(bln.)Pressehetze gegen Lienienhof

Unterstützer_innen 05.08.2010 15:06 Themen: Blogwire Freiräume Medien
Der Leerstand in den Köpfen.
Wie ein langjähriges funktionierendes Projekt zur Brachfläche umgedeutet wird.

zu den Artikeln aus Berliner Zeitung „Linke gegen Autonome“, von Birgit Walters und taz „Die letzte Brache in Mitte“ von Uwe Rada vom 4.8.2010 zu dem Konflikt um den bedrohten „Linienhof“
Der Leerstand in den Köpfen.
Wie ein langjähriges funktionierendes Projekt zur Brachfläche umgedeutet wird.

zu den Artikeln aus Berliner Zeitung „Linke gegen Autonome“, von Birgit Walters und taz „Die letzte Brache in Mitte“ von Uwe Rada vom 4.8.2010 zu dem Konflikt um den bedrohten „Linienhof“

Seit 1991 ist der Linienhof in der Kleinen Rosenthaler Straße 9 ein offener Ort, der von verschiedensten Menschen und Gruppen künstlerisch, handwerklich und kreativ nach dem „Do-It-Yourself“-Prinzip genutzt wird.
Als Nischenprojekt ermöglicht der Linienhof Menschen ohne oder mit wenig Geld den Zugang zu Raum, Werkstätten, Werkzeugen und fachlichem Austausch.

Diesem will nun eine private Bauherrengemeinschaft ein Ende bereiten.

Der Publizist und Autor Matthias Greffrath (taz, le monde diplomatique), die Leiterin der Kulturstiftung des Bundes Hortensia Völckers und die Architektin Anne Lampen planen dort unter dem förderungsfähigen und modernem Namen „Mehrgenerationenhaus“ den Bau eines Wohnhauses zur eigenen Nutzung.

In den Artikeln aus taz und Berliner Zeitung werden die Protagonist/innen dieser Bauherrengruppe als „Linke“ bzw. „linke Promis“ getitelt, was angesichts der Verdrängung eines Teils unkommerzieller Strukturen schwer nachvollziehbar ist.

Leichter zu verstehen ist, dass jemand, der in dem Dilemma steckt, ein linker Autor oder eine Kulturstiftende sein und diesen Ruf wahren zu wollen und gleichzeitig das private Glück auf Kosten gewachsener linker Strukturen zu bauen, natürlich Begründungen sucht, um moralisch möglichst gut da zu stehen.

Deren Koketterie mit linken und alternativen Ideen taucht da auf, wo sie nützlich sein kann und endet dort, wo das Eigeninteresse anfängt –
dann wird aus einem 2-Millionen-Wohnhaus für fünf Familien ein „Mehrgenerationenwohnprojekt“ – und aus einem wichtigen und langjährigem Projekt eine „Brache“.

Dort allerdings findet eine ganze Menge statt!
Der Linienhof bietet z. B. eine Werkstatt, in der Autos und Zweiräder selbst repariert werden können. In der Metallwerkstatt und der Schmiede werden verschiedenste Gegenstände, Möbel oder Kunstobjekte hergestellt und repariert. Es gibt Werkzeuge für Holzarbeiten, die u. a. viel für Wohnwagenausbau benutzt werden.
Es werden Workshops selbstorganisiert, in denen z. B. Schweißen und Schmieden gelernt, geübt oder ausprobiert werden kann. Es gibt eine Puppentheaterwerkstatt und Platz für Bildhauerei. Es fanden Kunstausstellungen und immer wieder offene Werkstatttage statt, die von Musik und Essen begleitet wurden.
In einer Einladung zu einem der offenen Werkstatttage im September 2007 wird treffend formuliert: Seit 1991 wird auf diesem schönen kleinen Hofgelände in unterschiedlicher Konstellation von Menschen GEMEINSAM gebastelt, gebaut, gelacht, getratscht, gewerkelt, auch mal getrunken und getanzt, geschweißt und geschwitzt, geflext, gefeixt, gegrillt, geprobt und gespielt, rumgesponnen, geschraubt, gearbeitet, gemalt, gelebt, erfunden, diskutiert, neuerdings sogar geschmiedet und sonst noch was. Und das alles selbstverwaltet, gleichberechtigt, unbürokratisch und unabhängig!
Ein wichtiges Projekt war im letzten Jahr die Fertigung des Gedenksteins für die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers für Mädchen und junge Frauen und späteren Vernichtungslagers Uckermark. Dieser wurde komplett aus Spenden finanziert und hätte ohne die zur Verfügung stehende Schmiede und dem Platz für Steinmetzarbeiten kaum realisiert werden können.

All dies wird von Greffrath und Völckers gegenüber taz und Berliner Zeitung mit erstaunlicher Ignoranz als leerstehendes, ungenutztes Gelände beschrieben! Die Existenz des Projekts und deren Berechtigung sowie der soziale und kulturelle Charakter werden in Frage gestellt.
Es sei die Erfindung einer Legende, da es nie eine Kontinuität gegeben hätte, soll der Stadtplaner Andreas Wilke gesagt haben.
Tatsächlich waren es im Laufe der 19 Jahre immer wieder auch verschiedene Menschen und Initiativen, die den Hof nutzten, doch der wesentliche Charakter als selbstverwaltete Nischenstruktur hat sich nicht verändert.

Greffrath und Völckers beklagen, es hätte keine Ansprechpartner des Linienhofes gegeben, doch die Korrespondenz zwischen Greffrath und dem Anwalt des eingetragenen Vereins Kathedrale widerlegen dieses.
Dass sie sich konkret um Ersatzobjekte bemüht hätten oder sogar mit den Nutzer_innen zum Senat gegangen wären, um nach einer Lösung zu suchen, ist schlicht gelogen.
Stattdessen versuchten sie, den Verein mit bis zu 15000€ zu bestechen, damit das Projekt leise verschwindet. Mit einer solchen Summe jedoch kann so ein Projekt nicht gerettet werden, es stellt eher den Versuch dar, sich aus der Verantwortung zu kaufen.

Als Maßstab für ein erhaltenswertes Projekt nennt Greffrath eine Wagenburg. Dass das hier existierende Projekt jedoch ein Baustein ebendieser Strukturen ist, ist wohl im Filter der „mehreren moralischen Selbstprüfungen, die er über sich ergehen lassen habe“, hängen geblieben.

Da ist es doch prima, dass sich gute alte Kollegen wie Uwe Rada finden, die helfen, die Dinge mit gekonnter journalistischer Unschärfe zur Brache zu schreiben.

Auch Walters begibt sich auf stimmungsmachendes Niveau, das eher von anderen Tageszeitungen bekannt ist- die Kinder der Baugruppe seien in Gefahr, zitiert sie Völckers. Außerdem hätten Menschen, denen sie unterstellt, „natürlich“ keine Nutzungsvereinbarung zu haben, sowieso keinen Anspruch auf Rechtsstaatlichkeit?
Sie wirft ihnen „Versorgungsmentalität“ vor – doch der selbstverwaltete, unabhängige Charakter des Projekts widerspricht.

Natürlich ist es schwierig, ein Ersatzobjekt zu vergleichbaren Bedingungen zu finden. Letztendlich soll hier dasselbe passieren wie überall - Vertreibung unkommerzieller Strukturen aus den Innenstädten.
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Ergänzungen

Solidarisch

Roland Ionas Bialke 05.08.2010 - 17:49
Die Menschen rund um den Linienhof haben sich solidarisch zu anderen räumungsbedrohten Projekten gezeigt. Das ist schon mal positiv.

Die andere Seite ist die Pressearbeit. Es war zu erwarten, dass von der TAZ eher moderate Töne kommen. Aber es gibt so viele andere Zeitungen und Medien. Für mich ist daher interessant, wie die Medienarbeit des Linienhofs ausgesehen hat. Die Überschrift dieses Artikels scheint eher so, als ob den kommerziellen Medien negativ gegenübergestanden wird. Das finde ich aber problematisch, weil eben diese Medien Massen erreichen.

Als zweites interessiert mich, wie oft im Jahr im Linienhof Workshops (und Partys, Politveranstaltungen, etc.) stattfinden. Der Artikel hier klingt ja sehr blumig, als ob genug Unterstützung schon da wär. Ich glaube aber eher, dass das Projekt eher Insidern bekannt ist. Es gibt da generell in Berlin mit vielen Projekten Probleme, die exklusiv sind. Das heisst sie sind verschlossen und haben dann vielleicht zwei Mal in der Woche (meistens freitags und samstags Abend) offen. Mich würden daher generell Nutzungszeiten interessieren, wobei das jetzt nicht unbedingt auf den Linienhof bezogen ist.

So eine Werkstatt ist auf jeden Fall eine gut Idee!!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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