestimmt gibt es auch auf Indymedia einige Artikel dazu, ansonsten einfach googlen.

*2009 (?) gab es eine große Demonstration für Carlo, die scheinbar das Thema "abhaken" sollte.
Doch, wir bleiben hart! NO JUSTICE - NO PEACE! NIEMAND VERGESSEN, NICHTS VERGEBEN!


zu genua, ergänzung 17 uhr 5:

justemesdeuxcentimes 29.09.2010 - 23:48
\"Der Angriff in Genua folgte auch keiner Reaktion auf Militanz sonder im Selbstverständnis einer Aktion die sich sowohl gegen Militante als auch Friedliche richtete\".

das möchte ich nicht so stehen lassen. genua ist natürlich eine lange und komplizierte geschichte, die hier nicht erschöpfend aufgerollt werden kann. und es stimmt, dass zum mittel der bewussten ausrichtung eines systematischen, massenhaften angriffs auf *alle* (einschließlich der bewohner von genua im besonderen und der italienischen bevölkerung im allgemeinen) gegriffen wurde. das ist aber eben schlicht eine *taktische* wahl und nicht das \"Selbstverständnis einer Aktion\" (was auch immer das heißen soll) gewesen. genau so taktisch war die entscheidung, im polizeilich so genannten \"lagebewältigungskontext\" gerade auf \"militanz\", wie sie hier wohl gemeint ist, eher weniger zu reagieren - also nicht prioritär und schon gar nicht unmittelbar.

der \"angriff\" ist aber ohne zweifel ein gegen widerstand ausgerichteter akt gewesen - der sowohl eine repressive als auch eine präventive intention hatte, (letzteres als mittel zum zweck, z.b. hinsichtlich der einführung und etablierung neuer \"maßstäbe\", etwa auf der ebene der strafverfolgung im zuge von straßenkämpfen, riots, aufständen oder auch nur demonstrationen).

wie auch immer: das damals wirklich aufsehen erregende erstarken von sehr entschlossenen, großen sozialen bewegungen ist neben dem gigantischen geschäft mit der sicherheit, das - gar nicht zufällig - parallel begonnen hatte, einmal mehr in der weltgeschichte nur so zu wachsen und zu gedeihen, ganz klar ziel des angriffs.

aus meiner sicht ist es in genua sehr wohl zur repressiven wie präventiven niederschlagung von widerstand - oder wenigstens von einer großen, werdenden widerstandskraft gekommen, weil mindestens dieses werden als ernsthafte bedrohung angesehen wurde. es wurde tatsächlich \"mit der losgelassenen Gewaltförmigkeit eines Staatsapparat\" darauf reagiert, finde ich. die repression war nicht die folge der damaligen entwicklungen, aber ganz klar die reaktion darauf - und die *ist* folgenschwer gewesen.

mag sein, dass der gedanke, dass repression keine folge von widerstand ist, für einzelne eine wichtige einsicht darstellt, um solchen überhaupt zu wagen oder dass welche meinen, andere durch entsprechende belehrung zu dieser einsicht bringen zu müssen, die sich aus ihrer sicht nicht trauen, weil sie staat und gesellschaft auf den leim gehen, wenn diese vermitteln, dass repression die folge von widerstand ist. ich bleibe dabei, dass handfester widerstand sehr wohl eine ganze menge nach sich zieht und dass mit dieser tatsache auch konkret umgegangen werden sollte - mehr und breiteres engagement bei antirepressionsarbeit ist nur ein stichwort von vielen möglichen.

schlicht zu handeln ist einfach nicht weniger wichtig als \"militant\" kämpfen, und gerade carlo giuliani und die umstände seines todes sind ein beispiel dafür. carlo giuliani starb im kontext von heftigen auseinandersetzungen in folge eines brutalen und fahrlässigen angriffs auf eine genehmigte demonstration mit ca. 10000 leuten, die sich entlang einer straße ohne fluchtwege befand.

was seitens der geprügelten und gejagten folgte, war rebellion. es ging gar nicht um militanz, sondern um handeln schlechthin in einer situation extremer unterdrückung [nebenbemerkung: die demonstration hatte erklärtermaßen das ziel, die damals immerhin noch prinzipiell in frage gestellte rote zone zu belagern, aber unter ausschließlichen einsatz der bloßen körper der teilnehmer - woran sich auch alle hielten].

unweit der straße, auf der die demonstration angegriffen wurde, hatten einige leute angefangen, ihren zorn auf einen jeep der carabinieri auszulassen. aus der zerschlagenen heckscheibe dieses jeeps lugte bald eine pistole heraus, die auf menschenhöhe gerichtet war.

carlo, der gerade erst den platz erreicht hatte, auf dem sich das ganze abspielte, reagierte auf den anblick dieser pistole. er griff zu einem am boden liegenden feuerlöscher und setzte an, diesen zu werfen, um die hand mit der pistole zum rückzug zu zwingen. die abläufe wurden ausgiebig untersucht.

carlo hat - souverän - stellung bezogen, partei ergriffen, gehandelt. eine \"militanzkomponente\" spielte kaum eine rolle. hier schließt sich vielleicht der kreis zum text, weil carlos handlung mitten in einem unkontrollierten ausnahmezustand eine unglaublich klare, direkte und konkrete handlung war, die es trotz der ganzen vertuschungs- und verleumdungskampagnen und der tv-gesteuerten sedierung von großen teilen der italienischen bevölkerung geschafft hat, das bewusstsein von nicht wenigen menschen zu erreichen.

auch unter den aufständischen von rosarno spielte die militanzkomponente kaum eine rolle. ihr aufstand hat ebenfalls - trotz des in ganz italien immer brutaleren hetzklimas - sich selbst durchaus vermitteln können. auch das hängt mit der klarheit der handlung zusammen.
die klarheit der handlung ist sehr wohl wichtig, so wie das engagement von leuten, die um deren rezeption kämpfen, in dem sie sie vermitteln (was meist nur wenige unermüdliche tun, so auch im falle genuas/carlos, im fall rosarnos und und und).

da wo sie, etwa bei \"militanten aktionen\" im systemkritischen kontext nicht ohne weiteres sichtbar wird, sollte sie ebenfalls engagierter und zuverlässiger hergestellt werden, finde ich. im übrigen (ich sage es nicht gerne - nicht nur weil es unbequem ist, sondern weil es mir an sich weh tut) hat sich die von sehr vielen (also kein \"persönlicher eindruck) als solche wahrgenommene nicht-bereitschaft von etlichen militanten in genua, sich jenseits von teilweise rein theatralischer selbstdarstellung zu vermitteln, zumindest in italien, seinerzeit sehr negativ ausgewirkt. das hat unter anderem die situation derjenigen, die exemplarisch einer drakonischen strafverfolgung ausgesetzt wurden, die in haftstrafen bis zu 16 jahren mündete, durch (natürlich medial bis zum äußersten verstärkte) verschärfte gesellschaftliche vorurteile und entsolidarisierung belastet. ihre endgültige verurteilung ist leider so gut wie sicher. auch das sind \"folgen\", und zwar ganz schwere. für keinen wird es leicht sein und nicht alle schaffen es, so weit ich weiß, wie auch immer wirklich damit fertig zu werden.

Schaut euch die SH'ler an

Kuck doch 30.09.2010 - 08:22
Ich verweise hier mal kurz auf das Bekennerschreiben der AABB zu den Vorfällen in Bad Bramstedt,so wirds gemacht!
 http://endofroad.blogsport.de/2010/09/26/soliaktionen-in-bad-bramstedt/

Knapp daneben...

...ist auch vorbei 30.09.2010 - 10:22
"Hierzu sei z.B. der Artikel von Ivo Bozic empfohlen."

An der Stelle habe ich aufgehört, weiter zu lesen.
Als schon ein paar Sätze davor von "verkürzten Kapitalismusbegriffen" die Rede war,
war schon klar, wohin die Reise gehen würde.
Auch wenn ich von Yuppie-Autos abfackeln nichts halte, aber bei solchen
Aktionen geht es nicht darum, den Kapitalismus zu begreifen, sondern um
Klassenkampf, deswegen ist eure Kritik von wegen verkürztem Kapitalismusbegriff
auch völlig hohl und daneben - dient nur der eigenen Identitätsmackerei.

Und versucht es doch nächstes mal so, ohne Artikel von Fschisten zu empfehlen.
Dann hat eure Kritik auch etwas Glaubwürdigkeit.

Aber so.....

Gute Aktion: Niedersachsenstein besprüht...

flummi 30.09.2010 - 13:37

Vermittlung

RedHead 02.10.2010 - 11:44
Falls es am Rande der Feierlichkeiten richtig kracht, so laut und so heftig, dass es auch über die Medien vermittelt in einer breiteren Öffentlichkeit wahrnehmbar ist, dann hat sich das Problem mit der Vermittlung von selbst erledigt.
Das rechtfertigt nicht jede einzelne Aktion, auch ich würde mir da deutlich mehr Mitdenken wünschen.
Inwiefern ein Lokal schon deshalb kein Yuppielokal sein soll, weil da linke Spießer ihr Sojagedöns schlürfen, erschließt sich mir nicht. Die Kategorie "Yuppie" in politischen Auseinandersetzungen zu verwenden ist natürlich problematisch und sofern man damit den Vorwurf meint, dass sie mehr Geld haben und vermeintlich besser geht, ist dieser Vorwurf falsch. Trotzdem ist es für einige Leute ein riesiges Problem, wenn ein Stadtviertel immer mehr auf die Befriedigung eben dieser Yuppies ausgelegt wird, weil es für sie selbst eben irgendwann unbezahlbar wird. Einfach weg ziehen und den Yuppies das Viertel überlassen bedeutet Klassenunterschiede zu verstärken- Gentrifizierung nennt man das. Wenn man jetzt den Leuten vorwerfen will, dass sie sagen, sie wollen nicht in einem Yuppiekiez wohnen, dann wurde entweder das Problem nicht verstanden oder es ist eine weitere bescheuerte Sprachhygienemaßnahme, die niemandem etwas bringt. Umgangssprachlich ist es voll i.O. von Yuppies zu reden! Dabei sollte nie vergessen werden, dass es um die Auflösung von Klassenunterschieden geht, nicht darum einer Personengruppe für alles die Schuld zu geben.
Im übrigen bin ich davon überzeugt, dass postmodernes Geschwafel der radikalen Linken mehr schadet, als es ein wenig Militanz tut. Die Verhältnisse sind nicht friedlich, sie erscheinen vielleicht so, wenn man sich alles gefallen lässt, also Unterdrückung akzeptiert. Wenn aber die Verhältnisse nicht friedlich sind - also politische Fragen nach wie vor mit brachialer Gewalt gelöst werden (siehe z.B. auch Stuttgart 21), dann ist die Forderung nach Friedlichkeit eine Forderung nach Wirkungslosigkeit. Natürlich wäre es besser, wenn Politik auf Basis des besseren Arguments betrieben werden würde. Lasst uns dafür kämpfen.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 19 Kommentare

Sehr cooler Text...

Horst1 29.09.2010 - 15:40
Vielen Dank, ähnlich sehe ich das auch!

Einfach nur

... 29.09.2010 - 15:41
DANKE für diesen Artikel!

Yeah!

Heidepirat 29.09.2010 - 15:59
Vollste Zustimmung! Auf die Startseite damit!
Für eine (längst überfällige) wirkliche Debatte über politische Aktionformen & Identitäten.

gähn, geh an die uni

und 29.09.2010 - 16:09
langweil deine kommilitonen...

kleine Anmerkung

Entdinglichung 29.09.2010 - 16:14
guter Artikel, ansonsten ein kleiner Hinweis aus den USA zu einer alltäglichen militanten Praxis jenseits von Event-Orientierung und Scherben-Fetischsmus:  http://libcom.org/library/seasol-interview

Endlich

Endlich 29.09.2010 - 16:17
Endlich sinnhafte Kritik!
Danke!

Warum postautonom in der Überschrift?

xyz 29.09.2010 - 16:21
Postautonome sind doch ein ganz anderes Spektrum. An denen kann man auch einiges kritisieren, aber die würden wohl kaum auf "Hauptsache es knallt" setzen. Das Post- gehört wohl gestrichen...

Auf nach Gorleben im November!

Dein Name 29.09.2010 - 16:22
Da gibts genügend Dinge, auf denen man Farbe hinterlassen, bzw. wo Autos tieferlegen kann. Ist von HB ja auch nicht so weit weg :)

Cooler Text

trotzdem.. 29.09.2010 - 16:28
muss man auch sehen, dass die jugendliche "autonome Szene" in Bremen doch oft auch ziemlich orientierungslos ist. Wie wärs, wenn ihr auch mal so eine Kritik im SWH bringt, statt jedes Wochenende neu sich nur zu besaufen oder im Eck Fußball zu zocken?

Warum bringt ihr keine von eurer Sicht aus bessere Texte?

Man muss eben diesem System an diesen Tagen der Feier ein FUCK YOU entgegensetzen, anstatt mit rosa Plüschtieren or what ever rumlaufen. Glaubst du im ernst, damit hätte man auch nur annähernd die Medien provoziert?

Inwieweit hätten Bekennerschreiben die Medien außerhalb des Viertels dazugebracht, diese auch miteinzubeziehen?

smash capitalism

keine einheit 29.09.2010 - 16:45
war mir zu lang und zu anstrengend. habs überflogen. titel und dann letzter satz.
resultat:

breeemen ich komme!

mit uns keine deutsch deutsche einheit! Mit uns keine deutsch deutsche freundschaft! mit uns keine kapitalistische BRD ! Mit uns keine fortführung des 1000 jährigen reichs in form eines europa!

Wenn wir im Empire leben, lassen wir uns von den Partys der Herrschenden nicht ausschließen.
Riot hin oder Her - ICH HAB BOCK ZU TANZEN!

autenzität

...! 29.09.2010 - 16:48
"dass die jugendliche "autonome Szene" in Bremen doch oft auch ziemlich orientierungslos ist."


exakt das macht sie so autenthisch als zielgruppe für antikapitalistischen widerstand!

"schöne texte" schreiben kann ich auch wenn ich auf der gehaltsliste des Militärischen abschirmdienst stehe.

ENDLICH BACKSPACE!

DANKE! 29.09.2010 - 17:19
ENDLICH Rückendeckung! *Schweißperlen von Stirn zieh*

ENDLICH - URLAUB!

:] Danke... - Ich geb ab um mein Leben als Märchenschriftsteller zu vollenden. Episode 1:
Drecks Bohnen, ich hab Höhenangst und auf einmal kam da diese Ranke aus dem Boden.

Ich übergebe ans ZK.
*OFF*

@historix

The Brain 29.09.2010 - 20:29
...war wohl nix :D

"es kommt zu Misch-Szenen wie der "Oi"-Szene".

Echt die Oi!-Szene gibt es erst seit 9/11? rofl

Da sollteste vielleicht nochmal recherchieren :D

ergänzung

dankender 29.09.2010 - 23:34
merci, who cares! vielleicht denkt der ein oder andere "militante" noch mal nach bevor er das nächste mal meinen lieblingscaffeeladen kaputt macht.

@

tagmata 30.09.2010 - 02:32
@xyz: frag mal leute, die vor genua dabei waren, und die nicht vom mainstreammonster gefressen wurde. die werden dir erklären können, warum "postautonom".

@autonom: hat das wer behauptet? ich mein, im ernst behauptet?

es geht (und der text ist definitiv einer der besten analysen zum thema die ich in der letzten zeit gesehen habe) hier einfahc nicht um lösungsvorschläge, sondern erst mal um eine problemdarstellung.

für die lösung sind wir selbst zuständig.

ich sags mal so: anhand der heute vorhandenen recherchemöglichkeiten sollte die vermeidung von kollateralschäden und die optimierung der militanz ein leichtes sein.

wenn es auf ner großen demo zur sache geht, ist das eh was komplett anderes. beim free for all gibt es keine regeln außer denen die spontan gemacht werden.

1. feststellung: da kapitalismus der ist-zustand ist, ist (außer bei den wenigen die sich komplett ausgeklinkt haben) davon auszugehen: personne est innocent - wir sind alle dran mitschuld, wir hängen alle mehr oder weniger drin. sobald du regulär irgendwelchen scheiß kaufst, hängst, du nun mal (über deine x% mehrwertsteuer) im system.

2. feststellung: die zeit und der raum deines politischen handelns ist begrenzt. das ist eine banale physikalische tatsache; du kannst nicht überall in der raumzeit (also in allen 5 dimensionen, oder auch nur in den ersten 3 zu einem gegebenen zeitpunkt, oder ohne zeitbeschränkung an einem bestimmten ort) gleichermaßen anwesend sein.

konsequenz für militanz aus #2: das ausmaß der militanten aktivität, die eine person oder personengruppe in zeitraum x ausführen kann, ist begrenzt.

konsequenz für militanz aus #1: du kannst 10000 kleine fische fangen, oder du kannst 1 hai erlegen. manche kleinen fische tarnen sich als haie, weil im normalkapitalismus haie als cool gelten.

das sollte für den anfang genug sein. aber obacht: militanz die ernsthaft systemgefährdend ist, wird *hart* sanktioniert.

beobachtung 1: menschen fackeln autos ab. im durchaus nicht ungroßen stil. wieder und wieder, deutschland auf und deutschland ab.

beobachtung 2: es haben vor einiger zeit mal leute patronen verschickt an bestimmte exponenten des ist-zustands, die sich in außerordentlicher weise um dessen perpetuierung "verdient" gemacht haben (sie haben dabei sicher nicht schlecht verdientm, das ist wohl wahr...). derlei sperenzchen wurden offenbar relativ schnell unterbunden; jedenfalls hatte die sache kein nachspiel und es wurde auch nicht zu einer art autonomem volkssport.

fazit: militanz, die geeignet ist, das system ernsthaft anzukratzen, oder ihm zumindest seine süffisante contenance zu verhageln, ist nichts für anfänger_innen. es ist auch nichts, zu dem irgendjemensch irgendwen sonst zwingen oder drängen sollte. es ist eine private entscheidung, und sollte in seinen konsequenzen gut durchdacht werden. geht davon aus, daß keine_r euch hilft, wenn sie euch erwischen.

auf der anderen seite ist diese art von auf den punkt gebrachter militanz (ich meine nicht das verschicken von patronen, sondern jedwede maßnahme die ein dermaßen klares statement an die tatsächlich hauptverantwortlichen sendet) durchaus etwas, das den damm kapitalistisch-ziviler zurückhaltung des prekarisierten bürgertums brechen könnte.

gehtr mal auf irgendein forum von yahoo oder so, wo sich das bildungsproletariat tummelt. selbst springers "welt" geht manchmal gut ab. ich würd mal sagen, 75% (bei yahoo) tendenziell links und auf den startschuß zur revolte oder revolution wartend. die brauchen keine führer, die brauchen einfach ne avantgarde die die tür aufmacht und sich dann zurückzieht ohne herrschafts- oder machtansprüche anzumelden. sonst holen sie sich irgendwann einen führer.

eine "kollaterierende" militanz, wie im artikel sehr anschaulich und intelligent kritisiert, ist hier bedingt sinnvoller zeitvertreib.
eine "chirurgische" militanz hat eine bessere chance als jemals in den letzten 10, wenn nicht 20-30 jahren (brokdorf-wackersdorf-startbahn west als anknüpfungspunkte), die verhältnisse mal richtig zum tanzen zu bringen.

oder ganz brachial gesagt:
der zorn der breiten masse in d. ist mittlerweile dermaßen groß, daß es - die historische erfahrung eines beliebigen landes zu einem beliebigen turbulenten zeitpunkt der geschichte in betracht ziehend - vermutlich besser wäre, wenn er sich einen weg bräche, ehe er in haß umschlägt. denn haß ist der weise mann der narren.

sprech- und lesecheck

@ 30.09.2010 - 08:22 30.09.2010 - 13:38
wieso erfreut sich ausgerechnet der begriff \\\"bekennerschreiben\\\" einer solchen beliebtheit (kam schon bei trotzdem.. 29.09.2010 - 16:28 vor)??? die glosse*, die hier kommentiert wird, spricht von \\\"erklärungen\\\", nicht von \\\"bekennerschreiben\\\", zitat: \\\"Erklärung zu einer Aktion\\\".

wer will, kann ja mal recherchieren und vergleichen (und nebenbei z.b. feststellen, wie lieb der begriff „bekenntnis“ etwa dem bmi und dem vs ist und überlegen, warum). ein einfaches wörterbuch reicht, um sich ein erstes bild zu machen. sprachwissenschaftlich etwas tiefgreifendere infos bietet z.b. die uni leipzig – ein blick lohnt sich:


> zum wort „bekennerschreiben“

 http://wortschatz.uni-leipzig.de/cgi-portal/de/wort_www?site=208&Wort_id=1470327


> zum wort „bekenntnis“

 http://wortschatz.uni-leipzig.de/cgi-portal/de/wort_www?site=208&Wort_id=1470327


> zum „wort erklärung“

 http://wortschatz.uni-leipzig.de/cgi-portal/de/wort_www?site=208&Wort_id=77328


vielleicht motiviert die empfohlene sprachreise auch zum genaueren (und hoffentlich gelasseren) lesen und verstehen des eigentlich doch wirlich zu würdigenden textes.




* eine glosse ist: eine meinungsäußernde journalistische darstellungsform - was hier durchaus der fall ist, liebe moderation!

@ knapp daneben ist auch vorbei

ich 30.09.2010 - 15:16
Wirklich schon sehr überzeugend, wie du hier den Vorwurf des identitären Gehabes anbringst. klassenkampf, den du ja scheinbar betreiben willst, setzt zumindestens ein minimales Bewusstsein voraus, was im Moment "Klassen" sind, in welchem Verhältnis sie zueinander stehen und welche Klasse welche Klasse bekämpfen sollte oder müsste. Wenn du dann aber den Vorwurf der verkürzten Kapitalismuskritik (der zugebenermassen in letzter Zeit etwas inflationär benutzt wurde) als intellktuelles Gelaber abtust und Ivo Bovic als "Faschisten" bezeichnest (Er muss dir ja nicht sympathisch sein, aber ein "Faschist" ist er bestimmt nicht), ist eigentlich schon klar, das genau die Tendenz zur Militanz um jeden Preis und als Selbstzweck hast, die im Text kritisiert wird. Aber gut das über solchem "identitärem" Gebaren stehst, und "Klassenkkampf" betreibst. Lohnt sich bestimmt echt von der Klassenjustiz eingefahren zu werden, weil du den Klassenkampf auf ein entscheident höheres Niveau geführt hast, durch ein, zwei eingeworfene Schaufensterscheiben bei klassenfeindlichen "Yuppie"-Geschäften. Viel Spass dabei...

"...eigentlich wart ihr das schon immer..."

mein name 30.09.2010 - 16:23
is' ja irre.nachdem sich vor nem guten halben jahr schon die taz in hamburg mit derlei begrifflichkeiten blamiert hat, schwabulierst du hier auf die die selbe weise von "selbsternannten autonomen" und wie bei der taz bleibt an der stelle die frage: gibt es auch nicht selbsternannte autonome?. wer hat dich denn biddeschön zum "postautonomen" ernannt?
ich find ja ganz schön, wenn leute schön kritisch sind und dieses oder jenes hinterfragen, aber echt ob dir und deiner juso-gruppe beim cappuchino schlürfen im coffee-corner kalt wird, weil da irgendwer mal durchgelüftet hat, is' für die meisten menschen sicherlich und zu recht ziemlich scheißegal. es mag sein, das der o2-ladenbetreiber ein sog. franchise-nehmer is', aber is' das jetz' ein argument gegen..., ja gegen was eigentlich? natürlich bleiben die verhältnisse in bremen,brd,europa,planet erde, trotz der gesteigerten militanten auseinandersetzung mit der baldigen einheitsfeier, so wie sie sind bestehen, aber die existenz systemoppositioneller strömungen ist mittels der von dir skandalisierten aktionen ein ganzes stück präsenter geworden, als es die bündnisdemo am kommenden samstag vermocht hätte. vielleicht hast du recht, und die träume von ausnahmezuständen/ aufständen, die die "täter_innen", aufrufer_innen und andere aktivist_innen (naja und zuweilen auch ich) mit sich rumtragen, sind oft zu kurz gedacht oder auch übelst verklärt, dennoch kann ich mit diesen maßnahmen zur "stadtteilentwertung" mehr anfangen, als mit der näxten mieterhöhung (die zahlt nämlich leider nich' mein papi für mich) oder der ("welt-") offenen koffeeinszene am sielwall-eck in hb oder in der schanze in hh (naja, eigentlich kann ich mittlerweile weder mit schanze noch steintor viel anfangen, aber das geht hier wohl zu weit). ich hab' überhaupt (oder sagen wir fast) nix dagegen, wenn oberschlaubis zu solchen anlässen das mit den fähnchen machen (à la "lieblingsfarbe-/lieblingsnation" gegen deutschland. manchmal is' das ja auch süss) so auf demos und so und find's auch toll wie aufgeklärt und allwissend diese oberlehrer_innen immer sind, nur sind sie's gerade nich', die hier in den letzten zwanzig jahren irgendwas damit groß bewirkt haben, außer nervigen, identitären debattenbeiträgen (wie diesem?). und wenn du, vielleicht ma' von deinem hohen ross absteigen würdest, dann könntest du vielleicht bemerken, dass die leute, die vielleicht nich'ständig so tolle jungle world quellenangaben parat haben, eigentlich die selbe luft atmen wie du.
nicht missverstehen, ich denke auch, das das eine oder andere ziel in der auseinandersetzung um so sachen wie gentrification nich' so schlau gewählt is' und das thema durchaus diskussionswürdig is', aber da wir(als linksradikale) eben nich' eine grosse familie sind, in der alle die selbe meinung haben (was meistens ja auch gar nich' sooo schlecht is') und alle das selbe machen, find' ich's alle mal okay wenn sich "feinderkennungen" in den jeweiligen strömungen von einander unterscheiden.
in diesem sinne,(selbsternannte hihi) postautonome grüße von mir nach bremen

@the brain

historix 01.10.2010 - 14:18
1. war das spontan geschrieben ohne vorbereitung aus dem kopf

2. oi gibt es sicherlich länger (ich würde es auf 69 datieren wollen?),

DIE OI SZENE - in deutschland - war definitiv VOR 2000, 2001, 2002,

genauso WEG, wie der rest der Szene und Linken, durch notstandsgesetze
nach den "berühmten" chaostagen 1995 WEGGEPUTZT, kinderwagen schieben,
auf bewährung, im knast oder einfach sich im letzten freiraum verbarrikadieren.


Deshalb gabs 2001-2002 auch so viele probleme mit nazis die auf konzerte kamen.....

so hab ich das jedenfalls GESEHEN/ERLEBT und GEFÜHLT!

Wenn DU da mehr Infos hast, naja bitte, WO WARD IHR ????.... WO WARST DU?

Auf dem Oi!The Meeting scheinbar nicht ;)! Auf den Bunkerpartys nicht! Im Internet nicht!
Auf der Straße nicht?.......

lass mich raten war irgendwo ne privat party wo wir nicht eingeladen waren? VIP sozusagen?

Mein Bericht ist aus Sicht eines 17jährigen/18jährigen absolut korrekt. Du darfst ihn gerne aus Deiner Sichtweise ergänzen. Aber "War wohl nix" kannste Dir echt stecken! ABer das habe ich Leuten wie Dir glaube ich schon 2001 inem Forum erklärt, oder?