[RUS] Chimki. Repression geht weiter

a 02.09.2010 14:39 Themen: Antifa Repression Weltweit Ökologie
Neue Informationen über den Konflikt um Chimki und die Repression gegen sozialen Bewegungen in Russland. Alexej Gaskarow und Maxim Solopow befinden sich noch in Haft. Ihnen droht bis zu 7 Jahre Haftstrafe, nur weil sie zu den wenigen Sprechern der sozialen Bewegungen in Moskau und in Russland gehören, die in der Öffentlichkeit auftreten und die Inhalte der Bewegung offen vertreten und propagieren. Vom 17. bis 20. September werden internationale Soli-Aktionstage ausgerufen. Zu der Vorgeschichte gibt es hier mehr Informationen: Repressionen und Hintergrund um Chimki

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Vorgeschichte

Zu der Vorgeschichte gibt es hier mehr Informationen: Repressionen und Hintergrund um Chimki

Im Sommer dieses Jahres ist der brennende Konflikt wegen der Abholzung des Waldes in der Nähe der Moskauer Nachbarstadt Chimki eskaliert. Seit Jahren kämpfen die Bewohner_innen der Stadt und Aktivist_innen aus Chimki und aus Moskau gegen die Abholzung des Waldes. Die Baufirma setzt Neonazi-Schläger gegen Öko-Aktivist_innen ein. Um die Kritiker_innen zum Schweigen zu bringen, werden lokale Journalist_innen bedroht, zusammengeschlagen und umgebracht.

Ende Juli dieses Sommers bekam die Auseinandersetzung neue Qualität. Öko-Aktivist_innen versuchten mehrmals die Administration der Stadt Chimki zu überzeugen, dass sie die Meinung der Menschen nicht unendlich ignorieren kann. Die Administration hat alle Verhandlungsversuche sabotiert. Daraufhin haben am 28. Juli etwa 300 bis 400 Menschen überwiegend aus dem antifaschistischen und anarchistischen Spektrum eine Spontandemo in der Stadt Chimki gemacht. Die Stadt wurde dabei de facto von Demonstrant_innen übernommen. Sie haben Regierungsgebäude mit Steinen und Flaschen beworfen, einige Fenster entglast und Parolen an die Wände gesprüht. Die Mehrheit der Polizeikräfte befand sich im Wald, um die Proteste gegen Waldabholzung zu unterbinden. Der Rest der Polizei war nicht in der Lage Hunderten entschlossenen Menschen etwas entgegenzusetzen und flüchtete.

Die Aktion wurde von den Stadtbewohner_innen begrüßt und fand auch große Zustimmung in der Öffentlichkeit. Darauf folgte eine neue Welle polizeilicher Repression. Die Polizei versuchte dabei die Presse einzuschüchtern und möglichst schnell "Anführer" der Aktion in Chimki zu finden. Seit 29. Juli befinden sich Alexey Gaskarov und Maxim Solopov in U-Haft. Ihnen droht bis zu 7 Jahre Haftstrafe, nur weil sie zu den wenigen Sprechern der sozialen Bewegungen in Moskau und in Russland gehören, die in der Öffentlichkeit auftreten und die Inhalte der Bewegung offen vertreten und propagieren.

Reaktionen der Politik. Medwedjew befiehlt den Bau der Autobahn anzuhalten und die Frage neu zu untersuchen.

Zuerst war die Reaktion der herrschenden Politik auf die Proteste und vor allem auf die Aktion am 28. Juli einstimmig. Alle Verbrechen der Bau-Profiteure, der Polizei und Administration von Chimki wie Folter, Mord und Einsatz extrem rechter Schläger wurden komplett ausgeblendet. Dabei wurde aufgerufen gegen die „Randalierer_innen“ möglichst brutal vorzugehen. Die Forderungen den Wald zu retten und die alternative Autobahnroute in Kauf zu nehmen wurden als utopisch, unrealistisch und fast extremistisch abgelehnt. Bezahlte, regierungstreue Journalist_innen diffamierten die Ökolog_innen, die angeblich beauftragt und finanziert von Konkurrenten und Feinden Russlands ihre Aktionen durchführen.

Der Konflikt wurde aber sogar international immer bekannter. Und die Stimmung in der Gesellschaft in Russland war definitiv auf der Seite der Öko-Aktivist_innen und derjenigen, die die Aktion in Chimki durchgeführt haben. Am Sonntag 22. August fand in Moskau ein Demo unter einem Motto "Für den Wald in Chimki"mit mehr als zwei Tausend Teilnehmer_innen statt – für Moskau eine der größten kritischen Kundgebungen letzter Zeit (ausführlicher siehe unten). Öffentliches Aufsehen erregte auch das Konzert von U2. Auf dem Konzert lud U2-Frontman Bono den russischen Musiker Juri Schewtschuk, welcher davor auf der Kundgebung "Für den Schutz des Chimki Waldes" gesungen hatte, auf die Bühne ein. Das war ein klares Signal für Medwedjew, der ebenfalls ein Treffen mit Bono eingeplant hatte, dass der Konflikt in Chimki bald eine noch größere internationale Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde. Und dass die Situation außer Kontrolle geraten kann, war nach immer größer werdenden Protesten auch klar.

Einige Tage danach schickte die Partei Einiges Russland, die von Anfang an für die Waldabholzung stand, eine Anfrage an Medwedjew, die Route für die Autobahn angesichts großer öffentlicher Unzufriedenheit neu zu überlegen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dies der Marionetten-Regierungspartei von oben befohlen wurde, damit es nicht danach aussieht, als würde der Präsident sich von der Opposition oder von „Randalierer_innen“ beeinflussen lassen. Am nächsten Tag befahl Medwedjew den Bau der Autobahn zu stoppen und die Frage neu zu untersuchen.

Dieses Manöver hat viele Gegner_innen des Baus in euphorische Stimmung versetzt. Es schien als würde der Wald gerettet sein und den Forderungen der Proteste nachgegeben werden. Es besteht jdoch die Gefahr, dass die scheinbare Entschärfung des Konfliktes zu einer Spaltung des sich formierenden Protest-Bündnisses führt. Und es ist wahrscheinlich, dass die Medien auch bald die Repression und Verbrechen der Behörden von Chimki und der Polizei vergessen werden.

Der Wald ist aber nicht gerettet. "Die Frage neu zu untersuchen" bedeutet, dass neue „öffentliche“ Anhörungen stattfinden werden. Diese werden jedoch vom Transportministerium und der Regierung der Stadt Chimki organisiert. Die korrupten Interessen der Transportminister Lewitin am Bau wurden durch Transparency International aufgedeckt. Auch die Regierung der Stadt profitiert von der Waldabholzung, hat diese schon immer befürwortet und die Kritiker_innen „ausgeschaltet“. Die öffentliche Meinung in Chimki selbst wird mithilfe von sogenannten "administrativen Ressourcen" inszeniert. Zum Beispiel werden die Angestellten öffentlicher (sprich von der Stadtverwaltung extrem abhängiger) Einrichtungen massenhaft gezwungen ihre Unterschriften für den Bau abzugeben.

So wird die Abholzung wahrscheinlich tatsächlich für eine Weile angehalten, aber, wenn die Spannung etwas abnimmt, wieder fortgesetzt werden. Und die Straf-Zahlungen an die Investoren, die für Verzögerungen bei der Projektrealisierung vorgesehen sind, deckt natürlich der Staat.

Prozess von Alexey Gaskarov und Maxim Solopov

Alexey und Maxim wurden am 29. Juli festgenommen. Das Gericht hat entschieden beide zunächst für zwei Monate in U-Haft bleiben zu lassen. Eine Berufung dagegen wurde im August abgelehnt. Den Gefangenen wird "Organisation von Massenhooliganismus" vorgeworfen und ihnen droht bis zu sieben Jahren Haftstrafe. Als Beweise wurden vor Gericht ein offensichtlich gefälschtes Protokoll der Festnahme und sehr unglaubwürdige Zeugenaussagen wahrgenommen. Im Festnahmeprotokoll steht, dass beiden "am Tatort" festgenommen wurden. Dabei gab es offizielle Pressemitteilungen der Polizei, dass am 28. Juli in Chimki niemand festgenommen wurde. Maxim hat sogar am 29. Juli ein Interview im Radio gegeben. Die Zeugen konnten keine konkreten Aussagen machen, außer dass sie Alexey an seinem Kinn erkannt hätten. Die Anwälte gehen davon aus, dass es sich, wie es oft bei der Polizei in Russland praktiziert wird, bei den Zeugen um Kleinkriminelle oder andere Menschen handelt, die selbst unter dem Druck der Polizei stehen und erpresste Falschaussagen machen.

Der Prozess findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. In der ersten Wochen der Inhaftierung haben Alexey und Maxim über ihren Anwalt weitergegeben, dass die Gefängnisverwaltung andere Inhaftierte gegen sie aufhetzt und sie deswegen Angst um ihr Leben und ihre Gesundheit haben müssen. Mittlerweile sitzen sie schon woanders. Trotzdem kann es nicht ausgeschlossen werden, dass die Behörden für ihre Ziele alle möglichen Mittel einsetzen werden.

Solidaritätsaktionen

Was ist wichtiger: Gesetz oder Gerechtigkeit

In den Wochen nach der Festnahme fanden viele Solidaritätsaktionen statt. In Russland, Weißrussland, Ukraine, Deutschland, Schweden, Frankreich und sogar China gingen die Menschen auf die Straßen, um für die Freilassung von Alexey und Maxim und gegen Repression zu demonstrieren. Die Formen der Soli-Aktionen waren sehr unterschiedlich und reichten von Kundgebungen über Transpis in öffentlichen Räumen bis zu Kunstaktionen und Performances in den Räumen von zuständigen Behörden und Konzernen. Zum Beispiel:

In Kiew, Ukraine haben sich am 2. August etwa 50 Aktivist_innen vor der russischen Botschaft versammelt. Sie haben gegen die Politik der Repressionen gegen soziale Bewegungen und Antifaschist_innen protestiert. Es wurde versucht einen Antrag, der auf das Glas eines Fensters geschrieben wurde, in die Botschaft zu tragen. Das Fenster sollte weiter an die Stadtverwaltung in Chimki übergegeben werden, um so für die Schäden an einem Gebäude, wo am 28. Juli einige Fenster entglast wurden, aufzukommen. Im Gegenzug verlangten die Versammelten von der Regierung in Chimki, für die Schäden am Wald, an der Gesundheit, Freiheit und am Leben der Öko-Aktivist_innen aufzukommen. Leider wurde der Antrag nicht angenommen, obwohl es in keinen Regelungen vorgesehen ist, auf welchen Medien solche Anträge geschrieben werden dürfen. Das Fenster blieb so neben Eingang stehen, um Passant_innen über die Ereignisse im Chimki zu informieren.

In Sankt-Petersburg haben Aktivist_innen das Büro des am Bau der Autobahn zwischen Moskau und Sankt-Petersburg beteiligten europäischen Konzerns Vinci besucht. Sie wollten die Umstände klären, warum der Konzern Neonazis für seine Geschäfte einsetzt. Dabei haben einige Aktivist_innen sich als Nazi-Schläger mit vermummten Gesichtern verkleidet und sich für die Arbeitsstellen im Konzern beworben. Die Logik war einfach: wenn das Unternehmen in Moskau solche Schläger einstellt, sollte es auch in Sankt-Petersburg gehen. Der anwesende Angestellte wollte aber doch niemanden einstellen und hat stattdessen die Polizei gerufen. Acht Aktivist_innen wurden festgenommen und nach fünf Stunden wieder freigelassen.

Einschüchterung der Presse

Gleichzeitig mit der Repression gegen Aktivist_innen der sozialen Bewegungen haben die Polizei, deren Zentrum für Extremismusbekämpfung und andere Sicherheitsbehörden angefangen gegen die kritische Presse vorzugehen.

In den ersten Tage nach der Aktion vom 28. Juli wurden mehrere Journalist_innen als Zeug_innen oder ohne Angabe von Gründen in die Polizeizentrale von Chimki "eingeladen". Wie diese Einladungen funktionieren, kann man am Beispiel des Moskauer Journalisten Vitaly Schuschkewitsch sehen. Am 30. Juli hat er mit anderen Freund_innen seinen Geburtstag in Moskau am Kotelnitscheskij Ufer des Moskau-Fluss (ein bei Jugendlichen beliebter Ort zum draußen Feiern) gefeiert. Plötzlich kam ein ganzer Bus mit Bereitschaftspolizei OMON und hat alle Anwesenden brutal festgenommen. Sie wurden bis drei Uhr nachts in der Polizeiwache aufgehalten. Vitaly musste aber noch mit nach Chimki, um da verhört zu werden. Zwischendurch haben die Beamten noch eine Hausdurchsuchung bei ihm zu Hause gemacht. Vor allem hat sich die Polizei für die Fotoaufnahmen interessiert, welche er in Chimki am 28. Juli gemacht hatte.

Ein anderer Vorfall passierte am 8. August mit dem Journalist Alexander Litoy. Er wurde direkt aus dem Zug, mehrere Stationen vor Moskau, mit dem er von seinem Urlaub zurück nach Moskau fuhr, von der Polizei und Beamten in zivil abgeholt und in einem zivilen Auto nach Chimki gefahren. Die Beamten wollten mit ihm "ein Gespräch führen". Nach deren Angaben, sei er vor seinem Urlaub noch bei der Aktion in Chimki gewesen. Nach Einschätzungen der Beobachter_innen hat ihn nur das schnelles Handeln seiner Kolleg_innen, die er anrufen konnte, vor Folter und der Unterstellung einer Mittäterschaft bei den Ereignissen von Chimki gerettet. Als das Auto zur Polizeistation von Chimki kam, warteten schon seine Kollegen und ein Anwalt auf ihm.

Ähnliches passierte auch mit anderen Journalist_innen aus Moskau, die über Chimki berichtet haben. Die Behörden haben auch den Druck auf die Familienangehörigen eines Journalisten ausgeübt. Die Polizei hat Redaktionen besucht, um dort Materialien für die Ermittlungen zu sammeln. Die Beamten versuchten so Druck aufzubauen, dass Redaktionen nicht nur überlegen sollten worüber und wie sie schreiben, sondern auch direkt ihre Mitarbeiter_innen in die Hände der Polizei ausliefern.

Wenigstens zwei Journalisten und eine Journalistin sind jetzt Zeugen im Prozess um die Aktion in Chimki am 28. Juli. Es ist aber in diesen Prozess immer weniger klar, ob diejenige, die als Zeugen zum Verhör eingeladen werden, nicht als Beschuldigte in Handschellen enden. Eine Zeitung hat dazu die passende Aussage eines höheren Polizeibeamten zitiert: "Von der Berichterstattung über Protestaktionen ist es nur ein kleiner Schritt zu einer Straftat".

Repression nach der Aktion am 28. Juli. Massenfestnahmen und Folter.

Gleich nach der Aktion in Chimki haben die Polizei und ihr "Zentrum für Extremismusbekämpfung" angefangen, ihnen bekannte linke antiautoritäre und Antifa-Aktivist_innen anzurufen und zu "Gesprächen" einzuladen. Alexey Gaskarov und Maxim Solopov wurden festgenommen. Es blieb aber nicht nur bei "Einladungen". Viele andere Aktivist_innen wurden festgenommen und tagelang verhört. Die Beamten aus Moskau und der Moskauer Region fuhren sogar in andere Städte, um da die Leute festzunehmen.

Die Konzerte, wo antifaschistische Bands auftreten sollten, werden in der Moskauer Umgebung von der Polizei gestört und mit Massenfestnahmen aufgelöst. Am 31. Juli wurden etwa 50 Besucher_innen eines Konzerts in Kupawna festgenommen. Am 21 August wurden etwa 70 Leute in der Stadt Zhukowskij nähe Moskau inhaftiert. Sie gingen auch auf ein Hardcore Konzert. Einer von ihnen, Alexander Pachotin, musste einige Tage in Haft bleiben. Dabei wurde er von den Menschen, die sich FSB(Nachfolgeorganisation des KGB)-Beamten genannt haben, durchgehend zusammengeschlagen und bedroht. Erst auf der Wache in Zhukowskij, dann in Chimki, wohin er am zweiten Tag gebracht wurde. Sie wollten die Aussagen gegen Maxim Solopov und Alexej Gaskarov erzwingen. Ihm wurde unter anderem vorgeworfen am 28. Juli bei der Aktion in Chimki dabei gewesen zu sein. Am 31. August hat ihn das Gericht doch freigesprochen.

Am 21. Juli wurde auch ein großes überregionales Konzert in der Stadt Kostroma vor seinem Beginn von der Polizei blockiert. Mehr als 260 Teilnehmer_innen wurden festgenommen und bis zum Morgen des nächsten Tages festgehalten. Einige wurden zusammengeschlagen. Den Organisator_innen drohen Strafen wegen ausgedachten Anschuldigungen. Unter anderem hat die Polizei eine große Menge an Drogen am Veranstaltungsort gefunden. Wie die Augenzeugen berichten, wurden mehrere Polizeibeamten schon vor der Veranstaltung an diesem Ort gesehen. Drogen unterzuschieben gehört in Russland auch zu den typischen Strategien der Polizei. In diesem Fall konnten die Drogen aber niemandem zugewiesen werden und die Behörden haben den Vorwurf fallen gelassen. In allen diesen Fällen, hat die Polizei nicht nur Personalien, sondern auch Fingerabdrücke der Besucher_innen, aufgenommen, was nach der russischen Gesetzgebung illegal ist. Es gab aber nicht nur Massen- sondern auch gezielte Festnahmen von Aktivist_innen.

So wurde z.B. am 26. August der neunzehnjährige Antifaschist Nikita Tschernobajev auf der Strasse in der Stadt Ramenskoje nahe Moskau von drei Männern in Zivil aufgehalten und auf die Polizeiwache mitgenommen. Dort haben die Männer, die sich später auch als FSB-Beamten vorgestellt haben, angefangen Nikita brutal zusammenschlagen und zu foltern. Foltermethoden waren für die Polizei in Russland übliche Methoden, z.B. dem Gefangenen eine Plastiktüte über den Kopf zu ziehen oder so lange in den Brustkorbbereich zu schlagen, dass mensch keine Luft mehr bekommt. Nikita wurde gezwungen eine Erklärung, dass er bei der Aktion im Chimki dabei war, und auch eine sogenannte "Zusammenarbeitserklärung" zu unterschreiben. Nachts wurde er frei gelassen. Seine Mutter hat ihm einen Rettungswagen gerufen. Er wurde in ein Krankenhaus in Ramenskoje transportiert. Das Krankenhauspersonal hat die Spuren der Folter festgestellt und die Polizei informiert, welche eine Anzeige aufgenommen hat. Danach versuchten die gleiche Beamten, die ihn gefoltert haben, Nikita aus dem Krankenhaus zu holen. Ihn hat nur die Tatsache gerettet, dass der Arzt gesagt hat, Nikita sei schon nach Moskau überliefert worden. Was später auch tatsächlich gemacht wurde. Ihm droht aber weiterhin polizeiliche Verfolgung.

Die Bedeutung der Represionswelle für die antiautoritäre Linke und antifaschistische Bewegung in Russland

Die oben genannten Beispiele zeigen nur einen Teil von der ganzen Welle der Repression, die jetzt in Moskau und Umgebung eingeleitet wurde. Es ist nicht neu, dass die Polizei und die Sicherheitsdienste gegen antifaschistische, anarchistische und andere soziale Bewegungen in Russland brutal vorgehen. Neu ist das Ausmaß und die möglichen Folgen.

Seit Anfang der 2000er Jahre werden in Russland alle politische Bewegungen, die kritisch und nicht kontrollierbar für die Regierung erscheinen, platt gemacht. Dies passiert aber normalerweise erst, wenn sie größer und weniger marginal werden, wenn sie schon Einfluss auf die Politik nehmen können.

Es war auch nach der Aktion am 28. Juli zu vermuten, dass die Politik das Geschehene nicht außer Acht und Reaktion lässt. In Chimki hat sich nicht nur die Polizei blamiert. Chimki ist zur Metapher für den Kampf gegen korrupte Machtinstitutionen, deren Beamte und deren bezahlte Schläger geworden. Sogar diejenigen, die schon immer für strickt legale Methoden standen, haben diesmal anerkannt, dass manchmal es nur etwas Militanz eine Wirkung hat. Die Anarchist_innen und Antifaschist_innen habe offen ihr Wut zu den konkreter Regierungsgebäude getragen. Zwar hat es ähnliche Ereignisse schon vorher und sogar in entschlossenerer Form in Russland gegeben. Aber diese waren weit von Moskau entfernt und wurden von den großen Medien verschwiegen. So wie in Mezhduretschensk, wo die Minenarbeiter im Mai erfolgreich gegen die polizeiliche Spezialeinheit OMON gekämpft haben. In Chimki waren aber viele Journalist_innen vor Ort. Unmittelbar nach der Aktion war das Internet voll mit Fotos, Videos und Berichten. Auch war die Begeisterung und öffentliche Zustimmung im Internet kaum zu übersehen.

Es ist wahrscheinlich den höheren Beamten aufgefallen, dass sich vor ihrer Nase eine unkontrollierbare kritische Bewegung gebildet hat, die nicht nur marginalisiert in kleinen Nischen existiert, sondern auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene wirksame Aktionen durchführt. Momentan handelt es sich um "Ermittlungen" wegen der Aktion am 28. Juli. Sie werden aber offensichtlich dafür benutzt, mit Kriminalisierung und Einschüchterung die antifaschistische und anarchistische Bewegungen zu schwächen und zu zerschlagen. Dabei spielt nicht nur ein politisches Kalkül eine Rolle, sondern auch die innere Logik des Polizeiapparates. Nach so einer Blamage müssen schnell Resultate geliefert werden, also schnell eine Gruppe, die für die Aktion zuständig ist, (er)gefunden und neutralisiert werden. Folter und massive Fälschungen, benutzt dieser Apparat nicht explizit für politische Fälle. Das sind einfach übliche Methoden der korrupten, ineffektiven und von den Bürgern verhassten Polizei.

Die antiautoritäre Linke und die Antifas könnten von dieser Repression wenn schon nicht ganz zerschlagen, dann doch mehrere Jahre zurückgeworfen werden. Dass sich die Repression nur in Moskau und der Moskauer Region beschränken wird, ist auch sehr zu zweifeln.

Solidarität Jetzt!

Als Reaktion auf den öffentlichen Druck versucht die Regierung nun die Öffentlichkeit und die Medien von den Problemen abzulenken. Der Wald von Chimki ist aber weiterhin bedroht und die Repression geht weiter und nimmt sogar zu.

Wie hier schon geschrieben wurde, wird neben extrem notwendigen finanziellen Mitteln vor allem eine Informations-Kampagne benötigt.

In früheren Fällen haben Solidaritätsaktionen und Medienberichte außerhalb Russlands geholfen, die Repression zu schwächen und die Leute aus dem Knast zu holen, wie es zum Beispiel letztes Jahr im Fall von Artem Loskutov war. Er wurde nach zwei Monaten Untersuchungshaft doch frei gelassen. Alle, auch kleine Aktionen, helfen der gemeinsamen Sache. Sei es Flugis verteilen, oder eine Demo durchzuführen. Wir übersetzen die Berichte ins Russische und sie geben nicht nur den Genoss_innen Mut, sondern bereiten Stress für die Polizei und Behörden in Russland.



Vom 17. bis 20. September werden internationale Soli-Aktionstage ausgerufen. Unten ein Zitat aus dem Aufruf, der hier zu finden ist:

"Ende September steht der nächsten Haftprüfungstermin für Aleksej und Maxim an. All diejenigen, denen das Schicksal der beiden nicht gleichgültig ist, werden aufgerufen, alles ihnen mögliche zu tun für ihre Freilassung. Die Kampagne zur Freilassung der Geiseln von Chimki ruft zu internationalen Aktionstagen vom 17. bis 20. September auf, um Druck auf die russischen Behörden auszuüben und mit dem Ziel, die Freilassung von Aleksej und Maxim zu erreichen.

Wir rufen dazu auf, Aktionen vor Botschaften, Konsulaten, Handels- und Kulturvertretungen der Russischen Föderation zu organisieren, und auf öffentlichen Veranstaltungen und Konzerten, die in einer Verbindung zu Russland stehen, Aufmerksamkeit herzustellen. Ebenfalls sollen Faxe und Protestschreiben an das zuständige Gericht, die Staatsanwaltschaft und die Staatsführung gerichtet werden (Wir schlagen dafür den 20. September vor). Die für die Proteste notwendigen Adressen und weitere Einzelheiten über die Repressionen in Russland werden wir gesondert mitteilen. Informationen werden außerdem in Kürze auf unserer Webpage http://khimkibattle.org in englischer, deutscher, russischer und französischer Sprache vorliegen".

Alexej Gaskarow und Maxim Solopow befinden sich noch in Haft. Es gibt mittlerweile auch viele andere Fälle, wo Anwält_innen bezahlt werden müssen. Für die Deckung der Prozesskosten wird dringend finanzielle Unterstützung benötigt. Dafür kann folgende Verbindung benutzt werden:

A. Hoffmann | Kto.-Nr. 408352201
Postbank Hamburg | BLZ 20010020
Stichwort: Russland


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Ergänzungen

soliaktion

Albsportverein 05.10.2010 - 17:00
soliaktion

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