[B] Zum Prozess gegen Niels

ABC Berlin 14.09.2010 23:17 Themen: Repression Soziale Kämpfe
Mal wieder fand in Berlin ein Prozess gegen eine Person statt, die eine Luxuskarre flambiert haben soll und die Staatsanwaltschaft zeigt sich wieder von ihrer besten Seite, indem sie zwanghaft eine Verurteilung mit allen Mitteln erzwingen will. Mal wieder soll ein Exempel statuiert werden.
Niels wurde am 12. Juni 2009 festgenommen in Berlin-Kreuzberg unter dem Vorwurf einen Mercedes Benz in Brand gesteckt zu haben. Da er holländischer Staatsbürger ist und keinen festen Wohnsitz in Deutschland vorweisen konnte, blieb er in Untersuchungshaft. Die Person, die mit ihm festgenommen wurde kam kurz darauf wieder raus, später wurde das Verfahren eingestellt. Beweise, dass Niels an der Brandstiftung beteiligt gewesen sei, gab es keine. Aber zu der Zeit im Sommer 2009 fanden in Berlin die Action Weeks statt, im Rahmen dieser gab es eine Vielzahl von militanten Angriffe auf Staat und Kapital. Niels war die einzigste Person, die nach den zwei Wochen noch in Haft saß. Hinzukam, dass im Jahr 2009 in Berlin Hunderte von Luxuskarren flambiert wurden und nun mal wieder versucht werden sollte ein Exempel zu statuieren. Am 25. September 2009 wurde Niels aus der Haft entlassen, nachdem sein Anwalt einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens aufgrund mangelnder Beweise gestellt hatte. Aber wie zu erwarten war, legte die Staatsanwaltschaft Widerspruch ein und der Haftbefehl wurde wieder in in Kraft gesetzt. Daraufhin wurde Niels vor kurzem in der Niederlande festgenommen und ausgeliefert. Um in Berlin anzukommen war er mehr als zwei Wochen unterwegs.
Am 14. September 2010 fand der Prozess in Berlin gegen Niels statt, und es hat sich gezeigt, dass die Staatsanwaltschaft nach wie vor einen starken Verurteilungswillen hat und Niels am liebsten in den Knast stecken möchte. Die Aussagen der Zivilbullen, die auf Niels und die Person, die mit ihm zusammen festgenommen wurde, aufmerksam wurden und die beiden daraufhin verfolgten und festnahmen, wirkten mal wieder auswendig gelernt. Offensichtlich konnten sie sich an alles erinnern, was sie in ihren Aussagen dargelegt hatten, aber alles was darüberhinaus ging wurde mit Unwissenheit beantwortet. Obwohl an diesem Prozesstag bereits das Urteil gefällt werden sollte, aber nun noch weitere Zeug_Innen und Sachverständige eingeladen werden, gibt es einen weiteren Prozesstag am 28. September um 9:00 Uhr im Raum 863 im Moabiter Kriminalgericht, Turmstr. 91. Niels bleibt solange in U-Haft in der JVA Moabit und freut sich über jede Form der Solidarität.

Schreibt Niels Briefe und Karten:

Niels Veldhoen
B.-Nr. 2393/10
JVA Moabit
Alt-Moabit 12a
10559 Berlin


Ein Artikel zu der Verhaftung im Juni 2009: www.abc-berlin.net/im-knast-seit-den-action-weeks-in-berlin
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Ergänzungen

Ergänzung - Paternalismus

Roland Ionas Bialke 15.09.2010 - 11:45
Am 14. September 2010 beobachteten auch zwei Neonazis den Prozess gegen Niels. Diese zwei Neonazis sind der Homepage "Nationaler Widerstand Berlin" und somit auf die organisierten Anschläge auf linke Szeneläden in Berlin zuzuordnen. Hier muss erwähnt werden, dass der Berliner Staatsschutz diese beiden Neonazis kennt.

Als ich kurz vor dem Prozess das Gerichtsgebäude betrat, erfuhr ich, dass die die BesucherInnen kontrollierenden Justizbediensteten Kenntnis von diesem Prozess hatten und auf ProzessbeobachterInnen des linken Spektrums achteten. Vor dem Gerichtssaal 863 fanden sich dann 6 Prozessbeobachterinnen ein, die der Staatsschutz dem "linken Spekrum" zuordnet. Und auch die zwei erwähnten Neonazis stellten sich neben den linken AktivistInnen und beobachteten diese. Vor dem Gerichtssaal standen auch zwei szenekundige Beamte des Berliner Staatsschutzes in ziviler Kleidung. Diese machten sich Notizen von den anwesenden Personnen und versuchten die Gesichter ihnen unbekannter Personen zu verinnerlichen.

Hier ist es unbedingt notwendig, dass mehr Personen zu Gerichtsprozessen kommen und gegen szenekundige BeamtInnen etwas getan wird, u.a. damit diese keine Profile von AktivistInnen erstellen können und es zu keiner verzögerter Verfolgung dieser AktivistInnen kommt!

Neben den szenekundigen Beamten und den beiden Neonazis beobachteten und lauischten auch mehrere Personen der kommerziellen Presse und prozessbeteiligte Polizeiangehörige (die in ziviler Kleidung da waren und auch teilweise ihren Dienst in ziviler Kleidung ausüben) vor dem Gerichtssaaal. Um Vorurteile, die auch in linken Szenen vorhanden sind, auszuräumen: Eine kleine zierliche Frau mit (relativ) jugendlichen Erscheinungsbild war eine prozessbeteiligte Polizistin, die während den WBA Actionweeks in Kreuzberg umherstreifte. Und auch ein Typ mit auffälliger Fisur und szenetypischen Piraten-Ohrring war an der Festnahme Niels und seines Begleiters als "Zivi" beteiligt. Die Pressesprecherin (und ehemals praktizierende Richterin) der Berliner Strafgerichte Petra Carl nahm augenscheinlich an einem Rechtsgespräch teil und informierte dann von ihr ausgesuchte PressevertreterInnen mit Insiderinformationen. Solche Rechtsgespräche sind in der Regel illegal.

Im Prozessraum selbst begannen dann die Neonazis ihre Notizen zu machen und mich, ich hatte mich direkt neben sie gesetzt, mich mit Kommentaren und Neonaziaufkleber ("Gegen Polizeistaat und Antifa") einzuschüchtern. Die Neonazis notierten Niels Namen, der sowieso an der Tür des Gerichtssaals ausgehangen war, und sein Geburtsdatum. Ebenfalls notierten sie alle Orte, (wenn erwähnt, dann mit Adressangabe) die Niels und sein ebenfalls festgenommener Begleiter, der als Zeuge vernommen wurde, nannten.

Nachdem mehrere Polizeizegen und der Besitzer des abgebrannten Autos vernommen waren gab es eine erste Pause. Als die Richterin aufstand und die Pause einläutete, ergriff ich lautstark das Wort und fragte die Neonazis: "Warum seid ihr beiden Neonazis hier?", "Warum versucht ihr mich mit Euren Neonaziaufklebern einzuschüchtern?" und "Veröffentlich Ihr Eure Notizen wieder auf der Seite des Nationalen Widerstands?" (sinngemäss). Einer der beiden Neonazis begann ebenfalls sich lautstark zu äussern, die Aufkleber wären ja legal und ich würde auf meiner Homepage ja auch Prozessberichte veröffentlichen. Der Zweck meiner Äusserung war es aber nicht mich mit den Neonazis auf ein Gespräch einzulassen, sondern alle Prozessbeteiligten, Presse und ZuschauerInnen darauf aufmerksam zu machen, dass sich Neonazis im Saal befinden. Die Richterin versuchte zu schlichten, wobei es auch hier nicht mein Ansinnen war auf eine Diskussion einzugehen. Die Meinunsäusserung gegen Neonazis und das Enttarnen von Neonazis darf eben nicht an der Gerichtstür aufhören. (Ein Zusammenarbeiten mit der Justiz schliesse ich hierbei allerdings aus!)

Der Staatsanwalt versuchte aber jetzt erst recht in die Kerbe zu schlagen und verschaffte den Neonazis Vorteile. So versuchte er den damaligen Begleiter Niels Wohnortangaben und Namen von MitbewohnerInnen bzw. BegleiterInnen zu entlocken. Diese dürften zwar aktenkundig sein - vielleicht auch nicht - aber nun konnten sich die Neonazis auch diese Namen und Adressen aufschreiben.

Einer der Polizeizeugen war übrigens Gregor Michalek vom LKA 533 (die Staatsschutzabteilung für Brandsachen), der u.a. aus den Prozessen gegen Alexandrer R. und Christoph T. bekannt ist. Michalek war anscheinend federführend in den Ermittlungen gegen Niels.

An der Festnahme und Tatorsicherung waren die Polizistin Krause (30, Berlin), der Polizist Sänger und Katia Rügel (31) beteiligt. Die drei waren aber bei der Festnahme in einen Streit mit einer Anwohnerin geraten, sodass sie den gerade zu kontrollierenden Niels nicht ständig im Blick gehabt hatten. Nach ihren Aussagen, diese unterschieden sich, hatte Niels einmal weisse Anhaftungen an der Kleidung, jemand anderes meinte, es wären schwarze Anhaftungen an der Kleidung. Diese - vielleicht regenbogenfarbige Anhaftung - soll er sich dann bei der Kontrolle entfernt haben.

Sänger hatte Niels und seinen Begleiter im Piratenstyle übrigens vor der Kontrolle observiert. Er ging so etwa 25 Meter hinter den beiden her und kontrollierte sie dann in einem Imbiss in der Nähe der Adalbertstrasse. Zwar behauptet Sänger, da habe davor ein Auto gebrannt, der Realität entsprcht jedoch, dass während der WBA Actionweeks in der Gegend mehrere Autos brannten und extrem viele politische AktivistInnen in der Nähe unterwegs waren. Auch gab es schon den Vorwurf, dass Polizeibeamte Autos anzündete, was bei den vielen Auftritten von steineschmeissenden Agents Provocateurs der Polizei bei Demonstrationen auch nicht so abwegig ist.

Schliesslich gab es dann noch eine Hausdurchsuchung in einem "besetzten Haus" in Potsdam. Hier wurde Niels Unterkunft durchsucht und in einem Ofen alte Kohlereste gefunden, und diese beschlagnahmt. Am nächsten Prozesstag wird es dann noch zwei Gutachter geben, die sich wahrscheinlich mit den Kohleresten, Niels Kleidung und dem Auto befasst haben. Aus vergangenen Prozessen wissen Wir aber, dass Grillwetter war und es während der WBA Actionweeks auch Nahrung gegrillt wurde. Wahrscheinlich wurde, um die Grills anzuwerfen, auch Grillanzünder verwendet. Ihr seht: Was für eine vernichtetende Beweiskette! (Sarkasmus)

Zum Thema Paternalismus:

Ich weiss nicht, warum nicht zu dem Prozess mobilisiert wurde. Ich weiss, dass bei einigen Angeklagten der Wusnsch besteht, dass keine grosse ZuschauerInnenmenge zum Prozess kommt. Würde dann für so eine Veranstaltung geworben, dann käme der Vorwurf des Paternalismus auf. (D.h., dass dann, wie von einem Vater über ein Kind, über den Willen des Angeklagten hinweg entschieden wird.) Aus Erfahrung weiss ich, Paternalismus ist jedoch keine Einbahnstrasse. Auch der Gefangene ist keine zentrale Person, die mehr Macht hat als andere Menschen und über deren Willen bestimmen kann. Nicht paternalistisch zu handeln, bedeutet sich gemeinsam selbstbestimmt zu bewegen. Viele Prozesse sind für Gefangene und Angeklagte nicht überschaubar und im Gegensatz dazu fühlen UnterstützerInnen auch nie das, was einE AngeklagteR fühlt und ertragen muss.

Repression wirkt jedoch überall, Wir sind auch draussen nicht frei!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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einzigste? — b

austoben — ein sexistischer nazi - bulle