Kritik am Ruhr Reggae Summer in Mülheim/Ruhr

fight homophobia! 16.07.2010 01:32
„Three Days of Love, Peace and Music“ versprechen die Veranstalter des „Ruhr-Reggae-Summer“ (23. bis 25.07.2010) in Mülheim an der Ruhr. Doch was hat Reggae mit „Love and Peace“ zu tun, fragen wir uns angesichts der vielen Reggae-Künstler*innen, die auf der Bühne Frauenfeindlichkeit und Schwulenhass performen. Es gibt zahlreiche Reggea-und Dancehall-Sänger, die auf der Bühne zum Ermorden und Lynchen schwuler, lesbischer und queerer[1] Menschen aufrufen. Doch es geht nicht nur um diese Hassprediger, die davon singen, Schwule zu erschießen und propagieren, dass Sex nur als heterosexueller Penetrationssex[2] stattfinden darf, sondern um ein grundlegendes Problem von Reggae-Songs und Reggae-Kultur. Doch dazu später – denn einer dieser Hassprediger spielt am nächsten Wochenende auf dem Ruhr Reggae Summer: Mr. Vegas. Wie Sizzla, Capleton und andere Sänger, ruft auch Mr.Vegas zum Mord an Schwulen auf.[3]
Häufiger geht es bei ihm jedoch darum, Heterosexualität als einzige mögliche und legitime Form der Sexualität darzustellen. So spricht er Frauen die Fähigkeit ab miteinander Sex zu haben zu können.[4] Diese Heteronormativität[5] geht einher mit einem extrem frauenfeindlichen Sexismus. So singt Mr. Vegas in „Dont´t Stop“ z.B.: “So come on, every guy, grab a girl.“ Grab bedeutet sich etwas nehmen. So ist „to grab a beer“ ein häufig verwendeter Ausdruck für „sich ein Bier aus dem Kühlschrank nehmen“. In dem Lied werden Frauen als etwas Konsumierbares dargestellt, als etwas, was Mann sich nehmen kann, ohne nach Zustimmung zu fragen. Soll so ein sexistischer und homophober[6] Typ wirklich abgefeiert werden?

Dass mit Mr. Vegas ein Sänger, der gegen schwule, lesbische und queere Menschen hetzt, auf dem „Ruhr Reggae Summer“ auftritt, ist nicht verwunderlich. Denn Veranstalter des „Ruhr Reggea Summer“ sind Tilmann Rudorff und Henning Schmalenbach von U-Concert, die Macher des Wuppertaler U-Clubs. Der U-Club erlangte bundesweite Berühmtheit als Club, in dem in den letzten Jahren regelmäßig die „größten“ Propagandisten des Hasses gegen Schwule aufgetreten sind. Seit dem Herbst 2009 sieht sich der U-Club vermehrt öffentlichem Druck ausgesetzt, u.a. durch die Kampagne „U-Club dichtmachen“. Nachdem es in den Jahren zuvor immer wieder Proteste gegen Konzerte gab, sahen sich die Macher des U-Clubs nun zum ersten mal gezwungen, öffentlich Stellung zu beziehen. Aus ihren Stellungnahmen lässt sich jedoch nur eine Beschwichtigungspolitik und kein klarer Standpunkt gegen Sexismus und Homophobie erkennen. Dies bestätigt sich auch durch ein Open-Air-Konzert mit Sido und Harris in Wuppertal und der Auftritt von Mr.Vegas auf dem „Ruhr Reggae Summer“. Aufgrund langjähriger Erfahrungen ist auch davon auszugehen, dass auf diesem Festival von den Soundsystems Battyman-Tunes[7] und andere homophobe Songs aufgelegt werden. „Andere homophobe Songs?“ Ja, denn Homophobie beginnt nicht mit dem Aufruf zu Mord an Schwulen. Ein solcher ist nur die absolute, unerträgliche Spitze. Homophobe Songs sind auch solche, in denen Homosexualität ausdrücklich als schlecht, minderwertig, unnatürlich abgelehnt wird. Homophobe Songs sind z.B. auch solche, in denen der Sänger – wie Mr. Vegas – behauptet, dass nur Männer Frauen befriedigen können. Homophobe Songs sind auch solche in denen „schwul“ und ähnliche Wörter „nur“ zum Dissen anderer Künstler*innen benutzt werden, denn auch hierin liegt eine Bewertung von Homosexualität als etwas Negatives – sonst würde das Wort nicht als Diss taugen.

Genau wie homophobe Lieder eine große inhaltliche Spannbreite haben, ist auch Homophobie jenseits der Bühne extrem vielfältig. Von der Benutzung des Wortes „schwul“ als Schimpfwort, über das Lustig-machen über (vermeintliche) Schwule bis hin zu körperlichen Angriffen ist die gesellschaftliche Ablehnung von Homosexualität und Homosexuellen deutlich spürbar. Im angeblich fortschrittlichen Deutschland finden tagtäglich in unterschiedlicher Ausprägung antischwule und antilesbische Äußerungen und Angriffe statt. Dieses gesellschaftliche Klima führt dazu, dass schwule, lesbische und queere Menschen nicht so offen wie Heterosexuelle leben können. Mit dem Partner auf der Straße Händchen zu halten, ist für die meisten Männer keine Selbstverständlichkeit, da sie sich dadurch negativen Reaktionen aussetzten. Dies beginnt bei Blicken, die besagen „Das ist doch anormal!“, geht über Getuschel und verbaler Anmache bis hin zu körperlichen Angriffen. Das dies das Leben von Menschen beeinflusst ist schlimm genug, führt in vielen Fällen jedoch zu Depressionen und Suizid(versuchen). Auch Mord an schwulen, lesbischen und queeren Menschen ist gesellschaftliche Realität.

Entgegen der Selbstwahrnehmung ist auch innerhalb der deutschen Reggae-Szene Homophobie stark verbreitet. Diese reicht von der allgemeinen gesellschaftlichen Homophobie bis hin zu speziellen Argumentationsmustern wie der Imagination einer übermächtigen Schwulen-Lobby. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit bzw. Distanzierung von Homophobie findet sich beim Lesen der einschlägigen Foren, Blogs und Zeitschriften kaum. Selbst Augenzeugenberichte von Übergriffen auf Reggae-Partys werden als Gerüchte oder Lügen dargestellt, um sich und die Szene weiterhin als Opfer der Schwulen-Lobby begreifen zu können. Der Aussage „Ich hab nichts gegen Schwule“ folgt meist im nächsten Satz die Feststellung, dass das aber „unnatürlich“ und/oder „ekelig“ sei. Ein konsequentes Angehen von Homophobie im Reggae, dass dazu führen würde nicht auf die Konzerte von Sizzla zu gehen, nicht den neusten Tune von Capleton aufzulegen oder nicht auf der selben Bühne wie Buju Banton aufzutreten, ist uns bisher kaum begegnet. Daher kann es bei einer Kritik an homophoben Reggae nicht nur um Jamaika und jamaikanische Künstler*innen gehen, sondern besonders darum, dass zehntausende Menschen diese Leute hier abfeiern. Jedoch ist es kein Zufall, dass Homophobie gerade in Reggae-Songs so oft präsent ist. Denn Homophobie ist Teil der Rastafari-Religion.[7] Daher sind nicht nur einzelne Sänger*innen das Problem – auch wenn deren Hass nicht durch deren Herkunft zu rechtfertigen ist, da jede*r für sein Handeln selbst verantwortlich ist. Nicht nur für die Ursprünge des Reggae war Rastafari relevant. Die Inhalte vieler Songs und auch die Reggae-Kultur jenseits der Lieder, z.B. Kleidung und Frisuren sind eng mit der Rastafari-Religion verknüpft. Einer Religion, die einem Gott huldigt, der laut seinen Anhängern nicht möchte, dass Menschen gleichen Geschlechts Spaß miteinander haben, der nicht möchte, dass Menschen individuelle Entscheidungen treffen, sondern sich so verhalten wie es das Kollektiv von ihnen verlangt. Ein Gott der nicht will, dass die Menschen da wo sie sind für ein gutes Leben für alle streiten, sondern in Hoffnung auf ein fernes „Back to Africa“ oder „Zion“ leben. Daher sind nicht nur die offenen propagierten Todesdrohung gegen Menschen, die nicht der sexuellen und geschlechtlichen Norm entsprechen, abzulehnen. Jedes Preisen von „Jah“ auf der Bühne ist Teil der Ideologie, die dazu führt dass Männer aufgrund von „femininem“ Aussehen gelyncht werden.

Angesicht dessen, dass auf dem Reggae-Summer-Festival mindestens[9] ein Künstler spielt, der gegen schwule, lesbische und queere Menschen hetzt, verstehen wir nicht, dass 1live das Festival sponsert. Angesicht dessen, dass zu erwarten ist, dass von den Soundsystems Battymann-Tunes und andere homophobe Songs aufgelegt werden – denn diese Songs sind oft die, die den meisten Forward kriegen und laut Aussage mehrerer DJs ist es aufgrund der Vielzahl der Songs bei denen zumindest am Rande homophobe Äußerungen enthalten sind, kaum möglich keine aufzulegen – verstehen wir nicht warum die Städte Mülheim und Oberhausen Gelände für das Festival zu Verfügung stellen. 1live zeigte bisher eine besondere Ignoranz gegenüber der Hasspropaganda. Präsentierte der Radiosender doch sowohl in diesem wie auch in den letzten Jahren auch den Summerjam, wo allein in diesem Jahr mit Capleton, Shabba Ranks und Mr.Vegas mindestens drei Sänger auftraten, die den Mord an schwulen Menschen abfeiern. Wir erwarten sowohl von 1live als auch von den Städten Mülheim und Oberhausen, dass sie Verantwortung für ihre Unterstützung der Propagierung von Sexismus und Homophobie übernehmen und Stellung dazu beziehen!

[1] Wir benutzten das Wort für Menschen, deren Geschlecht und/oder Begehren von der heterosexuellen und zweigeschlechtlichen Norm abweicht.
[2] Genauer gesagt nur im Schema männlicher-Mann-fickt-ausschließlich-weibliche-Frau.
[3] „ChiChiMan burn them all“ aus Nah Promote – Warum dies mehr als eine harmlose Metapher ist, wird im Aufruf von  http://uclubdichtmachen.blogsport.de erklärt
[4] Z.B. in „Cocky she want“ „a girl never can fuck you“ . Das Zitat bezieht sich auf Lesben.
[5] Dies bedeutet, dass Heterosexualität als gesellschaftliche Norm gesetzt wird. Die Grundannahme ist, dass jede Person heterosexuell ist. Alle anderen werden als Abweichung angesehen und sowohl unsichtbar gemacht, als auch durch subtilen oder offenen Zwang zur Heteronormalität gedrängt. Dies beinhaltet auch, dass alle Menschen entweder eindeutig Frau oder eindeutig Mann sein müssen.
[6] Homophobie: Jegliche Abwertung von „gleichgeschlechtlicher“ Liebe und Sexualität. Dies beinhaltet oft auch eine Abwertung vom Menschen, die nicht den weiblichen und männlichen Normen entsprechen.
[7] Ausdruck für Reggae- oder Dancehall-Songs, in denen zum Mord an nichtheterosexuellen Personen aufgerufen wird oder dieser als positiv dargestellt wird.
[8] Wie fast alle Religionen.
[9] Auch Ganjaman hat sich in Interviews homophob geäußert.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Information ist eine Waffe

Mobimensch 16.07.2010 - 04:34
Für Flyerverteilungen bieten sich z.B. die morgigen Protestaktionen in Dortmund gegen die rechtspopulistische Kundgebung von pro NRW prima an.  http://dab.nadir.org

Beim ebenfalls morgen stattfindenden antirassistischen Fußballturnier in Düsseldorf (ab 9 Uhr), findet das Anliegen bestimmt auch jede Menge positive Resonanz.  http://www.standup-cup.org

Auch beim Karneval Global am Samstag in Köln lässt sich flyern.
Oder schon heute Abend im AZ Köln.  http://unsersquat.blogsport.eu/freitag-bassreise/

RASH Tresen

..:::...:::.. 16.07.2010 - 10:29
Ist auch ganz passend zu dem Thema:

15.7.2010 Bandito Rosso/Berlin: RASH- und NEA-Tresen

Der nächste RASH-/NEA-Tresen am 15.7.2010 beschäftigt sich mit dem Thema „ring di alarm“ - Homophobie in der Dancehall:

Mit Ramon Esfan (Köln), Filou Rouge (Berlin Boom Orchestra) und Cable Street Beat Berlin

Hintergrund der Veranstaltung sind die Reaktionen, Debatten und Aktionen rund um die Auftritte jamaikanischer Dancehall-„Künstler“ in den letzten Monaten. So ist einigen Berliner_innen mit Sicherheit die Verhinderung des Auftrittes der Dancehall –Größe Sizzla in der Berliner Kulturbrauerei Ende November 2009 noch in Erinnerung.

In der Winterausgabe der antifaschistischen Zeitschrift „Lotta“ aus NRW veröffentlichte Ramon Esfan zum Thema einen Beitrag. Entlang des Artikels versucht der Referent Homophobie in Jamaika und in der Dancehall anhand von Bildern und Musik aufzuzeigen und zu erklären.

Dabei geht es einerseits um die Kritik an homophoben Einstellungen in Jamaika und dem Hass auf Schwule und Lesben in Liedtexten jamaikanischer „Künstler“. Andererseits sollen Sichtweisen und Einschätzungen jenseits bisheriger Interpretationen des LSVD (Lesben- und Schwulenverband Deutschland) und diverser linker Gruppen aufgezeigt und diskutiert werden.

Don Pete, Frontmann der Berliner Ska/Reggae -Formation Berlin Boom Orchestra und Menschen von Cable Street Beat Berlin werden im Rahmen der Veranstaltung über Umgang mit der Problematik aus der Sicht von Artists und DJ_anes berichten.

Donnerstag, 15. Juli 2010, 20.00 Uhr Einlass – Beginn: 20.30 Uhr, Bandito Rosso, Lottum Str. 10a

Veranstaler_innen: Red & Anarchist Skinheads Berlin/Brandenburg | North East Antifascists (NEA)

 http://www.red-skins.de/wrash/index.php/termine.politik/15.7.2010-Bandito-Rosso-Berlin-RASH-und-NEA-Tresen.html

Blödsinn

nicht wichtig 16.07.2010 - 11:26
Schon wieder so ein blödsinniger Text... Von Hinweisen zum latenten Kultur- und Werteimperialismus sehe ich einfach mal ab und stürze mich auf den allerersten und äußerst haarsträubenden angeführten Beleg:

"So singt Mr. Vegas in „Dont´t Stop“ z.B.: “So come on, every guy, grab a girl.“ Grab bedeutet sich etwas nehmen. So ist „to grab a beer“ ein häufig verwendeter Ausdruck für „sich ein Bier aus dem Kühlschrank nehmen“. In dem Lied werden Frauen als etwas Konsumierbares dargestellt, als etwas, was Mann sich nehmen kann, ohne nach Zustimmung zu fragen. Soll so ein sexistischer und homophober[6] Typ wirklich abgefeiert werden? "

Wenn man sich das Argument so zurecht legen möchte, mag es auch in dem kleinen, selbst abgesteckten Rahmen funktionieren, es hält jedoch keiner genauen Betrachtung stand. "Grab a girl" heißt einfach nur "Nimm dir ein Mädchen" und das kann egal in welcher der beiden Sprachen mehr Bedeutungen haben als nur die sexualisierte. Es kann genauso gut eine moderne Art der Aufforderung zum Tanz sein, ganz simpel.

Der Autor hat sich das ganz bewusst so zurecht gelegt hat um seine Argumentation zu stützen, und das disqualifiziert diesen Text bereits und stellt ihn auf die Stufe von BILD Texten!

ersmal im eigenem hof kehren

white flag 16.07.2010 - 11:47
Es ist echt interessant wie sehr sich in letzter Zeit auf eine kleine Randgruppe gestürzt wird. Homophobie wird mittlerweile als Problem der Reggae und Dancehallmusik gesehen.
Homophobie ist aber auch in vielen anderen Kulturkreisen stark verbreitet, nur scheint sich dort keiner daran zu stören. So zum Beispiel unsere Fussballer. Immer wieder gibt es Aussagen von Fussballern, dass sie es sich bei ihrem Job nicht leisten können, sich zu outen. Viele dieser Fussballer haben für die Menschen in unserem Land eine viel größere Vorbildfunktion als ein Sizzla, Tok oder wie sie alle heissen, von denen der Großteil der Leute in unserem Land noch nie etwas gehört hat. Homophobie an Schulen: Jeder dürfte das schon miterlebt haben! Sollen wir jetzt den Kids verbieten auf die Schulen zu gehen?

Auch die Frage warum agieren viele Jamaikaner schwulenfeindlich bleibt wie so oft ungeklärt. Es gibt Gesetzte die Homosexualität auf Jamaika verbieten. An diesen Gesetzen und an diesen Hass auf Homosexuelle hat auch die Kirche ihren Anteil, da sie diese Menschen verteufelt hat und heute immer noch tut. Homosexuelle werden immer noch aus der katholischen Kirchengemeinde ausgeschlossen. Mir tut es leid zu sehen, wie die Menschen auf Jamaika unseren Mist aufsaugen und annehmen, nur um dann wieder hintenherum auf die finger gehauen zu bekommen, und wie scheinheilig ist diese ganze Diskussion bitte, wenn wir doch selber kein deut besser sind.

gesellschaft?

egaal 16.07.2010 - 12:02
der/die autor_in übersieht leider, dass der eigentliche beweggrund für homophobe songs nicht im reggae, sondern in der jamaikanischen gesellschaft an sich liegt. jamaikanische reggae-artists sind ja auch ein bestandteil eben dieser gesellschaft, die von homophobie durchzogen ist, wo homosexualität unter strafe steht und regelmäßig tödlcihe angriffe auf schwule, lesben oder queers stattfinden. so schlimm es auch zu sagen ist, aber in der jamaikanischen gesellschaft (und damit auch unter den reggae-artists) stehen homosexuelle auf der selben stufe wie bei "uns" vergewaltiger oder pädophile. woraus genau diese homophobie resultiert lässt sich nicht genau sagen, es gibt sicherlich viele faktoren, aber die unterdrückung in der kolonialzeit und eine ziemlich krass patriarchale gesellschaftsstruktur sind sicherlich 2 ausschalggebende faktoren.

von daher wäre es falsch, homophobie im reggae nicht als spezifisch jamaikanisches problem zu betrachten. sicherlich gibt es auch weltweit unter reggae-fans homophobie, aber ich wage zu behaupten, dass die keinen größeren umfang erreicht als in irgendeiner anderen beliebigen subkultur.
in diesem zusammenhang würden mich die quellen des/der autor_in brennend interessieren, da mir homophobe überogriffe auf dances oder äußerungen von dt. künstler_innen (abgesehen von gentlemans relativierungen) nicht bekannt sind.

abschließend noch kurz zur falschen verknüpfung des/der autor_in von reggae und rastafari: die kritik an rastafari ist vollkommen berechtigt und zutreffend, jedoch wäre es falsch davon auszugehen, dass reggae und rastafari in einem engen kulturellen zusammenhang zueinander ständen. rastafari entstand in den 30er jahren auf grundlage der schriften marcus garveys (der für seine idee des panafrikanismus auch mit dem kkk zusammengearbeitet hat, wikipedia weiß da genaueres), als religiöse sekte auf jamaika und war von anfang an einer krassen staatlichen repression ausgesetzt. reggae entstand ende der 60er aus dem ska und der übergangsform rock steady, welche beide vollkommen unpolitisch waren und in erster linie einen volksmusikcharakter besaßen. die ersten rastas die reggae als medium für religiöse inhalte benutzten waren burning spear und bob marley (letzterer übrigens ziemlich homophob) und seitdem gibt es viele rastas die reggae-musik machen, auch da es neben einer karriere als krimineller nicht viele möglichkeiten für ein halbwegs würdevolles leben auf jamaika gibt. was aber nicht heißen muss, dass automatisch alle dancehall- oder reggae-artists in einen rastafari-zusammehang gerückt werden können. viele orthodoxe rastas sehen reggae übrigens als ketzerische musik an und manche rasta-tribes verstoßen sogar mitglieder die reggae-musik machen. wobei es auch orthodoxere (zB die bobos aus bull bay) und liberalere (zB nyahbinghi) rasta-tribes gibt, die nicht alle homophobie befürworten, dafür hassen andere tribes weiße menschen und das könnt ich jetzt noch ewig so fortführen.

wie man sieht ist das ein ziemlich komplexes thema und um falschen schlüssen vorzubeugen kann ich nur jedem der sich für dieses thema interessiert, besonders der/dem autor_in dieses artikels, empfehlen, ein paar bücher dazu zu lesen, um eine umfassende und korrekte analyse zu ermöglichen.

murder inna dancehall

rabatz buendnis 16.07.2010 - 15:05
mehr zur murder inna dancehall kampagne www.rabatz-buendnis.net

Der U-Club schafft den Battyman-Tune ab

... 16.07.2010 - 17:44
Es wäre noch zu erwähnen, dass U-Concerts Anfang dieses Jahres eine Selbstverpflichtung veröffentlicht hat, die zwar in Argumentation und Rhetorik sehr fragwürdig ist, in der es aber heißt:

"Wir schaffen den Battyboy-Tune* in Deutschland ab.
Das heißt für die KünstlerInnen, sich an den Reggae Compassionate Act zu halten. Für die Soundsystems heißt es, solche Tunes nicht aufzulegen. Für die Fans, sie nicht zu kaufen. Und für diejenigen Reggaeclubs, die das noch nicht getan haben, klare Vereinbarungen mit den KünstlerInnen zu treffen.

* Hierzu zählen wir Tunes, in denen homophobe Hetze verbreitet wird, sowie Speeches und Ansagen solchen Inhaltes."
(siehe  http://www.dancehall-alliance.de/de)

Es ist also fraglich, ob "zu erwarten ist, dass von den Soundsystems Battymann-Tunes und andere homophobe Songs aufgelegt werden" oder ob U-Concerts das durch "klare Vereinbarungen" verhindern wird.
Für die steht ja wirtschaftlich einiges auf dem Spiel und ich würde fast damit rechnen, dass sie sich nicht die Blöße geben werden, gegen die eigene Selbstverpflichtung zu verstoßen.

@Der U-Club schafft den Battyman-Tune ab

rt 16.07.2010 - 18:50
Du hast Recht das Statement vom U-Club ist ziemlich "halbgar". Im Einzelnen wird dies ziemlich gut bei  http://uclubdichtmachen.blogsport.de/2010/01/10/offener-brief-an-die-betreiber-des-u-clubs/ dargelegt. Aber das komische Logo taucht auf der Seite des Festivals nirgends auf. Das heißt die setzten nicht mal ihre eigenen Ankündigungen um.

Capleton

uclubdichtmachen 16.07.2010 - 20:47
Noch nicht auf der Homepage des Ruhr-Reggae-Festival angekündigt, aber auf anderen Reggae-Seiten ist der Auftritt von Capleton auf dem Ruhr-Reggae-Festival. Capleton singt unter anderem:
„Wenn du nicht auf Mädchen stehst, wird dein Kopf auf die Straße rollen.“
aus Pior Sadam

„Alle Schwulen und Lesben sollten getötet werden.“
aus Give Har

„Du solltest wisen, dass Capleton Arschficker verbrennt. Das selbe Feuer wird gegen Lesben angewand. Sag, ich verbrenne alle solange ich weiß, dass sie schwul sind.“
aus Give Har

„Verbrenn eine Tunte. Lass eine Tunte verbluten.“

Eine Besprechung einer live-DVD von seien Auftritten in einem Reggae-Magazin ließt sich so:
„(…) Die ständigen Battyboy und Chichiman Verbrennungen nerven einfach nur noch und stellen die eigentlichen Inhalte seiner Texte völlig in den Hintergrund. Als müsste er seine Hatelyrics in der Hauptstadt der Homosexualität doppelt so oft von sich geben um alles „Böse“ um ihn herum zu vernichten steigert sich Capleton im Verlauf des Konzerts immer weiter in simple und flache Klischees und Vorurteile rein. Ich will keine toten Schwulen in jedem zweiten Satz, ich will so ausgefeilte und intelligente Lyrics wie bei der Acapella Version von „Stay Far“/“Universal“, die für mich den Höhepunkt des Konzerts darstellt (…)"

Auch in Interviews äußert er sich eindeutig und sagt unter anderem, dass Babylon Homosexualität nach Jamaika hinein trage.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 8 Kommentare

Reggae ist eh doof

16.07.2010 - 02:44
Hört lieber sowas

genau

egal 16.07.2010 - 06:06
alles und jeder der reagee musik macht spielt hört ist ein homophober nazi,ausser der autor und eine persönliche auswahl an künstlern die seinem persönlichen geschmack wiederspiegeln.

langhaarige RASTAS

ich 16.07.2010 - 10:34
lustig finde ich, das die Rastafaris propagieren Männer sollten nicht zu "feminin" aussehen, aber selber Haare bis zum Arsch haben. Trägt nun auch nicht grade zu einem "Männlichen" Gesamteindruck bei.

@ egal

RedZack 16.07.2010 - 10:39
Nein, eben gerade NICHT! Der/die AutorIn hat die Problematik ganz exakt dargelegt und genau begründet, und mit "persönlichem Geschmack" hat das nicht das geringste zu tun. Sondern mit menschenfeindlichen INHALTEN!

Außerdem hat auch niemand von "Nazis" gesprochen, man kann auch durchaus ein homophobes, menschenfeindliches Arschloch sein, ohne ein Nazi zu sein.

Aber Deine Reaktion zeigt sehr gut, wie ignorant sich manche Menschen gegenüber - völlig
berechtigter - Kritik verhalten.

------------------------------------
Aber zurück zum Thema: Wenn das alles, was in dem Artikel steht, tatsächlich zutreffen sollte, dann ist es in der Tat ein Skandal, dass ein derartiges Festival stattfinden kann. Das wäre etwa so ähnlich, wie wenn bei "Rock am Ring" Landser auftritt.

Was ich nicht ganz verstehe: Wenn der genannte Act - wie beschrieben - in seinen Texten zu Mord aufruft, und in Deutschland auftritt... wie ist das eigentlich überhaupt möglich? Aufruf zu Mord ist hierzulande doch eine Straftat. Hinzu kommt § 130 StGB (Volksverhetzung). Also rein kriminalitätstechnisch ein ganz schön dicker Fisch! Für all das, was hier an Straftaten beschrieben wird, dürfte es in Deutschland eine mehrjährige Haftstrafe geben. Wie kann es also sein, dass dieser Typ unbehelligt auftreten kann?

@ ich

tellerrand 16.07.2010 - 10:44
jaja, es ist ein kreuz mit euch deutschen kleinstädtern. schon mal auf die idee gekommen, daß dein bild der männlichkeit ein rein mitteleuropäisches ding ist? und auch schon dran gedacht, dass jameika nicht in deinem nachbardorf liegt, ja nicht einmal in europa? es ist ja soo einfach, überall seine deutschen masstäbe anzusetzen. daher wird es euch auch nicht gelingen, dem problem der homophobie in der rasta-kultur etwas entgegenzusetzen, weil ihr einfach nichts über die kultur wisst.

@tellerrand

Berliner 16.07.2010 - 11:43
Es geht vielleicht auch gar nicht darum, der Homophobie der jamaikanischen Reggae-Szene etwas entgegenzusetzen. Ähnlich wie wir auch nicht akzeptierende Jugendarbeit mit Nazis machen. Da würden wir uns etwas übernehmen zu versuchen in Jamaika zivilisatorische Mindeststandards(z.B. dass man für Sex mit dem Falschen nicht 10 Jahre in den Knast geht, wie es jetzt in Jamaika der Fall ist) zu installieren.

Es geht einzig und allein um die Verhinderung von Veranstaltungen auf denen Menschen uns und andere mit dem Tod bedrohen. Einen weitergehenden Anspruch an diese Szene haben wir nicht und für unseren Anspruch müssen wir uns mit keiner Kultur auseinandersetzen, wir müssen nicht fragen, "wieso?", "weshalb?", "meinen die das wirklich so?", "setzen sie es real in die Tat um?"! Für unsere Zwecke reicht Buttersäure.

"Jamaikanische Kultur"...

punkt. 16.07.2010 - 14:24
Jetzt fangen hier einige ein großes Lamento an über spezifische Besonderheiten "jamaikanischer Kultur" etc. -- Wen interessiert das? Jemand, der in seinen Texten zu Mord an Homosexuellen aufruft, soll bei uns vor der Haustür auftreten und auf einem locker-flockigen "Reggae-Sommer-Festival" den Massen einheizen. Mehr muss man nicht wissen, um gegen dieses Festival vorzugehen! Da muss ich mich nicht intensiv damit beschäftigen, wie es dazu kommen konnte, dass in der "jamaikanischen Kultur" Hass auf Homosexuelle zum guten Ton gehört,... genau so wenig, wie ich darüber Bescheid wissen muss, welche "hochkulturellen" Gründe dazu führen, dass Nazis RassistInnen sind. Wichtig ist nur, dass ein solcher Auftritt nicht, aber UNTER KEINEN UMSTÄNDEN, stattfinden kann. Punkt.

@ Kettensägemassaker

RedZack 16.07.2010 - 15:55
Auch die "Freiheit der Kunst" hat durchaus ihre Grenzen. Und wenn jemand in seiner Musik z.B. zu Mord aufruft, Volksverhetzung betreibt o.ä., kann das selbstverständlich genau so als Straftat verfolgt werden, wie wenn er dies OHNE Musik tun würde. Ansonsten dürfte es ja z.B. auch keine Verurteilungen gegen Nazi-Musiker und Neonazi-Bands geben, die sich ja dann auch immer auf "Freiheit der Kunst" berufen könnten. Da könnte ja jeder Fascho, Rassist, Homophober oder Antisemit einfach seine Hetze als "Kunst" ausgeben oder ihr einen vermeintlich "künstlerischen" Rahmen (Gesang, Gedichtform, etc.) verleihen, und wäre schon vom Grundrecht auf Freiheit der Kunst gegen Strafverfolgung "immunisiert".

Ne, ne, ne... so einfach geht das dann (zum Glück!) doch nicht. Es gibt etliche Strafurteile gegen Musiker, die in ihren Text z.B. rassistische Mordaufrufe verbreiten. Einfach mal googeln!