Berlin: Veranstaltung "Tödliche Polizeigewalt"

AutorIn des Beitrags 09.07.2010 11:13 Themen: Antifa Repression Soziale Kämpfe
Veranstaltung "Tödliche Polizeigewalt" von Einsatzhundertschaft gestürmt

Am Abend des 05.07.2010 fand im Festsaal Kreuzberg in Berlin eine Veranstaltung mit dem Titel "Tödliche Polizeigewalt - Niemand ist vergessen" statt. Organisiert wurde die Veranstaltung von der Soligruppe "No Justice - No Peace", der Antifaschistischen Linken Berlin ::[ALB]::, sowie der Familie des in der Silvesternacht 2008/09 von Bullen ermordeten Dennis J.. Als ReferentInnen waren neben dem Schwager von Dennis auch ein Vertreter der Oury Jalloh Soligruppe und von KOP "Kampagne für die Opfer rassistischer Polizeigewalt" geladen. Dass Reinhardt Rother, Fahndungsspezialist der Berliner Polizei, erst zwei Tage zuvor mit einer Bewährungsstrafe für den Mord an Dennis J. davon gekommen war, verlieh der Veranstaltung eine besondere Brisanz. Nur so ist zu erklären, dass die Veranstaltung von Provokationen der Staatsgewalt begleitet und letztlich von einer halben Einsatzhundertschaft gestürmt wurde.
Schon vor Veranstaltungsbegin erfolgte die erste Provokation. Angestellte des Berliner Ordnungsamtes jagten einen Mann in die Menschenmenge, die vor dem Festsaal Kreuzberg wartete. Eine Hilfspolizistin zog ihr Pfefferspray heraus und versuchte in die Gruppe von Veranstaltungsgästen zu sprühen, durch die der Flüchtige hindurch gerannt war. Auch Kinder befanden sich in der Menge. Um Schlimmeres zu verhindern, wurde der Angreiferin in ihre Waffe gegriffen, so dass sie nicht weiter sprühen konnte. Offensichtlich wurden bei der Attacke jedoch nicht nur Gäste der Veranstaltung durch das Pfefferspray verletzt, sondern auch eine Kollegin der Angreiferin. Doch die Ordnungsamtlerin liess sich dadurch nicht beruhigen, beschimpfte die Gäste der Veranstaltung als "Fotzenköppe" und warf eine Flasche in die Menschengruppe vor dem Festsaal. Sofort traf ein Streifenwagen ein, unterstützt durch den Berliner Staatsschutz, die den Veranstaltungsbegin verzögerten.

Doch ungeachtet der Provokation wurde die Veranstaltung mit etwas Verspätung gestartet. Mehr als 170 Gäste lauschten der Einleitung, die über verschiedene Fälle tödlicher Polizeigewalt informierte, die Zusammenhänge von Rassismus, Klassismus und struktureller Polizeigewalt herausstellte und die faktisch nicht existierende Gewaltenteilung kritisierte, wenn PolizistInnen gegen PolizistInnen ermitteln. Danach informierte der Schwager von Dennis über die staatliche Hetzjagt auf den Bruder seiner Frau, über die Umstände seiner Hinrichtung und über die diversen Verfahrensfehler im Prozess gegen den Mörder. Der dritte Teil informierte über die Umstände des Mordes an Oury Jalloh in Dessau und das folgende Verfahren mitsamt seiner Absurditäten. Und zuletzt forderte der Referent von KOP die Einrichtung einer nicht-polizeilichen Ermittlungsinstanz, um Fälle von Polizeigewalt neutral untersuchen zu können. Nach einer kleinen Pause wurde noch einmal eine Diskussionsrunde gestartet, die jedoch aufgrund der hohen Temperaturen bald ein Ende fand. Viele Veranstaltungsgäste hatten den Festsaal sowieso schon verlassen. Nach dem Ende der Veranstaltung diskutierten einige Gäste noch weiter auf dem Hof, als plötzlich eine halbe Einsatzhundertschaft der Berliner Polizei das Gelände des Festsaals stürmte um angeblich nach einer flüchtigen Person zu suchen. Die verbliebenen Veranstaltungsgäste ließen sich jedoch nicht auf die staatliche Provokation ein und so mussten die uniformierten Schläger unverrichteter Dinge wieder abziehen. Eine flüchtige Person wurde unter den Gästen nämlich nicht gefunden.

Die staatlichen Angriffe auf Dennis Familie, seine FreundInnen und Menschen, die sich mit ihrem Kampf um Gerechtigkeit solidarisieren, zeigt wie wichtig die Zusammenarbeit von linken AktivistInnen und von staatlicher Repression betroffenen KiezbewohnerInnen ist. Und dieser Kampf wird weiter gehen, so lange bis es Gerechtigkeit gibt.

www.antifa.de

NoJusticeNoPeace.blogsport.de (im Aufbau)

www.jockel44.de

KOP Berlin:  http://kop-berlin.de/de

Oury Jalloh Initiative:  http://initiativeouryjalloh.wordpress.com/
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Ergänzungen

Soliaktionen in Leipzig und Magdeburg

(muss ausgefüllt werden) 09.07.2010 - 11:34
In Magdeburg und Leipzig wurden in den letzten Tagen, Solitranspis aufgehangen:

Leipzig:  http://de.indymedia.org/2010/07/285715.shtml

Magdeburg:  http://de.indymedia.org/2010/07/285560.shtml

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fx 09.07.2010 - 12:35
So weit ich weiss wurde übrigens noch vor Ort eine Anzeige gegen die flaschenwerfende-Hooligan-Frau vom Ordnungsamt gestellt, die die anwesenden Bullen widerwillig aufnehmen mussten. Vielleicht weiss irgendwer, was daraus geworden ist?

Stürmen, Filmen und Schikanieren

-o-o- 09.07.2010 - 22:26
Die Polizei ist übrigens mit Kameras in den Festsaal rein und hat einiges innen abgefilmt. Worum es wirklich gin ist völlig unklar. Der Vorfall mit dem Ordnungsamt war Stunden her. Der "Flüchtige" war bestimmt nicht mehr anwesend, was die Polizei ehrlich gesagt auch nicht erwarten konnte. Deshalb ist davon auszugehen - insbesondere wegen der Filmerei - daß es eher darum ging die letzten Besucher_innen einzuschüchtern und das Terrain zurück zu erobern. Wenn sie früher gekommen wären, hätte es garantiert mehr Ärger gegeben und sie wären gar nicht erst in den Festsaal gekommen.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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wieso

wird 09.07.2010 - 14:09
das erst mit 4 tagen Verzögerung bekannt gegeben, wieso findet sich kein wort dazu auf den Webseiten der (mit)Veranstalter?
wieso kommt davon nix in die Öffentlichkeit, obwohl zumindest die ALB ja eine eher medienumgangserfahrene gruppe ist?

fragen über fragen


Beamtendeutsch

Erwin Klaugschieter 10.07.2010 - 07:51
Die Bezeichnung "Fotzenköppe" durch die Ordnungsamtsleiterin ist zwar nicht politisch-korrekt, aber es ist zumindest ein Hinweis darauf, dass sich nun auch die staatliche bzw. kommunale Verwaltung bemüht, ihr stets etwas zu trocken und kompliziert klingendes Beamtendeutsch etwas aufzulockern. Hut ab! Zumindest ein kleiner Schritt in Richtung mehr "Bürgernähe". Nur möchte ich auch in Zukunft kein "amtliches" Schreiben erhalten, etwa mit der Anrede: "Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Fotzenkopp, ...". Dies ginge wohl doch etwas zu weit. Ein schönes Wochenende wünsche ich der verehrten Indymedia-Gemeinde ...