Straßenumbenennung in Erftstadt-Friesheim

Antifa Erftstadt 26.08.2010 11:38 Themen: Antifa Antirassismus Kultur
Die Agnes-Miegel-Straße in Erftstadt-Friesheim wurde am Donnerstagmorgen in einer symbolischen Aktion in die Salomon-Franken-Straße umbenannt. Miegel war Schriftstellerin und bekennende Nationalsozialistin. In mehreren Gedichten zeigt sich eine Hinwendung zu Blut-und-Boden Themen. Gleich drei Gedichte widmete sie Adolf Hitler. Franken hingegen war ein Jude aus Friesheim, der mitsamt seiner Frau Else und seines jüngsten Sohns Jacob 1942 ins KZ Theresienstadt und später nach Auschwitz deportiert wurde. Anwohner_innen wurden durch Flyer über die Hintergründe der Aktion informiert; um eine tatsächliche Umbenennung zu erwirken hat sich die Antifa Erftstadt mit einem Brief an die politischen Entscheidungsträger gewandt.
Auf Grund Miegels Einstellung zum Nationalsozialismus wurden – oft auf antifaschistische Intervention hin - bereits einige Schulen und Straßen, die nach Miegel benannt wurden in den letzten Jahren umbenannt. Zum Beispiel in den Städten Bielefeld, Erlangen, Wilhelmshaven, Neuenkirchen, Willich und Düsseldorf.

Wir streben deshalb an, die jetzige Friesheimer Agnes-Miegel-Straße in die Salomon-Franken-Straße umzubennenen. Franken steht hier symbolisch für die vielen namenlosen – auch Erftstädter – Opfer, die von der deutschen Gesellschaft stigmatisiert, entrechtet, ausgeschlossen und letztlich ermordet wurden. Wir denken, dass diesen Opfern gedacht, ihre persönlichen Leiden und Lebensgeschichten im Gedächtnis behalten werden sollten.

Wer war Agnes Miegel?

Agnes Miegel wurde 1879 im damaligen Königsberg (Preußen, seit 1945 russisch) geboren. Sie starb 1964 in Bad Nenndorf. Miegel war Dichterin, Schriftstellerin, Journalistin und Autorin. In ihren Texten brachte sie immer wieder einen positiven Bezug zur nationalsozialistischen Ideologie und zu Adolf Hitler zum Ausdruck, sodass sie schnell zum Aushängeschild des Nationalsozialismus avancierte und bis heute in extrem rechten und neonazistischen Kreisen angesehen ist.

1933 gehörte sie zu den 88 deutschen SchriftstellerInnen, die das Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler unterzeichneten; in mehreren Städten wurden ihr Ehrenbürgerschaften verliehen. 1937 wurde sie Mitglied der NS-Frauenschaft, 1940 trat sie in die NSDAP ein. 1939 nahm sie das Ehrenzeichen der Hitlerjugend entgegen. Auf Grund ihrer Einstellung zum Nationalsozialismus wurde ihr die Arbeit von den Alliieren untersagt. In der Bundesrepublik hingegen wurden Straßen und Schulen nach ihr benannt, Miegel gilt noch immer als bedeutende Literatin.

Dabei brachte sie in mehreren Gedichten ihre Zustimmung zum Nationalsozialismus und zu Hitler zum Ausdruck. Diesem widmete sie gleich drei Gedichte („Dem Führer!“, 1936; „An den Führer“, 1938; „Dem Schirmer des Volkes“, 1939)

„Unsere Herzen, hart von Not und Krieg, hat mit seinen glühenden glaubensvollen Worten er durchpflügt wie Ackerschollen, bis ein neuer Frühling in uns stieg.“ Weiter heißt es im Gedicht „An den Führer“: „Lass deine Hand Führer! uns vor aller Welt bekennen: Du und wir nie mehr zu trennen, stehen ein für unser Vaterland!“. Selbst Meyers Lexikon schreibt Miegels Werk ab 1933 eine „Tendenz zur Blut- und Bodenromantik“ zu.

Auch später hat sich Miegel nie von ihrem Schaffen im Nationalsozialismus, der Ideologie und den Kontakten in die rechte Szene distanziert. Viel mehr bewegte sie sich weiterhin in extrem konservativen und teils (neo)nazistischen Kreisen. Große Beliebtheit erlangte sie in „Vertriebenenkreisen“ und verfasste Exklusivbeiträge für die Zeitschrift „Nation Europa“, die von dem ehemaligen SS-Hauptsturmführer Arthur Ehrhardt 1951 gegründet wurde. Von Neonazis wird sie bis heute geehrt, z.B. durch das „Collegium Humanum“, welches ein Wochenendseminar mit dem Thema: „Ostpreußens Beitrag zur Kultur Europas - Schwerpunkt Agnes Miegel und Ordensstaat“ veranstaltete. Beim „Collegium Humanum“ handelt es sich um einen inzwischen verbotenen Verein in dem es zu offenem Antisemitismus und zur Holocaustleugnung kam; er diente als Anlaufpunkt für verschiedene RechtsextremistInnen.


Wer war Salomon Franken?

Salomon Franken wurde 1895 in Friesheim geboren. Mit ihm lebte die Familie in 4. Generation in Friesheim. Im ersten Weltkrieg wurde er verwundet und kam als Kriegsheld mit Beinprothese zurück nach Friesheim.
Er heiratete Else Weisbecker, mit der er drei Kinder (Jenny, *1922; Simon, *1924; Jacob, *1938) hatte. Salomon Franken hatte das Anstreichhandwerk gelernt, arbeitete aber als Vorbeter in der friesheimer Synagoge.
Als in der Reichspogromnach 1938 auch die Synagogen in Lechenich, Gymnich und Friesheim niedergebrannt wurden, wurde Salomon Franken tags darauf, wie alle jüdischen Männer, verhaftet. Die Polizei ließ ihn aber auf Grund seiner Kriegsverletzung am gleichen Tag wieder gehen.
Spätestens jetzt war der Familie jedoch klar, dass sie keine Zukunft im nationalsozialischten Staat haben würde. Sie begannen die Auswanderung der beiden älteren Kinder ins heutige Israel zu organisieren. Jenny und Simon konnten fliehen.
1942 wurde Salomon Franken, vermutlich mitsamt seiner Familie, aus seinem Haus geholt und in einem Viehtransporter aus Friesheim deportiert. Bekannt ist nur noch, dass Salomon, seine Frau Else und sein jüngster Sohn aus dem Konzentrationslager Theresienstadt in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurden.
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Ergänzungen

erste Reaktion des Stadtverordneten

Antifa Erftstadt 26.08.2010 - 14:40
Der CDU-Stadtverordnete Christian Kirchharz hat sich bereits zur Aktion geäußert. Er fordert:

1. Die Stadtverwaltung soll den Sachverhalt dezidiert unter Einbeziehung von Fachleuten klären und dazu im zuständigen Fachausschuss berichten.
2. Der Bürgermeister lädt zeitnah zu einer Anwohnerversammlung zum Thema ein. Hier soll geklärt werden, wie die Anwohner zum Thema stehen und ob es den Wunsch, wenn ja welchen, nach einer Umbenennung gibt.
3. Die Stadt prüft, welche Namen ggf. für die Straße in Betracht kommen.
4. Die Stadt möge recherchieren, ob es weitere Straßen im Stadtgebiet gibt, die ggf. ähnlich problematische Namen haben.

Der Artikel findet sich unter: christian-kirchharz.de


Kirchharz hatte sich bereits im Zusammenhang mit einem Kameradschaftsabend im Nachbarort Gymnich Ende vergangenen Jahres auf parlamentarischer Ebene gegen Neonazis eingesetzt.
Nachzulesen hier und hier.

Radio Erft: ANTIFA benennt Straße um

Pressebericht 26.08.2010 - 16:18
In Erftstadt hat die ANTIFA eine Straße vorübergehend umbenannt. Mitglieder der antifaschistischen Organisation haben über das Schild der Agnes-Miegel-Straße in Friesheim ein Neues gehangen. Agnes Miegel war eine deutsche Dichterin, die Mitglied in der NSDAP war.

Die ANTIFA hatte die Straße deshalb kurzfristig nach Salomon Franke benannt - er war ein Jude aus Friesheim, der in einem Konzentrationslager ermordet wurde. Die Stadt Erftstadt will keine Anzeige gegen die Mitglieder der Antifa erstatten. Die Aktion sei zwar illegal, sagte uns Volker Erner von der Stadt Erftstadt - es sei aber kein großer Schaden entstanden.

Die Verwaltung will die historische Vergangenheit der Dichterin Agnes Miegel klären. Je nach Ergebnis soll über eine Umbenennung der Straße zusammen mit den Anwohnern beraten werden.

- Nachricht vom 26.08.2010 -

KStA: Wirbel um Straßennamen

Pressebericht 26.08.2010 - 17:21
Von Horst Komuth, 26.08.10, 17:20h

Mitglieder der „Antifaschistischen Aktion Erftstadt“ haben in Friesheim ein Straßenschild überklebt, das nach der umstrittenen Schriftstellerin Agnes Miegel benannt ist.

Erftstadt - Für einigen Wirbel sorgte in Friesheim eine Initiative der „Antifaschistischen Aktion Erftstadt“. Ihre Mitglieder überklebten ein Straßenschild in Friesheim, das nach der deutschen Schriftstellerin und Balladendichterin Agnes Miegel (1879 bis 1964) benannt ist. Die kleine Straße im Süden des Stadtteils war vor etlichen Jahren nach der Dichterin benannt worden, da in dem Wohnviertel ohnehin Straßen nach den Namen von Schriftstellern benannt sind.

Die Aktionsgruppe bezeichnet Miegel als überzeugtes Mitglied der NSDAP und der NS-Frauenschaft. Sie habe Hitler sogar drei Gedichte gewidmet. „Es kann nicht sein, dass einerseits Straßen in Erftstadt nach Widerstandskämpfern im Dritten Reich benannt werden und gleichzeitig eine bekennende Nationalsozialistin und Verehrerin Adolf Hitlers als Namensgeberin fungiert“, erklärte die 20-jährige Luca Plette von der Antifa Erftstadt. Die Aktivisten wollen erreichen, dass die Straße stattdessen den Namen eines Friesheimer Opfers des Nationalsozialismus trägt. Namensgeber solle Salomon Franken sein. Er war ein Jude aus Friesheim, der dort 1895 geboren worden war und laut Antifaschistischer Aktion 1945 höchstwahrscheinlich im Vernichtungslager Auschwitz ermordet worden war. Zwei seiner drei gemeinsamen Kinder mit seiner Frau Else hätten ins heutige Israel fliehen können. Der jüngste Sohn sei gemeinsam mit seinen Eltern von Friesheim ins KZ Theresienstadt und von dort aus 1945 nach Auschwitz deportiert worden, wo sich die Spur der drei Schicksale verloren habe.

„Salomon Franken steht hier symbolisch für die vielen namenlosen - auch Erftstädter - Opfer, die von der deutschen Gesellschaft stigmatisiert, entrechtet, ausgeschlossen und letztlich ermordet wurden. Wir denken, dass diese Opfer gedacht, ihre persönlichen Leiden und Lebensgeschichten im Gedächtnis behalten werden sollten“, erläutert Antifa-Aktivist Marcel Schrink die Namenswahl. Anwohner waren mit Flugblättern über die provisorische Umbenennung und deren Hintergründe informiert worden. In einem Brief an den Stadtrat fordern die Aktivisten nicht nur die sofortige Umbenennung, sondern auch ein klares politisches Bekenntnis der Stadt.

Friesheims Ortsbürgermeisterin Claudia Siebold drängt darauf, dass der Sachverhalt rasch und gründlich aufgeklärt wird. Gegebenenfalls müssten die Konsequenzen gezogen werden. In der Stadtverwaltung zeigt man sich für eine Prüfung der Sache aufgeschlossen. „Das ist ein Thema, über das man reden und dann gegebenenfalls auch die Konsequenzen ziehen muss“, sagt Ordnungsdezernent Volker Erner. Allerdings habe der Aufkleber auf dem Straßenschild aus rechtlichen Gründen erst mal von Mitarbeitern der Stadt entfernt werden müssen.

Das Verhältnis der Schriftstellerin Miegel zum Nationalsozialismus müsse genau geprüft werden. Erner will zu dem Zweck auch mit dem Heimatforscher Cornelius Bormann sprechen, der zusammen mit seiner Frau das Buch „Heimat an der Erft - Die Landjuden in den Synagogengemeinden Gymnich, Friesheim und Lechenich“ verfasst hatte. Wenn das Ergebnis der Recherchen über Miegel vorliege, werde die Verwaltung einen Vorschlag machen und die Bürger am weiteren Verfahren beteiligen. Ratsherr Christian Kirchharz stellte zu dem Thema bereits einen umfassenden Antrag an die Verwaltung. Demzufolge soll auch geprüft werden, ob es weitere problematische Straßennamen im Stadtgebiet gibt. Sollte die Miegel-Straße umbenannt werden, böte sich laut Kirchharz eine Benennung nach dem vor einigen Jahren verstorbenen Friesheimer Pfarrer Manfred Wahl an.

Artikel Rhein-Erft-Rundschau

Pressebericht 27.08.2010 - 17:00
Artikel in der Rhein-Erft-Rundschau: "Streit um die Agnes-Miegel-Straße" (Scan)

Außerdem: Ausschnitt aus Radiobeitrag von Radio Erft online: hier anhören (bischen runter scrollen).

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Super Sache!! — ex-Erftstädter

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