Hungerstreikende in Horst /Nostorf [Tag 10]

auf180 21.09.2010 22:49 Themen: Antirassismus Repression Weltweit
Zehn Tage nach Beginn des Hungerstreikes im Flüchtlings Lager Horst fanden sich auch heute wieder viele der Flüchtlinge zur Mittagszeit vor der, wie üblich hoffnungslos überfüllten, Kantine ein um Ihren Forderungen weiter Nachdruck zu verleihen.
Auch wenn die vielen Tage Hungerstreik bereits deutliche Spuren bei den Menschen hinterlassen haben ist Ihnen doch ein ungebrochener Wille zum weitermachen anzusehen.
Die Lagerleitung versucht Ihrerseits mit repressiven Maßnahmen, Drohungen und Abschottung den Hungerstreik zu beenden.
Wurde zu Beginn den Streikenden zur Strafe die Arbeit im Lager entzogen und wurden die gemeinsamen Zimmer der Beteiligten aufgelöst und von einander getrennt, notieren sich mittlerweile die Wärter Namen von Flüchtlingen welche mit der Presse reden. Ebenfalls wird ganz offen Seitens der Lagerleitung mit Abschiebung bzw. deutlichen Nachteilen im Asylverfahren gedroht.
Dennoch solidarisierten sich auch heute wieder zahlreiche Menschen mit Ihren kämpfenden Nachbarn. Unterstützt wurden Sie dabei von Aktivist_innen aus verschiedenen Städten.

In den vergangenen Tagen ist es den Flüchtlingen gemeinsam mit vielen Aktivist_innen gelungen auf Ihre katastrophale Lage Aufmerksam zu machen. So treffen täglich mehr Pressevertreter_innen ein um sich ein Bild der Lage zu machen. Bereits am Samstag war Mehmet Yildis (die Linke) gemeinsam mit Journalist_innen vor Ort und wollte die Lager Bewohner_innen besuchen.
Der Zutritt wurde Ihnen jedoch verwehrt. Als Grund wurde genannt das vom Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern ein Besuchsverbot bis einschließlich Montag 08:00 für das Lager verhängt wurde. Offensichtlich hält das Verbot immer noch an da auch heute wieder der Presse und anderen Besuchern der Einlass verwehrt wurde.

Wegen des Besuchsverbotes mussten die angereisten Aktivist_innen auf dem angrenzenden Parkplatz stehen, welcher mit einem etwa zwei Meter hohen Zaun vom Lagergelände getrennt ist. In vielen Gesprächen am Zaun wurde immer deutlicher wie brisant die Lage für die Flüchtlinge geworden ist. Besonders erschreckend waren die Informationen über die medizinische Unterversorgung.
Mehrfach wurde berichtet das fast alle Beschwerden, ob chronisch oder akut, mit Paracetamol-Tabletten behandelt werden.
Ein junger Mann berichtete das er vor einiger Zeit, nachdem er im Lager zusammengebrochen war, in ein Krankenhaus in Boizenburg gebracht wurde. Er berichtete dem Arzt von starken Schmerzen in der Brust und von seinen, seit längerem auftretenden, Herzschmerzen.
Nach Abschluss der Untersuchung gab Ihm der Arzt den Rat er solle mehr Sport machen, sich mehr bewegen und vielleicht mal Fahrrad fahren.
Auf die Aussage hin das er kein Fahrrad habe und sich auch keines leisten kann sagte der Arzt nur: „Dann hast du wohl Pech gehabt!“.

Bei den Gesprächen am Zaun lernten wir eine Familie mit zwei kleinen Kindern kennen von denen der eine Junge schwer behindert ist und bereits fünf Operationen hinter sich hat. Weitere werden folgen müssen, trotzdem sind er und seine Familie in Horst untergebracht wo eine nötige Behandlung nicht erfolgen wird.

Nicht nur die Flüchtlinge halten diese Zustände für unerträglich auch wir sind der Meinung Horst und alle anderen Lager gehören versenkt!

Wir werden weiterhin an der Seite der Menschen in Horst stehen um Sie zu unterstützen und gemeinsam mit Ihnen zu kämpfen! Das war vor dem Hungerstreik so, das wird während des Streikes so sein und wird auch nach dem Hungerstreik so bleiben!
Heute wurde uns erzählt wie wichtig die Unterstützung für die Menschen vor Ort ist und es wurde um weitere Unterstützung gebeten!

Morgen wird es zu weiteren Solidaritätskundgebungen vor Ort kommen und es wäre wichtig und schön wenn sich noch mehr Menschen auf den Weg nach Horst machen würden um die Streikenden zu stärken.

Morgen findet die Begehung des Lagers mit VertreterInnen der Innenbehörden von HH und MV statt. Die Flüchtlingsräte MV und HH sind dazu eingeladen worden.
Bereits heute beobachteten wir ein reges Kommen und Gehen verschiedener Zulieferer-Betriebe die offensichtlich das Bild einer „menschenwürdigen Unterbringung für Asylbewerber“ [Zitat: Herr Trzeba, Lagerleiter Horst] herzustellen versuchen.


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Ergänzungen

Solidemo in Rostock

Antira Rostock 22.09.2010 - 21:43
Am Freitag, den 24.09.2010 wird es in Rostock ab 16:00 Uhr eine Solidemo für die Flüchtlinge in Horst /Boizenburg geben. Start am Saarplatz

Seit einer Woche protestieren Flüchtlinge in dem Flüchtlingslager Horst (Landkreis Ludwigslust) gegen die miserablen Zustände in der Unterkunft. Einer von ihnen befindet sich seitdem im Hungerstreik. In dem Heim müssen die Menschen, unter ihnen Familien, isoliert und bevormundet leben, die ärztliche Versorgung und die Verpflegung ist schlecht. Perspektiven im Land werden ihnen nicht geboten.

Die Landesgemeinschaftsunterkunft (LGU) für Flüchtlinge in Nostorf/Horst, ist ein Lager, das von Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg auch als Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung für die ersten 3 Monate genutzt wird. Als Begründung für den Hungerstreik gab der Mann aus Afghanistan an, dass er nach drei Monaten in Nostorf/Horst nicht in eine andere Unterkunft in Mecklenburg-Vorpommern verteilt worden sei und in Nostorf/Horst bleiben müsse. Die Betreiber des Heimes und der ärztlichen Betreuung - Innenministerium sowie Malteser und Arbeiterwohlfahrt - scheinen die Proteste bisher totzuschweigen oder kleinzureden.

In der LGU werden zumeist Menschen untergebracht, deren Asylantrag abgelehnt wurde und bei denen die Behörde die Abschiebung plant. Diese Menschen müssen dann oftmals in Nostorf/Horst ein Jahr und länger von der Bevölkerung isoliert und ohne rechtliche Beratung und Unterstützung leben. Die Betroffenen erhalten nur ein Taschengeld von monatlich 40 Euro. Eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und eine Kontaktaufnahme nach außen sind schon deshalb nicht möglich, weil nicht einmal das Geld für den Bus nach Boizenburg übrig bleibt. Die dortige Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen durch das Land MV widerspricht den Standards, die den übrigen Gemeinschaftsunterkünften in MV behördlich vorgeschrieben sind. Die Beteuerungen des Innenministeriums, alles sei bestens, ist reine Fassade.

Die Flüchtlinge protestieren gegen

  • Völlige Isolation: Flüchtlinge, die Mecklenburg-Vorpommern zugeteilt sind, müssen oftmals ein Jahr und länger in Horst bleiben. Sie haben kaum Kontakt nach außen, da die Unterkunft auf dem Lande, acht Kilometer von Boizenburg entfernt, liegt.
  • Völlig unzureichende rechtliche Beratung: Die dort untergebrachten Menschen fühlen sich mit dem Asylverfahren völlig allein gelassen. Die Beratungsstelle des Flüchtlingsrats Mecklenburg-Vorpommern ist nur einmal pro Woche geöffnet. Die dort arbeitende Mitarbeiterin muss 300 - 400 Menschen betreuen, was unmöglich ist. Nicht einmal die Fahrten zu RechtanwältInnen und Beratungsstellen, geschweige denn die rechtliche Beratung durch RechtsanwältInnen, können die dort zwangsweise untergebrachten Menschen bezahlen. Sie erhalten maximal 40 Euro pro Monat. Die Chance auf ein faires Asylverfahren wird ihnen konsequent und bewusst vorenthalten.
  • Völlig unzureichende medizinische Versorgung: Die Menschen erhalten zum größten Teil nur Schmerzmittel (Paracetamol), die Überweisung zu Fachärzten wird oftmals verweigert und erfolgt dann auch nur bei mehrfachem Nachfragen.
  • Das Essen, so die Menschen dort, sei eine Katastrophe. Zudem ist die Mensa viel zu klein. Die Leute müssen lange draußen warten, um eingelassen zu werden, da in Etappen gegessen wird. Möglichkeiten zum Kochen gibt es nicht.

Als sofortige Maßnahmen fordern wir zusammen mit den in Horst lebenden Menschen:

  • Sofortige Schließung der Landesgemeinschaftsunterkunft Horst!
  • Alle auf Mecklenburg-Vorpommern verteilten Menschen müssen spätestens nach dreimonatiger Aufenthaltsdauer in der ZEA Horst Wohnungen erhalten, damit sie mit Kontakten zur Bevölkerung unter menschenwürdigen Bedingungen leben können!

Darüber hinaus fordern wir für alle Menschen:

  • Wohnungen statt Lager!
  • Bewegungsfreiheit und freie Wahl des Wohnortes!
  • Bleiberecht und gleiche Rechte für alle!

Demonstrieren wir in Rostock unsere Solidarität mit den Flüchtlingen in Horst!

24. September – Rostock-Saarplatz – 16 Uhr

Antirassistische Initiative Rostock und weitere antirassistische und antifaschistische Gruppen