(Bo) Prozess gegen „Steiner“, vierter Tag

schwarz-roteR ProzessbeobachterIn 17.09.2010 15:03 Themen: Antifa
Heute fand die vierte Zusammenkunft des Gerichts im Prozess gegen Thomas „Steiner“ Wulff statt. Er ist wegen einer rassistischen Rede angeklagt, die er bei der NPD-Demonstration am 25.10.2008 in Bochum gehalten hat.

Frühere Berichte:

1. Prozesstag
2. Prozesstag 

 

 

Das Thema des heutigen Verhandlungstags(17.9.2010) war die Zurschaustellung eines Transparents mit derAufschrift „Multikulti ist Völkermord“, welches vor der Bühneentrollt wurde, während Thomas Wulff seine zur Verhandlung stehendeRede hielt. Hierzu lud das Gericht drei Zeugen vor, deren Vernehmungaus Sicht des Staatsanwalts beweisen soll, dass Wulffs Rede nicht nurvon DemonstrationsteilnehmerInnen in ihrem offen rassistischenCharakter erkannt, sondern auch durch Verwendung des Transparentsbewusst unterstützt wurde.

 

In der Reihenfolge wurde zuerst derNeonazi-Kader Sven Skoda aus Düsseldorf befragt, dann kam sein„Kamerad“ Alexander H. an die Reihe. Zum Schluss wurde SvenLobeck nur noch pro forma in den ZeugInnenstand gerufen, der – imGegensatz zu den Erstgenannten – nicht selbst am 25.10.08 in Bochumzugegen war.

 

Bevor die Fragerunde mit Skoda imZusammenhang mit der Rede eröffnet wurde, gab es aber noch einigesan Klärungsbedarf, z.B. inwieweit sich Skoda, der das Transparent vorfast 2 Jahren zusammen mit Alexander H. stolz in seinen Händenhielt, mit Aussagen zur Sache selbst belasten könnte. DieseMöglichkeit räumte die Staatsanwaltschaft sofort aus. DasErmittlungsverfahren gegen Skoda und Herr wegen „Beihilfe zurVolksverhetzung“ wurde bereits im April 2009 eingestellt(Aktenzeichen 33 Js 88/09), und zwar wegen „geringer Schuld“.

 

Interessant in diesem Kontext ist, dassbei einer Nazi-Demonstration in Düsseldorf am 03.06.2006 die Polizei das selbeTransparent den damaligen Teilnehmern Sven Lobecke und Alexander H.wegnahm – Ermittlungen wegen des Verdachts der Volksverhetzungwurden eingestellt, das Transparent zurückgegeben. Nicht zuletzt dieser Umstand dürfte die NazisSkoda und Alexander H. am 25.10.08 in dem Glauben bestärkt haben, dieAussage „Multikulti ist Völkermord“ sei rechtlich unbedenklich,und der halbherzige Versuch einer erneuten Beschlagnahme in Bochum„reine Schikane“.

 

Nachdieser „Klärung“ folgten einige Fragen an Sven Skoda undAlexander H., die in auffälliger Einheitlichkeit vor Gerichtbezeugten, dass der Anlass der Transparentaktion nur zufällig mitder Rede von Wulff zusammenfiel und es keine vorhergehenden,dezidierten Absprachen mit irgendwelchen Rednern oderOrganisatorInnen über den Einsatz des Transparents gegeben habe.Somit brachte der heutige Verhandlungstag keine für Wulffbelastenden Erkenntnisse auf Seiten des Gerichts und derStaatsanwaltschaft – im Gegenteil: das Gericht führte seinentoleranten und empathischen Umgang mit Nazi-Zeugen fort, indem ereine juristische Moralpredigt selbst dann nicht für angebrachthielt, als Skoda einräumte, dass ihm die potentielle Strafbarkeitdes Transparents nicht interessiere. Wir können uns fast sichersein: das Transparent wird bestimmt nicht zwischen „Jud Süß“ undOpas alten SS-Abzeichen im Regal verstauben.

 

Beimnächsten Prozesstag am 29.9. (Mittwoch) will sich das Gericht einBild von den Gegendemonstrationen machen und PolizeizeugInnen dazuanhören. Desweiteren will sich das Gericht einen Eindruck von Wulffspersönlichem Werdegang verschaffen und zückte schonmal das letzteUrteil aus Passau aus dem Aktenstapel. Notfalls, so der Richter mitimaginär erhobenen Zeigefinger, würde er auch ZeugInnen aus Wulffspersönlichem Umfeld vorladen oder sogar Hausdurchsuchungenveranlassen, wenn Wulff bei seiner am 1. Prozesstag erklärtenangekündigten Aussagetotalverweigerung bleibe. Daraufhin versprachenWulff und sein Anwalt, ganz artig, bis zum nächsten Verhandlungstageine weitere „Erklärung“ vorzubereiten.

 

Informationenzu den Zeugen:

 

SvenLobeck (Jahrgang 1976, wohnhaft in Mülheim-Kerlich bei Koblenz,Beruf: Bürokaufmann, ehem. Zeitsoldat):

  • führender Kopf in der Kameradschaftsszene im Raum Ahrweiler („Aktionsbüro Mittelrhein“)

  • Vorsitzender der NPD Koblenz

  • Kandidat der NPD-Landesliste bei der Bundestagswahl 2006

  • NPD-Direktkandidat in Koblenz bei der Bundestagswahl 2009

mehrzu Lobeck in der Lotta #38

 

 

AlexanderH. (25 Jahre alt, Student, wohnhaft in Bad Neuenahr-Ahrweiler) istaktiv in der Kameradschaft „Aktionsbüro Mittelrhein“ und nahmz.B. zusammen mit Kamerad Lobecke am Rudolf-Hess-„Gedenken“ 2004teil.

 

 

SvenSkoda (32 Jahre alt, Software-Entwickler, wohnhaft in Düsseldorf)

EinPortrait zum NRW-Nazikader findet sich in der Lotta #32 (Herbst 2008)


 

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Ergänzungen

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 4 Kommentare an

Zu den Zeugen — unwichtig

Alexander H. — Besserwisser

bestätigung — afaMB