Zivilklausel gegen Militarisierung der Unis

Offenes Treffen gegen Krieg & Militarisierung 24.06.2010 12:21 Themen: Militarismus
Die Militarisierung des gesamten öffentlichen Lebens wird immer unübersehbarer. Die Bundeswehr auf dem Weg zur Berufsarmee nützt die Perspektivlosigkeit der Jugend, um töten und getötet werden als karriereträchtigen Beruf anzupreisen. Mit einem „öffentlichen Rekruten- Gelöbnis“ am 30. Juli in Stuttgart soll in einer gigan­tischen Militarismus-Werbeaktion „Normalität von Krieg und Auslandsein­sätzen“ vermittelt werden. Und wer den Werbern nicht auf den Leim geht, wird in der Uni vor den Karren des Militärs gespannt. Offene oder versteckte Rüstungsforschung durch­dringt fast alle Wissenschaftsbereiche der Universitäten. Dagegen steht das Friedensgebot des Grundgesetzes.

Zum Thema „Universitäten als Kriegs-Dienstleister - Gegenmittel Zivilklausel - Widerstand jetzt„ hat das „Offene Treffen gegen Krieg und Militarisierung“ Stuttgart (OTKM) am 21. Juni zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung eingeladen.
Um das Ergebnis der Diskussion vorweg zu nehmen. Die Anwesenden waren sich darin einig, dass die Friedensbewegung zusammen mit den Gewerkschaften und Studierenden trotz der enormen Belastungen durch die anstehenden Antikriegs­aktivitäten (z.B. Gelöbnix 30. Juli Stuttgart) versuchen sollte Kräfte zu mobilisie­ren, um eine Selbstver­pflich­­tung der Universitäten für „Forschung und Lehre nur zu fried­lichen, zivilen Zwecken“ (Zivilklausel) durchzusetzen.

Der Referent Dietrich Schulze von der „Initiative gegen Militärforschung an Universitäten“ (Webdokumentation:  http://www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf) eröffnete seinen Beitrag mit einem Klassenbild aus dem Jahre 1910 aus einem Artikel von Horst Bethke „Schulkampf als Klassen­kampf“ (analyse & kritik nr. 551) mit der Bildunterschrift: „Davon träumt die Elite: das Gymnasium als Kader­schmiede für den eigenen Nach­wuchs“. Genau darum gehe es heute im Klassenkampf von Oben gegen Schulen und Hochschulen. Dazu gehöre, die Bundeswehr als „Schule der Nation“ zu etablieren und die Hochschulen für Militärforschung in Dienst zu nehmen.

An konkreten Beispielen aus den Universitäten Karlsruhe (KIT), Stuttgart, Hohenheim, Freiburg, München, Kassel, Oldenburg und FU Berlin wurde aufgezeigt, dass natur­wissenschaftlich-technische Bereiche aber auch sozialwissenschaftliche Bereiche aller großen Hochschulen mittlerweile an militärischen und zivilmilitärischen Forschungs­programmen beteiligt sind.

Nachhaltiger Widerstand gegen diese Entwicklung habe sich vor zwei Jahren ausge­rech­net in der konservativen Südwestecke von Baden-Württemberg anlässlich der Fusion der Universität und des Forschungszentrums Karlsruhe zum Karlsruher Institut für Technolo­gie (KIT) entwickelt. Warum? Das Forschungszentrum (früher Kernforschungs­zentrum) hat aufgrund des Potsdamer Abkommens und des Kernwaffenforschungsverbots eine Zivilklausel.

Die Universität unterliegt keiner derartigen Bindung und betreibt, wie die Initiative gegen die Vertuschungsversuche der Uni-Administration aufgedeckt hat, Militärforschung. Da beide Institutionen bis 2011 vollständig verschmolzen werden sollen, könne es nur eine einheitliche Zivilklausel geben oder gar keine. Das letztere sei die Grundhaltung der Landesregierung. Dem widerspreche aber der Tatsache, dass weiter Kernforschung betrieben wird.

In dieser Auseinandersetzung haben sich die Studierenden der Universität Karlsruhe positioniert. In einer bundesweit einmaligen Urabstimmung haben sie im Januar 2009 für eine einheitliche Zivilklausel am KIT votiert. Das wurde von der Landesregierung ebenso wie die Proteste der Gewerkschaften ver.di und GEW ignoriert und eine geteilte Klausel beschlossen, die keinen Bestand haben kann.

Der Referent berichtete weiter, wie die Proteste mit dem Bildungsstreik Ende 2009 verbun­den worden sind, u.a. mit einem Vortrag des US-amerikanischem Friedens­wissenschaft­lers Subrata Ghoshroy im Dezember in der Uni Karlsruhe als Bildungsstreik-Veranstal­tung. Ghoshroy hatte die vollständige Durchdringung der US-Universitäten mit Militär­forschung und die abschreckenden Folgen verdeutlicht.

Inzwischen habe sich die Initiative für die Zivilklausel stark verbreitet. Sie wird vom Bildungsstreikbündnis Baden-Württemberg, der Landes-StudierendenVertretung und dem DGB unterstützt. Der Senat der Uni Tübingen habe im Dezember eine Zivilklausel als Ergänzung zur Grundordnung beschlossen. Die Uni Konstanz habe seit 1991 eine Zivilklausel, wie von der GEW entdeckt wurde. Die Juso-Hochschulgruppe Stuttgart fordere die Zivilklausel für das Landeshochschulgesetz. Es gebe einen Internationalen Appell für die KIT-Zivilklausel und ganz neue Überlegungen für einen generellen Internationale Appell. Am 9. Juli werde es ein bundesweites Vernetzungstreffen auf Einladung des AStA der Uni Braunschweig und der Naturwissenschaftler-Friedensinitiative geben.

Die Diskussion befasste sich intensiv damit, wie die Forderung „Gegen Militarisierung von Schulen und Hochschulen - Streichung der Kooperationsvereinbarung – Zivilklauseln für alle Hochschulen“ umgesetzt werden kann. Elemente dazu: Arbeitskreis der Studierenden an der Uni Stuttgart, Einbeziehung von Beschäftigten der Universität und des Personal­rats, Unterstützung durch Gewerkschaften und Friedensgruppen wie zum Beispiel OTKM und der im aktuellen Bildungsstreik besonders aktiven SchülerInnen. Die allgemeine Überzeugung war, dass es wichtig ist in diesen Punkten voran zu kommen, die Formen der Zusammenarbeit angesichts der Herausforderungen und der mobilisierbaren Kräfte aber noch reifen müssen.

Von Manfred Jansen

Weitere Informationen:
www.otkm.tk
www.blockbw.tk
www.gelöbnix-stuttgart.de
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Ergänzungen

TUB & Rüstungsforschung: Lage fortgeschritten

Nadine Nadellager 25.06.2010 - 01:22
An der TU Berlin werden Drohnen entwickelt. Das ist Fakt. Die Frage ist nur, ob diese mit Wetterradar oder tödlichen Waffen ausgerüstet werden. Wir sind seit langem hinter einer sog. "Zivilklausel" hinterher, leider schaffen wir es nicht allein. Bitte, schreibt an alle Uni-Präsidenten, die ihr kennt, dass Frieden nur dann läuft, wenn es alle wollen

Probleme in Tü

B. Engler 25.06.2010 - 14:23
In Tübingen wurde zwar im Dezember nach der Hörsaalbesetzung eine Zivilklausel verabschiedet, jedoch schon mehrfach umgangen. Mehr Infos dazu findet man in einem offenen Brief an das Rektorat:
 http://www.jpberlin.de/tueinfo/cms/node/19082

Zivilklausel kann nur ein Anfang sein

Universitätsstadt Tübingen 25.06.2010 - 14:34
Wie das Beispiel Tübingen zeigt, ist eine Zivilklausel noch lange kein Garant gegen die Militarisierung von Forschung und Lehre, sondern allenfalls ein Anlass, diese zu kritisieren.

Die IMI hat einige Aktivitäten in Tübingen dokumentiert, zu vielen anderen krassen Militärveranstaltungen an der Uni-Tübingen gab es aber auch gar keine oder nur sehr kleine Proteste:
 http://imi-online.de/2010.php?id=2106

Wiederentwaffnung jetzt!

sf-rebell 25.06.2010 - 17:17
Lesetipp: Planet des Ungehorsams von Eric Frank Russell
Während der Großen Explosion wurden viele Welten besiedelt, und die Behörden von der Erde waren nicht in der Lage, jeden Planeten sofort zentral zu verwalten. Doch dies soll nun nachgeholt werden. Ein riesiges Schiff voller Soldaten und Bürokraten landet auf einem Planeten, doch dessen Bewohner scheren sich nicht um die Ankömmlinge. Im Gegenteil, sie wollen mit ihnen nicht das Geringste zu tun haben und ignorieren sie. Der von der Erde eingesetzte Botschafter will durch die Soldaten das regierende Oberhaupt des Planeten zu sich bringen lassen, doch auch dies mißlingt, denn es gibt unter den Siedlern weder Polizei noch Politiker. Man lebt nach Gandhis Prinzip des »zivilen Ungehorsams«. Es gibt kein Geld, sondern nur Tauscheinheiten, es gibt keine Zentralisierung und demzufolge auch keine Kapitalbildung. Russell beschreibt das Aufeinanderprallen zweier Weltanschauungen auf umwerfend komische Weise und macht sich über all das lustig, was ihn an seiner Gegenwart stört: Überlegenheitsdenken, Bürokratismus und Militarismus. Wer am Ende den kürzeren zieht, kann man sich denken, wenn man die anderen Bücher von Russell kennt.

Bundeswehr an der Uni Münster

b. 26.06.2010 - 11:16
Die Uni Münster vermietet auch mal eben den Schlossplatz an die Bundeswehr.
Am Mittwoch, den 30.6. findet dort um 22.30 ein kleiner Zapfenstreich statt - mit allem was dazu gehört,
Fackeln, Marschmusik, ...

Verderben wir den Militaristen ihre Party!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Der soll mein Opa gewesen sein — Totaler Verweigerer (Alles)

Beispiel aus Kassel — Interessierte*r