Halberstadt: Wer, WIe, Was PT.1

Anna Winkler 23.09.2010 22:25 Themen: Antifa
Am 02.Oktober wollen Nazis in Halberstadt marschieren. Um euch einen Einblick in die Halberstädter Naziszene zu geben, soll in PT.1 anhand einiger besonderer Prachtexemplare und Geschehnisse aufgezeigt werden, warum der Naziaufmarsch am 17. Juli 2010 abgesagt werden musste und die erneute Anmeldung vom JN-Landesverband in Sachsen-Anhalt übernommen wurde. In PT.2 folgen genauere Infos zum Aufmarsch der Nazis und der Gegenaktivitäten.

Von Reichsbürgern und anderen Hampelmännern

Im Dezember 2008 fand in Halberstadt erstmals eine Veranstaltung der NPD in den Räumlichkeiten Lothar Nehrigs statt. „Lolos Hof“ in der Otto-Spielmann-Straße 65 fungierte seitdem immer wieder als Treffpunkt und Ausrichtungsort für rechte Veranstaltungen. Im Februar 2009 richtete die NPD Sachsen-Anhalt hie rihren Landesparteitag aus. Seit Dezember 2009 befindet sich hier auch das sogenannte „Bürgerbüro“ der NPD im Harzkreis.

Lolos Hof
„Lolos Hof“ in der Otto-Spielmann-Straße 65 in Halberstadt

Lothar Nehrig ist bekennender Reichsbürger und seines kruden Weltbildes entsprechend lesen sich die Texte, die er unregelmäßig auf seiner Internetseite veröffentlicht. In den seitenlangen Veröffentlichungen seiner Ein-Mann-Organisation „Interessengemeinschaft zur Aufklärung der Wirtschafts- und Sozialverbrechen seit 1990“ beschreibt er sich als Opfer einer Gesinnungsjustiz und wittert die allgegenwärtige Verschwörung.

„Lange Zeit habe ich mich nicht melden können, da es den Kriminellen erneut gelungen war meinen Computer lahm zu legen. Jetzt ist er wieder Einsatzbereit und ich bzw. wir können weiter über die sich in Halberstadt seit Jahren gegründete kriminelle Vereinigung aus Teilen der Verwaltung,- Wirtschaft,- Politik,- Polizei, und Justiz berichten.“ 1
Lothar Nehrig
Lothar „Lolo“ Nehrig mit Kamera vor seinem Hof unterwegs

Seine Zusammenarbeit mit der NPD mutet jedoch bisweilen merkwürdig an, denn als angeblich ehemaliger Mitarbeiter des „Ministeriums für Staatssicherheit“ widerspricht er doch der Strategie der NPD im Harzer Kreistag, in Form etlicher Anträge eben diese Vergangenheit bei Mitgliedern anderer Parteien zu suchen und zu skandalisieren.

“Bevor ich zu den skandalösen Politmachenschaften dieser Stadt komme, möchte ich daran erinnern, daß auch wir die ehemaligen Mitarbeiter des MFS in den 80 er Jahren ebenfalls von den Politikern mißbraucht wurden. Genau so geht es den heutigen Sicherheitsorganen. Die die uns damals politisch Mißbraucht haben, sitzen auch heute an den Schalthebeln.“

An der Spitze des NPD-Ortsverbandes Halberstadt finden sich jedoch nicht weniger skurrile Persönlichkeiten. Allen voran Thorsten Fleischmann, der den jetzigen Landesvorsitzenden Matthias Heyder aus Elbingerode an der Spitze des Kreisverbandes ablöste. Im Gegensatz zu Zeitgenossen wie Heyder fehlt Fleischmann neben einem aufgeklärtem Weltbild auch die nötige Kompetenz, sich öffentlich zu artikulieren – geschweige denn, einen Aufmarsch zu organisieren. Als Fleischmann schließlich doch einen Aufmarsch für den 17. Juli 2010 anmeldete und scheinbar überfordert versuchte, die Organisation abzugeben, endete dies schließlich in der Absage des Aufmarsches. In einer platten Stellungnahme kündigte er jedoch bereits selbstbewusst einen abermaligen Versuch an.

„wie sicherlich euch auch zu Ohren gekommen ist tut es uns leid die Demo am 17.07.2010 müßen wir leider absagen wie auf der Seite der Aktion Halberstadt bekannt gegeben wurde habe ich von der NPD-Harz die Demo an die Freien Kräfte abgegeben da es da aber leider aus verschiedenen Gründen nicht geht, müßen wir diese halt komplett absagen was uns aber mit sicherheit genauso ärgert wie Euch ich weiß das die Enttäuschung groß ist bei euch aber nicht vergessen aufgeschoben ist nicht aufgehoben es wird auf jedenfall und ohne wenn und aber noch in diesem Jahr eine hier im Harz stattfinden den genauen Termin werde ich rechtzeitig bekanntgeben und an diesem wird dann nicht mehr gerüttelt.“ 2
Thorsten Fleischmann
Thorsten Fleischmann in den Räumlichkeiten der NPD

Dem gescheiterten Versuch eines Aufmarsches waren bereits einige Geschehnisse vorausgegangen, mit denen sich der Kreisverband um Fleischmann nicht gerade rühmen kann. Auf einem „Nationalen Liederabend“ in Lolos Hof Anfang des Jahres 2009 filmte ein Nazi aus dem NPD-Umfeld seine Kameraden beim sogenannten „Abhitlern“ und veröffentlichte anschließend das Video im Internet. Die Folge war ein Verbot der Folgeveranstaltung durch die Polizei. Traurige Berühmtheit erlangte besagter Nazi namens Frank Mühlbach allerdings erst durch seine Stellungnahme, die kurzzeitig auf der Internetseite der NPD Halberstadt zu lesen war.

„ich muss hier jetzt mal was sagen ES TUT MIR LEID DAS ICH EIN VIDEO BEI YOUTUBE REIN GESTELLT HAB und das auf Grund des VIDEOS der LIEDERABENDEN VERBOTEN WURDE!!!!! und TUT MIR ECHT LIED DAS ES SO GEKOMMEN ist und ich will mich noch bei allem die auf den Video zu sehen sind entschuldigt ich weiss auch das ich damit echt scheiße gemacht hab hätte das auch ehr raus gemacht wen ich an die Daten gekommen wäre Gruß FRANKY“ 3
Frank Mühlbach
Frank „Franky“ Mühlbach (links in rot) beim Foto-Shooting in Lolos Hof

Doch nicht nur im im Umfeld des Harzer Kreisverbandes gibt es so einige schräge Typen. Seit Anfang letzten Jahres traten die sogenannten „Autonomen Nationalisten Sachsen-Anhalt“ in Person Chris Albrechts aus Halberstadt durch ein Online-Forum an die Öffentlichkeit. In einem Kreis von zuletzt 48 registrierten Mitgliedern wurde auch hier zum Aufmarsch der NPD Halberstadt aufgerufen.

Der interessierte Mitleser konnte sich hier über mehrere Monate des Studiums verkappter Kleinstadtnazis mit dem Wunsch nach einer rebellischen Attitüde hingeben, bis scheinbar ein Beitrag auf Indymedia für die sofortige Löschung des Forums sorgte. Regionale AntifaschistInnen hatten mit der Veröffentlichung einen Forenbeitrag dokumentiert, den Albrecht im Zusammenhang mit den Gegenaktivitäten am 02.10.2010 veröffentlicht hatte.

„Diese geht hier an unsere Linken Mitlesern, ihr Spinner solltet euch stark überlegen nach Halberstadt zu kommen. Wir warten und freuen uns schon euch so richtig die fresse einzuschlagen und spätestens zur späten zeit in Halberstadt ohne Bullen schlagen wir euch die Birne ein ihr fotzen. Fuck antifa“ 4
Christian Albrecht
Chris Albrecht während der NPD-Büroeröffnung in Halberstadt

Stimmenmobilisierung für NPD zur Landtagswahl

Die Anmeldung des Naziaufmarsches für den 02. Oktober 2010 wird von regionalen AntifaschistInnen als Beginn der Mobilisierung von Wählerstimmen zur Landtagswahl 2011 angesehen, bei der die NPD in den Landtag von Sachsen-Anhalt einziehen will. Nach den internen Machtkämpfen im Jahr 2008 scheint die Partei um den Preis einiger Mitglieder des Landesvorstandes mmer noch angeschlagen. Besonders eine Person betreibt derzeit intensive Imagepflege. Im Internet finden sich unter einer neu gestalteten Internetpräsenz bereits zahlreiche Wahlkampfspots des derzeitigen NPD-Landesvorsitzenden Matthias Heyder aus Elbingerode.

Am 08. September 2008 war fast der gesamte damalige Landesvorstand der NPD zurückgetreten, wobei Heyder zu den letzten beiden, im Amt Verbliebenen gehörte. Hintergrund war ein interner Richtungsstreit um eine „Radikalisierung“ der Partei, die vor allem von kameradschaftsnahen Parteimitgliedern gefordert wurde, wobei wohl auch persönliche Zerwürfnisse eine nicht geringe Rolle spielten. In einer veröffentlichten Erklärung warfen die Zurückgetretenen Heyder damals vor, er wolle die “die Kontrolle über den Landesverband, mit ihm als Landesvorsitzenden.“ 5

Da Heyder das Klischee des Biedermanns bedient, verwundert das Fehlen seines Namens auf der Rednerliste für den 02. Oktober nicht sonderlich. Mit Michael Schäfer, der aus dem rund 20km von Halberstadt entfernten Wernigerode stammt, wurde ein regionaler Redner angekündigt, der Heyders Wahlkampftaktik unterstützt und trotzdem noch etwas Restansehen bei parteilosen Nazis genießt. Der noch vor 5 Jahren als Anführer der „Wernigeröder Aktionsfront“ gehandelte Schäfer sitzt seit den Kreistagswahlen 2007 mit Tobias Anders aus Wasserleben für die NPD im Harzer Kreistag. Gegenwärtig ist er auch Bundesvorsitzender der „Jungen Nationaldemokraten“, der Parteijugend der NPD.

NPD-Kackscheisse
Michael Schäfer (2.v.l.), Matthias Heyder und Thorsten Fleischmann

Mit der Anmeldung des Aufmarsches in Halberstadt scheint die NPD zu versuchen, über ihre Jugendorganisation den Spagat zwischen bundesweiter Beteiligung aus dem parteinahen Spektrum und der regionalen Suffnaziszene zu wagen. In Halberstadt bietet eben letztgenannte ein recht hohes Stimmenpotential.

Es bleibt zu erwarten, dass sich die Aktivitäten der Nazis besonders in den Monaten vor den kommenden Landtagswahlen am 20. März 2011 im Gegensatz zu den letzten zwei Jahren wieder steigern werden. Für AntifaschistInnen gilt es einmal mehr, die Wahlkampfkosten der NPD in die Höhe zu treiben und öffentliche Auftritte der Nazis so unangenehm wie möglich zu gestalten. Der Aufmarsch am 02. Oktober bietet hierzu die ersten Möglichkeiten.

Qellen

1 Internetseite "Lolos Hof"/br>2 Naziforum Thiazi
3 http://infothek.wordpress.com/2010/02/06/5227/
4 http://de.indymedia.org/2010/09/290142.shtml
5 https://infothek.wordpress.com/2008/09/08/vorstandskollaps-der-npd-sachsen-anhalt/


Antifa Sportfest am 02.10.2010 in Halberstadt

Indymedia-Archiv

2010
Nazis drohen vor Aufmarsch
Antifa-Sportfest am 17:Juli
Naziaktivitäten und Widerstand
8.April – Tag des Alkohols?
Lolos Hof – von wegen hier spielt die Musik
Im Harz nichts Neues – oder doch?

2009
Angriff auf NPD-Bürgerbüro in Halberstadt
NPD Harz eröffnet Bürgerbüro in Halberstadt
Neuigkeiten aus Halberstadt
Landesparteitag der NPD Sachsen-Anhalt

2008
Halberstadt: Lolos Träume

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Ergänzungen

Erste Karte ...

findet sich 28.09.2010 - 11:40
... unter Material. Weitere Infos folgen im Lauf der Woche!

Suffnazis aus Halberstadt feat.

M.Heyder 20.10.2010 - 17:59

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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