GÖ: Immer noch kein Abschiebestopp für Roma

Roma beshé katé! Alle Roma bleiben hier! 25.06.2010 02:22 Themen: Antifa Antirassismus Globalisierung Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Bislang konnte keine der für den 22. Juni 2010 vorbereiteten Abschiebungen von Roma aus Göttingen ins Kosovo vollstreckt werden; leider nur ein kleiner Teilerfolg. 80 AbschiebungsgegegnerInnnen trotzten um 02.00 Uhr morgens grimmiger Kälte und noch grimmigeren PolizistInnen und schützten die Flüchtlinge. Bundespräsidentschaftskandidat Wulff und sein Innenminister Schünemann halten Verfolgungsdruck auf Flüchtlinge aufrecht. Göttinger Ausländerbehörde stellt zahlreiche Abschiebehaftbefehle aus. 3 junge Roma im Kirchenasyl in Göttingen. Unsportliches Polizeiverhalten behindert sportliche Aktionen gegen Abschiebungen beim Altstadtlauf. NÄCHSTER AKTIONSTERMIN: Montag, 28. Juni 2010, 10.00 morgens - Ämterbegleitung von Flüchtlingsfamilien, die ihre Duldungen verlängern müssen, zur Auslanderbehörde im Neuen Rathaus. Dokumentation eines Berichtes aus Prishtina von der Landung des Air Berlin -Abschiebefluges vom 22.06.2010.
Für vergangenen Dienstag, den 22.06.10, war die Abschiebung von 22 Roma aus dem Göttinger Stadtgebiet und weiteren 8 aus dem Landkreis Göttingen ins Kosovo vorgesehen.
Am Tag zuvor hatte es nochmals eine Ämterbegleitung der Roma gegeben. (mit Bildmaterial:  http://www.goest.de/abschiebung_roma.htm siehe dort 21.06.10)
Als die Polizei in der Nacht vom 22.06.10 um 02.00 Uhr nachts in Begleitung der "Sach-"bearbeiterin der Göttinger Ausländerbehörde Frau Munke vor den Häusern der
Flüchtlinge im Rosenwinkel auftauchte, hatten sich dort bereits 80 Menschen zum Schutz der Roma versammelt und Menschentrauben vor dem Hauseingang gebildet. Der Forderung seitens der Polizei nach Einlass in das Wohngebäude wurde nicht nachgegeben und nach einer guten dreiviertel Stunde zogen die BeamtInnen von dannen, ohne eine Deportation vollstreckt zu haben.

Dass keine der hier geplanten Abschiebungen bislang vollstreckt werden konnte, ist jedoch leider nur als ein kleiner Teilerfolg anzusehen. Denn die niedersächsische Landesregierung von Bundespräsidentschaftskandidat Christian Wulff hält gemeinsam mit den Ausländerbehörden von Stadt und Landkreis Göttingen den Verfolgungsdruck auf die Flüchtlinge aufrecht.
Selbst für drei jugendliche Roma, die sich vor Ablauf ihrer Duldungen ins Kirchenasyl der evangelisch-lutherischen Christophorus-Gemeinde geflüchtet und dies gegenüber den Behörden sogleich mitgeteilt hatten, wurden Abschiebehaftbefehle ausgefertigt, da sie sich "der Abschiebung entzogen" hätten. Ebenso für 9 weitere Betroffene, die sich angeblich durch Untertauchen in die "Illegalität" "der Abschiebung entzogen" haben sollen.
Lediglich für 11 Betroffene wurde aus verschiedenen Gründen vom Göttinger Verwaltungsgericht quasi auf den letzten Drücker eine vorläufige (!) Aussetzung der
Abschiebungen verfügt. Und 2 weitere Betroffene werden zur Zeit in Krankenhäusern akut behandelt.

Für Dienstag, den 22.06.10, war als Tag X zu einer erneuten Demo gegen die Abschiebungen in die Innenstadt mobilisiert worden. Dort trafen ca. 100 AbschiebegegnerInnen auf mehrere 1000 TeilnehmerInnen und ZuschauerInnen des jährlich stattfindenden "Altstadtlaufes", sowie einige Hundertschaften gereizt wirkender BereitschaftspolizistInnen. Diese verhielten sich zum Teil grob unsportlich und sperrten mit einer Kette aus BeamtInnen die Rennstrecke als AbschiebegegnerInnen sich Parolen rufend am Lauf beteiligten. ("Hopp,hopp,hopp - Abschiebungs-Stopp!") (Bilder unter:  http://www.goest.de/altstadtlauf2010.htm#protest )

Für keinen und keine der Betroffenen konnte bislang ein dauerhaftes Bleiberecht durchgesetzt werden. Um es nochmal ausdrücklich zu sagen:
Die Abschiebung von Roma sowie Ashkali und Egyptians ins Kosovo ist mit einer starken Gefährdung ihrer persönlichen Sicherheit dort verbunden.
Abgesehen von rassistischen Übergriffen, von denen sie dort alltäglich bedroht sind, werden ihnen gesellschaftliche Teilhaberechte systematisch vorenthalten. D.h. auch wenn Kosovo formal eine Demokratie ist, finden die Minderheiten bei Wahlen kaum politische Repräsentanz. Der Zugang zu Bildung bleibt ihnen in der Regel verwehrt oder ist nur stark eingeschränkt möglich. Arbeitsplätze gibt es für sie so gut wie keine; medizinische Versorgung allenfalls gegen Bargeld. Alte Besitzansprüche aus der Zeit vor der Flucht können im kosovarischen Rechtssystem von den Roma nicht durchgesetzt werden. Und obendrein werden sie von den Roma, die nicht geflohen waren, häufig nicht mit offenen Armen empfangen, sondern angesichts der krassen Armut eher als Konkurrenz um die knappen Ressourcen gesehen. (vgl. die Dokumentationen von ProAsyl sowie von Chachipe:
 http://www.proasyl.de/fileadmin/fm-dam/q_PUBLIKATIONEN/Kosovo_Bericht_2009.pdf und
 http://www.nds-fluerat.org/wp-content/uploads/2010/05/Gutachten_Chachipe_Innenministerium.pdf )

Wer entgegen der Warnungen vor massiven Gefährdungen für die Abgeschobenen in Kosovo (vom UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge, vom Menschenrechtsbeauftragten der EU-Kommission, ...) weiterhin deren Abschiebung betreibt, wie die niedersächsiche Landesregierung unter Ministerpräsident Wulff und seinem Innenminister Schünemann in Kooperation mit den Ausländerbehörden der Stadt und des Landkreises Göttingen muss sich die Vorwürfe von schlichter Unmenschlichkeit und Rassismus (genauer: Antiziganismus) gefallen lassen.
Es ist somit dringend erforderlich, dass möglichst viele Menschen sich gegenüber den genannten politischen "Verantwortungsträgern" und Verwaltungsbehörden äußern und ihrem Entsetzen über diese Politik Ausdruck verleihen. Nur dann wird es gelingen, die Menschen, die einst nach Deutschland flohen, um Zuflucht zu finden, und die nun seit vielen Jahren hier leben und heimisch geworden sind, dauerhaft zu schützen.

NÄCHSTER AKTIONSTERMIN: Aus diesem Anlass wollen wir erneut am Montag, den 28.06.2010, um 10.00 Uhr morgens diejenigen Roma, deren Duldungen in den nächsten Tagen wieder einmal auslaufen, zur Ausländerbehörde der Stadt Göttingen im Neuen Rathaus begleiten. Wir wollen damit ein Zeichen setzen, dass sie in ihrem Kampf für ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland nicht allein sind. Und wir wollen ihnen hilfreich zur Seite stehen, wenn sie sich mit ihren "Sach-"bearbeiterInnen auseinandersetzen müssen.

Bitte beteiligt euch auch an dieser Ämterbegleitung wieder zahlreich! Und macht euch selber n'Kopp wie ihr die Flüchtlinge weiter unterstützen könnt.

In einem vorigen Indymedia-Artikel gab es vorformulierte Protestschreiben an die Göttinger Stadtverwaltung als ganzes und den Rechtsdezernenten Herrn Hecke im Besonderen. (siehe  http://de.indymedia.org/2010/06/284639.shtml )
Darüber hinaus sind Niedersachsens Noch-Ministerpräsident Wulff und Innenminister Schünemann auf jeden Fall die richtigen Adressaten für Protestbriefe. Ein Göttinger Pfarrer hat treffende Worte gefunden als er zur Begründung für das Kirchenasyl für die drei Roma angab, dies sei notwendig "um eine neue Schandtat des Innenministers zu verhindern".

Eine sehr informative Broschüre zu den aktuellen und historischen Ausprägungen des Antiziganismus zum Download hier:
 http://www.nds-fluerat.org/wp-content/uploads/2010/03/Heft-der-Fl%C3%BCchtlingsr%C3%A4te1.pdf

Weitere Infos wieder unter:  http://www.papiere-fuer-alle.org/

Als Dokumentation hier noch der lesenswerte Bericht einer Menschenrechtsaktivistin, die Zeugin der Landung des Abschiebefluges am 22.06.2010 von AirBerlin in Prishtina wurde:
"gestern landete um 16 uhr 30 auf dem flughafen prishtina ein jumbo-jet der air-berlin mit ca.260-290 menschen an bord. mehr als 100 davon waren polizisten. die deutsche fluggesellschaft air berlin ließ sich den flug und die auswahl der passagiere von der eulex bezahlen. im kosovo ist eulex, abkürzung für "Rechtsstaatlichkeitsmission der Europäischen Union" im Rahmen der "Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik", ein wesentlicher teil der kolonialregierung, die hier das eigentliche sagen hat.
die passagiere waren menschen aus europäischen ländern - hier aus skandinavien, österreich und deutschland, vorgesehen aber nicht an bord waren auch menschen aus frankreich und der schweiz, die aus ihren wohnungen festgenommen und mit polizeigewalt in den kosovo deportiert wurden.
allein aus deutschland waren für diesen flug 190 menschen von den innenministerien aus niedersachsen, nordrhein-westfalen und weiteren bundesländern asngemeldet worden. glücklicherweise befanden sich im endeffekt "nur" 21 tatsächlich deportierte menschen aus deutschland in diesem flieger. der größere teil von ihnen sind roma - menschen ehemals jugoslawischer staatsangehörigkeit, die meist sehr lange in deutschland lebten, deren kinder in deutschland geboren und aufgewachsen sind, deren
sprache und soziale zugehörigkeit deutsch ist. die sog. heimat ihrer eltern existiert nicht mehr, de facto sind sie staatenlose bürger/innen deutschlands. sie besitzen keine kosovarischen pässe, dennoch wurden sie zwangsweise in den kosovo abgeschoben. auch aus anderen westeuropäischen ländern wurden nicht nur menschen albanischer volkszugehörigkeit, sondern ebenfalls roma abgeschoben, also staatenlose bürger/innen westeuropäischer länder.
die ankunft des jumbo-jets der air berlin, wahrscheinlich gestartet in stockholm und mit zwischenlandungen in düsseldorf und wien, wurde zur "absicherung" (vor was wohl eigentlich?) von großen hubschraubern der kfor begleitet, die bereits vor der landung die piste in der luft und am boden "sicherten". am display der ankunftstafel stand absolut nichts über die landung. davor und danach waren nur jets anderer gesellschaften angezeigt. presse war nicht zugegen, dafür aber eine stattliche reihe von staats-, botschafts- und "sicherheits"-vertretern aus vielen europäischen ländern sowie des unhcr und des kosovo, die die deportierten bereits vor ihrem betreten des sog. staatsgebiets kosovo erwarteten, sortierten, registrierten. in die öffentlichkeit hinaus wurden die menschen, die nicht von den sehr wenigen angehörigen (viele
haben hier keine mehr!) abgeholt wurden, von polizisten "abgeschirmt" (vor wem außer der fast nicht vorhandenen "öffentlichkeit"?) in wagen verfrachtet und irgendwohin gebracht. aus schweden befand sich darunter eine gruppe geistig behinderter menschen. im kosovo werden behinderte menschen aus der öffentlichkeit ferngehalten, entweder zuhause quasi eingesperrt oder, wenn das "zuhause" nicht mehr existiert, in den wenigen psychiatrischen anstalten oder psychiatrischen krankenstationen
weggesperrt und mit dem hier sehr gebräuchlichen diazepam (valium) "ruhiggestellt".
die gesichter der zwangsweise ankommenden unterschieden sich sehr von denen der anderen passagiere, sie waren voll scham, angst und verzweiflung, viele mit tränen, vor allem die, die von angehörigen erwartet wurden.
die einzige abgeschobene große familie aus deutschland sind roma aus nordrhein-westfalen mit 4 oder 5 kindern, die älteste ist knapp 13, die beste schülerin ihrer klasse. die eltern lebten seit 21 jahren in deutschland. im kosovo kennen sie niemand. allein diese familie, die bei der festnahme am morgen durch mindestens 30 polizisten im pyjama und der mann in handschellen verschleppt wurden, wurde während des flugs in der air berlin von 4 polizisten "gesichert" begleitet (diese müssten sie mit
sämtlichen deportationskosten, da sind unsere behörden mindestens so genau wie schon in den ns- zeiten, erst auf heller und cent bezahlen, bevor sie eine sog. befristung ihrer wieder-einreise-sperre in ihre deutsche heimat bekommen könnten!). alle standen noch voll unter schock. ihre verzweiflung drückten sie in wut und empörung aus. sie wurden in ein hotel nahe des flughafens gebracht. sie wollten, dass wir heute zu ihnen kommen. wir, das ist außer mir ein filmteam aus berlin, die einen dokumentarfilm über abschiebebedrohte roma in deutschland und deportierte roma im kosovo drehen. heute abend bereits fliegen wir ungehindert zurück in die heimat der aus deutschland deportierten, mit schamgefühlen über die zugehörigkeit zu einem land, das seinen reichtum und seine macht auf kosten dieser menschen mit aller sog. rechtsstaatlichen gewalt ausübt, die aber auch gar nichts mehr mit menschlichkeit zu tun hat.
wir werden weiter berichten."
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Ergänzungen

Pressemitteilung des Ak Aysl

x 25.06.2010 - 16:24
--- Pressemitteilung vom 23. Juni 2010 ---

Informationen zu Abschiebeversuchen und Protesten in Göttingen

In der Nacht vom 21. auf den 22. Juni sollte nach Plänen des
Niedersächsischen Innenministeriums die Abschiebung von fünf
Flüchtlingsfamilien (insgesamt 22 Personen) aus der Stadt Göttingen in die
Republik Kosovo erfolgen. Die Familien sollten zwischen zwei und drei Uhr
durch die Polizei und Mitarbeiter_innen der hiesigen Ausländerbehörde in
ihren Wohnungen im Rosenwinkel aufgesucht werden, um sie dann zum
Flughafen Düsseldorf zu bringen. Von dort sollten sie mit einer Maschine
der Fluggesellschaft Air Berlin nach Pristina ausgeflogen werden. Eigens
dafür hatte die EULEX - Kosovo (Rechtsstaatlichkeitskommission der
Europäischen Union im Kosovo) einen Abschiebeflug organisiert. Die
Maschine sollte bei einer Zwischenlandung in Wien weitere Flüchtlinge für
die Abschiebung aufnehmen.

Am 22. Juni trafen sich gegen 1:00 Uhr etwa achtzig Unterstützer_innen im
Rosenwinkel in der Göttinger Weststadt, um gegen die geplanten
Abschiebungen zu protestieren und um Widerstand dagegen zu praktizieren.
Vor der Haustür der betroffenen Flüchtlinge bildeten sie Menschenketten
und versperrten damit den Zugang. Außerdem zeigten sie themenbezogene,
antirassistische Transparente. Um ca. 1:55 Uhr trafen vier
Mannschaftswagen der Bereitschaftspolizei ein. In ihrer Begleitung waren
auch Mitarbeiter_innen der Göttinger Ausländerbehörde. Nachdem die
Beamt_innen Aufstellung bezogen hatten, versuchte ein Polizist sich Zugang
zum Haus zu verschaffen. Er wollte überprüfen, ob die zur Abschiebung
vorgesehenen Menschen anwesend sind und sie für den Transport zum
Abschiebeflugzeug abholen. Aufgrund der von den Protestierenden gebildeten
Menschenketten gelang es ihm nicht, das Haus zu betreten. Daher war es ihm
nicht möglich zu überprüfen, ob sich die Flüchtlinge im Haus befanden.
Nach 45 Minuten brach der Einsatzleiter den Einsatz ab und gab den Befehl
abzurücken. Seiner Aussage nach soll nun per Haftbefehl nach den
Flüchtlingen gefahndet werden, da diese angeblich nicht anzutreffen
gewesen seien und sich damit ihrer Abschiebung entzogen hätten.

Nicht nur durch den Einsatz der Aktivist_innen im Rosenwinkel wurden
Flüchtlinge von der Sammelabschiebung ins Kosovo vorerst verschont: Drei
junge Menschen fanden mit Hilfe des Migrationsbeauftragten der
evangelisch-lutherischen Landeskirche, Pastor Peter Lahmann, und weiteren
Unterstützer_innen Kirchenasyl in der Göttinger Christophoruskirche. Auf
einer Pressekonferenz am 22. Juni wurde das Kirchenasyl öffentlich bekannt
gegeben und weitere Optionen wurden erläutert. Die Pastorin der
asylgewährenden Kirchengemeinde, Elke Reichardt, sprach in diesem
Zusammenhang von einer christlichen Verpflichtung, in Not geratenen
Menschen zu helfen.
Zwei weitere Familien aus der Stadt Göttingen und eine Familie aus dem
Landkreis stellten beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in
Braunschweig Asylanträge. Zwei dieser Anträge wurden bis zum jetzigen
Zeitpunkt formal angenommen, sodass bis zur endgültigen Entscheidung
darüber ein Abschiebestopp für die Familien besteht. Ein anderes Ehepaar
ist aus gesundheitlichen Gründen im Krankenhaus aufgenommen worden. Ihr
12-jähriger Sohn befindet sich deswegen derzeit mit seinen älteren Brüdern
im oben genannten Kirchenasyl. Bei einer achtköpfigen Familie aus dem
Landkreis Göttingen und einer zweiköpfigen Familie aus der Stadt wurden
die Abschiebungen durch das Verwaltungsgericht am 21. Juni gestoppt. Die
Frau der letztgenannten Familie befindet sich im letzten Drittel ihrer
Schwangerschaft, so dass sie bis zu sechs Wochen nach der Geburt des
Kindes nicht abgeschoben werden darf.

Am Abend des 22. Juni kam es in der Göttinger Innenstadt zu öffentlichen
Protesten gegen die aktuellen Abschiebeversuche und durchgeführten
Abschiebungen. Die Demonstrierenden kritisierten das europäische
Migrationsregime als Ganzes und bezeichneten die deutsche Asylgesetzgebung
als „rassistische Sondergesetzgebung“. Da zeitgleich der alljährliche
„Göttinger Altstadtlauf“ stattfand, nutzten die Demonstrant_innen diesen
Anlass, um die große Menge der Zuschauer_innen und Teilnehmer_innen zu
informieren. Sie führten antirassistische Schilder mit, verteilten sich um
die Absperrungen der Laufstrecke und formulierten lautstark die Forderung
nach einem Abschiebestopp. Die spontane Teilnahme einzelner
Demonstrant_innen am Altstadtlauf wurde nach wenigen Metern von der
Polizei gestoppt. Um 19 Uhr trafen sich die Demonstrierenden am
Wilhelmsplatz und bildeten dort einen Demonstrationszug, der sich dann in
Richtung Barfüßerstraße bewegte. Noch vor Erreichen der Jüdenstraße hielt
die Polizei den Zug an und versuchte, diesen abzuschirmen. Dabei sei es
nach Angaben von Teilnehmer_innen zu Handgreiflichkeiten durch
Polizist_innen gekommen, die Demonstrant_innen dabei ins Gesicht
geschlagen haben sollen. Die Demonstrationsteilnehmer_innen versuchten
daraufhin eine alternative Route zu finden. Nach Verhandlungen mit der
Einsatzleitung der Polizei sei eine kurze Route genehmigt worden. Diese
Genehmigung sei jedoch nach kürzester Zeit wieder zurückgezogen worden, da
sich die Teilnehmenden nicht an die gestellten Auflagen gehalten haben
sollen. Unter Androhung von Zwangsmaßnahmen wurde die Demonstration
schließlich in der Jüdenstraße aufgelöst.

Der Arbeitskreis zur Unterstützung von Asylsuchenden e.V. verurteilt die
menschenverachtenden Abschiebungen und Abschiebeversuche. Des Weiteren
verurteilt er den Einsatz von Gewalt, um die Proteste dagegen zu ersticken
und zu diskreditieren. Er fordert einen sofortigen Abschiebestopp für die
betroffenen Flüchtlinge ins Kosovo und überdies ein generelles,
uneingeschränktes Bleiberecht. Gleichzeitig ruft er zu weiteren Protesten
auf und fordert erhöhten Druck auf die politischen
Entscheidungsträger_innen und Funktionsträger_innen in den
Exekutivorganen.

Der Arbeitskreis dankt den Aktivist_innen für ihr Engagement. Unsere
Solidarität gilt den Flüchtlingen, die am 22. Juni abgeschoben wurden.

Für weitere Informationen zu den Hintergründen der aktuellen Geschehnisse
verweisen wir auf unsere Pressemitteilung vom 21. Juni 2010.

bericht 21.6.

x 25.06.2010 - 16:27
Göttingen: Mehr Aktionen gegen Abschiebungen
 http://de.indymedia.org/2010/06/284639.shtml

in Freiburg sind Roma sicher

Leyla 27.06.2010 - 13:33
Die Stadt setzt sich aktiv für ein Bleiberecht der Roma ein. In Freiburg wohnen deshalb bereits mehr als die Hälfte der in Baden-Württemberg lebenden Sinti und Roma. Hoffentlich gibt es bald ein allgemeines Bleiberecht.

 http://www.swp.de/ehingen/nachrichten/politik/art4306,493933
 http://www.schwarzwaelder-bote.de/wm?catId=9271050&artId=14869222&offset=2
 http://www.tv-suedbaden.de/default.aspx?ID=2107&showNews=691622

Antifa Power

Roma Bleiben Hier! 27.06.2010 - 14:38
Es ist ein Phänomen, für das es keine eindeutige Erklärung gibt: In Freiburg kommen immer mehr Roma an. Die Flüchtlingswohnheime sind überfüllt, die Stadt ruft die Landesregierung um Hilfe.

Den Grund, warum sie hier ist, würde Ceija Majoré (Name geändert) am liebsten vergessen. Ein Mann habe sie mit seinem Auto überfahren wollen, erzählt sie, und schaut runter auf ihren dunklen abgewetzten Rock. Er habe sie erwischt, ihr das linke Bein gebrochen. Die Schmerzen beim Gehen erinnern sie noch daran. In Polje im Kosovo, wo sie herkomme, habe man sie und ihre Kinder auch geschlagen. "Wir mussten weg, egal wohin", sagt Ceija Majoré.

Ein Mann mit einem Kombi habe sie mitgenommen - sie, ihren Mann und die vier Kinder. Details wisse sie nicht, es sei Nacht gewesen, sie habe mit den Kindern auf der Rückbank geschlafen. Vor drei Wochen stand die Familie dann in St. Christoph, einem der Freiburger Flüchtlingswohnheime. Warum gerade dort? "Ich weiß es nicht", sagt Ceija Majoré. Jetzt steht sie in einem Wohncontainer, trägt eine zu große Trainingsjacke und Filzpantoffeln. In den Häusern des Flüchtlingswohnheims war kein Platz mehr.

Infolge des Bürgerkriegs in der einst serbischen Provinz Kosovo Ende der 1990er-Jahre flohen 3000 Roma nach Baden-Württemberg, 690 davon kamen nach Freiburg. Im April haben Deutschland und das Kosovo ein Rücknahmeabkommen unterzeichnet, seitdem ist für viele Flüchtlinge der Abschied näher gerückt. In Freiburg aber ist die Entwicklung gegenläufig. Dort sind seit Januar rund 140 Roma-Flüchtlinge hinzugekommen. Nirgendwo sonst in Baden-Württemberg gab es zuletzt einen vergleichbaren Zustrom. Die Stadtverwaltung kann nur Vermutungen anstellen, warum die neuen Flüchtlinge ausgerechnet Freiburg ansteuern. Sie alle sagen, sie kämen aus dem Kosovo, ausweisen können sie sich aber nicht.

Im Jahr 2006 hat der Freiburger Gemeinderat mit einer Resolution seinen Willen unterstrichen, sich für ein Bleiberecht der langjährig in der Stadt lebenden Roma einzusetzen - Familien, deren Kinder hier geboren sind und die oft selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen. Dieses Bekenntnis könnte sich herumgesprochen haben.

Die offensichtliche Beliebtheit führt Freiburg an seine Grenzen. "Wenn es so weitergeht, müssen wir Notunterkünfte in Turnhallen einrichten", sagt Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach (SPD). Der grüne Oberbürgermeister Dieter Salomon hat die Landesregierung um Hilfe gebeten. Die Flüchtlinge sollten gerecht auf Baden-Württembergs Städte und Landkreise verteilt, die Last müsse geteilt werden. Schließlich würden die neuen 140 Roma Freiburg allein in diesem Jahr eine Million Euro kosten.

Der CDU-Innenminister Heribert Rech aber lässt kühl auf das Aufenthaltsgesetz und die Asyl-Zuständigkeitsverordnung verweisen. "Es gibt eine klare Regelung, nach der unerlaubt eingereiste Ausländer in der Stadt oder in dem Landkreis bleiben, wo sie aufgetaucht sind", erklärt eine Sprecherin. Weil die Roma bei ihrer Ankunft keine Ausweise vorlegen konnten, besitzen sie den Status "illegale Ausländer" - und müssen in Freiburg bleiben. In Stuttgart herrscht die Meinung, Freiburg sei an seinem Problem selber schuld. "Eine gewisse Wirkung kann man der Resolution des Gemeinderats zu den Roma nicht absprechen", bemerkt die Sprecherin.

Bei Sozialarbeiterin Petra Geppert in dem Wohnheim klingelt das Telefon. Eine Studentin will eine Patenschaft für ein Flüchtlingskind übernehmen. "Das kommt recht häufig vor", sagt Geppert. Es gibt Hausaufgabenhilfe für die Kinder und einen Deutschkurs für Frauen.

Woher kommen die Menschen? "Das sind nicht unsere Leute", sagt Bekim Lugar. "Die Roma, die seit Jahresbeginn hier ankommen, stammen alle aus Serbien und nicht, wie sie behaupten, aus dem Kosovo", ist er sicher. Lugar erzählt, dass auch er vor elf Jahren mit seiner Frau und den zwei Söhnen illegal ankam - mit dem Fischerboot über die Adria nach Italien und weiter nach Deutschland. Aber er sei vor dem Krieg geflohen, er wurde aus seinem Haus gejagt. Lugar befürchtet, dass nun alte und neue Roma über einen Kamm geschoren werden.

Bukuria Elezi stellt einen Bohneneintopf auf den Herd. Im Raum nebenan schläft ihr neun Monate alter Sohn auf dem Sofa. Ihr Mann ist einkaufen mit der neuen Chipkarte, die die Flüchtlinge nun bekommen. Bis vor kurzem noch gab es für die Familien Taschengeld in bar. Auch das ist eine Vermutung in Freiburg: Dass die Breisgau-Metropole von Schleppern angesteuert wurde, weil die Geschmuggelten sie mit dem Geld entlohnen können. Tatsächlich sind in den zwei Wochen nach Einführung der Chipkarten keine neuen Flüchtlinge gekommen.

Einen Zusammenhang hält Hans Steiner vom Büro für Migration und Integration der Stadt dennoch für wenig wahrscheinlich. "Ich fände es komisch, wenn eine Gemeinderatsresolution und ein paar Euro eine Völkerwanderung auslösen würden", sagt er. Vielmehr sei die Lage der Roma im Kosovo und in Teilen Serbiens weiterhin von Diskriminierung und Armut geprägt.

Österreich: Arigona Zogajs Familie muss gehen

Foxi 27.06.2010 - 16:11

Stadtradioberichte

Link 01.07.2010 - 14:16