Flüchtlinge in der Türkei

Leyla Tomsky 18.06.2010 10:52 Themen: Antirassismus Weltweit
Laut dem aktuellen Bericht der NGO IHAD sind 2009 43 Flüchtlinge/Migranten in der Türkei, bzw. an deren Grenzen gestorben. Die ersten Zeitungsberichte für 2010 weisen nicht auf eine Besserung der Situation hin. Bis Mai 2010 sind bereits 27 Menschen an den Grenzen tot aufgefunden worden. Man kann davon ausgehen, dass die tatsächliche Zahl der Toten weitaus höher ist.[1]
Ein "Gasthaus für Ausländer" (türk.: misafirhanesi)
Ein weiteres großes Problem ist der Anstieg an Festnahmen von MigrantInnen. Viele werden festgenommen, weil sie nach türkischem Recht die Grenzen illegal übertreten haben. Laut IHD und TIHV wurden 2009 23.014 Flüchtlinge und Asylbewerber inhaftiert.[2] Einmal festgenommen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, in einem der sogenannten „Gasthäuser für Ausländer“ monatelang festgehalten zu werden. Oft sind diese Lager überfüllt, die Sanitäranlagen in katastrophalem Zustand und eine medizinische Versorgung fehlt meist völlig. Die Menschen in den Lagern klagen über Freiheitsentzug und Isolation.[3]

Asylregelung

Die Türkei ist Mitunterzeichner der Genfer Flüchtlingskonventionen von 1951. Die damals festgeschriebenen zeitlichen und geografischen Beschränkungen haben viele Staaten aufgehoben. Die Türkei aber nicht. Der türkische Staat sieht sich nicht verpflichtet, Flüchtlinge aus Nicht-EU-Ländern aufzunehmen. Da die meisten Flüchtlinge jedoch aus diesen Ländern kommen, hat die Türkei seit 1996 für diese Fälle eine eigene Asylregelung. Demnach müssen alle, die Asyl beantragen wollen, beim türkischen Staat vorstellig werden, um ein temporäres Asyl zu erhalten. Parallel dazu müssen sie beim UNHCR einen Antrag auf Asyl stellen. Allerdings beantragt nur ein Bruchteil der Flüchtlinge überhaupt Asyl. Die Gefahr, abgeschoben zu werden und monatelang in einem der Lager festgehalten zu werden, ist zu groß. Zu dem sind die Standards für die Verfahren äußerst mangelhaft, wenn man überhaupt Zugang zu diesen bekommt.

„I had an interview with the police officer. I told him that my passport was not a fake passport. The interpreter wasn’t good. The officer told me that I must pay to get a ticket to get home. I said that I don’t have money to get a ticket and I cannot return home because I am a refugee. He told me to call UNHCR because they can’t do anything for me. But UNHCR told me I should tell the police. I told the police many times that I wanted to give my petition to claim asylum but the police said no. In the end, I was released with an order of deportation so the police never took my asylum application”(Ein kongolesischer Flüchtling berichetet, zietiert aus: HCA 2007, S. 30)

Widerstand

2009 und 2010 hat das Europäische Gericht für Menschenrechte drei iranischen Flüchtlingen (in 2 getrennten Verfahren), die gegen die Türkei geklagt haben, in vielen Anklagepunkten Recht gegeben. So urteilte das Gericht, dass sie jeweils eine Entschädigung von 20.000 € erhalten. Im Fall der zum Protestantismus konvertierten Iranerin Z. N. S. wurde entschieden, dass ihre Abschiebung in den Iran nicht rechtmäßig war. In Istanbul gab es 2009/2010 kleinere Kundgebungen vor den Lagern. Bis jetzt findet das Thema allerdings keine breite Öffentlichkeit.

Der türkische Staat agiert im Umgang mit Flüchtlingen/Migranten menschenverachtend und verstößt gegen internationale Konventionen. Die EU trägt ebenfalls ihren Teil dazu bei, so dass sich die Situation für Flüchtlinge/MigrantInnen stetig verschlechtert. Sie fordert die Türkei auf massiver gegen „illegale“ Migration vorzugehen, wodurch die Kriminalisierung der Migration immer weiter ansteigt. Das bedeutet, dass weitere Menschen auf ihrem Weg sterben werden, weil die Bedingungen für einen Grenzübertritt immer schwieriger werden. Es bedeutet auch, dass mehr Flüchtlinge/MigratInnen in der Türkei festgenommen werden und unter furchtbaren Bedingungen auf ihre Abschiebung warten müssen. Asyl zu beantragen wird unmöglich bleiben, wenn die Türkei nicht die geografische Beschränkung aufhebt, Standards nicht eingehalten werden und andere Länder nicht mehr Flüchtlinge aufnehmen.

Kein Mensch ist illegal! Für das Recht auf Leben und Bewegungsfreiheit!

Ausführlichere Informationen findet ihr unter:  http://leylatomsky.wordpress.com

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[1] Im Januar ist der Jahresbericht 2009 des IHAD (İNSAN HAKLARI ARAŞTIRMALARI DERNEĞİ) über die Situation von Asylbewerbern und Flüchtlingen in der Türkei erschienen.Eine Auflistung der Zeitungsartikel auf Deutsch findet ihr hier: http://leylatomsky.wordpress.com/keine-einzelfalle/
[2] Jahresbericht TIHV (Human Rights Foundation Turkey)und IHD (Human Rights Association), 2009. Zusammenfassung:  http://www.ihd.org.tr/images/pdf/human_rights_violation_in_turkey_summary_table_of_2009.pdf
[3] Helsinki Citizens’ Assembly (HCA), Unwelcome Guests: The Detention of Refugees in Turkey’s “Foreigners’ Guesthouses”, 2007.
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Ergänzungen

40 Flüchtlinge ermordet und beerdigt/ Türkei

AMED 18.06.2010 - 15:34
Der ehemalige Oberfeldwebel: Wir haben 40 Flüchtlinge ermordet und beerdigt

In Yüksekova, einem Landkreis von Hakkari, wurde ein ehemaliges Mitglied des Gendarma Geheimdienstes heimlicher Zeuge des Mordes und der Beseitigung von 40 Flüchtlingen, die 13 Jahre zuvor aus dem Iran ihren mühsamen Weg in die Türkei fanden. Er bot an, den Ort des Massengrabes zu zeigen, in dem die Flüchtlinge beerdigt wurden.

Der ehemalige Oberfeldwebel, dessen Dienst seitens des Geheimdienstes nicht mehr verlängert und vom Dienst suspendiert wurde, hatte der Oberstaatsanwaltschaft einen Deal angeboten, indem er heimlich über diesen Vorfall aussagt. Der 3 tagelang verhörte Oberfeldwebel, der In Hakkari´s Yüksekova, Şemdinli, Çukurca sowie in den Städten Şırnak, Van und zu guter Letzt in Diyarbakır gedient hatte gab zu 12 Jahre lang für den türkischen Geheimdienst zur Bekämpfung von Terror (kurz JITEM) aktiv gewesen zu sein. Während seiner Dienstzeit in Hakkari wurde er 1997 kurzzeitig nach Van´s Landkreis Başkale ausgesandt und sagte, dass 40 Flüchtlinge aus dem Iran in der Türkei gewesen seien. Einer der befehlshabenden Offiziere, Tugay erwähnte dem Brigadegeneral gegenüber, dass die Flüchtlinge mit überwiegend iranischer, pakistanischer und afghanischer Staatsbürgerschaft, im Falle einer Festnahme abgeschoben würden und sie die Einreise erneut versuchen würden. Der ehemalige Feldwebel führte seine Aussage fort und erwähnte den Befehl „Töte ALLE! nachdem den Flüchtlingen die Hände auf den Rücken gebunden wurden und sie nur 5 km vom Hauptquartier entfernt hingerichtet worden seien. Die Getöteten wurden, laut Aussage des Zeugen, in Massengrab untergebracht, welches zuvor mit einem Bagger freigeräumt wurde und die Leichen anschließend als PKK Mitglieder protokolliert. Für die Bearbeitung dieses Falles und die Bekanntgabe des Massengrabes, wurde die betreffende Akte an die Oberstaatsanwaltschaft in Van geschickt.

Türkische Tageszeitung SABAH

Link :  http://efendisizler.blogsport.de/2010/05/21/der-ehemalige-oberfeldwebel-wir-haben-40-fluechtlinge-ermordet-und-beerdigt/


Türkische Tageszeitung SABAH ( Sabah Gazetesi ) :  http://www.sabah.com.tr/Gundem/2010/05/11/eski_uzman_gizli_tanik_oldu_40_multeciyi_oldurup_gomduk

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