Judith Butler lehnt Zivilcourage-Preis ab

tom 22.06.2010 10:01 Themen: Gender Soziale Kämpfe
Judith Butler lehnt Zivil-Courage Preis des Berliner CSD ab: "Von dieser rassistischen Komplizenschaft muss ich mich distanzieren..."
Video auf Y-Tube http://www.youtube.com/watch?v=BV9dd6r361k

Als Berliner Queer und Trans-of-Colour-AktivistInnen und Verbuendete begrüßen wir die Entscheidung Judith Butlers, den Zivilcouragepreis des Berliner CSD e.V. abzulehnen. Wir freuen uns, dass eine renommierte Theoretikerin die öffentliche Aufmerksamkeit, die ihr zu Gute kommt, nutzt, um Queer-of-Colour-Kritiken gegen Rassismus, Krieg, Grenzen, Polizeigewalt und Apartheid zu würdigen. Wir schätzen vor allem ihren Mut zur Kritik und Skandalisierung der Nähe der Veranstalter zu homonationalen Organisationen - ein Konzept, das Jasbir Puar in ihrem Buch Terrorist Assemblages prägte. Ihre couragierte Rede ist nicht zuletzt auch das Resultat ihrer Offenheit für neue Anstöße, und ihrer Bereitwilligkeit, sich mit unserer jahrelangen aktivistischen und akademischen Arbeit auseinanderzusetzen, die allzu oft isoliert, prekarisiert, angeeignet und instrumentalisiert wird.

Dies ist auch jetzt schon wieder zu bemerken, denn die People of Colour Organisationen, die ihrer Meinung nach den Preis eher verdient hätten als sie, werden in sämtlichen bisherigen Presseberichten mit keinem Wort erwähnt. Butler bot den Preis laut und deutlich GLADT (www.gladt.de), LesMigraS (www.lesmigras.de), SUSPECT und ReachOut (www.reachoutberlin.de) an, doch die einzige politische Veranstaltung, an die sich Leute erinnern, ist eine weiß dominierte - der transgeniale CSD. Statt Rassismus konzentriert sich die Presse auf eine plumpe Kommerzialismuskritik. Dabei drückte sich Butler ganz klar aus: „In diesem Sinne muss ich mich von der Komplizenschaft mit Rassismus, einschließlich anti-muslimischen Rassismus, distanzieren.“ Sie stellt fest, dass nicht nur Homosexeulle sondern auch „bi, trans, queere Leute benutzt werden können von jenen, die Kriege führen wollen.“

Vorgestellt wurde Butler von Renate Künast (Bündnis 90 / Die Grünen) – Laudatorin mit deutlichen Schwierigkeiten, sowohl den Namen der Preisträgerin auszusprechen, sowie die Kernaspekte ihrer Schriften zu erfassen, und zwar als beharrliche Kritikerin. Bei den Moderatoren Jan Salloch und Ole Lehmann bewirkte ebendiese Kritik jedoch Gesichtsentgleisung. Anstatt sich in irgendeiner Art mit der Rede auseinanderzusetzen, fiel ihnen nichts anderes ein, als den Vorwurf des Rassismus weit von sich zu weisen und die ca. 50 Queers of Colour und Verbündete, die zu Butlers Unterstützung gekommen waren, mit den Worten zu beschimpfen: „Ihr könnt so laut schreien, wie Ihr wollt, Ihr seid nicht die Mehrheit. Es reicht.“ Dem folgt die zur Kulisse des Brandenburger Tors passende Imperialismusphantasie: „Der CSD macht einfach weiter in seinem Programm.. egal was ist.. weltweit und auch hier in Berlin.. So wird es immer sein und so bleibt es auch.‘

Rassismus ist in der Tat in den vergangen Jahren der rote Faden internationaler CSD-Veranstaltungen, von Toronto bis Berlin, sowie auch der weiteren schwullesbischen Landschaft (s. z.B. „Monster Terrorist Fag,“ den Artikel der Queer of Colour Theoretiker/innen Jasbir Puar und Amit Rai, der bereits 2002 erschien). Das Berliner CSD Motto 2008: ‚Hass du was dagegen?’ Homophobie und Transphobie werden hier als Probleme von Jugendlichen of Colour umdefiniert, die anscheinend nicht richtig Deutsch können, deren Deutschsein immer hinterfragt bleibt, und die schlicht nicht dazugehören. 2008 ist auch das Jahr, in dem der Hasskriminalitätsdiskurs Einzug in die deutsche Sexualpolitik hält. Diesen Aktivismus war bis dato in Deutschland kaum bekannt. Dennoch wurde Hassgewalt genau deshalb so schnell eindeutscht, weil ja bereits klar war, wer der hasserfüllte kriminelle Homophob ist: Migranten, die eh schon als kriminell gelten und immer leichter ins Gefängnis kommen und auch abgeschoben werden können. Diese Moralpanik wird von dubiosen Medienpraxen begleitet und von sogenannten wissenschaftlichen Studien „belegt“: Wo jeder Fall von Gewalt, mit dem eine homosexuelle, bisexuelle oder Transperson irgend etwas zu tun hat – egal ob der vermeintliche Täter weiß oder of Colour ist, und egal, ob der Hintergrund Homophobie, Transphobie, oder eine Verkehrsstreitigkeit ist, als der neueste Beweis von dem in Umlauf gerät, was wir eh schon alle wissen: Dass Homos (gerade anscheinend weiße Männer) es am allerschwersten haben, und dass ,die homophoben Migranten‘ die Hauptursache hierfür sind. Diese mittlerweile unhinterfragte Wahrheit ist nicht zuletzt auch die Frucht der Arbeit homonationalistischer (Puars Konzept) Organisationen wie dem LSVD und Maneo, deren enge Zusammenarbeit mit dem CSD Butler zur Ablehnung des Preises bewog. Diese Arbeit besteht v.a. aus Medienkampagnen, die Migrant/innen immer wieder als ‚archaisch‘, ‚patriarchal‘, ,homophob‘ und gewalttätig darstellen, und People of Colour in Deutschland als unintegrierbar abstempelte. Dennoch erhält eine dieser Organisationen nunmehr öffentliche Gelder, um People of Colour vor Rassismus schützen. Der ,Regenbogenschutzkreis – Schöneberg gegen Rassismus und Homophobie’ wurde von offizieller Seite prompt mit einer Polizeiverstärkung begrüßt. Als Anti-rassistInnen wissen wir leider zu gut, was mehr Polizei (ob gleichgeschlechtlich oder nicht) in einem Viertel, wo auch viele People of Colour leben, bedeutet – gerade zu Zeiten des „Kriegs gegen den Terror“ und der „Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit“.

Genau diese Tendenz weißer schwuler Politik, eine Politik der Solidarität, der Bündnisse und der radikalen Transformation durch eine der Kriminalisierung, Militarisierung und Grenzziehung zu verdrängen, skandalisiert Butler, wohl auch infolge der Kritik und der Schriften von Queers of Colour. Im Gegensatz zu vielen weißen Queers hat sie dafür ihren eigenen Nacken hingehalten. Für uns war dies in der Tat eine mutige Entscheidung.

Presse:
http://www.taz.de/1/debatte/theorie/artikel/1/judith-butler-drueckt-auf-die-spassbremse/
http://www.siegessaeule.de/aktuell/csd-2010-judith-butler-nimmt-den-zivilcouragepreis-nicht-an.html
http://www.3sat.de/page/?source=/kulturzeit/themen/145511/index.html
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/panorama/2767874_Eklat-beim-Christopher-Street-Day-Judith-Butler-nimmt-Preis-nicht-an.html

Ourmedia:
http://www.blacklooks.org/2010/06/%E2%80%98i-must-distance-myself-from-this-racist-complicity-judith-butler-turns-down-berlin-pride-award/http://theoriealspraxis.blogsport.de/2010/06/20/abschrift-der-preis-annahme-verweigerungsrede-von-judith-butler-beim-csd-in-berlin/
http://nohomonationalism.blogspot.com/
http://www.queer-news.at/archives/1686
http://imgartenmitsatie.twoday.net/stories/6388559/

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Ergänzungen

paternalistische, rassistische scheiße

homosyan 22.06.2010 - 13:02
das butler immer nur weiße queere aufordert, sich auch gegen rassismus einzusetzen und nie islamische (wir reden hier nicht von "migrantinnen", wir reden von (re-)muslimisierten jungmännern, die jagd auf schwule machen) menschen auffordert, sich gegen homophobie einzusetzen, zeigt, dass sie glaubt, dass lgbt-people auch an andere denken können, muslems nicht. das ist rassistisch.

Zum Thema

... 22.06.2010 - 14:19
besonders hässlich sind ja die Antirassisten und Antisexisten
www.freie-radios.net/mp3/20070529-antikapitali-17116.mp3

gibt es

noch mods? 22.06.2010 - 18:38
kritik an nicht-deutschen nationalisten / sexisten / vollidioten zu äußern hat leider immer einen xenophobischen touch. ein problem für das es keine lösung gibt.

oder ist das problem viel mehr das überhaupt zwischen deutschen und nicht-deutschen nationalisten unterschieden wird? beides muss weg.

Komisches Verständnis

(muss ausgefüllt werden) 22.06.2010 - 21:13
Ich finde, Butler hat schon ein ziemlich komisches Verständnis.
Gleichzeitig von den CSD-Veranstalter_innen zu fordern, sie würde nur nach Berlin kommen, wenn sie Luxusklasse fliegen dürfe und im Adlon untergebracht wäre, und sich dann derart zu distanzieren, klingt für mich viel mehr nach einer weiteren Selbstdarstellungsaktion als nach fundierter Kritik.

der transgeniale CSD - kurz tCSD

xberg36 23.06.2010 - 02:28
"... an die sich Leute erinnern, ist eine weiß dominierte - der transgeniale CSD ..."
und das ist nun ein Problem von wem? Der tCSD wurde letztes Jahr zum Beispiel vom GLAdT organisiert, dieses Jahr wieder(?). Die Organisationsform ist aber so gewählt das da jeder hingehen kann und sich einbringen kann, das ist beim normalen CSD mitnichten der Fall, der eine kommerzielle Vereinsstruktur hat. Wenn nun hauptsächtlich "weisse" an der Orga bzw Demo beteiligen ist das dann ein Problem der "weissen"? Soll ich jetzt als "Weisser" mir nen "Farbigen" zwangsweise schnappen damit der tCSD bunter wird?

Schon damals hiess es: Blame the Ausländer!

Cetin 27.06.2010 - 05:21
Das Problem ist schon viele Jahre alt, bereits 2004 wurde dieser Artikel zum Thema geschrieben und er hat an Aktualität nichts eingebüsst:  http://x-berg.de/gender/04/05/12/1958254.shtml

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öhm? — name

Adlon-Unterbringung — Mönsch

@Chen — Ingo

@Ingo — tutnichtszursache

@ ingo — .chen

Klartext — bravo judith!

löschwichtel — fdsa

@bravo judith! — Joy