Polizei bei Loveparade grob Fahrlässig

RA Tronje Döhmer 19.08.2010 12:21 Themen: Antifa Blogwire
Ginge es nach den staatlich und politisch Verantwortlichen, so hätten sich die Aufgaben der Polizei auf die möglichst reibungslose An- und Abreise der Besucher sowie die Verhinderung von Straftaten beschränkt. Diese erbärmlichen Versuche, sich von politischer Verantwortung und strafrechtlicher Schuld zu befreien, müssen deutlichen Widerspruch hervorrufen.
Die Schutzbehauptungen entbehren einer tatsächlichen und rechtlichen Grundlage, weil es in NRW nämlich das Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen(PolG NRW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juli 2003 (GV. NRW. S. 441), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 9. Februar 2010 (GV. NRW. S. 132) gibt.

Nach § 1 I 1 PolG NRW hat die Polizei die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren (Gefahrenabwehr). Sie hat im Rahmen dieser Aufgabe Straftaten zu verhüten sowie vorbeugend zu bekämpfen und die erforderlichen Vorbereitungen für die Hilfeleistung und das Handeln in Gefahrenfällen zu treffen.

Danach oblag der Polizei die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten (Hornmann, HSOG, 2. A, Rz. 45 ff zu § 1). Die Polizei hätte also handeln müssen, als die Begehung von fahrlässigen Tötungen und fahrlässigen Körperverletzungen aufgrund des großen Andrangs von Menschen bevorstand.

Die öffentliche Sicherheit ist gefährdet, wenn Rechtsgüter des Einzelnen bedroht sind. Dazu gehören u.a. Leben und Gesundheit (Hornmann, HSOG, 2. A, Rz. 13 zu § 11). Der Gefahrenbegriff geht so weit, dass die Polizei schon bei Ruhestörungen (Hornmann, HSOG, 2. A, Rz. 14 zu § 11) einschreiten kann.

So werden die entsprechenden Polizeigesetze der Länder und das Versammlungsgesetz bei jeder noch so kleinen politischen Demonstration - ganz besonders auch gegen die Neo-Nazis - bemüht, um ohne Rücksicht auf die damit verbundenen Kosten ungezählte Hundertschaften aufzubieten. Diese sollen die von den Gegendemonstranten ausgehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung schon im Keim ersticken. Diese Sicherheitsmaßnahmen sind so ausgeprägt, dass das Versammlungsrecht praktisch ins Leere läuft. Demonstranten werden durch unzählige Kontrollen daran gehindert, den Versammlungsort zur erreichen. Anschließend werden sie von allen Seiten, von unten und vor allem auch von oben aus Hubschraubern beobachtet, photographiert und gefilmt. Nicht selten kommen in solchen Situationen drei Polizeibeamte auf einen Demonstranten, weil dies den "Verantwortlichen" so opportun erscheint.

Werden allerdings 1,5 Millionen Loveparade-Besucher in Duisburg erwartet, ist praktisch keine Polizei zu sehen. Es gibt keine Polzeibeamten, die das Geschehen beobachten. Es werden scheinbar keine Videokameras und keine Hubschrauber eingesetzt, jedenfalls nicht in einem solchen Ausmaß, wie es bei einer solchen Massenveranstaltung angezeigt gewesen wäre. Wie die drei Affen hocken die Einsatzleiter, sofern es denn solche gab, in ihrer Zentrale. Sie sehen und hören nicht, was sich anbahnt, obwohl davor schon fast ein Jahr zuvor mehr als ein Mal ausdrücklich gewarnt worden ist. Sollten sie doch etwas wahrgenommen haben, steht die berechtigte Frage im Raum, warum sie untätig blieben und die Gefahren für Leib und Leben der Besucher nicht abwehrten (Gefahrenabwehr!).

Werden so die gesetzlichen Aufgaben der Polizei missachtet; womöglich weil es dem Geschäft Privater diente und für die CDU-Stadt auch noch was abfallen sollte? War das nicht ein klarer Gesetzesverstoß, der zum Tod und zur Verletzung so vieler Menschen führte? Mögen zwar die Verantwortlichen nicht vorsätzlich haben, was letztlich die Staatsanwaltschaft und die Strafgerichte zu prüfen hätten, so haben sie jedenfalls das außer Acht gelassen, was jedem einleuchtet. Sie handelten also mindestes grob fahrlässig!

Zurücktreten müsste daher nicht nur der Duisburger Oberbürgermeister, dessen Namen man schon gar nicht mehr nennen möchte. In der Versenkung sollten vor allem auch Innenminister Ralf Jäger (SPD) und Polizeiinspektor Dieter Wehe verschwinden. Hinsichtlich der neuen Landeschefin liegen noch keine ausreichenden Erkenntnisse über ihre Verwicklung vor. Eine solch große Veranstaltung sollte aber stets Chefsache, gleich in welchem Bundesland, sein. In Japan hätte sie der Tradition der Ehre folgen müssen.

RA Tronje Döhmer
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Ergänzungen

43 Loveparade Geheimdokumente

ant 19.08.2010 - 13:18
43 Loveparade Geheimdokumente

 http://linksunten.indymedia.org/de/node/24275

Weiteres Material zur Loveparade

r.c. 20.08.2010 - 00:35
Hier, wie ich finde, das beste Blog über die Panik bei der Loveparade 2010:
 http://loveparade2010doku.wordpress.com/2010/07/28/loveparade-2010-zeitablauf-sperrungen-und-durchlassungen/
Die unmittelbare Ursache für die Toten scheint wohl ein auf dem Boden liegen gelassenes Absperrgitter gewesen zu sein, an dem in dem Geschiebe schließlich die Leute mit den Füssen hängen geblieben, zu Boden gegangen und dann überrannt worden sind. Ein Augenzeug_Innenbericht:
 http://christinerubenbauer.wordpress.com/2010/08/03/tritte-schlage-blut/

noch'n Link

r.c. 20.08.2010 - 00:49
Krass ist als Hintergrund auch dieser Link vom obigen Blog:
 http://www.wdr.de/tv/quarks/sendungsbeitraege/2007/0410/001_schwarm.jsp

So einfach ist das nicht ...

Verwaltungsrechtler 20.08.2010 - 22:42
Die Situation bei Veranstaltungen im öffentlichen Raum wie Demos ist mit der bei kommerziellen Veranstaltungen wie Fußballspielen oder eben der Lovparade rechtlich nicht vergleichbar. Bei kommerziellen Veranstaltungen auf privatem oder bei einer Sondernutzung von öffentlichem Raum hat der Veranstalter die vollen Verkehrssicherungspflichten und muss auf eigene Kosten alles notwendige tun, um auf dem von ihm genutzten Gelände Gefahren abzuwehren, also z.B. genug Ordner stellen und Gefahrenstellen sichern.

Im öffentlichen Raum ist die Polizei (und die sonstigen Ordnungsbehörden) von vornherein zuständig, auch vorbeugend. Im privaten Raum wird und darf die Polizei nur dann tätig werden, wenn es schon konkrete Gefahren (oder Straftaten) gibt. Wenn dann die Polizei eingreift, befreit das den Veranstalter aber in keiner Weise von seinen eigenen Pflichten, er bleibt trotzdem voll in der Verantwortung und wird auch seine Schadenersatzpflichten nicht los. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Polizei vorher schon Planspiele "was wäre wenn" gemacht hat.

Wenn die Polizei bei ihrem Eingreifen allerdings grobe Fehler macht, kommt natürlich in allen Fällen, also auch auf Privatgelände, ein Amtshaftungsanspruch in Betracht.

Mehr Dokumente auf Wikileaks

dvcas 22.08.2010 - 20:58

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 4 Kommentare

in der Waffenschmiede zweier Weltkriege

Nadeloer 19.08.2010 - 13:12
Das hört sich an wie der Ruf (Schrei) nach noch mehr >>Sicherheit>Sicherheit<< war auch die Gier nach Geld oder (siehe Eva Hermann) die Gier nach Publisitiy und Katastrophen, eine Ursache für die Tragödie von Duisburg.

Aber so von oben herab über die Raver_Innen oder die Polizist_Innen zu hetzen halte ich für fehlplatziert und überzogen. Is dat hier die Bildzeitung oder wat?

Weder die Tänzer noch die Polizei sind verantwortlich für den Ablauf der Katastrophe. Wahrscheinlich sind bei dieser letzten Loveparadeveranstaltung mehr Auflagen als je zuvor erfüllt worden.

Mir ist es aber lieber die Stadtreinigung oder das Grünflächenamt motzen nach so einem Event herum, als dass so viele Menschen verletzt oder getötet werden.

"Nadeloer" ist deshalb als ein Begriff zu sehen wie schon die "Leberwursttaktik" in Berlin Schöneberg. Es ist faschistisch mit Menschen so umzugehen!

das interessiert mich

einen 19.08.2010 - 13:16
großen Scheiß.

Er wußte alles!

wissender 19.08.2010 - 14:55
Wie durch neue Ermittlungen bekannt geworden ist, war eine der Personen, welche das Ok für die Loveparade gegeben hat Jan Gregor Henrich aus Dortmund. Wer ihm sofort seine Meinung sagen will kann dieses in der Ofenstraße 9a in Dortmund tun.

Mc Fit/Schaller=Schwein

no name 24.08.2010 - 20:05
warum ist eigentlich noch keiner auf die Idee gekommen eine Boykott-und/oder Sabotageaktion gegen MC FIT zu organisieren. Schaller macht weiter Kohle ohne Ende.
Gerade in der "links/alternativen Scene und auch in der Technoscene gibt es genug Sportfetischisten die in dieser Billigkette verkehren.
In jede Scheibe seiner Filialen gehört reingekratzt - verantwortlich für 21 Tote und etliche Verletzte.