[Tr.Kurdistan] Schulboykott für Muttersprache

Kurdistaninfo 21.09.2010 20:43 Themen: Antirassismus Globalisierung Weltweit
In Nordkurdistan und der Türkei sind Schulen Orte an denen besonders scharf Nationalismus, Ausgrenzung und Assimilation vermittelt werden. Angefangen vom allmorgendlichen Fahneneid unter dem Motto „Ich bin Türke, ich bin aufrichtig und fleißig“ bis hin zum Verbot einer anderen Sprache oder Identität als der Türkischen über das Unterdrückung jeder Form von anderer Religion oder Weltanschauung als die des sunnitischen Islam, dienen die Schulen als Projekte des Spezialkriegs, einerseits um neue Soldaten zu schaffen und Loyalität zu sichern und andererseits um die Menschen die nicht in dieses Schema passen, zu überwachen, auszugrenzen und zu verfolgen. Gerade in den kurdischen Provinzen kommt es häufig zu Aufständen gegen das Schulsystem und die häufigen Misshandlungen durch Lehrkräfte. Nachdem Erfolg der kurdischen Bewegung im Boykott des Verfassungsreferendums wird nun dieses Schulsystem dass der Assimilation dient angegangen.
Unter der Forderung nach Ausbildung in Muttersprache begann am Montag, den 20.09. ein wöchiges Boykott der Schulen in Kurdistan. Das Boykott war bis jetzt insbesondere in den Städten Hakkari, Şırnak, Van, Muş, Ağrı, Yüksekova, Çukurca, Geçitli, Diyarbakır, Silvan, Çınar, Lice, Bismil, Ağrı, Diyadin, Patnos, Tutak, Doğubeyazit, Muş, Bulanık, Malazgirt, Varto, Bostaniçi, Şemdinli, Çelebibağ, Şırnak, Cizre, Silopi, İdil, Beytüşşebap, Uludere, Mardin, Kızıltepe, Nusaybin und Iğdır besonders deutlich zu spüren. Die geschieht trotz massiver Drohungen durch Polizei, Armee, Gouverneur und Schuldirektoren und der Behauptung der türkischen Medien das Boykott sei nicht erfolgreich. Alle Schüler_innen die nicht zum Unterricht erscheinen werden dokumentiert und es wird mit rechtlichen Schritten wie z.B. den Entzug der „grünen Karte“ zur Krankenversicherung gedroht. Aufgrund des großen Erfolgs des Boykotts überlegen nun auch andere Gesellschaftliche Gruppen zu diesem Mittel zu greifen, so wird gerade in alevitischen Kreisen diskutiert, einen Boykott gegen den zwangsweise durchgeführten sunnitischen Religionsunterricht zu beginnen.

WAN

In der Großstadt Van mit etwa 700.000 Einwohner_innen, folgte ein Großteil der Schüler_innen dem Boykottaufruf der kurdischen Bewegung. Einige Schulen wurden überhaupt nicht besucht. In den Stadtteilen am Rand von Van war das Boykott zu 100% wirksam, im Stadtzentrum gingen etwa 100 Schüler_innen zur Schule. Vor den Schulen gaben Schüler_innen Erklärungen ab, wie: „Wir wollen in unserer Muttersprache ausgebildet werden. Wir wollen Kurdisch sprechen. Wir können kein Türkisch. Die Lehrer in unseren Kursen sprechen Türkisch aber wir verstehen sie nicht. Wenn wir Kurdisch sprechen, verstehen sie uns nicht. Und daraus entstehen immer wieder Probleme. Es sollen Schulen in unserer Sprache errichtet werden, dann gehen wir auch hin.“ Die Schüler_innen führten Spontandemonstrationen durch die Stadtviertel durch.
Auch in Bostaniçi und Çelebibağ in der Nähe von Van war das Boykott ebenfalls wirksam und es fand eine Demonstration vom Büro der linken, prokurdischen Friedens- und Demokratiepartei (BDP) zum Gouverneursamt statt.

HAKKARI

In der Stadt Hakkari wurde keine der 150 Schulen besucht. Nur Kinder von Soldaten und Polizisten gingen zur Schule, insgesamt lag daher die Teilnahme am Boykott bei etwa 95%
In der Kleinstadt Geçitli in der Provinz Hakkari nahmen ebenfalls nur 4 Schüler_innen am Unterricht teil. Am 16.09. begingen vermutlich Kontrakräfte dort ein Massaker dem 9 Zivilpersonen zum Opfer fielen.
Auch in Çukurca in der Provinz Hakkari, nahm keiner der 1150 Schüler_innen am Unterricht teil. Auch in Şemdinli war der Boykott unter der kurdischen Bevölkerung vollständig erfolgreich, auch hier besuchten nur die Kinder von Soldaten und Polizisten den Unterricht.
In der Stadt Yüksekova, die etwa 110.000 Einwohner_innen hat, machte keine Schule auf, da niemand erschienen war. Obwohl der regionale Verantwortliche für Erziehung angeordnet hatte, „Wenn auch nur ein Schüler erscheint, dann macht die Schulen auf.“ Eine Demonstration von Schüler_innen wurde aufgelöst.
Auch in der Nachbarprovinz Şırnak sind die Schulen nun den zweiten Tag leer.

DIYARBAKIR

Auch in Diyarbakır war das Boykott wirksam und die Mehrheit der Schüler_innen nahm nicht am Unterricht teil. Vor einigen Schulen fanden Kundgebungen statt, mit denen die Schüler_innen deutliche Zeichen setzten.



Quellen: ANF, Yuksekovahaber, Hakkarinews, DIHA, Gündem, ÖP
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