Grenzen emanzipatorischer Islamkritik

veranstaltungsteilnehmerin 07.09.2010 00:31 Themen: Antifa Antirassismus Kultur
Der Frage nach den Grenzen einer linken emanzipatorischen Islamkritik widmete sich eine von der Onlinezeitung Trend-Infopartisan organisierte und von der Berliner Gruppe Internationale KommunistInnen (www.interkomm.tk) unterstützte Veranstaltung am 5.9. in Berlin.
Auch wenn es manche nicht glauben wollten, die Veranstaltung war schon lange terminiert, bevor die Sarrazin-Debatte begonnen hat. So legten auch die Veranstalter_Innen Wert darauf, nicht über Sarrazin und Co. zu reden. Denn das Anliegen war ja, über die Islamrezeption in den eigenen Reihen zu reden und nicht mit den Finger auf andere zu schauen.

Eine gelungene linke Intervention leistete 2007 ein antifaschistisches Bündnis in Berlin-Heinersdorf. Dort mobilisierten offen Rechte gemeinsam mit Bewohner_Innen gegen den Bau einer Moschee. Es gab damals mehrere durchaus beängstigende Mobilsierungen aus Bürgermob und Nazis. Dagegen wandte sich das Bündnis, ohne deswegen zu Islamverteidiger_Innen zu werden.

Eine der damals gezeigten Parolen brachte es gut auf den Punkt:
„Für die Religionsfreiheit und die Freiheit von der Religion“
Hans vom ehemaligen Heinersdorf-Bündnis ging auf die Querfront ein, die es zwischen als linksgelten Islamkritiker_Innen und offenen Rechtsaußenfiguren wie Rolf Stolz (langjähriger Junge Freiheit-Autor und Gründer der sogenannten Linken Deutschland-Diskussion) gab und gegeben hat. Ein Beispiel war die sogenannte kritische Islamkonferenz im Jahr 2008 in Köln. Er zeigte aber auch, wie widersprüchlich dieses Bündnis ist. So polemisierte Stolz gegen israelsolidarische Referent__Innen auf der Konferenz.

Religions- statt Islamkritik

Der Soziologe Georg Klauda erklärte, auf den Titel der Veranstaltung bezugnehmend, eine emanzipatorische Islamkritik sei nicht möglich, weil da schon immer ein bestimmtes Bild vom Islam gezeichnet werde. Nötig sei vielmehr eine Religionskritik, in die auch die Kritik am Islam gehört. Klauda, Autor des Buches „Die Vertreibung aus dem Serail. Europa und die Heteronormalisierung der arabischen Welt Männerschwarm Verlag, Hamburg, 2008, ISBN 987-3-939542-34-6,Preis: 16 Euro), wandte sich auch gegen die simple Formel, dass der Islam schwulenfeindlich und der Westen tolerant sei. Dabei zitierte er aus Briefen und Texten von Reisenden aus den arabischen Ländern, die sich im vorletzten Jahrhundert wunderten, wie heterosexuell es im damaligen Europa doch zugehe, im Gegensatz übrigens zum arabischen Raum in der damaligen Zeit. Erst unter dem Einfluss des „christlich-aufgeklärten“ Westens wurde dort die gleichgeschlechtliche Liebe zurück gedrängt. Klauda wandte sich gegen einen Kulturkampf gegen den Islam bei der Frage der gleichgeschlechtlichen Liebe, wo die Zustände in den westlichen Ländern als Positivum hingestellt werden, ohne die realen Zustände in diesen Ländern zu untersuchen, die alles andere als positiv sind.

Gegen die Sarrazinierung der Gesellschaft

Der Journalist Peter Nowak widmete sich in seinem Vortrag der Frage, warum in der Islamfrage einige Linke Positionen entwickelt haben, die auch von rechts aufgegriffen werden und warum gerade hier, teilweise die nötige Abgrenzung verschwindet. Dabei betonte er, dass diese Auseinandersetzung nicht in der Dualität Antideutsche versus Antiimperialisten aufgehe. Diese oberflächlichen Etikettierungen würden nur verdecken, dass nur ein kleiner Teil dieser Strömung zu Neokonservativen wurden und im Islam jetzt das „ausgewanderte Deutschtum“ sehen, was dann den Vorteil hat, dass man nun den Kampf weg von Deutschland nach außen verlegen kann. Ein Beispiel: Während es in den 90er Jahren gegen die rassistischen Pogrome, von denen auch Migrant_Innen islamischen Glaubens betroffen waren, eine linke Mobilisierung gab, die auch in der bürgerlichen Öffentlichkeit wahrgenommen wurde, war nach dem Mord an Marwa al Sherbini, die in einem DresdnerGerichtssaal erstochen wurde, weil sie ein Kopftuch trug wenig von einer linken Mobilisierung zu sehen. Der Täter wurde als verrückt außerhalb der deutschen Verhältnisse positioniert. Dass es eine Lüge war zeigte sich vor einigen Wochen als in Dresden Gedenktafeln, die für Marwa al Sherbini aufgestellt wurden, zerstört worden sind. Es ist nun nie etwas Besonderes gewesen, dass von offiziellen Stellen Rassismus, Antisemitismus etc. aus der deutschen Gesellschaft ausgegliedert wurde. Es war die Arbeit linker Gruppen und Einzelpersonen, diese Unterdrückungsverhältnisse als Teil der deutschen Verhältnisse erklärbar machte. Angesichts der Sarrazinerung der Gesellschaft, eine Sarrazin-Partei käme nach Umfragen spontan auf 18 % der Wählerstimmen) ist es notwendig, dass eine außerparlamentarische Linke alle Formen der Unterdrückung und Ausbeutung bekämpft und nicht beispielsweis Antisemitismus gegen Islamhass ausspielt. Es sind durchaus unterschiedliche Formen von Unterdrückungsverhältnissen, aber beide sind zu bekämpfen. Nur so kann eine linke Bewegung der Sarrazinierung der Gesellschaft Paroli bieten. Eine solche Positionierung habe nichts mit einer proislamischen Haltung zu tun. Vielmehr gelte der Spruch, den Antifaschist_Innen 2007 den Moscheegegner_Innen in Heinersdorf entgegen gehalten haben, auch hier: „Für die Religionsfreiheit und die Freiheit von der Religion“
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Ergänzungen

Die Sarrazin-Partei...

oldmcdonald 07.09.2010 - 08:07
..., die es eh nicht geben wird, sollte man nicht überbewerten. Die 18%, die die "Bild" ihr innerhalb Ihrer Pro-Sarrazin-Kampagne zuschreibt, haben nichts mit Wählerstimmen zu tun. Siehe dazu den Artikel auf Bildblog:

 http://www.bildblog.de/22159/und-katzen-wuerden-whiskas-kaufen/

Grüße!

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sarazzin — unwichtig