MS: Prozess gegen Hausbesetzer*innen

Beobachter*in 23.08.2010 17:40 Themen: Freiräume Kultur Repression
Heute fand ein Verfahren gegen 4 Leute statt, die vom 31.10.-01.11.2010 die ehemalige Gebrüder Grimm Schule in der Scheibenstraße besetzt haben sollen. Trotz Anhörung von 3 Zeugen konnte den Angeklagten die Tat nicht nachgewiesen werden. Der Prozess wurde von vielen Interessierten beobachtet, die teilweise sogar stehen mussten. Nach Verlesung der Prozesserklärung der Angeklagten (siehe unten) gab es lautstarken Beifall aus dem Publikum. Dieser verärgerte allerdings den Richter Tecklenburg so sehr, dass er einige der BeobachterInnen des Saales verwies und andere BeobachterInnen den Prozess nur unter den Tischen verfolgten konnten.
[b]Prozesserklärung[/b]

Ich möchte erzählen, worum es bei der Besetzung der ehemaligen Gebrüder Grimm Schule ging. Es ging darum ein Soziales Zentrum für Münster zu schaffen. Ein Soziales Zentrum soll ein Ort sein, an dem Menschen unabhängig von ihrem Einkommen am sozialen und kulturellen Leben teilnehmen können. Menschen, die sich nicht den Kaffee auf dem Prinzipalmarkt leisten können. Menschen, die vielleicht auch nicht die 10-20€ haben um sich ein Konzert anzuschauen. Ein Ort an dem alle ihre Ideen verwirklichen können, egal ob sie von Hartz IV leben oder bei Aldi an der Kasse sitzen - was finanziell vermutlich auf das selbe hinausläuft - oder ob sie Professor*innen an der Uni sind. Sie sollen das Haus selbst verwalten dürfen und ihre Kunst anbieten, ihr Gruppentreffen machen oder auch einfach nur abhängen, ohne konsumieren zu müssen und ohne die Dauerhafte Kontrolle von Sozialarbeiter*innen.

Dieser Wunsch nach Freiräumen und dieser Konflikt besteht seit mittlerweile über 10 Jahren. Spätestens seit der Besetzung der ehemaligen Uppenbergschule in der Millenniumsnacht ist das der Stadt Münster bekannt. Seit ebenso langer Zeit reagiert die Politik der Stadt Münster mit der immer selben Ignoranz: Räumen und abreißen, bei der gleichzeitig unverhohlenen Lüge, sie würden sich um ein geeignetes Gebäude kümmern. Sei es die Uppenbergschule 2000, der Lindenhof 2005 oder auch das Q8 im letzten Jahr: Alles Häuser, die gut instand waren, die perfekt hätten genutzt werden können, doch die Stadt ließ sie abreißen und pflegt seitdem ihre Brachflächen. Oftmals - wie am Beispiel der Häuserzeile Grevener Straße besonders gut zu beobachten - setzt sie ihre Interessen auch gegen den Willen der dort ansässigen Mieter*innen durch. Die einzigen um die sich die Stadt Münster seit dem Rödl-Gutachten 2006 noch kümmert, sind die Besserverdienenden, denen sie für 12Mio Euro eine Musikhalle bauen wollte. Gleichzeitig kürzte sie nahezu allen sozialen Projekten wie beispielsweise den Frauenberatungsstellen die Gelder soweit, dass diese um ihre Existenz bangen mussten und teilweise immer noch müssen.

Der Konflikt ist und bleibt ein politischer. Wenn hunderte Menschen in Münster mit Wohnberechtigungsschein auf eine bezahlbare Wohnung warten, weil es sie in der Innenstadt einfach nicht mehr gibt, während in der Grevener Straße Wohnungen bewusst jahrelang nicht vermietet werden um sie später als marode zu bezeichnen und abzureißen, dann ist das eine politische Entscheidung des Stadtrates. Und meiner Ansicht nach ist es völlig legitim, wenn diese Menschen dann in diese Häuser einziehen und dort wohnen, denn es ist ihr Grundbedürfnis ein Dach überm Kopf zu haben.

Ebenso wie Wohnraum gehört die Teilhabe am kulturellen und sozialen Leben zu menschlichen Bedürfnissen. Ich will nicht in Menschen erster, zweiter und dritter Klasse unterscheiden, alle haben das Recht darauf am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Deswegen bin ich der Meinung, dass dieser Konflikt nicht hier in diesen Gerichtssaal, sondern in den Stadtrat gehört. Die Politik kann noch hundert mal räumen, abreißen und verurteilen lassen, den Bedarf nach einem Sozialen Zentrum schmälert das kein bisschen. Der Versuch der Kriminalisierung stimmt eher wütender und entschlossener, als das er abschreckt. Denn dass er anscheinend nicht abschrecken kann, zeigt sich an den allein 4 Besetzungen über insgesamt 107 Tage im letzten Jahr. Und das auch obwohl die Polizei bei der Räumung der Grevener Straße 53 mit ihrem brutalen Vorgehen Menschenleben auf's Spiel setzte, da sie ohne Vorwarnung mit schwerem Gerät durch die Frontscheibe fuhr.

Dass ich mich für soziale Belange interessiere und dabei auch Hausbesetzungen gutheiße, dürfte mit einem Blick in meine bisherigen eingestellten Strafverfahren klar sein. Häuser sind nicht dazu da, leerzustehen und abgerissen zu werden. Häuser sind dazu da genutzt zu werden von Leuten, die den Raum benötigen. Dementsprechend finde ich auch das Freiraumwochenende in der ehemaligen Gebrüder Grimm Schule gut und unterstützenswert. Ob ich vielleicht auch gerade aufgrund meiner Vorgeschichte in Anführungsstrichen "nur" auf dem Gehweg stand um meine Solidarität zu bekunden, oder ob ich tatsächlich in dem Haus war, scheint dabei für die Staatsanwaltschaft keine Rolle zu spielen. Der Angriff gilt der ganzen Bewegung und nicht uns vier Einzelpersonen hier, wer dabei was genau gemacht hat oder auch nicht, rückt bei politischen Strafverfolgungen in den Hintergrund. Und im Übrigen spielt es auch für mich keine Rolle, denn ich solidarisiere mich hiermit erneut mit dieser Aktion und den Leuten, die sie durchgeführt haben.
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Ergänzungen

informativ=0

sorry 23.08.2010 - 20:08
aber mehr infos über den prozess wären sinnvoll..
aber so wie ich gehört habe gibt es was zu feiern,
solidarische grüße an die betroffenen

Infos

Informant 23.08.2010 - 20:25
Es gab drei Zeugen: 1 Bulle, 2 gerade volljährige Denunzianten, die zweimal die Bullen gerufen hatten.
Niemand konnte irgendwen identifizieren, da die "Täter" vermummt gewesen seien.

Daher -> Freispruch!

Information genug?