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Mega-Spree – linksalternativer Protest ?

North-East Antifascists 13.07.2010 21:46
Im Rahmen der geplanten Abschlusskundgebung des Bündnisses „Mega Spree“ am 10.07.2010, kam es mindestens zu einem gewalttätigen Polizeiübergriff auf einem Demonstrationsteilnehmer. Leider kein besonderer Vorfall- so werden Sozialproteste, die sich gegen Kürzungen im Sozial- und Bildungssektor und Gentrifizierungsprozesse in den Berliner Innenstadtbezirken positionieren, zunehmend von Polizeirepression begleitet und öffentlichkeitswirksam kriminalisiert.
Jedoch wurde, wie von Teilen linksradikaler Strukturen bereits im Vorfeld befürchtet, die vermeintlich linke Attitüde des veranstaltenden Bündnisses als das entblößt, was es ist:
Eine linke Charaktermaske, die mit simplen Schlagwortreihen wie „Antirassismus“ und „Rettung vor Gentrifizierung“, „Kulturkahlschlag“ und „Überwachung“, zur Mobilisierung linksalternativer Menschen aufrief. Dies diente primär dem Zweck, den Standort kommerzieller und sozial-selektiver Kreuzberger und Friedrichshainer Locations zu verteidigen.
Wie die Solidarität von diesem vermeintlich kritischen Bündnis aussah, bekamen die von Polizeigewalt Betroffenen konkret und direkt zu spüren. So wurden die betroffenen Personen aufgefordert, die Polizei „nicht zu provozieren“. Selbst die bürgerlich juristische Logik vom „Unschuldigen, der solange unschuldig ist, bis das Gegenteil bewiesen ist“, wurde ausgeblendet. Behauptungen, die Betroffenen würden „schon etwas gemacht haben“, rechtfertigten scheinbar die verwehrte Solidarisierung.
Doch genau dieser vorauseilende Gehorsam gegenüber der Staatsgewalt zieht der ohnehin schon imitierten Sozialkritik des Bündnisses wirksam den Stachel!
Mega Spree- simple Standortrettung mit linker Labelpolitik?

Aus gegebenem Anlass dokumentieren wir einen Redebeitrag der North-East Antifascists (Berlin) auf der Zubringer-Demonstration in Berlin-Prenzlauer Berg.

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Liebt den Widerstand, scheißt auf den Standort!


„Rette deine Stadt!“, prangt es von den Mega Spree-Plakaten, die mit geballter Faust
linken Kampfgeist imitieren. Doch was soll hier eigentlich vor wem gerettet werden?

In den innerstädtischen Bereichen lässt sich eine tiefgreifende Umstrukturierung bestimmter Stadtteile feststellen, die vor allem eine Vertreibung und soziale Marginalisierung alteingesessener Bewohner_innen zur Folge hat. Gentrifizierung- ein Phänomen, dass von Prenzlauer Berg über Mitte bis nunmehr nach Nord-Neukölln einen Prozess der gewaltsamen Verdrängung beschreibt, gegen den linke Hausprojeke, alternative Kunst- und Kulturräume und sozial schwächere Personen in den betroffenen Kiezen Sturm laufen.
Eine Gewalt, die sich von Räumungsklagen bzw. Zwangsräumungen bis in alltägliche Bereiche erstreckt, wenn das Umfeld keine Möglichkeit zulässt, günstig oder auch unkommerziell den Tag oder die Nacht zu verbringen.
Dass diese Gewalt mitunter in den Tod treiben kann, zeigt der verzweifelte Selbstmord des Mieter-Aktivisten Dieter Bernhardt in Schöneberg. Er hatte Widerstand gegen zunehmende Mieterhöhungen im sozialen Wohnungsbau organisiert. Er ertrug laut Abschiedsbrief die Gefühlskälte und Gleichgültigkeit nicht mehr, mit der die herrschenden Politiker_innen der sozialen Armut begegnen.

Die Gewalt ist so alltäglich, dass sie im Bewusstsein schon zur Natürlichkeit gerechnet wird.Erst im November des letzten Jahres wurde in Mitte die Brunnen183 geräumt, da diese der Renditespekulation eines Investors im Weg stand. Im Rahmen der Aufwertungsbestrebungen, die mittelfristig hohe Mieterwartungen für Investoren, und im Gegensatz dazu unbezahlbare Wohnkosten für die Mieter_innen bedeuten, zeigt sich die akute Bedrohung der Bewohner_innen der Reichenberger Straße 63 in Kreuzberg. Aber auch eine unbekannte Anzahl weiterer Wohnhäuser in sämtlichen Stadtteilen Berlins sind von solchen unsozialen Mieterhöhungen betroffen. Sie erfahren kaum oder keine Öffentlichkeit...

Mit Mieterhöhungen von teilw. 20 Prozent sollen diejenigen vertrieben werden, die den Luxussanierungen mit ihren Mietpreisen zu bezahlbareren Konditionen ein Dorn im Auge sind. Sie sind exemplarisch für einen Bevölkerungsteil, dem der Zugang zur Innenstadt verstärkt erschwert wird. Ergänzend dazu werden alternative Kunst- und Kulturprojekte von der Sparpolitik bedroht, die Zuschüsse für Jugendprojekte massiv gekürzt.
Einige wenige Eliteprojekte werden gefördert, die Mehrheit der Bevölkerung wird in Konkurrenz zueinander gesetzt.
Wer sich nicht durchsetzt, fällt durch das soziale Raster...
Durch diese Prozesse der sozialen Selektion werden Räume geschaffen, die unter massiver staatlicher Kontrolle stehen. Neoliberale Stadtpolitik in Reinkultur: Verkaufen und Privatisieren, in Vertrauen darauf, dass „der Markt“ die Gesellschaft regeln wird.
Dies tut er auch dank des Schutzes durch die Gewaltorgane des Staates. Gerade die Exekutive in Form der Polizei und die Legislative in Person der herrschenden Parteien, stechen hervor im Scharfmachen gegen alles und jeden, die die aufgezwungene Herrschaft von Kapital und der Nation in Frage stellen.
Kein Wochenende ohne polizeiliche Repression im Mauerpark, ohne permanente Polizeipräsenz in den Kiezen zwischen Schönhauser Allee und Rosenthaler Platz.
Als Rechtfertigung dienen angebliche „Hassbrenner“ und so genannte „Kieztaliban“, die es wagen, dass höchste Gut des deutschen Bürgers, ob Grünen- oder FDP-Wähler_innen angreifen- nämlich sein oder ihr Auto.
Das Feindbild „linke Chaoten“ wird medial zur Rechenschaft gezogen- für eine weitverbreitete Wut und Verzweiflung aus einer sozialen und kulturellen Armut heraus. Diese lässt auch uns hier und heute gegen die geplante Bebauung des Mauerparks und der damit verbundenen weiteren Kommerzialisierung des Parks und der Umgebung auf die Straße gehen. Die Kontrolle und Überwachung durch Polizei, private Sicherheitsdienste und Kameras nimmt zu: durch „Gated Communities“ und einer Kiezklientel, die Ihr Eigentum in Form von leicht entzündlichen Geländewagen und luxuriösen Wohnungen vor den so genannten „Sozialneidern“ beschützt sehen möchte. Bauprojekte wie die Marthashöfe und Eigentums-Loftwohnungen fördern diese Entwicklung.
Dass die Stadt nicht allen, sondern nur einigen Wenigen zu gehören scheint, bekommen alte Feindbilder wie obdachlose, arbeitslose und sozial benachteiligte Personen zu spüren.

Rette deine Stadt oder rette uns?

Im Rahmen der Megaspree-Demonstration soll die zunehmende Verdrängung und ihre Begleiterscheinungen wie öffentliche Überwachung thematisiert werden. Was als „urban-experimentelle Vielfalt“ seitens der Organisator_innen bezeichnet wird, äußert sich schon seit Jahren in eine kulturelle Ödnis aus Strandbars und Clubs, die genau auch jenes Publikum bedient, welches sich als Betroffene der Gentrifizierung begreift. Sie sind aber auch deren Akteur und Profiteur. Diesen Widerspruch schafft das Bündnis Megaspree in seinem Aufruf nicht zu reflektieren.
Sie reden von „Freiräumen“ und meinen Standorte profitkräftiger Verwertungsmöglichkeiten.
In den Lokalitäten wie der Bar 25/ Bar 24, dem Maria und dem Watergate, um nur die prominenteren zu benennen, wird ganz praktisch der Ausschluss sozial Schwächerer betrieben. „Sekt auf Eis“ oder Cocktails für horrende Preise sind auf ein Publikum zugeschnitten, dass mitsamt der Clubatmosphäre attraktive Wirtschaftstandorte schafft. „Berlin- so jung und kreativ“, lautet der Kanon des vom Kreativ-Fetisch befallenen Roten Rathauses, mit der auch die von der Verdrängung betroffenen Clubs gerne hausieren. Durchhalteparolen á la „Arm aber sexy“ nehmen wir nicht an.
Geld her, sonst knallts?
Sie werben mit linksalternativem Flair, mit angeblicher Improvisation und unkonventionellen Geschäftskonzepten. Doch wo sind die Solidarisierungen dieser Clubs und Bars gegen die von Räumung oder Gentrifizierung bedrohten Häuser und Freiflächen?
Wir nehmen sie beim Wort- statt Sachzwang und Standortrettung, leistet Widerstand und seit präsent im Alltag der Menschen, die heute hier sind.
Wir scheissen auf Standortpolitik und solidarisieren uns mit keinen Clubs und Bars, die keine Freiräume, sondern lediglich alternative Kommerznischen darstellen.
Die vielgenannte experimentelle Vielfalt der kommerziellen Friedrichshainer und Kreuzberger Clubs ist schon längst Bestandteil der kritisierten Standortpolitik des Berliner Senats. „Be Berlin“, heißt auch Ja zu einer Nachtkultur und Kreativindustrie, die genau diesen Ausschluss provoziert. Eine Gentrifizierung, die ihre Kinder frisst...
Jetzt wollen namenhafte Vorreiter der Berliner Kreativindustrie ihren Standort retten...
Wir fordern die Stadt als ganzes ein- einen unbebauten Mauerpark, einen freien Zugang zur Spree und die Möglichkeit, sein Leben autonom, fernab vom Zwang zur Lohnarbeit führen zu können. Wir fordern eine stadtpolitische Entwicklung ein, die sich nach den Bedürfnissen der Menschen richtet. Mauerpark fertig stellen!

Megaspree? Nein, Danke- gegen die Berliner Standortlogik und die Gentrifizierungsprozesse
Für eine starke linksradikale, soziale Bewegung!
Die Stadt gehört allen!

North-East Antifascists im Juli 2010
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Ergänzungen

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Ein sehr guter Kommentar! — Bernd Kudanek alias bjk

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