Kiel: Antikapitalistischer Block auf DGB Demo

Kiel Rebelde 08.09.2010 21:36 Themen: Soziale Kämpfe
Auf der im wahrsten Sinne des Wortes "bunten" Demonstration des DGB mit dem Motto "Gerecht geht anders" wurde heute in Kiel gegen das Sparpaket der Landesregierung protestiert. Nach Angaben der Kieler Nachrichten beteiligten sich über 3 000 Menschen. Von autonomer/anarcho-syndikalistischer Seite aus war kurzfristig auch zu einem antikapitalistischen Block mobilisiert worden. In dem Aufruf dazu wurde vor allem der DGB als Bastion des "sozialen Friedens" scharf attackiert. Auf der Demo tummelten sich dann außerdem auch noch die DKP, die MLPD und natürlich DIE LINKE. Von den durch das Sparpaket betroffenen Menschen waren z.B. die autonomen Frauenhäuser/Hilfe gegen häusliche Gewalt oder die nimmer Müden und kampferprobten Kita-Beschäftigten am Start. Den größten Block aber bekam an der Spitze der Demo die GDP (Gewerkschaft der Polizei) zustande (welche Schande!).
Am heutigen Mittwoch demonstrierten über 3 000 Menschen in Kiel gegen das Sparpaket der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung, das an diesem Tag erstmals dem Landtag vorgelegt wurde. Das Land hatte zusammen mit dem Hamburger Senat und der (damals noch CDU/SPD geführten) Bundesregierung die im Zuge von Spekulationen auf US-Immobilien bankrottierte HSH Nordbank (die Landesbank Schleswig-Holsteins und Hamburgs) im letzten Jahr mit 10 Milliarden Euro "gerettet". Nun meint die Landesregierung, jährlich 125 Millionen Euro einsparen zu müssen, um bis 2020 die Neuverschuldung auf Null zu senken, wie es die Landesverfassung vorsieht. Da das Sparpakte für das Jahr 2011/12 auch die Streichung von 870 Stellen in der Verwaltung sowie eine Kürzung des Budgets für Zuweisungen, Zuschüsse und Budgets um 370 Millionen Ois beinhaltet, nahmen an der Demonstration auch massiv Bullen (also auch als Demonstrierende) und JVA Beschäftigte teil- ebenso wie zweifellos wichtige Einrichtungen wie z.B. die autonomen Frauenhäuser oder die eh schon gebeutelten Kitas.

Aus Sicht der sich am antikapitalistischen Block Beteiligenden war der Umgang mit dieser Situation nicht ganz leicht. So ergab es sich irgendwie zufällig, dass mensch direkt vor den Block der JVA Beschäftigten geriet. Diese führten in übelstem Sarkasmus ein Transpi mit, dass einen Comic-Gefangenen zeigte, und darüber die Worte: "Ich will gern in Flensburg bleiben." Die extrem stark vertretene GDP wiederum wurde nicht müde zu betonen, dass ein Sparen an ihrem Klientel ja "die soziale Ordnung" gefährde. Wie die Polizei für eine solche Ordnung sorgt, durften ihre KollegInnen im Dienst dann später noch eindrucksvoll veranschaulichen.

Jedenfalls ließ es sich einfach nicht verkneifen, Sprechchöre gegen Knäste sowie juristische und polizeiliche Repression anzustimmen. Einige davon könnten vllt. etwas provokant-satirisch rüber gekommen sein. Die vielen anderen wichtigen Gruppen gingen (erwartungsgemäß) in den DGB-Standarddemoübungen unter. Dass die eh schon überlasteten autonomen Frauenhäuser, in die sich Frauen im Fall häuslicher Gewalt und/oder Bedrohung begeben können, und auch die entsprechenden Beratungsstellen nun in existenzielle Not geraten, ist die wohl perverseste Folge des HSH Nordbank "Rettungspakets".

Fast wäre der lang erprobte Latschdemo-Plan des DGB 100 prozentig aufgegangen und die Demo wäre vor dem Landtag komplett eingeschlafen. Doch dann lösten sich einige Personen aus dem antikapitalistischen Block, drangen in das "Haus der Kommunalen Selbstverwaltung" (Sitz des Kommunalen Arbeitgeber-Verbands) ein, enterten das Parkdeck, entzündeten Pyros und entrollten (zum Teil übergroße) Transpis, um so der übrigen Demo zumindest visuell die Möglichkeit eines anderen Protests vor Augen zu führen. Auch mit konkreten Vorschlägen wurde nicht gespart: "Fight Back! Streiken, Blockieren, Besetzen" hieß es auf den Transpis. Unten auf der Demo wurde zeitgleich der Liedtext von Bertold Brechts "Resolution der Kommunarden" verteilt, um so auch die lyrische Muse revolutionär anzuregen.
Nach etwa 10 Minuten enterte dann auch die "Soko Parkdeck" profimäßig das Gebäude. 16 Cops in Kampfausrüstung sorgten dafür, dass die Personalien der StifterInnen einer minimalen Unruhe aufgenommen und die aufrührerischen Transpis eingerollt wurden. Allen Anschein nach wird in Schleswig-Holstein bereits seit Jahren in der Polizeiausbildung gespart, denn die Staatsknechte taten sich durch widersprüchliche Aussagen, chaotische Organisation und unsouveräne Gesprächsführung hervor. Dass in Deutschland so eine Parkdeck Aktion schon Grund genug für Durchsuchungen von Klamotten und Taschen sowie für Platzverweise ist- damit muss mensch wohl irgendwie leben. Auf der anderen Seite sind die Deutschen ja auch die Lohndrücker Nummer 1 in Europa. Und so finden die Bullen im Dienst und der GDP auf der Demo auch inhaltlich wieder schön mit dem Rest DGB zusammen.

War noch was? Ach ja, es wurden auch Interviews mit verschiedenen Demonstrierenden geführt. Dabei kam heraus, dass die Stadt anscheinend einige Angestellte aus der Stadtverwaltung während ihres Dienstes bezahlt auf die Demo schickte (Exemplarische Aussage: "Keine Ahnung worums hier geht, ich werde dafür bezahlt"). Albig, als Kieler Oberbürgermeister Chef der Stadtverwaltung, strebt ja gerade die SPD-Spitzenkandidatur für die Landtags-Neuwahlen im Jahr 2012 an. So geht also Wahlkampf heute!

Am 18. November ist nochmal eine Großdemonstration gegen das Sparpaket angesetzt, dann unter expliziter Beteiligung der "Sozialen Bewegungen". Bis dahin werden wohl dauernd irgendwelche DGB-Aktionen stattfinden. Dass es ist wichtig ist, bei einem so elementaren Thema die politische Initiative nicht dem DGB Apparat zu überlassen, hat die heutige Demo mal wieder deutlich gezeigt.
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Ergänzungen

aufruf

Kiel Rebelde 08.09.2010 - 21:48
Aufruf zum antikapitalistischen Block auf der DGB-Demo "Gerecht geht anders" am 8.9. in Kiel (15:30 ab Asmus-Bremer-Platz).

IN ERWÄGUNG, DASS WIR DER REGIERUNG, WAS AUCH IMMER SIE VERSPRICHT NICHT TRAUN…

Wir wollen gar nicht aufzählen, wo und was überall gespart wird.
Schließlich kennen wir die politischen Phrasen schon mehr als ausreichend.
Schon vor der "Krise" musste dauernd gespart werden - sowohl am "Sozial-"staat als auch an den Löhnen. Ständig hieß es, immer mehr Stress durch Arbeitsamt und Arbeitsmarkt zu ertragen. Irgendwann, so die unzähligen ReformerInnen, würde der Rubel dann wieder rollen. Nun ja, rumgekommen ist dabei nichts - nur ein neues ultimatives Sachzwangargument: Die Krise! Der Kaputte Staat! Nicht nur in der BRD, sondern global hat sich längst eine Ökonomie der Unsicherheit etabliert, und den Menschen bleibt nicht mal die Sicherheit der täglichen Ausbeutung durch Lohnarbeit.

Also auf ein Neues: mal wieder politische Pseudodebatten in Politik und Medien, mal wieder tiefe Einschnitte in das Leben vieler Menschen - und ja, auch mal wieder ein paar Demos, etwas Protest. Die Bundesverwaltung des Widerspruchs (auch DGB genannt) packt die Rasseln und Trillerpfeifen aus und lässt das Fußvolk ein bisschen aufmarschieren. Nachdem der DGB in den letzten Jahren die Hartz-Gesetze, die Leiharbeit und stagnierende Löhne erfolgreich durchgewunken hat, sind die Gewerkschaftsspitzen frohen Mutes, auch dieses Mal ihren Teil zum "sozialen Frieden" beizutragen, den der DGB in seinem Aufruf zur Demo gefährdet sieht. "Sozialer Frieden"?
Wovon, bitte, soll hier die Rede sein? Die soziale Realität dieser
Gesellschaft war und ist alles Andere als friedlich, und der Kampf ums Dasein wird sowohl regional als auch global immer härter. Der DGB aber erinnert seine "SozialpartnerInnen" in Politik und Wirtschaft an einen längst einseitig aufgekündigten Deal: wir halten still, wenn wir wenigstens hier in der BRD noch einigermaßen vernünftig versorgt werden.
Auf profil- und wirkungslosen Latschdemos wird dem Zerrbild einer angeblich "gerechteren" Gesellschaft im regulierten Kapitalismus hinterher geheult - auch wenn das kleine bisschen soziale Absicherung schon "damals" nur durch die hemmungslose Ausbeutung von Frauen und MigrantInnen erkauft wurde. Und so wird auch diesmal wieder gerasselt und getrillert, geklatscht und gerufen - und der Kampf verloren, bevor er überhaupt begonnen hat. So war es, so ist es, und so wird es womöglich bleiben.

Es gibt aber noch eine andere Perspektive, und diese hat nichts mit dem rassistischen medialen Schrott zu tun, der sich derzeit in Form eines abgehalfterten Sozialdemokraten und Bänkers über uns ergießt. Die mit den deutschen Sparpakten quasi identischen Sozialreformen in Frankreich scheiterten am entschlossenen Widerstand der betroffenen Menschen. Während hierzulande die Rede des DGB vom "heißen Herbst" nur als Aneinanderreihung von Floskeln daher kommt, wird er in Griechenland Realität. Und in vielen weiteren Regionen der Welt haben die Menschen auf die Zumutungen in Folge der Krise mit Generalstreiks z.B. für eine deutliche Anhebung des Mindestlohns reagiert - und auch gewonnen! Wir müssen endlich mehr fordern als das, was uns weggenommen werden soll, und entschieden für unsere Forderungen einstehen. Gegen schlecht bezahlte und unsichere Jobs, gegen die Schikanen vom Arbeitsamt. Für ein besseres, selbst bestimmtes Leben jenseits des Verwertungswahns. Die ganze Scheiße endlich zum Kippen bringen!

… HABEN WIR BESCHLOSSEN, UNTER EIGNER FÜHRUNG UNS NUNMEHR EIN GUTES LEBEN AUFZUBAUN!!!

welches anticop transpi?

auch dagewesen 09.09.2010 - 12:03
ich glaube stargate formulierte eine rein potentiell mögliche situation (also dass mensch sich "subtil" einfach mit antikap-transpis unter die gdp mischt und die sich dann distanzieren müssen, was bei anti-cop transpis wohl kaum notwendig wär weil eh klar). ansonsten hab ich ehrlich gesagt kein anti-cop transpi auf der demo gesehn.

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